Das Genre der Adventures auf Computern hat eine bis in die Mitte der 1970er-Jahre zurückliegende Historie. Seinerzeit wurde ein gleichnamiges Spiel veröffentlicht, in welchem man sich mittels der Eingabe von Textbefehlen durch ein Höhlensystem manövrieren musste. Später wurde diese Art von Spielen durch die Zork-Reihe der Firma Infocom perfektioniert. Dem Benutzerinterface, welches allein auf der Ein- und Ausgabe von Texten basiert, hat diese Spielegattung auch ihren Namen zu verdanken: Es sind die sogenannten Textadventures.
Als im Laufe der 1980er-Jahre die Heimcomputer den Markt eroberten, kam eine visuelle Komponente hinzu. Nunmehr wurden die Räume und Landschaften, in denen sich der Spieler bewegte, nicht mehr allein beschrieben, sondern auch grafisch auf dem Bildschirm dargestellt. Seit dieser Zeit sprechen wir daher von Grafikadventures. Das Spielprinzip blieb jedoch das gleiche: Man muss mit anderen Personen agieren, Gegenstände einsammeln, diese an richtiger Stelle verwenden und somit Rätsel lösen, um die Handlung voranzutreiben.
Im Laufe der Zeit kristallisierten sich zwei Hersteller heraus, die in diesem Segment besonders erfolgreich waren und sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Gunst der Spieler lieferten. Zum einen war dies die Firma Sierra On-Line mit Spieleserien wie Leisure Suit Larry, Space Quest und King’sQuest. Zum anderen natürlich Lucasfilm Games, welches später in Lucas Arts umbenannt wurde und dem wir solche Klassiker wie Maniac Mansion, Monkey Island oder Sam & Max zu verdanken haben.
Erfolge feierte das Genre vor allem auf den bereits erwähnten Heimcomputern und PCs, was hauptsächlich der Steuerung der Spiele geschuldet ist. Musste man bei Textadventures und frühen Vertretern der Grafikadventures seine Befehle noch per Tastatur eintippen, so griffen die Weiterentwicklungen vor allem auf die bequeme Bedienung per Maus zurück, was dieser Art von Spielen auch den Beinamen „Point-and-Click-Adventures“ einbrachte.
Für Spielekonsolen waren Grafikadventures daher eher ungeeignet, da diese überwiegend per Joystick oder Gamepad bedient wurden. Dennoch verirrten sich immer wieder einmal Portierungen existierender Spiele auf die eine oder andere Konsole. Nintendos NES wurde in dieser Hinsicht besonders gut bedient, sowohl Maniac Mansion als auch King’s Quest V bekamen beachtliche Umsetzungen. Es gab sogar auch einige Neuschöpfungen, die nicht auf bereits bestehenden Spielen beruhten, erwähnenswert sind hier Clock Tower (SNES) und Scooby Doo Mystery (Sega Genesis).
Eine Konsole, welche wohl die Wenigsten mit Grafikadventures in Verbindung bringen würden, ist das Master System. Im Gegensatz zum NES war SEGAs 8-Bitter nämlich weitgehend auf Umsetzungen eigener Automaten angewiesen, da zu dieser Zeit aufgrund eines Knebelvertrags seitens Nintendo nur wenige Third-Party-Entwickler zur Verfügung standen. Wer sich jedoch ein wenig auf die Suche begibt, der wird feststellen, dass es durchaus einige Vertreter gibt, die zum Teil oder sogar vollständig in diese Kategorie eingeordnet werden können. Im Nachfolgenden möchte ich daher auf die wichtigsten und markantesten Spiele der Gattung eingehen.
Alex Kidd: High-Tech World (1987)
Alex Kidd war in Zeiten vor Sonic quasi das Maskottchen von SEGA. Vor allem der erste Teil auf dem Master System begeisterte als farbenfroher und abwechslungsreicher Mario-Klon die Spieler. Dieser dritte Teil der Serie ist ein seltsamer Hybrid. Es handelt sich um eine modifizierte Fassung des Spiels Anmitsu Hime, welches wiederum auf einer Manga-Serie basiert.
Als solches erschien es jedoch nur in Japan, für die westliche Welt wurde einfach sämtliche Charaktere ausgetauscht und durch Alex Kidd und seine Familie ersetzt. Anscheinend meinte man bei SEGA, dass eine Manga-Umsetzung außerhalb Japans niemand interessieren würde. Zur heutigen Zeit wäre die Entscheidung wahrscheinlich anders ausgefallen. So jedoch haben wir ein Spiel, das eigentlich nicht wie ein typisches Alex-Kidd-Spiel anmutet.
Alex erfährt, dass in der Stadt eine neue Spielhalle namens High Tech World eröffnet hat. Keine Frage, dass er da unbedingt hin möchte. Der Weg zur Arcade scheint jedoch durchaus knifflig zu sein, so dass er zur Orientierung eine Karte benötigt. Die acht Teile der Karte sind im Haus verstreut und müssen durch das Lösen diverser Rätsel gefunden werden. Dieser Teil des Spiels ist das, was einem Grafikadventure am nächsten kommt. Alex muss mit Personen reden, Gegenstände finden und Besorgungen erledigen. Erst als er die Karte zusammen hat und sich auf den Weg zur Spielhalle macht, gibt es einen Action-Teil bei dem er in einem Waldstück gegen Ninjas kämpfen muss.
Alex Kidd in High Tech World beziehungsweise das Originalspiel Anmitsu Hime ist nicht der einzige Vertreter seiner Art. Es gibt noch einige weitere Umsetzungen von Mangas mit Adventure-Elementen, welche jedoch ebenfalls ausschließlich in Japan erschienen sind.

Alf (1989)
Ich habe lange überlegt, ob ich dieses überaus seltsame Machwerk in meinem Artikel aufnehmen soll. Aber gerade weil es sich bei der Versoftung der erfolgreichen Sitcom um ein gleichermaßen außergewöhnliches wie misslungenes Spiel handelt, möchte ich es Euch nicht vorenthalten. Zudem handelt es sich um das weit und breit einzige Konsolen-Abenteuer des beliebten Außerirdischen.
Um sein Raumschiff zu reparieren, muss Alf diverse Teile finden. Diese sind natürlich über mehrere Schauplätze verstreut, unter anderem im Haus der Tanners sowie im Keller darunter und auch im Gartenteich. Daneben gilt es, diversen Gegnern auszuweichen (Beamte der Regierung) oder diese mit einer Salami!!! zu verprügeln (Fledermäuse). Klingt wenig spaßig? So spielt es sich auch!
Das Spiel wurde Ende 1989 hastig zusammengeschustert, um noch vor Weihnachten exklusiv in den USA in die Läden zu kommen. Und trotzdem erinnert es in seinen besten Momenten an ein Grafikadventure, vor allem wenn Alf sich im Haus bewegt und Objekte einsammelt oder benutzt. Das ändert jedoch nichts daran, dass es von vielen als eines der schlechtesten Module für das Master System bezeichnet wird. Für Sammler ist es aufgrund seiner Seltenheit dennoch interessant, obwohl diese natürlich auch die Preise in die Höhe treibt.

Cosmic Spacehead (1993)
Dieses Spiel ist das Remake des ein Jahr zuvor für das NES erschienenen Linus Spacehead’s Cosmic Crusade von Codemasters, als Entwickler fungierte die Firma Supersonic Software. Auch hierbei handelt es sich um kein reines Grafikadventure, da zwischendurch immer wieder kurze Jump-and-Run-Sequenzen absolviert werden müssen.
Der Adventure-Teil des Spiels enthält jedoch alle bekannten Merkmale des Genres. Im oberen Bildschirmbereich wird die Spielwelt gezeigt. Am unteren Rand des Screens sind das aktuelle Inventar sowie eine Liste mit Verben zu sehen, mit denen mögliche Handlungen ausgelöst werden. Gesteuert wird die Spielfigur mittels eines Cursors, was ebenfalls zu den typischen Eigenschaften eines Point-and-Click-Adventures gehört. Das Ganze kann man übrigens wahlweise auch in deutscher Sprache genießen, was für ein Master-System-Spiel beileibe keine Selbstverständlichkeit darstellt. Ein Passwortsystem sorgt dafür, dass man jederzeit beim letzten Spielstand wieder einsteigen kann.
Doch worum geht es? Das Alien Linus ist auf seinen Reisen versehentlich auf der Erde gelandet. Zurück auf seinem Heimatplaneten, glaubt ihm natürlich niemand. Das Ziel des Spiels ist es, zur Erde zurückzukehren, diesmal jedoch ausgestattet mit einer Kamera für die entsprechenden Beweisfotos.
Hinsichtlich der grafischen Gestaltung sowie der abgedrehten Story reiht sich Cosmic Spacehead nahtlos in die Reihe anderer Genrevertreter ein. Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann sind es der auf Dauer etwas nervige Sound sowie die eingestreuten Hüpfpassagen. Diese hätte es nun wirklich nicht gebraucht. Auch die damalige Fachpresse war begeistert, so bescheinigt Julian Eggebrecht in der GAMERS-Ausgabe 01/1994 der identischen Game-Gear-Version: „witzige Grafiken, gute Spielbarkeit und herrlich schräge Ideen“ und vergibt die Schulnote 2.
Aufgrund seiner einzigartigen Machart ist das Spiel fast uneingeschränkt zu empfehlen. Auch äußerlich besitzt es übrigens eine Besonderheit: Wie alle Spiele von Codemasters ist es etwas kleiner als die üblichen Master-System-Module und die obere Seite ist nicht eckig, sondern abgerundet. Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist und sich auf die Suche nach einem Exemplar begibt, der muss tief in die Tasche greifen: Vollständige und gut erhaltene Ausgaben inklusive Anleitung sind selten unter 50 Euro zu haben.



King’s Quest (1989)
Bewusst an das Ende des Artikels habe ich King’s Quest gesetzt. Ja, Ihr habt richtig gelesen: Es gibt tatsächlich eine Master-System-Umsetzung des ersten Teils der beliebten Serie von Märchen-Adventures aus der Feder von Roberta Williams. Nur ist das leider wenig bekannt, da das Spiel ebenso wie Alf lediglich für den nordamerikanischen Markt erschien. Entwickelt wurde es von der Firma Microsmiths Inc., als Publisher fungierten die Parker Brothers. Zuständig für die Programmierung war Mark Lesser, der später noch mit NHL Hockey zu Ruhm und Ehre gelangen sollte.
Es handelt sich um eine erstaunlich genaue Inkarnation des Originals, bei der natürlich systembedingte Abstriche gemacht werden mussten. So wurde die Grafikengine komplett an das Master System angepasst. Hat man sich erst einmal an das im Stechschritt marschierende, schwarz umrandete Männchen gewöhnt, welches den Helden Sir Graham darstellen soll, dann kann man sich durchaus in dem Spiel verlieren.
Was die Steuerung betrifft, so konnte man hier natürlich nicht den Textparser der PC-Version übernehmen. Per Knopfdruck öffnet sich ein Menü mit entsprechenden Verben, so kann man fast wie bei den Spielen von Lucas Arts seine Befehle in Form einfacher Sätze („Look at Hole“) zusammenstellen. Insofern hat diese Version dem Original sogar etwas voraus – anstatt langwierig nach der richtigen Formulierung zu suchen, kann man einfach die vorgegebenen Worte nutzen. Auf eine Hintergrundmelodie wurde verzichtet, bis auf ein paar gelegentliche Geräusche bleibt der Lautsprecher stumm. Dies mutet zwar anfangs etwas seltsam an, ist jedoch nur konsequent.
Die Story und der Spielablauf wurden originalgetreu übernommen: Der bereits erwähnte Sir Graham wird vom König von Daventry ausgesandt, um drei magische Artefakte zu finden, welche dem Reich Frieden und Wohlstand zurückbringen sollen. Auf seiner gefährlichen Suche kann der Held auch das Zeitliche segnen. Ansonsten sind jedoch keinerlei Geschicklichkeitseinlagen enthalten.
Insofern handelt es sich tatsächlich um das einzige echte Grafikadventure für das SEGA Master System. Ebenso wie bei Cosmic Spacehead ist eine „Speicherfunktion“ mitttels Passwort vorhanden. Auch für King’s Quest gilt übrigens: Wer es in einer vollständigen und gut erhaltenen Form besitzen möchte, darf hierfür einiges an Bargeld hinblättern.





Es gibt sie also doch, die Grafikadventures auf SEGAs 8-Bit-Konsole. Wer sich nicht vor der etwas fummeligen Eingabe von langen Passwörtern scheut, dem seien deshalb vor allem Cosmic Spacehead und King’s Quest empfohlen. Ich selbst habe mir beide Module im Laufe der letzten Jahre besorgt und lege immer wieder einmal eine Rätsel-Session auf meinem Master System ein.
Hinweis: Dieser Text erschien erstmals in der RETURN-Ausgabe Nr. 39. Für die Veröffentlichung bei Videospielgeschichten wurde er teilweise überarbeitet.







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