Rückblick: 1989 in der Arcade

Von Kryschen am
Kommentiert von: Alex, kryschen, Tobi, Toddy
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Es war 1989, also zu einer Zeit in der wir noch bei unseren Eltern im Dorf wohnten und die nächstgrößere gelegene Stadt war gut zwölf Kilometer entfernt. Bewaffnet mit Autos und sehr viel Langeweile fuhren wir (zu dieser Zeit fast täglich) gegen Abend in die City.

Unser Ziel? Nun, genau genommen gab es zwei! Das erste Ziel war natürlich unsere Lieblings-Pizza-Bude. Dort angekommen gab es zuerst (für jeden von uns nimmersatten Jungs) einen Döner für 4 Mark und 50 Pfennig. Von unserem zweiten Ziel gab es zu dieser Zeit noch mehrere: Die Arcades!

Eigentlich nannte man diese Orte Spielhallen. Nur den wenigsten Leuten war der Begriff „Arcades“ bekannt. Vielleicht aus einem Urlaub im Ausland oder wenn man einschlägige Magazine über diesen Bereich dieses Zeitvertreibs gelesen hatte.

Doch wie sahen diese Spielhallen damals aus? Nun, sie waren auch zu diesem Zeitpunkt schon voll mit Glücksspiel-Geräten. Die „Disc-Automaten“ waren sehr beliebt und in rauen Mengen vorhanden. Gleich daneben hingen noch die „Herz-Ass“-Automaten. Hier gab es nichts zu gewinnen außer Punkte zum weiter Spielen. Dann waren da noch Kicker-, Billard- und teilweise sogar Snooker-Tische als auch Flipper.

… und für einen Heiermann gab es sogar 6 Spiele.

Kryschen

Doch unser eigentliches Ziel waren die Arcade-Automaten. Im Beamtendeutsch wurden diese mit dem Titel „Spiel- und Unterhaltungsgeräte ohne Gewinnmöglichkeit“ beschrieben. Für ein Spiel wurde dann eine Mark eingeworfen oder auch gleich fünf Deutsche Mark um sechs Spiele zu erhalten. Die erste Heiße Schokolade (damals schon im Becher) gab es teilweise sogar von einer Angestellten gratis dazu … und an den Platz getragen!

Und wie sah nun unser nächtlicher Streifzug durch die Spielhallen aus? Nun möchte ich nicht auf alle Einzelheiten eingehen. Auch wäre es mir nach so langer Zeit nicht mehr möglich, alles exakt aufzuzählen. Deshalb möchte ich mich hier auf meine persönlichen Highlights konzentrieren, welche mir in guter Erinnerung geblieben sind.

WEC Le Mans war das erste Rennspiel, dass das 24-Stunden Rennen von Le Mans thematisierte. (Bild: 1986, Konami Inc.)
WEC Le Mans war das erste Rennspiel, dass das 24-Stunden Rennen von Le Mans thematisierte. (Bild: 1986, Konami Inc.)

Zuerst war da eine Spielhalle gleich direkt an einer Hauptstraße. Hier gab es wirklich nicht viel – aber der Automat, der hier gleich im Eingangsbereich stand, war schon schwer beeindruckend. Ein kreisrundes Gerät, der sich um seine eigene Achse drehen konnte. Von außen sah er (soweit man dies bei einem runden Automaten umsetzen konnte) wie ein Bolide von einem 24-Stunden-Rennen aus.

So hockte man sich in dieses sehr kleinen Cockpit, starrte auf den fetten Monitor vor seiner Nase und versuchte mit Gas, Bremse und einer Zweigang-Schaltung sein Glück. Dabei wurde man auf dieser „Drehscheibe“ um gut 180° nach recht oder links geschleudert, um den Effekt der Fliehkräfte in den Kurven zu simulieren. Als hätte dies nicht schon gereicht, um nach längerem Spielen einem das „grün“ ins Gesicht zu zaubern – nein, man wurde zusätzlich noch mit harten Hammerschlägen in die rechte oder linke Seite beim Berühren der Curbs bestraft! Unglaublich was „WEC Le Mans“ aus dem Jahre 1986 von Konami da schon von einem abverlangte!

Weiter geht’s: Kurz um die Ecke in Richtung Innenstadt gab es schon die nächste Zockstätte. Von diesem Ort ist mir das gigantisch-breite elektronische Bildschirm-Unterhaltungsspielgerät in Erinnerung geblieben, welches das Geschehen gleich über drei Monitore darstellt. Man muss sich das so vorstellen: Zwei der Monitore, welche jeweils das erste und das letzte Drittel des Spiels abbildeten, befanden sich unten im Gehäuse und waren nach oben gerichtet. So wurden deren Bildschirme über einen Spiegel (der sich vor dem Spieler befand) reflektiert.

Der dritte Monitor, welcher den mittleren Teil des Spielfeldes anzeigte, befand sich hinter dem Spiegel und war so der einzige, der dem Spieler wirklich zugewandt war. Die Reflexion der beiden unteren Monitore überschnitten sich leicht mit dem des dritten Monitors. So entstand der Eindruck eines sehr großen (fast nahtlosen) Breitbildschirms.

Nicht vergessen: Das Abbildungsformat der Monitore war damals noch 4:3 und nicht 16:9 wie heute üblich! Bei dem Spiel handelte sich übrigens um einen klassischen Horizontal-Shooter. Das Game kam von Taito und trug den Titel „Darius“. Dieser von seinen Ausmaßen sehr außergewöhnliche Automat wurde bereits 1987 veröffentlicht.

Darius Arcade Cabinet mit drei Bildschirmen. (Bild: 空練 via Wikipedia)
Darius Arcade Cabinet mit drei Bildschirmen. (Bild: 空練 via Wikipedia)

Jetzt wieder raus vor die Halle und weiter Richtung Zentrum. Am Ende dieser Straße bog man kurz nach links ab und stand schon vor der nächsten Spielhölle, ich meine das tatsächlich wortwörtlich. Es war immer sehr dunkel in diesem „Loch“, was vielleicht auch daran lag, dass die Besitzer Auslegeware (Teppich) an die Wände geklebt hatten. Wir haben uns auch nie wirklich sehr tief in diese Spielhalle hinein getraut. Zum Glück standen die Videospiel-Automaten gleich beim Eingang.

Das einzige Gerät an das ich mich hier erinnere sah nicht sehr ungewöhnlich aus. Es gab nur eine kleine Anomali̱e̱. Dazu musste man aber schon ein wenig genauer hinschauen. Es befanden sich nämlich (nicht wie üblich) ein Steuerknüppel mit Feuerköpfen vor dem Bildschirm. Nur vier Joysticks schauten aus dem Board heraus. Also ein Automat mit zwei Joystick-Paaren für zwei Spieler. Nun kennt man Games in denen mit zwei Sticks gesteuert beziehungsweise gekämpft wurde.

Zum Beispiel gab es da „Robotron: 2084“, ein Arcade-Spiel aus dem Jahre 1982 von Williams Electronics. Doch dies war ein reines Single-Player Spiel. Nein, bei diesem Arcade-Game handelte es sich um eine Kampfspiel dessen Namen ich sogar noch einmal nachschlagen musste. Das gute Stück hieß „Karate Champ“ und wurde schon 1984 von Technos Japan entwickelt. Hierzulande wurde es von Data East herausgebracht. Auf jeden Fall ein Wegbereiter für alle nachfolgenden Prügelspiele.

Bei Robotron: 2084 muß sich der Spieler gegen Unmengen von Robotern verteidigen. Der Entwickler des Spiels (Eugene Jarvis) hatte sich übrigend zuvor bereits mit
Bei Robotron: 2084 muß sich der Spieler gegen Unmengen von Robotern verteidigen. Der Entwickler des Spiels (Eugene Jarvis) hatte sich übrigend zuvor bereits mit “Defender” einen Namen gemacht. (Bild: Williams Electronics)
Karate Champ war das erste Kampfspiel für zwei Spieler im gleichzeigtigen Modus. (Bild: Technos Japan)
Karate Champ war das erste Kampfspiel für zwei Spieler im gleichzeigtigen Modus. (Bild: Technos Japan)

Okay, raus aus dem Loch und dieses mal gleich im Zick-Zack-Kurs über drei Straßen zur größten Arcade-Halle, welche zur der Zeit in der Stadt zu finden war. Über dem Eingang leuchtete eine große Sonne – oder auch Stern. Über die Jahre hinweg gab es hier fast alle Blockbuster mindestens einmal zu sehen. Zum Beispiel der von Atari Games 1987 veröffentlichte „RoadBlasters“ oder die großen Titel von Sega wie „Out Run“ (1986), „After Burner“ (1987) oder „Thunder Blade“ (1987).

Vielleicht liegt es genau an dieser Fluktuation, dass ich keinen Titel speziell mit dieser Spielhalle verbinden kann. Bevor ich mich also in einer unendlichen Auflistung von Arcade-Spielen verliere komme ich lieber gleich zur nächsten Lokalität.

SEGAs Helikopter-Actionsspiel Thunder Blade gibt es als Sit-In oder normales Cabinet. (Bild: André Eymann, aufgenommen im OCM)
SEGAs Helikopter-Actionsspiel Thunder Blade gibt es als Sit-In oder normales Cabinet. (Bild: André Eymann, aufgenommen im OCM)

Nur ein paar Häuser weiter gab es noch eine klitzekleine Spielhalle. Am Eingang gleich ein Flipper und kurz dahinter ein paar Automaten. Keine großen oder irgendwie besonderen … Nein, eher die klassischen Standard-Automaten. Mit dunkelbrauner Holzoptik foliert und auf den Kanten mit schwarzen Kunststoffleisten überklebte Standardgehäuse. Großer Joystick mit rotem Kugelkopf und den drei ebenso roten Feuerknöpfen mit der Beschriftung „Action I“ bis „Action III“. Warum wir dennoch genau in dieser Arcade so viel Zeit und noch mehr D-Mark-Stücke verloren haben?

Es war ein ganz besonderes „Shoot ’em up“-Game, welches in einer dieser Wechsel-Automaten steckte. Das Spiel kam von Irem und hörte auf den Namen „R-Type“ (1987). Eines der Spiele, die man heute als „Hardcore“ bezeichnen würde. Nicht nur wegen der eingeschworenen Fangemeinde sondern auch wegen dem brutal hohen Schwierigkeitsgrad. Wer auch einmal das Raumschiff mit der Bezeichnung R-9 steuern wollte, um damit gegen das „Bydo“-Imperium anzutreten, sollte nicht lange suchen müssen. Dieses Game wurde für nahezu fast alle Plattformen umgesetzt. Wutausbrüche garantiert!

Das brettharte R-Type ist ein Ballerspiel der ersten Güte. Nur wer schnell ist und sich die Bewegungsmuster der Gegner einprägen kann, überlebt die Levels. (Bild: Irem)
Das brettharte R-Type ist ein Ballerspiel der ersten Güte. Nur wer schnell ist und sich die Bewegungsmuster der Gegner einprägen kann, überlebt die Levels. (Bild: Irem)

Kaum zu glauben aber nach all’ diesen Orten gab es sogar noch einen, welcher auch ein sehr beliebtes Ziel von uns war: Der Hauptbahnhof. Genau genommen gab es dort sogar gleich zwei Attraktionen!Der erste „Point of Interest“ war natürlich auch wieder eine Spielhalle. Wieder mit vielen Automaten bestückt, die sogar noch mehr Spiele als jeweils nur eins beinhalteten. Bis zu vier Spiele beherbergten sie und konnten ganz einfach per Knopfdruck gewechselt werden. Das Spektakuläre hierbei war, dass der Monitor per Motor im Gehäuse gedreht wurde, je nachdem ob das Videospiel einen senkrechten oder waagerechten Monitor benötigte!

Leider kann man diese Geräte heutzutage nicht mehr bewundern. Ebenso all die anderen Orte, welche ich zuvor beschrieben habe, gibt es nicht mehr. Die Spielhallen (oder auch Arcades) sind alle verschwunden. Die Ironie: Eine Möglichkeit noch einmal an solchen Automaten bei lautstarkem Getöse zu zocken ist ein Museum, welches nun keine 200 Meter neben diesem Hauptbahnhof zu finden ist. Das Oldenburger Computer-Museum (OCM).

Somit bleibt mir nur noch zu sagen: Geht doch mal wieder ins Museum … in die Arcades. Es lohnt sich!

Wo kann ich heute noch Arcade Games zocken?

Neben dem bereits erwähnten OCM in Oldenburg, gibt es hierzulande noch ein paar weitere Orte, an denen ausgiebig an den großartigen Arcade Games der 80er und 90-Jahre gezockt werden kann. Hier eine Auswahl.

Hinweis: dieser Text ist zuerst in der Ausgabe #034 des eMagazins KRYSCHEN erschienen. Dort allerdings mit anderen Bildern.


Veröffentlicht in: Hardware

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Kommentare (4)

  1. Meine Erstkontakt war irgendwann 1980/81 ein Asteroids Automat im Schwimmbad, dem bald darauf Space Invaders folgte. Damit war mein Interesse an Arcades wohl geboren.

    Wir hatten hier in Österreich ja keine “expliziten” Spielhallen (im Gegensatz zu Italien mit ihren “Sala Giochi”), aber fast jede Kneipe/Disco/Schwimmbad hatte etwa 2-4 Arcades im Vorraum oder eigenem Kammerl.

    Dadurch gab es in unserem 3900 Seelen Kaff (12km vor der italienischen Grenze) knapp 10 verschiedene Automaten zum ausprobieren.

    Ein Spiel war 5 Schilling … wie gut das man damals wusste das die Italienischen 50 und 200 Lire Stücke die gleiche Größe hatten wie die österreichischen Münzen.

    Viele Automaten haben damals nur die größe gemessen und nicht das Gewicht, weswegen wir um den gleichen Preis teilweise 5 Spiele spielen konnten (aber nur manchmal, wir wollten ja nicht das die Geräte verschwinden).

    Auch wenn ich damals schon C64 und ab 89 den Amiga hatte, war R-Type, Bubble Bobble und Ikari Warriors am Automaten einfach anders.

  2. Sehr schöne Reise, liest sich wirklich so, als wäre man dabei gewesen 🙂
    Ich wohnte auf dem Dorf (und es war wirklich am A**** der Heide, 2m hinter dem Ortsschild war die Welt zuende) und dort gab es null Spielhallen.
    Das Einzige, was ging, war ein Billardtisch und ein Terminator 2 Pinball in einer der fahrradseitig erreichbaren Kneipen.

    Und plötzlich stocke ich beim Lesen, da war es:
    R-Type.
    Von mir damals nur auf meinem Amiga 500 bekannt (ok, mittlerweile gibt’s ja auch schon Smartphone Adaptionen) wusste ich dieses Spiel sehr zu schätzen, war es doch, wie ich damals gelesen hatte, nahezu eine 1:1 Kopie der Automatenversion – inklusiv dem fürchterlichen Schwierigkeitsgrad, der die Automatenbesitzer damals vermutlich allesamt reich machte.
    Dein Text beschreibt ihn einfach perfekt: “Wutausbrüche garantiert” 😀
    Der Suchtfaktor war aber so hoch, dass trotzdem immer wieder noch eine Runde ging (diese eine be*piiiep* Stelle schaffe ich jetzt!) koste es, was es wolle (in meinem Fall einige Nerven, bei anderen vermutlich ein paar Mark extra).
    Vielen Dank für die kleine Zeitreise! 🙂

    1. Danke für Deinen Kommentar! Schön zu hören, dass meine kleine Zeitreise auch anderen Spass gemacht hat.

      Übrigens das zweite Ziel, welches wir im Bahnhof aufgesucht haben, war der Zeitschriftenladen … Doch dazu mehr in meiner nächsten Geschichte aus dem Jahr 1989. 😉

      der kryschen