Zu einer Zeit als noch keine japanischen Konsolen den Markt dominierten, herrschte ein einziger Name über die großartige Welt der Videospiele. Die Popularität der amerikanischen Firma Atari war seinerzeit so immens, dass man sie heute nur sehr schwer in Worte fassen kann.
Damals arbeitete Frau Renate Knüfer als Public Relations Officer in der Hamburger Firmenzentrale. Mit Hilfe der Spielhallen-Adaption des weltbekannten Videospiels Pac-Man erreichte der US-Konzern im Jahre 1983 erneut Rekordumsätze. Wohl auch deshalb zählt die gefräßige gelbe Kugel immer noch zu ihren ganz persönlichen Favoriten.
Freuen wir uns nun gemeinsam auf exklusive und einzigartige Einblicke in die goldene Ära der Videospiele in Deutschland.
Interview aus dem September 2010
Hallo Frau Knüfer, schön das wir Sie hier auf Videospielgeschichten.de erstmals begrüßen dürfen. Es freut mich jetzt, eine Frau vorzustellen, die viel über die Vergangenheit von Atari berichten kann. Ihre Karriere startete am 1. Januar 1983. Welche speziellen Aufgaben hatten Sie in Ihrer Funktion als Pressesprecherin?
Wegen unserer amerikanischen Muttergesellschaft Warner Communications lautete mein offizieller Titel damals eigentlich Public Relations Officer. Demzufolge war ich verantwortlich für die gesamte in- und externe Kommunikation. Neben Kontakten zu den Printmedien, natürlich auch zu TV und Hörfunk. Außerdem habe ich den gesamten Atari-Club geleitet. Wir hatten seinerzeit – wenn ich mich recht erinnere – ca. 140.000 Mitglieder. Zwei meiner – übrigens männlichen – Mitarbeiter haben sich ausschließlich um die Kontaktpflege zu den Clubmitgliedern gekümmert. Ebenfalls lagen verschiedene Sponsor-Aktivitäten in meiner Hand. So war Atari zum Beispiel Lieferant für Videospiele und Privatcomputer der BRD Olympiamannschaften in Sarajewo/Los Angeles 1984.
Sponsoring in den frühen 1980er Jahren – wie muss man sich das vorstellen? Wurde viel Geld in so ein Projekt investiert?
Das kann ich heute nicht mehr genau sagen und war von Fall zu Fall unterschiedlich. Auch kam es immer darauf an, ob und wie gut wir das Konzept der Muttergesellschaft gegenüber verkaufen konnten, denn die gab ja die Gelder frei. Bei der Sponsorenschaft für die Olympiade haben wir den jeweiligen Mannschaften Videospielkonsolen und Computer zur Verfügung gestellt. Diese standen in den Geschäftsstellen der Sportverbände. Ich bin selbst vor Ort beim Bob- und Schlittensportverband am Königssee und dem Deutschen Fechtverband in Tauberbischofsheim gewesen und habe die Geräte erklärt und aufgebaut. Ziel war es, das Image von Atari gerade in der Zielgruppe der sportbegeisterten Jugend zu erhöhen und zu festigen.
Welche Events haben Sie außer der Olympiade noch unterstützt?
Zum Beispiel „Press meets Atari“ am 10. März 1983 in der Hamburger Fabrik galt als Auftakt zu den vielen Presseaktivitäten, die ja bisher eher ein Nischendasein geführt hatten und nebenbei meinen Einstieg bei Atari offiziell bekannt machten. Mehr als 100 Journalisten aus ganz Deutschland waren eingeladen zur einer feucht-fröhlichen Party mit viel Musik. Nicht zu vergessen natürlich auch die Computercamps im Hotel Sauerland Stern und weitere Computercamps im Senegal und Tunesien im Sommer 1984.
Leider habe ich nie an einem Computercamp teilgenommen. Trotzdem sind mir die Angebote dank der reichhaltigen Werbung gut in Erinnerung geblieben. Konnten sie das Hotel Sauerland Stern damals selbst besuchen?
Ja, ich habe ein Wochenende im Sauerland Stern verbracht und mir die Aktivitäten dort angeschaut. Ich denke, letztendlich hat sich unser Engagement dort aber nicht gelohnt.
Als Pressesprecherin von Atari lag Ihre Hauptaufgabe in der Zusammenarbeit mit den öffentlichen Medien. Videospiele zählten damals nicht unbedingt zu den bevorzugten Themen der konservativen Presse. Ein erfolgreicher Informationsaustausch dürfte deshalb auch eine große Herausforderung gewesen sein?
Dies war einerseits spannend und aufregend, andererseits musste man sehr aufpassen. Und dies aus folgenden Gründen: Da Videospiele und auch Heimcomputer – wir nannten sie damals noch „Privatcomputer“ – etwas völlig Neues waren, wurden diese Geräte mit entsprechender Skepsis betrachtet. Die Kinder und Jugendlichen fuhren völlig darauf ab und gaben natürlich eine Menge Geld für neue Spiele aus. Die Erwachsenen konnten seinerzeit sehr wenig damit anfangen. Mit Pac-Man kam der Durchbruch und die Journalisten wollten das nun auch ausprobieren und darüber schreiben. Entsprechend bekamen wir sehr viele Anfragen mit der Bitte, den Redaktionen bzw. freien Journalisten leihweise eine Konsole und die neuesten Spiele zur Verfügung zu stellen. Publikationen wie Der Spiegel, Capital oder auch Stern, sowie große überregionale Tageszeitungen waren an diesem Thema nicht interessiert.
Das änderte sich erst, als wir den ersten „Privatcomputer“ vorstellten, den Atari 400 und dann den größeren Bruder Atari 800. Hier gab es Lernprogramme, zum Beispiel ein BASIC-Lernprogramm. Die Anleitung wurde gesprochen von Dagmar Berghoff, die zu der Zeit als Fernsehansagerin unglaublich populär war. Und es gab eine Textverarbeitung Atari Writer, eine Vereinsverwaltung, einen Terminkalender und eine Datenbank mit dem Namen Karteikasten. Ich habe Gesprächstermine mit den Redakteuren der großen und auflagenstarken Medien vereinbart, mir den Computer unter den Arm geklemmt und dann in den Redaktionen von Stern und sogar Brigitte diese Neuheiten vorgestellt.
Auch habe ich Kontakt mit den Redaktionen der ersten Computersendungen im Fernsehen aufgenommen, die seinerzeit ziemlich hausbacken daher kamen und versucht, sowohl die Videospielkonsolen als auch die Heimcomputer in den Sendungen bekannt zu machen. Gemeinsame Produktionen von Sonderseiten zum Thema Videospiele und Computer mit den damals auflagenstärksten TV-Zeitschriften, wie Hörzu und Bild + Funk unter Einbeziehung von Prominenten, wie Franz Beckenbauer (es gab ein Fußball-Videospiel) oder Michael Schanze (moderierte die bei Kindern bekannte Kult-Fernsehsendung 1,2 oder 3) verhalfen diesem Trend zu großer Aufmerksamkeit.
Dass hier anfangs solche Zurückhaltung herrschte merkte man als Konsument eigentlich nicht. Waren Sie in Sendungen auch persönlich zu Gast?
Es gab da die regelmäßige Sendung Computer Corner im ZDF innerhalb des Kinder- und Jugendprogramms, zuständiger Redakteur und auch moderiert von Klaus Möller, der sich auch – gegen alle Widerstände innerhalb des Senders – mit Videospielen befasste und über die neuesten Spiele und Entwicklungen berichtete. Hier war ich des öfteren Gast; und wenn nicht im Studio, dann doch häufig hinter den Kulissen.
Das war bestimmt ziemlich aufregend, oder?
Kann man wohl sagen! Ich lernte u. a. Leute kennen, die völlig besessen vom Videospielen waren. Bevor ich zu Atari kam, war ich ja für die Pressearbeit von Casio, einem japanischen Unternehmen, verantwortlich, in dem Sachlichkeit oberstes Gebot war und die Technik im Vordergrund stand. Atari war das Gegenteil, war Emotion und in der Beziehung der Musikbranche sehr ähnlich. Viele Kollegen kamen ja auch aus dem Musik-Business, beispielsweise WEA, ebenfalls eine Warner-Tochtergesellschaft.
Gewiss hatten Sie aber auch negative Erfahrungen mit der deutschen Presse?
Wie das in Deutschland halt so ist, da muss doch ein Pferdefuß mit dabei sein.
Also gab es plötzlich Hinweise darauf, dass Videospielen gefährlich ist. Man wird abhängig, die Kinder verblöden usw. Mit diesem Thema mussten wir uns ernsthaft auseinandersetzen. Ich hab mir die verschiedenen Studien genau angesehen und durchgelesen, um die manchmal hanebüchenen Argumente entkräften zu können und mit den Medien in einen ernsthaften und fundierten Dialog treten zu können. Ich habe mit Herrn Professor Jürgen Fritz von der Fachhochschule Köln Kontakt aufgenommen, der umfangreiche Studien dazu durchführte, und die Untersuchungsergebnisse an die Medien weiter verbreitet. So entspann sich ein intensiver Dialog zwischen Atari als seriösem und verantwortungsvollem Anbieter und der kritischen Presse. Als Ergebnis konnte das Thema weitestgehend versachlicht werden.
Die Kritik ist seitdem nicht unbedingt besser geworden. Videospiele sind einfach ein guter Vorwand, um als Zielscheibe für die Schwächen unserer modernen Gesellschaft zu dienen.
Ich glaube, die Argumente sind heute immer noch die selben: Die Kinder sollten Sport treiben anstatt vor dem Computer zu sitzen und sich massenweise Junkfood einzuverleiben. Wenn es nur das entweder/oder gibt, haben die Kritiker völlig Recht. Aber man hat ja schließlich die Wahl.
1983 erlebte ich als ein unglaublich spannendes Jahr. Einerseits erschienen hervorragende Titel für das Atari VCS, andererseits jagte in der Spielhalle ein Tophit den nächsten. Und am Ende warteten bereits die Homecomputer mit einer völlig neuen Generation exzellenter Videospiele. Der Markt wurde geradezu überschwemmt mit Produkten aller Art.
Ja, es war eine aufregende Zeit. Ich kam von Casio, also aus der Unterhaltungselektronik. Dort war alles viel trockener, reine Produkt-PR, während sich Atari und auch die Mitarbeiter sehr enthusiastisch zeigten, mit einem gewissen Sendungsbewusstsein. Es war ein komplett neues Gefühl, ich fand das einfach toll, weil ich hier etwas bewegen, frei arbeiten und meine Ideen 1:1 umsetzen konnte.
Es wurden wenige Grenzen gesetzt, aber es gab viel zu tun. Ich habe häufig am Wochenende zu Hause gesessen, mir die neuesten Spiele angeschaut, einige davon nur auf EPROM gebrannt, ohne Bedienungsanleitung, mir aus den wenigen Unterlagen die wichtigsten Details herausgesucht, um daraus eine Pressemitteilung für den nächsten Tag zu schreiben. Manchmal hatte ich 4 bis 5 neue Spiele zu bearbeiten, also durchaus anstrengend. Insofern habe ich nach Veröffentlichung der Spiele sehr selten gespielt, weil ich einerseits keine Zeit dazu hatte und andererseits ja auch mit Spielen überhäuft wurde. Nach meiner Beobachtung gab es auch sehr wenige weibliche Personen, die sich damals für Videospiele interessierten. Das war doch eine ausgesprochen männliche Domäne.
Mit Pac-Man kam der Durchbruch und die Journalisten wollten das nun auch ausprobieren und darüber schreiben.
Renate Knüfer
Es hat lange gedauert bis Videospiele von Frauen endlich akzeptiert wurden. Selbst heute beschränkt sich das Interesse hauptsächlich auf Casual Games oder ganz spezieller Software, wie beispielsweise dem Spiel Die Sims. Der soziale Aspekt hat hier eine wesentlich stärkere Bedeutung als für das männliche Geschlecht. Vermutlich auch der Grund, warum manche Frauen dann sogar an gewalttätigen MMORPGs wie World of Warcraft plötzlich gefallen finden. Hier steht nicht das Spiel als solches, sondern die Internet-Community im Vordergrund. Nun aber wieder zurück in die Vergangenheit. Die erste deutschsprachige Zeitschrift für Videospiele, die Telematch, hatte ebenfalls im Herbst 1982 seine Redaktionsräume in Hamburg eröffnet. Sorgte die lokale Nähe für eine umfangreiche Zusammenarbeit?
Der Kontakt zur Telematch gestaltete sich sehr gut, zumal die Redaktion sozusagen gleich um die Ecke saß. Die Redakteure hatten als erste die noch geheimen, nicht veröffentlichten Spiele auf sogenannten EPROMS bekommen – ohne weitere Beschreibung. Die Mitarbeiter waren absolute Freaks und haben dann zur Veröffentlichung entsprechende Artikel und Bewertungen geschrieben. Allerdings durchaus kritisch, dafür aber eben oft euphorisch. Sie waren unabhängig und das wollten wir von Atari auch gar nicht ändern.
Sie erwähnten anfangs kurz den hauseigenen Atari-Club. Hauptbestandteil und wichtigste Informationsquelle für uns Fans war natürlich das quartalsmäßige Atari Club Magazin. Wie ist so ein Heft eigentlich genau entstanden?
Das wurde komplett von einem Externen geschrieben. Wir haben lediglich die Basis-Informationen geliefert, also welche neuen Spiele kommen auf den Markt. Und wir haben Informationen zu den Atari-Events oder -Aktionen sowie Unternehmensnachrichten geliefert.
Das überrascht mich jetzt, ich dachte immer Atari hätte das Magazin in Eigenregie verfasst und dann nach dem Druck an die Mitglieder versendet. Bestimmt wurde der Inhalt aber vor der Veröffentlichung von Ihnen geprüft? Können Sie sich noch an konkrete Zahlen erinnern, was die Auflage betrifft?
Natürlich wurde das Heft von mir immer zuvor Korrektur gelesen und freigegeben. Zum Schluss lag die Auflage wohl bei etwa 140.000 Stück, aber so ganz genau weiß ich das nicht mehr. Der Atari-Club wurde zu einem richtig großen Budget-Posten. Das Heft musste erstellt, gedruckt und versandt werden. Zwei Mitarbeiter waren ausschließlich für die Beantwortung von Fragen der Atari-Clubmitglieder zuständig. Man hat einfach versucht, die Kosten zu reduzieren, die wirklich aus dem Ruder liefen.
Der einzige wirklich ernstzunehmende Wettbewerber neben Atari damals war die Firma Commodore.
Renate Knüfer
Welche Vorgaben machte Ihnen hier der Mutterkonzern aus den USA?
Es gab außer der richtigen Verwendung des Logos überhaupt keine Vorgaben. Ein wirkliches Paradies! Die einzige Begrenzung war das Budget. Ansonsten konnte ich meine Ideen immer voll und ganz in die Tat umsetzen. Heutzutage einfach undenkbar!
Ein Statement, das ich in Gesprächen öfters höre. Genau diese Tatsache dürfte auch die große Faszination der frühen Pionierzeit erklären. Mitarbeiter hatten häufig völlig freie Hand, was sich natürlich positiv auf Ihre Kreativität und Ideenreichtum auswirkte.
Kommen wir jetzt aber zu einem anderen Großereignis in der Firmenhistorie, den offiziellen Atari Weltmeisterschaften. 1980 starteten die Wettkämpfe mit Space Invaders, allerdings nur in den USA. Ein Jahr später folgte die erste richtige Weltmeisterschaft mit Asteroids, das Finale fand wiederum in Amerika statt. 1982 feierte Deutschland Johann Beiderbeck als Videospiel-Weltmeister von Pac-Man. Zuletzt folgte dann 1983 der Arcadehit Centipede. Mit dem Verkauf von Atari endeten auch die berühmten Weltmeisterschaften. Was können Sie uns darüber noch konkret erzählen?
Ich bin am 1. Januar 1983 bei Atari gestartet und habe am 31. Oktober 1984 wieder aufgehört. Insofern lagen die früheren Meisterschaften, die wohl nicht mit so großem Aufwand durchgeführt wurden, noch vor meiner Zeit. Aber Centipede war „Mein Baby“: Wir fuhren mit einem „Video-Truck“ (so nannten wir den umgerüsteten MAN-Truck) durch Deutschland, haben in allen großen Städten Station gemacht – bei vielen war ich ebenfalls dabei, weil wir die örtlichen Tageszeitungen auf dieses Ereignis hingewiesen hatten und ich als Ansprechpartner für die Medien vor Ort sein sollte. Hier wurden dann die lokalen Centipede-Meister ermittelt und anschließend auf die Funkausstellung nach Berlin eingeladen.
Die Gewinner erhielten ein Flugticket zur deutschen Meisterschaft nach Berlin. Ich habe die Teilnehmer mit einem Bus von Flughafen abgeholt und sie dann zur Ausscheidung begleitet. Das war für die Kids eine sehr aufregende Sache. Der deutsche Meister wurde zur Centipede-Weltmeisterschaft am 14. September 1983 nach München eingeladen. Die WM fand im Hotel Hilton statt und Teilnehmer aus aller Welt trafen dort zusammen. Es war ein bisschen Hollywood-mäßig aufgezogen, mit einem tollen Rahmenprogramm und wurde vom Mutterkonzern Warner Communications organisiert. Unter anderem haben wir eine alte Münchner Tram gechartert, die vom Effnerplatz mit allen Teilnehmern, Musik und Bier quer durch die Stadt fuhr. Wir hatten viele Journalisten eingeladen und ebenfalls das Fernsehen sowie Radiostationen, die über dieses Ereignis berichteten.
Warum fand das große WM-Finale für Centipede ausgerechnet in München statt?
Ich glaube, dass man Deutschland hier speziell promoten wollte. Die Geschäfte liefen bei uns sehr gut. Vielleicht wollten die Amerikaner aber auch einfach nur nach München; wer weiß das schon so genau. Das Finale war ja eine Veranstaltung des Mutterkonzerns aus den USA.
Existieren eventuell noch Fotos oder andere Relikte aus dieser Zeit?
Schön wär’s ja. Aber leider hab ich fast nichts mehr. Außer dem vergoldeten Atari 400, den mir meine Kollegen zum Abschied geschenkt haben und der immer noch in meinem Regal steht. Ich habe noch vier Spiele dazu. Das war’s dann auch. Fotos sind mir überhaupt nicht geblieben.
Es kamen ja auch einige Fremdanbieter auf den Markt, insbesondere Activision, Parker und Imagic, wie empfanden Sie damals die aufkommende Konkurrenz, bzw. wie sind Sie intern damit umgegangen?
Der einzige wirklich ernstzunehmende Wettbewerber neben Atari war Commodore. Wir haben den Markt genau beobachtet und sehr viele Aktivitäten durchgeführt (wie die Meisterschaften etc.), damit andere Firmen gar nicht erst an Boden gewinnen konnten. Und wir haben dadurch die Jugendlichen an uns gebunden. Atari war einfach Kult und die Kids wollten auch nichts anderes.
Ab wann haben sie eigentlich bemerkt, dass für Atari eine echte Fangemeinde unter den Jugendlichen existierte?
Auf meinen Reisen mit dem Video-Truck durch Deutschland anlässlich der Centipede-Meisterschaft. Da war ich hautnah an den Kids dran und war wirklich über diese Obsession verblüfft.
Klaus Ollmann hat uns ja schon viele spannende Geschichten über die goldenen Jahre bei Atari erzählt. Sein Führungsstil hat sicher auch zu einem angenehmen Arbeitsklima in der Hamburger Firmenzentrale beigetragen?
Klaus Ollmann war ein toller Chef, locker, verständnisvoll und sehr motivierend. Er war ein Chef zum Anfassen, der nicht den ganzen Tag in seinem Büro saß, sondern immer mal wieder die einzelnen Büros aufsuchte, sich mit den Mitarbeitern unterhielt, Probleme abfragte und dann auch löste. Ich hab ihn dafür richtig bewundert.
Der Erfolg in Deutschland lässt sich gewiss auch durch sein geschicktes Management begründen. Als Flop in der Firmengeschichte gilt die schwache Umsetzung des Filmklassikers E.T. für das VCS. Welche Schwierigkeiten hatten Sie mit diesem Titel?
E.T. sollte erst ein großer Wurf werden, hat aber nicht geklappt. Nun kamen ja ständig neue Spiele heraus, manchmal mehrere in einem Monat, so dass das nicht weiter tragisch war. Wir hatten das schnell abgehakt.
Klingt ja nicht gerade nach einer großen Katastrophe. In vielen Büchern wird das E.T. Desaster heute als Anfang vom Ende bezeichnet. Der erste Schritt in die finanzielle Krise und die daraus folgende Übernahme durch Jack Tramiel. Wie haben Sie das Ende der Warner Ära erlebt?
Zu Beginn des Sommers 1984 wurde Atari für einen Dollar an Jack Tramiel verkauft. Er schickte sogleich einen Vertreter aus den USA (Mr. Harris), der innerhalb von zwei Tagen die Hälfte der Atari Mitarbeiter entließ und ich musste mich mit der Bild-Zeitung in Hamburg rumschlagen, weil die einen richtig schönen Skandal witterten. Es war auch einfach grässlich. Die Kollegen, die noch übrig blieben, waren total demotiviert und ich bekam ein Angebot von Apple, was eine weitere große Herausforderung für mich war. Meine Mitarbeiter waren ebenfalls alle entlassen worden. Jack Tramiel, den ich dann noch persönlich kennen lernte, war mir zutiefst unsympathisch und so nahm ich das Angebot von Apple an und ging von Hamburg nach München, was sich als eine der besten Entscheidungen in meinem Leben herausstellte.
Unglaublich, von Atari zu Apple, um diesen Lebenslauf werden Sie viele Leser sicherlich sehr beneiden. Immerhin zwei legendäre Unternehmen, die von Anfang an für faszinierende Computertechnik standen. Waren Ihre Aufgaben hier letztendlich vergleichbar?
Vergleichbar nur insofern, als ich wieder die Verantwortung für die Öffentlichkeitsarbeit übernahm. Ansonsten war das ein völlig anderer Markt. Apple Computer galten als teuer und nicht für jedermann erschwinglich. Der Vorläufer des Macintosh, der Apple IIe, ein echter Computer für Technik-Freaks/Wissenschaftler, hatte insofern auch eine ganz andere Zielgruppe. Medien und Journalisten überschnitten sich zum Teil, aber es war generell sehr viel ernsthafter und technischer.
Wie unterschied sich die Ideologie der beiden Firmen, was macht Apple im Gegensatz zu Atari bis heute so erfolgreich?
Bei Apple ging es immer weiter. Immer neue Entwicklungen – bis heute hin zum iPod und iPhone. Bei Atari wäre es sicherlich auch weitergegangen, wenn dieser abrupte Stopp durch den Verkauf 1984 nicht erfolgt wäre.
Und bei Apple wurde viel professioneller gearbeitet. Alles wurde hinterfragt, Budgets mussten eingehalten werden, etc. Und trotzdem war ein ungeheurer Enthusiasmus, fast schon ein Sendungsbewusstsein innerhalb der Mitarbeiter vorhanden. Wir – also die Mitarbeiter – haben uns immer als etwas Besonderes empfunden, gerade weil wir mit dem Mac gegen den Rest der Welt kämpfen mussten. Denn MS-DOS und damit IBM beherrschte die Szene. Auch heute nach meinem Ausscheiden – und nach mehr als 10-jähriger Tätigkeit für Apple – habe ich immer noch sehr viele enge Freunde aus dieser Zeit, die fast alle nicht mehr bei Apple sind. Es gab ein wirkliches Zusammengehörigkeitsgefühl in der Firma.
Frau Knüfer, vielen herzlichen Dank für dieses Gespräch. Das waren bemerkenswerte aufschlussreiche Geschichten, die uns an eine längst vergangene Epoche erinnern. Vielleicht finden Sie ja erneut Gelegenheit und erzählen uns dann mehr über Ihre Erlebnisse bei Apple. Ich glaube unsere Leser würden sich bestimmt freuen. Bis dahin wünsche ich Ihnen weiterhin alles Gute.
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