Codename: ICEMAN – Eine Erfahrung, nur zu empfehlen mit einem Therapeuten auf Kurzwahl

Avatar von Lars Schade
Lesedauer: 6 Minuten

Hört mal tief in euch rein und überlegt kurz welches Game euch an den Rand der Verzweiflung getrieben hat. Entweder weil dieses Werk teuflisch schwer ist, einfach nur völlig kryptisch und den Begriff „Mondlogik“ (bezeichnet Rätsel, die nicht nachvollziehbare, unlogische Lösungen benötigen) verdienen oder einfach nur eine Softwarekatastrophe ist. Nun unser Objekt des Tages: Codename: ICEMAN erfüllt direkt die ersten beiden Punkte.

Sierra kann auch böse

Eigentlich wirkt Codename: ICEMAN wie ein typisches Sierra-Adventure: sehr gute Aufmachung, tolle Sounduntermalung (Mark Seibert, der King’s Quest Hofkomponist macht wieder einen verdammt super Job!) und auch die Story, die sehr an James Bond erinnert, geschrieben von Jim Walls (Police Quest 1–3) macht wirklich was her.

Aber warum ist dieses Adventure von 1990 für mich DAS Dark Souls der Adventurewelt ist? Warum ich DREI Let’s Play-Versuche verteilt über 2 Jahre gebraucht habe um diesen Titel erfolgreich abzuschließen… Und warum kein Speed Runner (wirklich niemand) sich an diesem Game messen will… Tja, das erkläre ich jetzt in Gänze!

Es war einmal Jim Walls…

Dazu gehen wir einfach mal in die Erschaffung dieses Spiels. Wie schon geschrieben zeigte sich Jim Walls für die Story verantwortlich. Jim war von 1971 und 1986 wirklich ein Highway Officer und wer jemals mit Police Quest zu tun hatte, weiß der Jim, der mag seine definierten Abläufe und liebt perfekte Strukturen. Kleiner Funfact übrigens war Jim Walls mit Police Quest 3 und der Ausrichtung zum 4. Teil überhaupt nicht einverstanden, so dass er Sierra verließ und seine Version von Police Quest 4 namens Blue Force erstellte (wirklich kein Highlight und ja, davon muss ich auch mal berichten…).

Codename: ICEMAN selbst auch ein Mehrteiler wie andere Quest-Titel werden. Bei Sierra lief diese Serie dann unter dem Projektnamen Phoenix. Aber da die Verkaufszahlen für ICEMAN deutlich unter den Erwartungen geblieben waren, gab es keine Fortsetzung und unser Protagonist Commander Westland startete zu keiner weiteren Reise.

Commander Westland, übernehmen Sie!

Warum geht es nun eigentlich beim „Eismann“? Die Geschichte spielt in einer fiktiven Gegenwart, in der es zum Mangel an fossilen Rohstoffen besonders an Öl gekommen ist. Doch plötzlich findet mal Ölreserven vor Tunesien und sowohl die USA als auch  Russland wollen die Reserven haben. Russische Terroristen nutzen die Situation und entführen den US Botschafter, um eine militärische Krise zu provozieren.

Da tritt unser Navy Offizier Johnny Westland auf den Plan und muss seinen (verdienten?) Tahiti-Urlaub dafür abbrechen. Aber es wäre kein Game von Jim Walls, wenn nicht unser Johnny bevor er die Insel verlassen kann, erstmal jemanden nach Handbuch eine Herzdruckmassage verpassen muss, die Kontaktagentin Stacy finden muss und schließlich Bond-style ihr auch näher kommen muss und schließlich irgendwie an den Taxiservice kommen soll.

Warum nicht Larry, Larry Laffer?

Wer jetzt denkt – okay, das ist eben Larry mit Handbuchabfragen. Nix da! Denn jetzt beginnt das Beamtenleben eines Agenten á la Jim Walls. Nachdem man im Pentagon angekommen ist und sich RICHTIG ausgewiesen hat (man will ja kein Verräter sein), wird einem der Plan erklärt: Commander Westland soll mit einem amerikanischen Atom-U-Boot einmal komplett (auch durch das Eis) an Russland vorbei nach Tunesien kommen. Ein Plan den selbst Marvin Wildhage nicht in Betracht ziehen würde. Aber Johnny willigt sofort (natürlich) ein und darf, wenn er richtig salutiert (kein Scherz) auf die USS Blackhawk anheuern.

Niemand vergisst seinen ersten Tod

Kleine lustige Geschichte: hier endete mein erster Let’s Play-Versuch damals. Denn wenn man nicht darauf achtet, dass man SEINEN Pass auch zurück erhält, kann man nicht auf mehr das Boot. Und wenn man dann das dann noch mal wiederholte, funktionierte irgendwie das Navigieren nicht (dazu jetzt gleich mehr). Ich bin wohl dann eher doch nur eine Gaming-Landratte…

Mann unter Brücke!

Wir sind nun auf der USS Blackhawk und müssen (LEIDER kein Scherz) einen U-Boot-Führerschein machen. Und ich kann auch mitteilen, dass dieses „Tutorial“ ist selbst mit Handbuch, Lösung und vielen YouTube-Videos eine echte pure Folter. Aber es ist leider essentiell. Denn ohne die Kenntnisse der Schalter und der Tastenbelegung könnt ihr schon aufhören. Denn ihr müsst nicht nur, dass U-Boot steuern – ihr müsst zum U-Boot werden!

Wo bitte geht hier es zur Navy?

Nun darf man den Kurs der USS Blackhawk festlegen und muss dabei so präzise wie möglich vorgehen (ich lege euch meine Lösung bei – dann müsst ihr nicht fluchen) und richtig diese Route fahren wir jetzt genauso so ab und natürlich wird diese Reise mehrfach für „Rätsel“ unterbrochen.

Ein wiederkehrendes Rätsel ist die Decodierung von Codes. Natürlich gibt es zwei verschiedene Codes und die sind NUR lösbar in Verbindung mit dem Handbuch. Gott sei Dank gibt es PDFs davon. Denn den Eismann komplett zu bekommen ist finanziell eine Herausforderung. Die meisten haben das Game eh erfolgreich verdrängt.

Glücksspiel ist doch kein Verbrechen

Kommen wir nun zur Stelle warum kein Speed Runner auf diesem Planeten dieses Game auf Zeit spielt. Denn man darf/muss/kann/soll gegen Kollegen Flanagan würfeln. Und bevor ihr fragt natürlich dürft ihr nur eine gewisse Anzahl Speicherpunkte setzen und natürlich müsst ihr MEHRFACH dieses Spiel gewinnen bis ihr eine wichtige Flasche (WIRKLICH WICHTIGES ITEM!!!) gewinnt. Ihn nur arm zu machen (keine Panik – ist kein Strip Würfeln!) reicht natürlich nicht aus. Wir sind ja schließlich bei Codename: ICEMAN.

Laut einigen Spielern soll diese Würfelei optional sein. Ich meine nicht – denn wenn man die Flasche nicht hat, wird der erfolgreiche Abschluss einer späteren Tauchsequenz unmöglich. Und ja richtig geraten: das war das Ende meines damaligen 2. Let’s Play-Versuches.

Westland lässt MacGyver im Regen stehen

Apropos Ende: schlaue Spieler (oder besser Personen mit der Gabe der Hellsicht) präparieren vor dieser Sequenz schon direkt die Torpedos. Und ich bin total ehrlich ohne Lösung und ohne YouTube hätte ich nicht einmal gewusst wie man die Geräte und die Einstellungen benutzt. Natürlich hat man dafür keine Crew – das macht der Westland alles selbst. Ist wohl auch ein exzellenter Handwerker. Johnny löst den Fachkräftemangel im Alleingang…

So, Zeit in See zu stehen und nach dem Tutorial könnt ihr ohnehin alles. Daher wird es Zeit für eine U-Boot-Schlacht. Denn egal wie gut ihr die Schleichfahrt bis dahin drauf habt, ihr werdet in Kämpfen mit russischen U-Booten verwickelt. Und bevor ihr fragt, natürlich habt ihr nur eine begrenzte Anzahl der Munition und ja, ihr müsst die Kämpfe gewinnen und keine Spuren hinterlassen. Ansonsten hättet ihr den Kalten Krieg in einen sehr heißen Krieg verwandelt.

Und noch Lust? Okay, dann legt das Game noch mal eine Schüppe drauf. Denn der Captain wird krank und richtig, jetzt ist das unser Job auch noch. Gut, wir haben eh immer alles gemacht. Kein Unterschied. Also übernimmt die Personalunion Johnny Westland das auch noch. Und zum Start darf er gleich an Eisbergen vorbei navigieren (bitte kein König der Welt!) und ein Rendezvous mit einem befreundeten U-Boot vorbereiten, um in dessen Fahrtschatten / Fahrtwind (wie auch immer man das bei U-Booten) nennt unbemerkt nach Tunesien zu kommen.

Land in Sicht!!!

WIR SIND DA… Klopft ihr kurz auf die Schulter – denn jetzt geht es ans Tauchen. Natürlich auf Zeit und der Weg ist schaffbar, wenn man ihn auswendig kennt. Na, merkt ihr die Parallelen zu Dark Souls (oder für Spieler von heute: Elden Ring). Ist man nun am Treffpunkt japsend angekommen, darf man sich mit der Flasche (der Würfelgewinn!) bei einer Kontaktperson bemerkt machen.

Damit kann man sich nun eine Tarnung sichern und in bester Solid Snake- oder Sam Fisher-Manier schleicht man sich in ein Haus. Dieses Haus ist dabei das Haus der Kontaktagentin Stacy aus Tahiti. Woher Westland das weiß, keine Ahnung. Vielleicht war ich da schon so demoralisiert, dass ich endlich froh war, Land zu sehen und für Sinnfragen war ich definitiv zu erschöpft.

Commander Westland ist nun kurz in Sicherheit. Aber schnell bemerkt er, dass die Terroristen sich Essen kommen lassen (hier bitte euren Lieferando-Witz einfügen). Daher betritt er die Räumlichkeiten als Lieferjunge und bei der ersten Gelegenheit schießt er alles nieder – außer den Botschafter natürlich. Jetzt nur noch raus hier…

Der letzte Countdown…

Und jetzt wird es Zeit für ein Geständnis: die nächste Sequenz habe ich NIE geschafft! Jetzt fragt ihr euch: hat der das Game denn nicht beendet? Doch, hat er. Diese Fahrsequenz, die aus der Hölle stammt, kann man glücklicherweise überspringen. Für Leute, die sich selbst hassen, hier eure Aufgabe: Ziel dieses Minispiel ist es mit dem Fahrzeug vor den Terroristen zuerst einen Berg hochzufahren. Dabei darf nicht EINE Bewegung zur RICHTIGEN Zeit falsch sein.

So, Spiel ist durch. Commander Johnny Westland ist ein Held, Stacy bekommt er natürlich auch und der amerikanische Adler schreit noch mal auf. Ende, Fertig, mach‘ es aus. Ich glaube es gibt kaum Spiele von denen zu 100.000% weiß, dass ich sie nie wieder nach dem Durchspielen anrühren werde.

Der Eismann ist so kühl wie Eis

Also schnell zusammengefasst: dieses Spiel ist nur für die Aller-Aller-Aller-Aller-Aller-Härtesten der Adventurefreunde. Mein erfolgreicher Playthrough dauerte 13 Stunden (DREIZEHN!) und ohne Unterstützung hätte ich das niemals beenden können. Sollten es doch Veteranen geben, die sich trauen. Dann braucht ihr auf jeden Fall das Handbuch, mehrere Lösungen (es reicht ja nach Situation wirklich nicht eine – leider) und mehrere Videos. Und wenn ihr es durchgespielt habt, habt ihr meinen Respekt sicher!

Ist Codename: ICEMAN nun ein schlechtes Spiel? Nein, ganz und gar nicht. Die Screens sehen toll aus und die Szenen sind abwechslungsreich. Wenn ihr so wollt, habt ihr ein Sierra Adventure kombiniert mit einem Sierra U-Boot-Simulator. Dies mit einem der besten Soundtracks und auch der technisch weiterentwickelten SCI-Engine von Sierra. Trotzdem dieses Bond-Abenteuer nach den Regeln von Police Quest ist brutal, zäh und absolut ermüdend. Aber jeder sucht sich seine Dämonen selbst aus und wer nach der tödlichsten Seehexe sucht – ihr habt sie gefunden!

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TobiAndré Eymann

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2 Antworten zu „Codename: ICEMAN – Eine Erfahrung, nur zu empfehlen mit einem Therapeuten auf Kurzwahl“

  1. Avatar von Pat
    Pat

    Cool geschriebener Artikel! Ich habe großen Respekt, dass du Jim Walls‘ Experimental-Adventure-U-Boot-Sim-Hybrid durchgespielt hast. Sein Police-Quest-für-Geheimagenten kommt nicht überall gut weg und da fine ich deinen Artikel schon gut ausbalanciert.

    Ich selbst mag das Spiel. Ja, ganz ehrlich! Es ist sicher nicht eines der Besten aus Sierras Line-Up, aber ich war schon immer Fan von Sierra und mochte ihre Experimente. Plus, ein ernsthaftes Adventure fand ich immer auch erfrischend.

    Ich möchte dich dennoch beruhigen: Das Würfelspiel ist wirklich optional. Ich mache das zum Beispiel nie. Nicht, weil es nicht gut programmiert wäre oder buggy, aber für so etwas fehlt mir einfach die Geduld.
    Es stimmt, dass man die Falsche braucht, die kann man aber auch im Wasser finden. Das Briefing erwähnt dann einen Fischer als Kontaktperson.
    Und das Magnetfeld des Alarms kann man durch eine Höhle umtauchen. Dann muss man sich aber ein bisschen beeilen, da der Sauerstoffvorrat begrenzt ist.

    Die Kämpfe mit dem U-Boot sind so eine Sache, ja. Der Kampf gegen den Zerstörer ist meine persönliche Hassstelle im Spiel. Aber das geht schon.
    Gegen das U-Boot muss man dann zum Glück nicht mehr kämpfen: Das Wasser ist dort sehr tief und hat einen „Inversion Layer“ – man muss also nur sehr tief abtauchen (2300 ft glaube ich), Motoren abstelleen und warten.

    Und, ja, die Jeep-Fahrt habe ich auch nie geschafft. 🙂

    Mir gefällt das Spiel. Ich finde den Prolog recht gelungen. Und auch wenn der Mittelteil etwas trocken ist, so gefällt mir die Atmosphäre insgesamt sehr gut.
    Ich persönlich hätte gern ein zweites Spiel mit Mr. Westland und einem ganz neuen Codenamen gehabt.

    Lars Schade
    1. Avatar von Lars Schade

      Vielen Dank für deinen Kommentar. Codename: Iceman ist sicherlich kein schlechter Titel. Aber kann eben so verdammt nervig sein. Ich mag viele Sierra-Titel, da sich wirklich mal getraut haben nicht nur den Schenkel-Klopf-Humor von LucasArts zu kopieren. Und ja es war ein Codename: Iceman 2 (dann mit einem Starfighter) wohl geplant. Aber daraus wurde ja nix.