Der Tod in Videospielen – Das virtuelle Leben

Von Selmar am
Kommentiert von: Selmar, Davis, Amon, Ferdi, Poly
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Kennt ihr das auch? Wenn euer Verstand frei ist. Wenn das ICH die Zügel hat fallen gelassen? Bei mir ist das immer so nach der 5 km Marke beim Rudertraining. Dann dreht sich mein Verstand um Dinge, die ich eigentlich nicht so wirklich bewusst steuere.

Im sprichwörtlichen Schweiße meines Angesichts stellen sich mir Fragen, die ich nicht beantworten kann, aber gern teilen würde. Meinungen dazu lesen und diskutieren würde. Hier die erste vom Anfang der Woche. Vielleicht gefällt euch ja was ihr lest und habe selbst eine Meinung dazu. Ich würde mich freuen sie zu lesen und zu diskutieren.

Das Leben am Rande des Bildschirms

Jeder Videospieler kennt den Verlust seines virtuellen Lebens als den ultimativen Preis für das Versagen im Spiel. Begonnen bei Pong, war der Begriff Leben als endgültige Bestrafung für etwas, was außerhalb der Normen lag, die ein virtuelles Programm vorgeschrieben hat.

Pong Remake für DOS. (Bild: Selmar)
Pong Remake für DOS. (Bild: Selmar)

Game Over, war für das Programm dann die Art dem Spieler mitzuteilen, dass er Endgültig verloren hatte. Das Spiel vorbei sei. Oft wurde dieser Zustand aber erst nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen, die virtuelle Aufgabe zu schaffen erreicht. Diese Versuche endeten aber zumeist darin, dass der Avatar im Spiel starb. Wurde Mario getroffen ertönte eine Melodie und er hüpfte aus dem Bild. Blinkte die Vic Viper einmal auf war es auch noch nicht gleich Game Over, aber der Level startete wieder von Beginn an und es wurde ein Raumschiff (Leben) aus dem Vorrat genommen.

Mario verliert ein virtuelles Leben. (Bild: Selmar)
Mario verliert ein virtuelles Leben. (Bild: Selmar)

Leben ist aber auch für jeden Spieler ein sehr greifbares Konzept. Es der Inbegriff von Endlichkeit. Also zumindest von der zu beweisenden Endlichkeit. Das ist schnell verstanden und passt so auch perfekt in die Analogie der virtuellen Spiele. Umso natürlicher erscheint es, dass ich als Spieler damit konfrontiert werde mehrere Leben zu Besitzen. Um hier beim Beispiel von Gradius zu bleiben, werden mir diese als kleine Raumschiffe dargestellt.

Jedes Leben wird als kleinen Raumschiff dargestellt. (Bild: Selmar)
Jedes Leben wird als kleinen Raumschiff dargestellt. (Bild: Selmar)

Natürlich hat sich wohl jeder von uns schon mal mit dem Gedanken auseinandergesetzt, wie es wohl wäre mehr als ein Leben zu haben. So behandeln klassische Medien sehr früh Götter und Personen die unsterblich sind. Religionen widmen dem Leben nach dem Tod einen Großteil ihrer Lehren und Artefakte wie der Heilige Gral versprechen Beispielsweise dem Tode zu entgehen.

Lieber nicht vom Tode sprechen

Ich erinnere mich noch gut an eine Zeit, in der ich mit Freunden zusammen sehr aktiv Battlefield 1942 und später auch Battlefield 2 gespielt habe. Schon damals – und das hat sich bis heute nicht geändert – fand ich es irgendwie komisch, ja sogar vermessen, bei dem beenden des virtuellen Lebens eines Gegners oder des Eigenen vom Tod zu sprechen.

Im Scoreboard vom Battlefield werden die virtuellen Tode auch durch ein kleines Totenkopfsymbol dargestellt. (Bild: Selmar)
Im Scoreboard vom Battlefield werden die virtuellen Tode auch durch ein kleines Totenkopfsymbol dargestellt. (Bild: Selmar)

Ich bin mir jetzt, im Nachhinein nicht ganz sicher, aber ich empfand es als professioneller, wenn man Gegenspieler “Offline” oder aus dem Spiel genommen hatte. Es vermittelte mehr den Eindruck eines strategischen Spiels wie Schach. Wo Figuren geschlagen oder vom Brett genommen werden. Es war mir natürlich bewusst, dass der Tod nur ein Mittel zum Zweck war. Niemand war endgültig gestorben. Niemand musste einen wirklichen Verlust betrauen. Niemand musste Bestattet werden und niemand hatte Qualen leiden müssen.

Schon damals hatte ich das Gefühl den Tod zu verharmlosen. Aber auch bis heute spreche ich davon erwischt worden zu sein oder jemanden ausgeschaltet zu haben. Ab und an, in einer hektischen oder frustrierten Situation, gleitet mir jedoch der Satz: Ich bin tot über die Lippen. Was sich sofort komisch anfühlt. Ist es doch ein Satz, den niemand wirklich mit Bedeutung sagen kann.

Wenn ich mir die heutige Steam Top 10 Liste, der Spiele mit den meisten aktiven Spielern anschaue, dann ist jedes Spiel (mal von The Scroll Of Taiwu abgesehen, dass kenne ich nicht) der Tod das Ergebnis eines Fehlers, den ich als Spieler begangen habe. In keinem dieser Spiele ist der Tod aber endlich. Keines dieser Spiele deinstalliert sich selbst nach dem virtuellen Tod. Ich kann es beliebig oft wieder spielen.

Steam Top 10 der aktuell gespielten Titel. (Bild: Selmar)
Steam Top 10 der aktuell gespielten Titel. (Bild: Selmar)

Extra Leben im RealLife

Ich habe mal ein Interview von einem Spieldesigner gelesen, leider habe ich vergessen wer es war. Zu meiner Entschuldigung kann ich nur sagen, dass es schon Jahre her ist und ich bin alt. Aber in dem Gespräch ging es um ein Spiel, was in der Zukunft spielte. Der Designer behauptete, dass die nächste Generation, also aus seiner Sicht meine Generation, die letzte Generation sei, die noch eines natürlichen Todes sterben würde. Alle nachfolgenden Generationen würden nicht durch den natürlichen Tod aus ihrem Leben scheiden.

An diese Idee – ich nenne sie jetzt so, weil er natürlich keinen wirklichen Beweis für die Behauptung geführt hat – musste ich wieder denken als ich die Netflix Serie Altered Carbon gesehen habe.

Werbung für die Netflix Serie Altered Carbon. (Bild: Amazon)
Werbung für die Netflix Serie Altered Carbon. (Bild: Amazon)

In dieser Sci-Fi-Serie ist der Mensch in der Lage sein Bewusstsein in einen anderen Körper zu transferieren. Der Mensch hat somit die Möglichkeit, eine kurz vor seinem Tod gesicherte Version von sich selbst nach dem Tod wieder in einer zuvor geklonten Version seines Körper (aus einem Backup oder Save) einzuspielen. Damit spielt die Serie sehr geschickt. In unserer Gamer-Terminologie, war damit eine Art Speichern des Charakters im großen Spiel des Lebens möglich. Bei so etwas kommt dann unweigerlich die Frage nach der Seele auf, ist das Bewusstsein einer Person die Person?

Würde sich damit der Anfang dieses Beitrages umkehren? Das Leben nicht als Bedingung in einem Spiel, sondern das Leben selbst als Spiel? Ohne Konsequenzen. Denn wenn wir ehrlich sind, ist der Tod die finale Konsequenz, die wir seit Generationen versuchen zu besiegen. Zu becheaten. Denn spricht die Idee vom Heiligen Gral nicht genau das aus? Ein Cheat für das Leben? Und weichen wir vielleicht durch die Konsequenzlosigkeit des Todes in aktuellen Spielen nicht nur das Konzept Videospiel auf, sondern auch selbst das Konzept Leben auf, weil wir die Konsequenz – wenn auch nur virtuelle – verharmlosen? Und wenn das so ist, ist das vielleicht gut? Lohnt es sich dem Tod den Schrecken zu nehmen oder sollte man gerade heranwachsenden das Leben und auch Tod lieber genauer erklären, denn schließlich sind Spiele wie Fortnite und Minecraft gerade bei den jungen Menschen sehr beliebt.

Der Tod in Minecraft nach dem offiziellen Wiki. (Bild: Selmar)
Der Tod in Minecraft nach dem offiziellen Wiki. (Bild: Selmar)

Jetzt nach dem ich mir dies alles vom Herzen (und aus dem Kopf) geschrieben habe, stellt sich mir nur noch die Frage. Was wenn wir wirklich Sterben? Durch die sozialen Medien (findet ihr den Begriff auch so unpassend?) sind wir da eigentlich wirklich tot? Klar, schreibt ein Toter keine Beiträge mehr, aber würden wir es wirklich bemerken, wenn ein zurückgezogener Alt-Hollywoodstar stirbt, aber sein Manager einfach seine Medien weiter bedient?

Ich weiß es nicht. Ich bin aber froh, dass, das Leben im Moment noch endlich ist.


Veröffentlicht in: Videospielgeschichten

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Kommentare (8)

  1. Mir gefällt der Artikel ebenfalls, sehr schönes Thema und eine gute Sichtweise. Im Moment spiele ich DeadCells, da frage ich mich auch immer noch, was es mit der ständigen Wiederkehr auf sich hat, wobei die sogar irgendwann nervt, man das Gefühl bekommt das doch da was nicht richtig läuft. 😂

    Dann gibt es noch die Spiele die die Sache Tod etwas ernster nehmen und zum Beispiel alle eure gesammelten Gegenstände und auch euren erstellten Avatar plus den gesamten Speicherstand ins Jenseits also dem virtuellen Papierkorb befördern. Und es gab auch schon ein Videospiel das sich wirklich nur ein einziges Mal spielen ließ, nach dem Game Over zerstörte sich das Game und war nicht mehr verwendbar.

    1. Danke, ja Dead Cells, da wird man ja sogar jedes mal wieder geboren und das Spiel geht mit dem Spieler-Tod sehr zynisch um.

      Ich habe beim schreiben des Artikels auch die ganze Zeit überlegt, wie dieses Spiel hieß. Es sollte sich nur ein mal spielen lassen sollte und sogar die Spielwelt selbst hatte wohl nur eine bestimmte Anzahl an “Befölkerung”. Das Spiel wurde dann irgendwann abgeschaltet als diese “Verbraucht” war.

  2. Ich finde den Gedanken, den du formuliert hast, ziemlich interessant. Gerade hinsichtlich der Begrifflichkeit in Online Spielen und was diese eigentlich impliziert/mit sich bringt. Darüber habe ich mir selbst nämlich noch nie Gedanken gemacht, auch wenn ich es persönlich für weniger problematisch halte, da es innerhalb des Rahmens der Spielwelt durchaus korrekt sein kann.
    Gleichzeitig muss ich aber auch (wie so oft) an Prince of Persia: The Sands of Time denken. Im Spiel gibt es ja bekanntermaßen einen Erzähler und jedes Mal wenn der Spieler eigentlich dahinscheidet, sagt dieser etwas wie “Moment, so ist das aber nicht passiert”. Sodass dies sozusagen keinen Tod darstellt. Eine clevere Herangehensweise.

    1. Oh Stimmt, Sands of Time hatte ich vergessen. Du hast recht, das könnte eigentlich auf alle “Erzähler-Spiele” zutreffen. Mit dieser Art und Weise könnte man auch gut Speichern und Laden etablieren. Ich meine mich da an noch ein oder zwei Spiele zu erinnern, aber sie fallen mir gerade nicht ein.

  3. Ich sehe das genau wie Poly und deshalb ebenso nicht problematisch, wenn man in Spielen von Kills und Toden spricht. Um ehrlich zu sein, habe ich mir solche Gedanken wie Du bei Deathmatch-Spielen gar nicht gemacht. Aber da hast Du sicher Recht. Es gibt passendere Begrifflichkeiten.

    Was den zweiten Teil Deines Artikels betrifft: „Alle nachfolgenden Generationen würden nicht durch den natürlichen Tod aus ihrem Leben scheiden.“ Musste ich sofort an „Otherland“ denken, eine Buchreihe von Tad Williams, die ich vor Jahren gelesen habe.

    Die Handlung spielt in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts in einer Welt, in der das Netz (eine Weiterentwicklung des Internets) das gesamte Leben dominiert. Durch Implantate, die direkt mit den Sinnesnerven verbunden sind, und andere Technologien ist es möglich, sich völlig in virtuelle Realitäten und Simulationen einzuklinken und diese hautnah zu erleben. Viele Menschen verbringen den Großteil ihres Lebens in virtuellen Umgebungen, einige haben sich fast völlig aus der realen Welt zurückgezogen.

    „Otherland“ heißt eine geheime, exklusive Online-Welt, eine Spielwiese für exzentrische Reiche. Ein 14-Jähriger Onlinespieler stolpert zufällig darüber, als ihm ein wertvolles Artefakt verloren geht. Der Spiel-Support wiegelt ab, aber er lässt nicht locker. Ohne zu ahnen, in welche tödliche Gefahr er sich begibt. Er ist nicht der einzige, der zufällig auf Otherland stößt: Bald ist eine völlig unterschiedliche Gruppe Menschen, mit unterschiedlichen Motiven, gemeinsam virtuell unterwegs, um Nachforschungen anzustellen. In ihrer Mitte: Ein Verräter. Doch alle merken nur allzu schnell, dass man sich aus Otherland nicht einfach ausloggen kann und der Tod eines Avatars keineswegs nur virtuell ist…

    Die Geschichte ist packend, auch wenn es für meine Begriffe deutliche längen hat. Gibt es auch als aufwendig produziertes Hörspiel vom HR mit 24 Stunden länge; wohlgemerkt schon gekürzt!

    1. Stimmt, Otherland hatte ich ganz vergessen. Ich fand die Story auch sehr, sehr lang und musste mich Stellenweise durch zwingen, aber gewisse Parallelen entstehen da.

  4. Wenn man bedenkt, dass der Tod in Videospielen wirklich nur sehr wenig mit dem realen Tod zu tun hat, dann ist die Verwendung des Begriffs tatsächlich etwas unpassend. Letztlich ist das virtuelle Ableben aber genauso alt wie die Videospiele selbst und das Wort in diesem Kontext längst völlig losgelöst von der eigentlichen Bedeutung und Wirkung. Daher empfinde ich es auch nicht als problematisch, wenn man in Spielen von Kills und Toden spricht.

    Viel interessanter finde ich den Gedanken, dass das eigene (virtuelle) Ableben für uns Spieler viel unbedeutender ist als der Tod von NPCs und manchmal auch Gegnern. Wie viele Spieler haben in FF7 Tränchen vergossen als eine gewisse Dame starb? Wer hatte nicht ein schlechtes Gefühl als er die einsamen Riesen in Shadow of the Colossus zu Fall brachte? Solche Momente berühren uns (manchmal) tatsächlich auf eine etwas vergleichbare Weise wie der echte Tod. Natürlich nur oberflächlich, aber sie machen uns zumindest auch etwas traurig. Wohingegen der Tod der eigenen Spielfigur schlimmstenfalls Wut und Frust hervorruft. Liegt es daran, dass unsere eigene Figur letztlich doch unsterblich ist oder daran, dass der von uns gesteuerte Held meist doch nur eine leere Hülle ohne eigenen Willen ist, während die NPCs uns vorgaukeln ein eigenes Leben und eine Persönlichkeit zu haben?

    Hin und wieder gibt es aber Titel, die zumindest versuchen, den virtuellen Tod nicht nur als Strafe für den Spieler zu nutzen. Man denke nur an Puzzler wie Life Goes On, die den Tot als unverzichtbares Werkzeug für das Weiterkommen des Spielers nutzen. Oder an Super Meat Boy, bei dem, wenn ihr es endlich geschafft habt, die Geister aus dutzenden Fehlversuchen gleichzeitig abgespielt werden und so zeigen, wie man Versuch um Versuch aus seinen Fehler und Toden gelernt hat. Und dann gibt es auch noch so wahnwitzige Ideen wie den Multiplayer-Horror The Flock, für das die Entwickler zu Beginn eine feste Menge an Leben festgelegt hatten, die sich alle Spieler teilten und sobald diese aufgebraucht waren, sollte es einen letzten Wettkampf geben und die Server anschließend für immer vom Netz gehen.

    1. Hi Poly,
      dass ist in der Tat interessant. So habe ich es noch nicht gesehen. Ich denke es hat auf damit zu tun, dass wir wissen, dass NPCs meist endgültig aus der Geschichte genommen werden. Sie transportieren oft aber auch als Charakter mehr Emotionen wie der (meist wortlose) Spieler-Avatar.