Kingsoft – Die Könige der deutschen Heimcomputerspiele

Von Karsten Heilmann am
Kommentiert von: Uwe Eden, Michael, Uli, Tommi, Marcus Schätzle, Fritz Schäfer, Stephan, Karsten, Bernd
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Die ehemalige deutsche Firma Kingsoft wird hierzulande jedem Freund klassischer Computer- und Videospiele ein Begriff sein. Spätestens nach Erwähnung legendärer Heimcomputertitel wie Grandmaster, Tom oder Space Pilot wird deutlich, welchen wesentlichen Einfluss das Unternehmen aus Aachen auf die heimische Spielelandschaft der Achtziger Jahre hatte.

Von Aachen in die weite Welt

Kingsoft war seinerzeit weit mehr als ein reines Handelsunternehmen. Und dies obwohl unter dem Label in Deutschland eine Menge britischer Software zum Beispiel Anirog und Zeppelin vertrieben wurde. Alle Kingsoft-Spiele wurden durch freiberufliche Programmierer im eigenen Hause entwickelt und über meist große Handelspartner wie Vobis, Toys „R“ Us und auch die Allkauf Kette vertrieben.

Einen ganz besonderen Stein im Brett hatte die Firma bei den Freunden der Commodore 264-Heimcomputerserie, also den Heimcomputern C16, C116 und Plus/4, deren Spiele unser Beitrag in den Mittelpunkt stellt. Kingsoft war einer der wenigen Hersteller am Markt, der regelmäßig Programme für diese Systeme veröffentlichte. Nicht nur durch diesen Umstand schrieb Kingsoft deutsche Computergeschichte.

The Way Of The Tiger für C16 und Plus/4 aus 1986. (Bild: Gremlin Graphics)
The Way Of The Tiger für C16 und Plus/4 aus 1986. (Bild: Gremlin Graphics)

Über den Nachschub an hochwertiger Software brauchen sich die geplagten Besitzer von Commodores glücklosen C16 nicht zu beklagen. Die wenigen Entwickler, die die Plattform trotz ihrer geringen Verbreitung unterstützen, bringen von 1985 bis 1987 insgesamt nur rund 100 Spiele in den Handel. Die meisten dieser Werke für den Budget-8-Bitter stehen wegen ihrer mangelnden Qualität wie der Rechner selbst von Anfang an auf verlorenem Posten.

Selbst technisch schwache Spielhallen-Umsetzungen sind auf dem C16 schon ein seltenes Gut. Die Space Panic aus Universals Automaten greift in der C16 Umsetzung von Atlantis 1986 auch zuhause als Panic 16 (Atlantis Software, 1986) um sich. Doch nur selten lässt sich diesen Machwerken ein abendfüllendes Erlebnis abringen. Oft kommt wegen der planlosen und hektisch agierenden Gegner ein taktischen Spielgefühl noch nicht einmal im Ansatz auf.

Standard-Maze-Geschicklichkeitstests wie Heebie Jeebies von Livewire Software (ebenfalls 1986) bilden oft schon den Höhepunkt der privaten Spielesammlung. Simple Plagiate etablierter C64-Martial-Arts-Hits wie das spielerisch katastrophale Way Of The Tiger (Gremlin Graphics, 1986) lassen nicht die Fäuste sondern den Kragen der Spieler explodieren. Der wesentlich bessere galaktische Jet-Pack-Flug von Codemasters ‘G’Man (1986) erlaubt C16 Benutzern immerhin auf kosmischer Ebene, ihr Können unter Beweis zu stellen.

Mastertronic produzieren mit dem Tresorknacker-Epos The Exploits Of Fingers Malone von 1986 ebenfalls zumindest solide Arbeit, deren einstige Existenz im Lauf der Jahre nicht wie die der meisten anderen Machwerke in dunkelster Vergessenheit verschwindet. Dem Spiel wird im Dezember 2009 die Ehre eines Windows-Remakes zuteil. Eine absolute Ausnahme für einen C16 Titel.

Kingsoft in Kürze

  • Kingsoft wurde 1983 in Aachen durch Fritz Schäfer gegründet.
  • Wichtige Top-Titel waren: Grandmaster, Galaxy, Tom, Space Pilot, Winter- und Sommer Olympiade und Emerald Mine.
  • 1995 wurde Kingsoft von Electronic Arts (EA) gekauft. Die Integration wurde Anfang 2000 vollständig abgeschlossen.

Neues aus Schnackebusch

Aber auch in der finsteren Nacht dieses Kapitels der 8-Bit-Heimcomputer-Ära leuchtet einsam ein helles Licht. Unter den Firmen, die Programme, Spielesoftware und Anwendungen für den C16 auf dem Markt vorstellten, nimmt die deutsche Kingsoft GmbH deutlich die vorrangige Stellung ein. Besonders das Spieleangebot aus deren eigener Produktion ist in Qualität und Bandbreite auf dem C16 ohne Konkurrenz. Der Hersteller deckt ein breites Spektrum gängiger Genres dieser Zeit ab und sorgt mit seinem hochwertigen Stil für eigene Akzente.

Gegründet wird Kingsoft im Jahr 1983 von Fritz Schäfer. Sitz der Firma ist in der Zeit ihres Bestehens der Ort Schnackebusch bei Roetgen in der Nähe von Aachen.

Kingsoft vertreibt sowohl die eigenen Produktionen in Deutschland als auch Software anderer Firmen. Zum Tagesgeschäft von Schäfers Firma gehört ebenfalls die Portierung von populären Spieletiteln auf diverse Heimcomputer der Zeit. Motiviert durch den kleinen C16-Boom als „erster Computer von Aldi“ läuft Kingsoft 1986 zur Höchstform auf. Für günstige 39 DM kommt zusätzlich die Sammlung „Plus-Paket 16“, die vier Spiele der Top-Schmiede enthält, in den Handel. Bereits im darauffolgenden Jahr endet allerdings schon die Softwareproduktion für den C16 in Roetgen.

Der Schwerpunkt von Kingsoft liegt auf den Spielen für den C16 (und seine Mitstreiter C116 und Plus/4), aber Schäfer vertreibt auch eine erstaunlich leistungsfähige BASIC Erweiterung für den C64, die auf einem Steckmodul untergebracht ist, und trotz 50 zusätzlicher Befehle den BASIC Speicher auf 61183 Byte vergrößert: Das Business Basic. Für den C16 ist ein Datasetten-Schnelllade-Programm namens „Turbo Tape“ ebenso erhältlich wie Fachliteratur in Buchform.

Trotz seiner hohen Qualitätsstandards rutscht das Unternehmen in die roten Zahlen. Jenseits vom C16 kann sich Schäfer auf dem heftig umkämpften Heimcomputermarkt nicht durchsetzen. Ab 1992 arbeitet Kingsoft mit Electronic Arts zusammen. Die Übernahme durch den Riesen-Publisher erfolgt am 8. März des Jahres 1995. Die Firma hat zu diesem Zeitpunkt 19 Mitarbeiter. Die Übernahme erfolgt hauptsächlich mit dem Ziel, Schäfers Kontakte für den Vertrieb auf dem deutscher Markt zu nutzen. 2000 wird Kingsoft vollständig in Electronic Arts integriert.

Eine von Kingsoft vertriebene Erweiterungsplatine, die den Commodore 16 auf 64 KB RAM aufrüstet. (Bild: Kingsoft)
Eine von Kingsoft vertriebene Erweiterungsplatine, die den Commodore 16 auf 64 KB RAM aufrüstet. (Bild: Kingsoft)

Begabte Entwickler

Zu den prominentesten Programmierern von Kingsoft gehören Henrik Wening, der mit seinem Space Pilot unvergesslich wurde und Udo Gertz, den man wohl am ehesten für Tom erinnert. Gertz Angewohnheit deutlich in Spielen auf seinen Namen hinzuweisen macht ihn im gesamten Bundesgebiet und über deren Grenzen hinaus bekannt.

Musste der Schöpfer von Ataris Adventure Warren Robinett noch klammheimlich in einen versteckten Raum auf sich aufmerksam machen, so kann der deutsche Entwickler bei Kingsoft völlig ungezwungen sogar auf dem eigentlichen Spielbildschirm, wie beispielsweise bei Tom (1985) oder Bongo (1986) seine Urheberschaft unter Beweis stellen. Udo Gertz programmiert die Software in seiner Privatwohnung in Assembler und Basic.

Ein Nachbar erinnert sich:

„Ich bin damals in derselben Straße aufgewachsen wie er. Zwei Häuser weiter. War oft bei ihm, weil er der totale Byte-Checker war. Zu Zeiten, als Computer echt noch Science-Fiction waren und er hat uns (…) gezeigt wie er seine Spiele entwickelt. Er war damals ca. fünf Jahre älter als die anderen in der Straße und jedesmal, wenn er einem von uns wieder ‘ne tolle Basic-Subroutine programmiert hat in unseren „Projekten“, dann war derjenige wieder für Wochen der König, weil er den anderen wieder was cooles voraus hatte. (lacht)“.

Aus Mangel an Ressourcen arbeitet Gertz in den Pioniertagen der deutschen Softwareentwicklung noch vornehmlich mit eigenen Editoren. Meist handelt es sich um reine Ein-Mann-Projekte. Lediglich sein Titel Ghost Town von 1985 stellt eine Ausnahme dar und wird unter Mitwirkung von P. Hartmann realisiert. Bei der Erstellung der Arrangements zur musikalischen Untermalung seiner Titel leistet lediglich seine Schwester Brigitte Mithilfe.

Er selbst lebt heute in der Schweiz und hat sich komplett aus der Unterhaltungsindustrie zurückgezogen. Zeitzeugen berichten: „Was Udo Gertz damals aus dem 16er rausgequetscht hat, war und ist auch heute noch schier unglaublich. Wenn man Winter Olympiade und Sommer Olympiade mit anderen Spielen auf der C16 vergleicht, denkt man das sei ein ganz anderer Rechner!“

In Bongo von Udo Gertz muss die gleichnamige Supermaus Diamanten einsammeln. Die Musik des Titels stammt von Brigitte Gertz. (Bild: Kingsoft)
In Bongo von Udo Gertz muss die gleichnamige Supermaus Diamanten einsammeln. Die Musik des Titels stammt von Brigitte Gertz. (Bild: Kingsoft)

Karsten Heilmann über Kingsoft

Mein erster Kontakt mit Computern und Computerspielen überhaupt wurde 1986 durch die Verkaufsaktion des Discounters Aldi ermöglicht. Über seine Eltern gelangte mein damaliger bester Freund und Schulkamerad so in den Besitz des „BASIC-Lernpakets“, also des Commodore-Rechners C16 mit Datasette und BASIC-Lernprogramm.

Zusätzlich bekam er einen Quickshot II und Winter Olympiade von Kingsoft auf Kassette geschenkt. Zu diesem Zeitpunkt waren wir beide elf Jahre alt. Wir spielten diesen Titel zusammen rauf und runter und notierten uns die entsprechenden Zählerstände der sechs Disziplinen des Kassettenlaufwerks in der Anleitung. Erst in der winterlichen Natur unseres Heimatortes Schilaufen, Schlitten- oder Schittschuhfahren. Und abends dann im beheizten Zimmer mit roten Wangen Winter Olympiade von Kingsoft spielen. Ein absoluter Traum!

Kingsofts Winter Olympiade von 1986 ist eine erstklassige Umsetzung des Sportthemas auf dem C16. (Bild: Kingsoft)
Kingsofts Winter Olympiade von 1986 ist eine erstklassige Umsetzung des Sportthemas auf dem C16. (Bild: Kingsoft)

Nach dem Systemwechsel meines Freundes, der sehr schnell vollzogen wurde, ging der C16 samt Winter Olympiade in meinen Besitz über. Wenn ich mich recht entsinne, bekam er von seinen Eltern bereits nach etwa zehn Monaten den neuen Commodore 128D.

Ich erinnere mich, dass ich sehr glücklich war, überhaupt einen Computer mein Eigen nennen zu können aber C64 und C128 waren auch für mich als Kind schon die erkennbar besseren Systeme. Plus: Niemand in meinem Bekannten- oder Freundeskreis besaß einen C16. Jeder, der von seinen Eltern mit einem Computer beschenkt wurde, bekam einen C64. Auch für meinen Freund war der C128 de facto nur ein C64 Emulator.

Das C16 Ding war ganz allein meine Sache. Dieser Umstand prägte sehr stark mein damaliges Lebensgefühl von sagen wir mal „Digital- Underground“. Durch meine C16-Solitärstellung konnte ich nicht einfach so drauflos kopieren, sondern lernte früh Original-Software zu schätzen. Die meisten Spielprogramme für meinen Rechner taugten im Großen und Ganzen nicht viel, aber wenn Kingsoft auf der Kassette stand, war das Spiel darauf immer was ganz besonderes. Gerade Tom und Ghost Town von Udo Gertz (der sich ebenfalls für Winter Olympiade verantwortlich zeichnet) waren im Vergleich zu den Produkten anderer Hersteller auf dem C16 echte Perlen.

Die Kingsoft Produkte waren so ziemlich die einzigen Titel, mit denen ich auch wirklich ein spannendes Spielerlebnis auf dem C16 geboten bekam. Gerade durch den im Verhältnis zu den riesigen C64 Diskettenboxen meiner Mitschüler sehr reduzierten Umfang meiner kleinen Kassetten-Sammlung, war ich in der Lage, die Kingsoft Titel besonders zu fokussieren und dementsprechend ausgiebig genießen zu können.

Zusätzlich fand ich damals schon den Umstand klasse, dass Kingsoft ebenso wie ich offensichtlich C16-Underdogs aus der deutschen Provinz waren. So etwas schafft einfach eine besondere Identifikation!

Meine Zeit als C16 User währte bis Weihnachten 1988. Danach stieg auch ich auf den C64 um. Wenn ich zurückdenke, sind die Erinnerungen, die ich mit meinem „Rosebud“ C16 verbinde, aber einfach die schönsten und der C16 und Kingsoft sind für mich untrennbar miteinander verbunden.

Das Grafikadventure Legende im Eis von Alexander Graf von der Schulenburg wurde 1986 veröffentlicht. (Bild: Kingsoft)
Das Grafikadventure Legende im Eis von Alexander Graf von der Schulenburg wurde 1986 veröffentlicht. (Bild: Kingsoft)

Übergang zu EA

Im Jahre 1995 wurde Kingsoft von Electronic Arts gekauft. Was aber war das Ziel dieser Zusammenkunft zum Zeitpunkt der Übernahme? Wie verlief die Zusammenarbeit und wie ging es weiter?

Ein ehemaliger Kingsoft-Mitarbeiter erinnert sich: „Electronic Arts (EA) hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen sehr hohen Anteil am gesamten Videospielmarkt erreicht. Dieser war nun hoch genug, um auf Zwischenhändler und Distributoren verzichten und die großen Ketten alleine beliefern zu können und so den Profit zu erhöhen. Um einen optimalen Start zu haben, hat EA die vorhandenen Distributoren auf dem deutschen Markt geprüft und sich dann für Kingsoft entschieden.

Zeitgleich mit EA wollte auch Microprose (aus dem gleichen Grund) Kingsoft kaufen. Kingsoft war in den Jahren davor massiv gewachsen und hatte zahlreiche exklusive Partner. Zudem waren sie zum größten EA Distributor in Deutschland geworden. EA kam, sah und kaufte. Am Entwicklungsarm von Kingsoft war EA nicht interessiert. Bis zu diesem Zeitpunkt lief die Zusammenarbeit zwischen beiden Firmen gut.

Fritz Schäfer verließ Kingsoft in 1996 und wechselte komplett zu seiner Softwarefirma Ikarion. Ende 1998 verließ er die Branche. Gerd Severin blieb bis zum Ende des Jahrzehnts Geschäftsführer und wechselte dann in die Selbstständigkeit.“

Anekdoten aus Aachen

  • Nicht nur EA, sondern auch die kalifornische Firma MicroProse war am Kauf von Kingsoft interessiert.
  • In vielen deutschen Anzeigen machte Kingsoft bekannt, dass das Unternehmen Interesse an neuen Programmierern hatte.
  • Alle Spiele von Kingsoft wurden ausnahmslos in 100% Maschinensprache geschrieben.

Kingsoft und die Programmierer

In einem ausführlichen Interview mit Henrik Wening, dem Entwickler von Space Pilot, Zaga, Zyron oder Fire-Galaxy vom August 2011 wird die Beziehung zwischen Kingsoft und den freiberuflichen Entwicklern deutlicher.

So hat sich die Aachener Firma so gut wie gar nicht um die Pflege ihrer Schützlinge gekümmert. Nicht nur aus heutiger Sicht ist das verwunderlich. Denn immerhin sind es doch die Spiele-Entwickler, die das Kapital von Spiele-Herstellern darstellen. Ohne Spiele, kein Gewinn. Dennoch gab es keinerlei Pressemitteilungen, Events oder andere öffentliche Veranstaltungen, mit denen man versucht hätte die Menschen hinter den Spielen direkter an Kingsoft zu binden, oder bei denen sie bekannter hätten werden können.

Aus Sicht von Wening war das allerdings kein Problem. Nach eigenen Angaben, war es nicht sein Ziel, „berühmt“ zu werden. Er wollte und hat einfach nur gute Software abliefern wollen und brachte so mit Space Pilot Spielhallen-Feeling auf den heimischen C16.

In Fortress Underground von Jörg Dierks aus 1987 muss man mit einem Hubschrauber ein unterirdisches Höhlensystem durchqueren, um das Kraftwerk des Feindes zu zerstören. (Bild: Kingsoft)
In Fortress Underground von Jörg Dierks aus 1987 muss man mit einem Hubschrauber ein unterirdisches Höhlensystem durchqueren, um das Kraftwerk des Feindes zu zerstören. (Bild: Kingsoft)

Das Verhalten von Kingsoft führte dazu, dass auch über die anderen Programmierer, die für die Firma gearbeitet haben, nur wenig bekannt ist. Das ist schade, denn so entgeht vielen, dass Jörg Dierks beispielsweise mit Fortress Underground einen gelungenen Fort Apocalypse-Klon auf den C16 gebracht hat. Und dabei war es gerade das Action-Genre, bei dem der C16 hinter seinem großen Bruder C64 zurückstehen musste.

Weitere Spiele für Kingsoft wurden von Thomas und Markus Landgraf (Pulsar, Tennis), Alexander Graf von der Schulenburg (Legende im Eis, Operation Hawaii oder Pfad im Dschungel), Jens Engel (Pilot-X) oder Ulrich Knipprath (Die Seefahrt) entwickelt.

Es folgt eine kleine Auswahl an Kingsoft-Titel für die Heimcomputer C16, C116 und Plus/4, mit einer persönlichen Einschätzung zu jedem Spiel.

Kingsoft-Spiele in der Übersicht

Grandmaster (1982)

Kingsofts Debut ist schon ein Jahr vor der Firmengründung fertig. Es handelt sich dabei passenderweise um das „Spiel der Könige“. Durch Grandmasters sehr gute und ausgereifte Routine bietet sich der C16, als er 1985 auf dem Markt vorgestellt wird, für Profis als Schachcomputer an. Neueinsteiger bekommen mit dem im Lieferumfang enthaltenen Regelwerk eine perfekte Einführung geboten. Der Titel unterstreicht den hohen Anspruch, den Kingsoft schon zu Beginn seiner Arbeit an seine Produkte stellt.

Grandmaster war 1982 das Computerspieledebut von Kingsoft. (Bild: Kingsoft)
Grandmaster war 1982 das Computerspieledebut von Kingsoft. (Bild: Kingsoft)

Galaxy (1985)

Bereits 1984 unter dem Namen Pulsar veröffentlicht Kingsoft seinen Weltraum-Pflicht-Titel für 1-2 Spieler. Thomas und Markus Landgraf stellen darin ihre Version des klassischen Galaga-Spielprinzips vor. In traditioneller Manier werden die endlosen Wellen der außerirdischen Angreifer abgewehrt. Der knackige Schwierigkeitsgrad erfordert ein hohes Maß an taktischen Manövern und vorausschauender Vorgehensweise seitens des Spielers. In den unterschiedlichen Angriffsmustern der Elmorgs, Zyclops und Aquilas gilt es stets eine Lücke zu finden.

Mit der gleichen Herangehensweise bewegt sich Kingsoft auf dem Markt der Heimcomputer und fasst den kleinen C16 bei der Softwareentwicklung gezielt ins Auge. Ständiger Treibstoffmangel und die Bedrohung durch die leicht überhitzende Hardware des Piloten sind eine gute Parabel auf die speziellen Sorgen und Nöte der C16 User.

Der Weltraum-Shooter Galaxy war ein weiterer Arcade-Hit auf dem C16 und dem Plus/4. (Bild: Kingsoft)
Der Weltraum-Shooter Galaxy war ein weiterer Arcade-Hit auf dem C16 und dem Plus/4. (Bild: Kingsoft)

Ghost Town (1984)

Kingsofts Maze-Adventure-Mischung versetzt den Spieler nicht direkt in eine Geisterstadt, sondern lässt ihn ein abstraktes, rätsellastiges Labyrinth durchqueren, dass sich aus insgesamt 19 Bildern zusammensetzt. Hier realisiert Kingsoft hochauflösende Grafik auf dem C16 und schafft es trotz 16 KB Mini-Speicher eine düster und unheimlich wirkende Welt zum Leben zu erwecken. Ein mysteriöser Zauberer namens Belegro ist der Hüter eines gut bewachten Schatzes. Als der Spieler sich auf die Suche nach ihm begibt, macht er die Bekanntschaft mit vielen gut versteckten Fallen, löst Kombinationsrätsel und lernt Gegner wie die Spinne Boris kennen.

Die vielen Rätselpassagen geht er am besten mit einem Notizzettel an. Dort werden die einzelnen Items und deren Fundorte ebenso dokumentiert wie seine Erfahrungen aus den Versuch-und-Irrtum Experimenten. Diese führen leider allzu häufig zum sofortigen Ende des Spiels. „Play it again“ ist deshalb schon im Titelbildschirm zur moralischen Unterstützung zu lesen. Der Nur-noch-einmal-Effekt stellt sich bei Ghost Town schon zeitnah ein. Als übergreifendes Knobelthema im Verlauf des Abenteuers wird zusätzlich das Zusammenbasteln eines Zahlencodes erforderlich gemacht, der in der Schlussphase des Gruselspiels zum Einsatz kommt. Der Titel wird in England durch Anirog vertrieben.

Ghost Town entpuppt sich als kniffliges Grusel-Adventurespiel. (Bild: Kingsoft)
Ghost Town entpuppt sich als kniffliges Grusel-Adventurespiel. (Bild: Kingsoft)

Bongo Construction Set (1985)

Die schwächste von Udo Gertz’ Arbeiten auf diesem System. Die Diamanten-Hatz auf Fließbändern, Leitern und Teleportern der „Supermaus Bongo“ glänzt jedoch auf dem C16 im Gegensatz zur C64 Version durch die schon im Namen angedeutete Zugabe eines Level-Editors. Zusätzlich wird der Spieler nicht nach dem Zufalls-Prinzip von seinem Verfolger in die Enge getrieben, sondern dieser ist ihm in den sechs verschiedenen Spielstufen gezielt auf den Fersen. C16 Besitzer sind darüber schon hocherfreut.

Die Titelmelodie dieses Plattformers erinnert frappierend an das Berverly Hills Cop-Thema „Axel F.“ von Harold Faltermeyer. Typisch für den Programmierer sind die Fantasienamen, die er sich für Zauberer Batrus und Prinzessin Legia ausdenkt. Immerhin können die selbstgebauten Level abgespeichert werden. Sammler aufgepasst: Die Ästhetik des Titelmotivs auf der Kassette ist praktisch unbezahlbar!

Supermaus mal zwei: das Jump and Run Spiel Bongo Construction Set wartet mit einem Kassettenmotiv auf, das mit nicht mehr so schnell vergisst. (Bild: Kingsoft)
Supermaus mal zwei: das Jump and Run Spiel Bongo Construction Set wartet mit einem Kassettenmotiv auf, das mit nicht mehr so schnell vergisst. (Bild: Kingsoft)

Legionnaire (1986)

Hier übernimmt ein kompromissloser Einzelkämpfer das buchstäbliche Kommando und gibt es am 28. November 1987 wieder bei der zuständigen Bundesprüfstelle ab. Der ebenfalls von Jörg Dierks stammende, seitlich scrollende Nachfolger Bridgehead landet am gleichen Tag in Kriegsgefangenschaft auf dem Index und wird 1987 leicht modifiziert als Alien Invasion veröffentlicht. In England darf Anco natürlich beide Spiele in ihrer Originalversion frei vertreiben. So können jenseits des Kanals C16-Action-Fans endlich einen Titel der sonst eher friedlichen Kingsoft GmbH erwerben. Ansonsten: Kein Kommentar!

Palmen, Brücken, Stacheldraht: in Legionnaire muß der Spieler mit Waffengewalt zu seinem Hauptquartiert vordringen. (Bild: Kingsoft)
Palmen, Brücken, Stacheldraht: in Legionnaire muß der Spieler mit Waffengewalt zu seinem Hauptquartiert vordringen. (Bild: Kingsoft)

Karate King (1986)

Hier stellt Jörg Dierks erneut sein Talent für Action Titel unter Beweis. Der Titel orientiert sich stark an dem C64 Gassenhauer The Way Of The Exploding Fist und überzeugt vor allem durch seine liebevoll gestalteten und abwechslungsreichen Hintergrundmotive. Die Häuserschluchten von Chinatown, der asiatische Tempel und die untergehende Abendsonne über dem weiten Ozean sorgen auf dem C16 für Martial-Arts Duelle mit internationalem Flair. Dabei hat das gesamte Spiel den individuellen Charme von Selbstgebasteltem, der für viele Kingsoft-Titel typisch ist. Wirklich überzeugen kann Karate King vor allem im simultanen Zweispieler-Modus.

Das endgültige Karatespiel für Ihren C16. So titelt der Klappentext zu Karate King, dem Kingsoft-Titel mit fernöstlicher Stimmung. (Bild: Kingsoft)
Das endgültige Karatespiel für Ihren C16. So titelt der Klappentext zu Karate King, dem Kingsoft-Titel mit fernöstlicher Stimmung. (Bild: Kingsoft)

Winter Olympiade, englischer Titel: Winter Events (1986)

Anzeige von Anco aus dem Jahr 1986 für das C16/Plus4-Spiel "Winter Events". (Bild: Anco)
Anzeige von Anco aus dem Jahr 1986 für das C16/Plus4-Spiel “Winter Events”. (Bild: Anco)

Für eine kleine Sensation sorgte 1986 vor allem der speziell für den C16 (und seinen größeren Bruder Plus/4) entworfene Titel Winter Olympiade. Udo Gertz gelingt es dort mit geschickter Programmierung sowohl die Probleme des Lowend-Rechners hinsichtlich dessen begrenzten Speichers von nur 16k als auch die fehlende Sprite-Darstellung des Multi-Funktions-Chips TED zu kompensieren.

Auf Diskette oder Kassette ausgeliefert orientiert sich der Titel inhaltlich sehr stark an Exyx’ Winter Games. Die einzelnen Disziplinen (Bobfahren, Abfahrt, Skispringen, Eisschnelllauf, Slalom und Biathlon) müssen auf dem C16 wie im Vorbild einzeln nachgeladen werden. Der Entwickler verzichtet aus Speichergründen zwar auf Hi-Res Darstellung des Geschehens, kann aber mit dem technischen Anspruch seines Skispringens die C64 Vorlage sogar noch übertrumpfen.

Auch im Eisschnelllauf hat er die Nase vorn: Zusätzlich zu den beiden parallel startenden Sportlern erscheint sogar noch eine Darstellung der Streckenübersicht. Bei der Präsentation leistet Kingsoft ebenfalls ganze Arbeit, denn die gelungene Darstellung der Eröffnungszeremonie der Veranstaltung und die Nationalhymnen der teilnehmenden Nationen runden das spektakuläre Sportpaket gekonnt ab. Eine solche Qualität hält auf dem Winzling von Commodore bis dahin niemand für möglich. Im Mehrspielermodus erlebt der C16 hier seine spielerisch stärksten Momente. Winter Olympiade wird in der deutschen Fachpresse 1986 zurecht als „Bestes Spiel für den C16“ gefeiert und der Nachfolger Sommer Olympiade von 1987 knüpft an diesen Erfolg nahtlos an.

Das Sportspiel Winter Olympiade wurde 1986 Bestes Spiel für den C16. (Bild: Kingsoft)
Das Sportspiel Winter Olympiade wurde 1986 Bestes Spiel für den C16. (Bild: Kingsoft)

Tom, englischer Titel: Tom Thumb (1986)

178 verschiedene Bildschirme für ein Spiel sind auf dem C16 (Plus/4) eine Dimension von unvorstellbarer Größenordnung. Auch hier gelingt es Kingsofts Talent Gertz ein spannendes Stück Software in außergewöhnlicher Qualität auf die Beine zu stellen. Das sehr gut umgesetzte Vier-Wege-Scrolling kommt wie selbstverständlich zu seinem Einsatz. Ebenfalls weiß das Jump’n’Run um den namensgebenden Protagonisten Tom durch seinen hypnotischen Soundtrack zu punkten, dessen Thema sparsam im Spiel eingesetzt wird. Auch die Atmosphäre der Pyramide, in der sich das Spielgeschehen darstellt, könnte packender nicht sein.

Aufgabe des Spielers ist die genretypische Suche nach Schlüsseln. Mit deren Hilfe gelangt er an den sagenhaften Inhalt des Schatzes von Manilo, dem Meister der Pyramide. Taktische Finesse wird durch die zwei möglichen Laufgeschwindigkeiten von Tom erreicht, dem zerbröselnde Plattformen, animierte Gegner und gefährliche Sprungpassagen seine abenteuerliche Suche erschweren. Das Spiel vereint tolle Technik mit einer Prise Dilettantismus beim Charakterdesign und fängt den minimalistischen Charme des C16 so gekonnt ein. Zusammen mit dem knallharten Schwierigkeitsgrad und der gigantischen Levelarchitektur versinkt der Spieler auch heute noch vor Ehrfurcht in den Tiefen der mittlerweile wahrlich antiken Kammern dieses Meisterwerks.

Haben die Besitzer anderer Heimcomputer schon in den frühen Tagen die Qual der Wahl beim Thema Rennen und Springen, so ist für die weniger gut versorgten C16 Benutzer die durchweg gelungene Arbeit des Softwareentwicklers der eigentliche Schatz in dieser riesigen Pyramide. Ob der englische Titel des Spiels vielleicht doch Tom Tomb lauten müsste ist nicht überliefert. In jedem Fall: Daumen hoch!

Das Plattform-Spiel Tom war eines der kommerziell erfolgreichsten Spiele von Kingsoft. (Bild: Kingsoft)
Das Plattform-Spiel Tom war eines der kommerziell erfolgreichsten Spiele von Kingsoft. (Bild: Kingsoft)

Space Pilot (1986)

Zwar konnte es dieses Meisterwerk aus Bremen aufgrund der limitierten Commodore-Hardware qualitativ nicht ganz mit der Doppel-Z80-Version des Centuri Originals Time Pilot aufnehmen. Dennoch erschaffte der Programmierer Henrik Wening mit seiner 60k-Maschinensprache-Fassung des Zeitsprung-Shooters einen ganz großen Wurf, vor allen Dingen auf dem C16.

Hier muss auch erwähnt werden, dass Time Pilot niemals offiziell für den C64 erschienen ist. Alle Commodore-Heimcomputerversionen des Spiels gehen somit als Wenings Space Pilot in die Geschichte ein. Nicht ganz so schnittig wie das Arkaden-Vorbild aber ungemein spielbar, verdient dieser Titel zu Recht seinen Platz im Kingsoft-Olymp und gehört in jedes gut sortierte Computer-Kassettenregal.

Space Pilot betitelt sich selbst als ein irres Weltraumspiel. (Bild: Kingsoft)
Space Pilot betitelt sich selbst als ein irres Weltraumspiel. (Bild: Kingsoft)

Quellen

  • Wikipedia, die freie Enzyklopädie
  • Happy Computer, Ausgabe September 1986
  • ASM-Aktueller Software Markt, 5/86
  • The CBS Interactive Business Network

Veröffentlicht in: Medien & Literatur, Videospielgeschichten

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Kommentare (10)

  1. Das war jetzt wohl mal Nostalgie pur. Danke für diesen ausführlichen Artikel . Es waren schöne Geräte diese kleinen 8 Bitter. Und Kingsoft hat diesem Computer gute Dienste erwiesen.
    Eigentlich war es bedauerlich, dass die Heimcomputer dann vom Markt gedrängt, beziehungsweise irgendwann von den Spielkonsolen ersetzt wurden. Es waren so fantastisch kreative Geräte.
    Schneutz

    André Eymann
  2. Schöner Artikel. Insbesondere die C16-Erfahrungen kann ich teilen. Rückblickend war es gut, dass ich vom Software-Nachschub abgeschnitten war, so fing ich damals quasi automatisch an, BASIC zu programmieren. Schade, dass dies über Abitur und Studienjahre verloren ging.

    André Eymann
  3. Hach, ich erinnere mich auch an Udo. Ich hing mit oben genanntem Nachbarn gerne bei Udo rum, und wie schon erwähnt, war er der König für uns. Was er mal so eben aus dem Hut zauberte war schon beeindruckend.

    André Eymann
  4. 100% Maschinensprache galt zumindest für die Adventures des Grafen von der Schulenburg wohl eher nicht. Eines seiner Spiele stürzte bei mir mal ab und zum Vorschein kam ein Basic-Programm.

    André Eymann
    1. Das ist richtig. Auch die “Seefahrt” war in BASIC geschrieben. Das bot sogar die Möglichkeit, das Spiel zu erweitern. Es war verdammt schwierig, höhere Geldsummen zu horten, um größere Anschaffungen tätigen zu können, denn regelmäßig verlor man durch Zufallsereignisse prozentual Geld. Daher habe ich eine “Bank” eingefügt, bei der man sein Geld einzahlen konnte, was dadurch geschützt war und sogar jährliche Zinsen abwarf 🙂 Brauchte man Geld, musste man nur etwas abheben. So konnte man im Spiel viel weiter kommen. Eine Erweiterung in Assembler wäre sehr aufwändig geworden.

      André Eymann
  5. Danke für den interessanten Artikel!

    2 Anmerkungen hätte ich aber:
    – Kingsoft war nicht “Zeit seines Bestehens” in Roetgen ansässig, sondern ist 1987 nach Aachen gezogen und ist dort bis zum Verkauf 1995 an EA geblieben.
    – Das mit den roten Zahlen stimmt so nicht, es gab nach dem Umzug nach Aachen und der damit verbundenen Expansion Liquiditätsengpässe, siehe auch den lesenswerten Artikel in der “Retro Gamer”.

    André Eymann
  6. So hieß mein erstes gekauftes Spiel für den Amiga 500, aus dem Hause Kingsoft natürlich. Die Autoren heißen Christoph Sing und Rolf Wagner.

    Ist so ein vertikal scrollender SciFi-Shooter mit diversen Levels vor wechselnden Hintergründen.

    Das Spiel machte auf mich eher den Eindruck, als sei es schnell zusammengebastelt worden – vielleicht war die Atari ST Version ja besser, ich weiß es nicht.

    Überhaupt hatte ich den Eindruck, dass das Geschäftsmodell von Kingsoft darauf beruhte, mit denjenigen Käufern Geld zu verdienen, die sich die wirklich guten, teuren Spiele nicht leisten konnten oder wollten.

    In ihren Werbeanzeigen haben die Kingsoftler ja auch immer nach Programmierern gesucht, die “gegen erstklassige Bezahlung Spiele von internationalem Niveau schreiben.” – Naja… ^^

    André Eymann
  7. In Ausgabe 3/2014 der deutschen RETRO GAMER finden Freunde des Aachener-Software-Urgesteins einen sechseitigen Artikel über KINGSOFT. Autor: Heinrich Lenhardt. Viel Spaß beim Lesen 🙂

    André Eymann
  8. Der C16 war nach dem ZX81 mein 2. Computer. Sommer- und Winterspiele liefen super und waren für damalige Verhältnisse top Spiele. Ich danke den Pionieren deutscher Programme!!!!

    André Eymann
    1. Ja zx 81 ich erinnere mich, ein Kilobyte ram und endloses speichern und laden auf meinen Radio Recorder. Dazu 2 durchgeknallte Fernseher, meine Frau hat sich gefreut. 😉

      André Eymann