Journey – Der Weg ist das Ziel

Von Florian Zandt am
Kommentiert von: Farmer Slide Joe Bob, Florian, Danny, Christian, Leo, Alex, Kartodis, Pascal, Davis
Videospielgeschichten lebt durch Unterstützung! Wenn dir unsere Beiträge gefallen, überlege doch bitte ob du unseren Blog fördern kannst. Durch deine Hilfe stellst du sicher, dass Videospielgeschichten weiterleben kann und die unabhängige Medienwelt bunt bleibt!

Wenn einer eine Reise tut, kann er was erzählen – ein altes Sprichwort, das viele Spiele eher zur Pflicht verkommen lassen.

Nicht so Journey, einer der wenigen Playstation-exklusiven Titel, den selbst Hardcore-Verfechter von Microsoft und Co. der Konsolenkonkurrenz neiden dürften, revolutionierte der charmante Wüstentrip doch die Art und Weise, wie digitales Storytelling minimalistisch und gleichzeitig immersiv wie nie funktionieren kann. Auch wenn Journey in der neuen PS4-Version auf den ersten Blick nur hübscher aussieht: Die Kernkompetenz des Spiels ist frisch wie eh und je.

Meist bekommt man als Gamer in remasterten Versionen beliebter Titel – God Of War, Tomb Raider, The Last Of Us – zusätzliche Inhalte und weitere Anreize serviert, um ein Spiel, das einen mutmaßlich schon in seiner Urfassung tagelang an die Konsole oder den Rechner gefesselt hat, auch für einen zweiten Durchlauf schmackhaft zu machen. Bei der Neuauflage von Journey ist das weitaus schwieriger.

Denn wie schon die Kollegen von Gamesradar festgestellt haben: Der atmosphärische Third-Person-Titel, der PS3-Besitzer schon 2012 mit seiner ungewöhnlichen Optik und seinem minimalistischen Design verzaubert hatte, ist heutzutage nur noch schwer unbeeinflusst spielbar. Hat man Rezensionen zu Journey gelesen oder Gameplay-Videos gesehen, bietet die, zugegeben hübsche, 1080p-Optik nicht mehr wirklich etwas neues. Hat man es sogar schon selbst gespielt, lässt sich das anfängliche Gefühl, eine neue Welt zu entdecken, die mehr Fragen aufwirft als Antworten zu geben und die Interaktion zwischen Spielern ebenso simpel wie komplex gestaltet, schwer reproduzieren.

Selig sind in diesem Fall die Scheuklappenträger oder diejenigen, die sich trotz Let’s-Play-Inflation und Game-Blogs an jeder Ecke – ja, schuldig im Sinne der Anklage – eine gesunde Ignoranz antrainiert haben und bisher einfach nichts von Journey mitbekommen haben. Denn wer die bisherige Krönung des Outputs von thatgamecompany 2015 zum ersten Mal spielt, legt selbst Blockbuster wie The Witcher III erst mal beiseite.

Allein der Beginn von Journey ist ungewöhnlich: Ein Sternschnuppe beleuchtet den Himmel über einer endlosen Wüstenlandschaft und verschwindet am Horizont, bevor wir die Kontrolle über einen minimalistisch designten Wanderer übernehmen. Kaum dass wir die ersten Schritte getan haben und über die nächste Düne geklettert sind, dominiert ein Berg samt leuchtendem Gipfel in der Ferne die Sicht.

Schon jetzt wird die unausgesprochene Mission klar: Die titelgebende Reise wird uns genau dort hin führen. Den schweigsamen Wüstenbewohner steuern wir lediglich mittels des Analogsticks und zwei Buttons. Mit einem stoßen wir ein Geräusch aus – die einzige Möglichkeit, mit zufällig ins Spiel eingeladenen Mitspielern zu kommunizieren und gleichzeitig sämtliche Interaktionen in Journey durchzuführen. Mit dem anderen springen und gleiten wir durch die malerische Welt, die neben der Wüste auch düstere Untergrundpassagen und verschneite Berggipfel beinhaltet. Hüpfen können wir allerdings nur, wenn wir genug Stofffetzen eingesammelt haben, um unseren durch Upgrades verlängerbaren Schal entsprechend mit Runen aufzuladen.

Journey gelingt das Spiel mit Licht und Schatten meisterhaft. (Bild: thatgamecompany)
Journey gelingt das Spiel mit Licht und Schatten meisterhaft. (Bild: thatgamecompany)

So minimalistisch sich das Spielprinzip anhört, so kreativ ist es eingesetzt. Egal ob wir unsere Sprungkraft durch herumfliegende Stoffrochen mitten im Satz wieder aufladen und damit die nächsthöhere Ebene eines der überall verteilten mysteriösen Gebäude erreichen, oder dem Sichtkegel übelgelaunter Widersacher mit geschickten Gleitmanövern entkommen: Selten ist so simples Gamedesign so effektiv gewesen.

Durch die relativ überschaubare Spielmechanik lassen die Macher von Journey umso mehr Raum für die sich wie ein roter Faden durch die Welt ziehende Metaphorik von sich stetig wiederholenden Kreisläufen und einer Kultur, deren Geschichte wir uns aus kryptischen Wandbildern und Andeutungen selbst zusammenpuzzlen müssen. Obwohl die einzigen Belohnungen für das Erforschen der Welt in dem Aufdecken besagter Wandbilder und dem Einsammeln von Upgrades für unsere Sprung- und Gleitdauer bestehen, zerrt einen die Neugier dann doch immer wieder weg vom offensichtlichen Pfad und in entlegenere Ecken.

Ohne zu viel zu verraten: Selbst das Ende von Journey beantwortet die Fragen, die man sich im Laufe des Spiels unweigerlich stellt, kaum: Wer hat die scheinbar magischen Stoffbahnen erschaffen? Warum strömen die Wüstenbewohner wie magnetisch angezogen zu dem über allem thronenden Berggipfel? Was hat es mit den überall verstreuten kulturellen Relikten auf sich?

Genau das macht allerdings die Magie von Journey aus. Das einzigartige Spiel erlaubt es jedem, seine eigenen Schlüsse zu ziehen, die Rahmenhandlung selbst mit Leben zu füllen und der spielerischen Vorstellungskraft, die zu keinem Zeitpunkt durch überfrachtete UIs oder kompliziertes Gameplay behindert wird, freien Lauf zu lassen. Meditativ, packend, kathartisch – auch in der Neuauflage gehört Journey zu einem Titel, der schneller aus dem Stack Of Shame verschwindet, als man gucken kann.

Dieser Beitrag ist zuerst am 21. August 2015 auf randomarticlemachine.com erschienen.


Veröffentlicht in: Podcasts, Spielebesprechungen
Tobi

Kommentieren  (12)

Folge uns

MastodonInstagramYouTube

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kommentare (12)

  1. Journey hmm, ich hatte es die letzten Tage zufällig auch spaßeshalber via Stream auf meinem Kartoffel-Laptop und nahm sogar Videos auf, vlt zum verwursten einer ersten Videoreview. Irgendwie ist das Game magisch, daß fängt bei den Orten an, die Farben und die Musik. Diese stellt beim Spielen eine so perfekte Synergie da, wie noch lange nicht. Angefangen bei der Wüste, dem ersten rutschen bei Sonnenuntergang, dann die zur Spitze des Berges, in der eisigen Landschaft und wie es wieder umschwenkt zu einer fabelhaften Wolkenlandschaft bis hin zum Ende und den Credits, die dann reinrollen. Dann dieser Moment, wo andere Spieler auch dabei sind, in dieser doch so isolierten Welt. Innerhalb dieser ganzen Spielsession hatte ich mehr Spaß damit gehabt, als mit einem Last of Us, auch wenn ich dass Game echt mag, oder anderen Triple A Games. Sollte meiner Meinung nach jeder Spielen, also Journey. By the way, ich hab dies auf meiner PS3 Slim gespielt und habe es nach etwas ernüchternden Anfang für mich zumindest so reingesogen in diese mystische Welt, wie schon lange nicht mehr. Daher definitiv Kaufempfehlung und man sollte es spielen 😀

  2. Ich bin einer dieser Scheuklappenträger. Juuuhuuuuuu!!!! Nicht aus Ignoranz allerdings.

    Journey sagte mir tatsächlich nichts. Aber thatgamecompany sagt mir was – von Flower, ihrem Vorläufer-Game. Nach diesem Artikel zu urteilen könnte mir Journey gefallen. Ich finde es eine der großen Stärken von Entertainment-Produkten (inkl. Buch, Film und Serie), dass Geschichten erzählt werden können, die nicht alles erzählen. Ungeklärte Fragen und offene Enden sind von unschätzbarem Wert. Wir alle gieren ja danach, Kreise zu schließen, jedem Anfang ein Ende hinzuzufügen. Wahrscheinlich weil der Abschluss von etwas immer Orientierung bietet und wir alle Orientierung brauchen bis zu einem gewissen Grad.

    Aber gerade wenn uns eine Geschichte begeistert und dann eben nicht völlig zu Ende erzählt wird, kann das eine tolle Erfahrung sein.

  3. Ein Spiel für Genießer! Der Artikel beschreibt die wichtigen Aspekte des Spiels sehr schön und behauptet nicht einfach nur, dass es ein großartiges Spiel ist. Meiner Meinung nach spielt das Ambiente zu Journey eine große Rolle. Es ist ein Spiel zum runter kommen. Ähnlich wie wenn man es sich abends mit einem Buch gemütlich machen möchte. Journey funktioniert nicht gut, wenn man noch vom Alltag getrieben ist oder man noch viele Gedanken im Kopf herumschwirren hat. Ich kann nur jedem empfehlen sich in einen leichten Wellness-Modus mit Kaminfeuer Atmosphäre zu versetzen, bevor das Spiel gestartet wird.

  4. Ich muss mich hier Kartodis anschließen. Auch ich darf diesen Titel dank PS+ mein Eigen nennen. Ebenfalls habe ich von Journey nur ein paar Screenshots gesehen und gehört, dass es toll sein soll.
    Tja, und auch ich habe nicht viel Zeit mit diesem Spiel verbracht. Relativ schnell – ich schätze nach maximal einer Stunde – wurde mir Journey einfach zu langweilig. Ich kann allerdings schon nachvollziehen, warum Journey so viele Leute in den Bann zieht. Ist eben nicht für jeden was.

  5. Dank PS+ konnte ich auch die Reise mit Journey auf der PS4 erleben. Schön mal wieder einen Text darüber zu lesen. Hatte im Vorfeld auch keine Videos oder Bilder über das Spiel gesehen und war somit auch fast unvoreingenommen. Hatte nur gehört, es soll ein gutes Spiel sein. Ich fand das Spiel wunderbar. Danach hatte ich Eindrücke von meiner Reise hier https://gmpearl.wordpress.com/2016/11/16/journey/ festgehalten.

  6. Ich muss gestehen, dass ich den Titel nur mal kurz angespielt habe. Das ist aber auch schon ein paar Jahre her. Wenn ich mich recht erinnere, dann war es mir damals zu undurchsichtig, was zu tun ist. War noch nie der Geduldigste. Vielleicht sollte ich mir das nochmal genauer anschauen.

  7. Wunderbar, dass du Journey noch für dich entdeckt hast!
    Über die Bedeutung der Reise haben wir uns erst letztens in einem Seminar den Kopf zerbrochen. Mit “Der Weg ist das Ziel” hast du auf jeden Fall recht. Mancher behauptet, Journey ist eine Verbildlichung der Heldenreise – genauer des von Joseph Campbell geprägten Monomythos. Ich persönlich bin da eher auf der Romantikerseite und behaupte, Journey ist eine Allegorie auf das Leben – von der Geburt über Höhen und Tiefen zum Tod und zurück zu neuer Geburt, geführt und geleitet von den Eltern oder vergleichbaren Bezugspersonen.
    So oder so gibts viel Raum für Interpretation her. Und ist schlicht und einfach unglaublich schön <3

  8. Ich habe den Titel locker 10 Mal gespielt wenn nicht öfter, auf beiden Systemen. Ich finde das Gesamtbild gerade in Verbindung mit dem grandiosen Soundtrack, lässt mich das Spiel mit jedem durchspielen neu genießen. Klar, gesehen habe ich da schon alles aber das Ambiente ist einfach so phänomenal das ich es liebe die 2,5 Stunden in JOURNEY zu schwelgen.