“Die Zeit verging spielend” – Interview mit Boris Schneider-Johne (Happy Computer, Power Play)

Von Guido Frank am
Kommentiert von: André Eymann, Rocker1980, obiwandiDE
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Wer kann die Geschichte der Videospiele heute besser erzählen als diejenigen, die sie geschrieben haben? Boris Schneider-Johne, vielen noch bekannt unter dem Pseudonym „Doc Bobo“, hat uns jahrelang als Spiele-Redakteur mit seinen witzigen und kompetenten Artikeln durch Raum und Zeit begleitet. Als Mitbegründer der legendären Zeitschrift Power Play leistete er große Pionierarbeit.

Später setzte er weitere Meilensteine mit seinen genialen und humorvollen Übersetzungen der berühmten Lucasarts-Adventures. Dabei war Boris (Jahrgang 1966) damals kaum älter als wir, die Fans die er mit seiner Arbeit so sehr faszinierte. Gänsehaut-Feeling ist nun garantiert, wenn Boris Schneider-Johne über seine ganz persönlichen Erlebnisse aus diesen glorreichen Tagen berichtet.

Interview mit Boris Schneider-Johne

„Doc Bobo“ heute. (Bild: Boris Schneider-Johne)
„Doc Bobo“ heute. (Bild: Boris Schneider-Johne)

Hallo Boris, vielen herzlichen Dank für Deine schnelle und bereitwillige Zusage an unserer Internetseite mitzuwirken. Wir versuchen seit einigen Jahren etwas mehr Licht hinter die Deutsche Geschichte der Videospiele zu bekommen und freuen uns sehr, dass Du uns als Insider einen kleinen Einblick in die Spieleszene der 80er und 90er Jahre gewährst.

Natürlich wollen wir auch erfahren was Du gegenwärtig für Ziele verfolgst, aber am Besten fangen wir zuerst einmal ganz von vorn an und beginnen mit der goldenen Ära der Homecomputer.

Für Leute die so wie ich mit dem Commodore 64 aufgewachsen sind, steht der Name Boris Schneider heute als Synonym für die beiden Kultzeitschriften Happy Computer und Power Play. Die Happy Computer erschien zum ersten Mal im November 1983, damals ja noch als Hobby Computer, ab wann hast Du in der Redaktion mitgearbeitet und wie hat es Dich überhaupt dorthin verschlagen?

Schnellader für den C64: Hypra-Load erscheint als Listing des Monats in der 64er-Ausgabe 10/1984. (Bild: Markt & Technik)
Schnellader für den C64: Hypra-Load erscheint als Listing des Monats in der 64er-Ausgabe 10/1984. (Bild: Markt & Technik)

Alles Zufall, Glück und Schicksal. Zusammen mit einem Schulfreund namens Karsten Schramm hab ich an einem Schnellader für den C64 gearbeitet, den wir Hypra-Load nannten. Das Teil wurde Listing des Monats im Magazin 64er – und im wesentlichen nur, weil die Redaktion nur wenige Kilometer Luftlinie von unserem Wohnort entfernt war und wir deswegen einfach mit dem Programm dort aufgetaucht sind.

Das war 1984, am Ende meines 12. Schuljahres. Karsten und ich haben dann angefangen, technische Artikel über den C64 zu schreiben, aber ich driftete recht schnell in die Spiele-Ecke ab. Nicht zuletzt weil ein junger Redakteur namens Heinrich Lenhardt von der Happy Computer sehr schnell als Beta-Tester für Hypra-Load herhalten musste.

1985 wollte ich als Praktikant sechs Monate beim Markt- & Technik-Verlag absolvieren, um dann vielleicht Mathematik zu studieren – daraus wurden dann dreieinhalb Jahre Festanstellung. Heinrich und ich konnten dort Power Play erst als Sonderheft, dann als eigenes Heft konzipieren, welches dann wieder zu einer Beilage der Happy Computer gewandelt wurde. Nach vier Monaten als „Beilage“ hatte ich die Nase voll und wechselte zu Rainbow Arts als Spieleproduzent.

Wir haben vor einiger Zeit ein Interview mit dem ehemaligen Happy Computer-Chefredakteur Michael Lang gemacht. Dort konnten wir bereits einige interessante Details erfahren. Aber wie gestaltete sich die Arbeit speziell als Spielejournalist bei der Happy Computer? War es wirklich so spaßig wie es in den Heften rübergekommen ist?

Hypra-Load - Entstanden aus der Leidenschaft für Maschinensprache. (Bild: Markt & Technik)
Hypra-Load – Entstanden aus der Leidenschaft für Maschinensprache. (Bild: Markt & Technik)

Wir waren jung, enthusiastisch und grenzenlos ausbeutbar. Es war der Spaß der Pionierarbeit, das Gefühl, was besonderes machen zu dürfen und dafür auch Geld zu bekommen. Es war, gerade für einen 19-jährigen ohne Berufserfahrung, der absolute Traumjob. Bedingt durch die absurden Arbeitszeiten, man verließ selten vor 21 Uhr das Büro, war auch genug Freiraum für Kindsköpfigkeiten aller Art. Ja, wir hatten tatsächlich Wasserpistolen-Duelle in den Büro-Gängen. Viele Jahre vor Doom, Wolfenstein oder gar Midi-Maze!

Das klingt nach tollem Teamgeist und jeder Menge Fun. Für Computer- und Spielefreaks der 80er Jahre gab es ja wohl kaum einen schöneren Beruf als Spieleredakteur, zumindest in unserer Vorstellung. Hattest Du eigentlich niemals ein schlechtes Gewissen für Deine Arbeit tatsächlich echtes Geld zu bekommen?

Wie schon gesagt, der Job beim deutschen Markt & Technik Verlag damals war kein Job, sondern das Leben. Nach Hause ist man zum Schlafen gefahren (manchmal nicht mal das). Das geht natürlich nicht ewig gut, insbesondere nicht, wenn einen Lebenspartner auch außerhalb des Büros interessieren. Das Geld war nie so viel, dass es peinlich gewesen wäre. Was mich am meisten begeistert hatte, war dass ich für den Verlag mehrfach in die USA reisen durfte – das war für mich, der selten im Ausland war, absolut einzigartig.

Boris Schneider 1988 an der Golden Gate Bridge. (Bild: Boris Schneider-Johne)
Boris Schneider 1988 an der Golden Gate Bridge. (Bild: Boris Schneider-Johne)

Dein Name war damals fast untrennbar mit dem von Heinrich Lenhardt verbunden. Ihr beide habt euch mit euren Artikeln einen großen Namen gemacht. Klappte die Zusammenarbeit von Anfang an so gut oder hat sie sich erst im Laufe der Zeit zu einer festen Freundschaft entwickelt?

Heinrich und mich verbindet ein ähnlicher Humor, eine ähnliche Verbissenheit und Passion und eine in vielen Punkten gleiche Denke. Wir haben uns auch das eine oder andere Mal richtig gezofft, wir hatten sogar eine Episode im Leben bei der Anwälte reden mussten, aber auch nach zwanzig Jahren sind wir immer noch in Freundschaft verbunden. Heinrich war ja jahrelang in USA und Kanada, da habe ich ihn so oft wie möglich besucht und seit er wieder in Deutschland ist, wird der Kontakt wieder intensiver.

Heinrich Lenhardt und Boris Schneider-Johne: stimmungsvolle Spiele-Bewertungen für die Generation C64. (Bild: Markt & Technik)
Heinrich Lenhardt und Boris Schneider-Johne: stimmungsvolle Spiele-Bewertungen für die Generation C64. (Bild: Markt & Technik)

Legendär und echte Klassiker sind heute noch die vier großen Spiele-Sonderhefte der Happy Computer, bei dessen Entstehung Du ja ebenfalls viel dazu beigetragen hast. Kannst Du uns vielleicht etwas mehr über diese ganz besonderen Ausgaben erzählen?

Spiele-Sonderhefte der Happy Computer. Tests vom C64 bis zum PC. (Bild: Markt & Technik)
Spiele-Sonderhefte der Happy Computer. Tests vom C64 bis zum PC. (Bild: Markt & Technik)

Die Sonderhefte waren ein ganz besonders hartes Brot, weil sie ja auch konzipiert werden mußten. Das Format, die Wertungskästen und alle anderen Dinge haben Heinrich und ich aus angelsächsischen Zeitschriften wie Zzap 64 adaptiert und verdeutscht. Wir hatten grandiose Unterstützung von Michael Lang und Michael Scharfenberger, die im grenzenlosen Vertrauen uns beide einfach werkeln ließen. Wir hatten ja, außer einem Schulabschluss und ein, zwei Jahren Schreiben in einer Redaktion, keine große Berufserfahrung. Das sollte man heute mal in einem Verlag probieren…

Interessanterweise war die härteste Arbeit an den Sonderheften aber das Bildmaterial. Für die sogenannten „Aufmacherfotos“, also die Real-Bilder, mussten Fotograf Jens Jahnke und wir viel Denkschmalz leisten und auch Modell stehen. Und die Bildschirmfotos waren damals tatsächlich Fotos. Jedes einzelne Bild in den Sonderheften und in Happy Computer wurde mit einer analogen Kamera fotografiert. Wir saßen tagelang in stockdunkeln Zimmern, spielen Spiele bis an die richtige Stelle, beteten auf eine Pause-Funktion und machten dann mit einer Spiegelreflex-Kamera Bilder mit einer halben Sekunde Belichtungszeit.

Manche Spiele ließen sich nur knipsen, indem man sie im richtigen Moment zum Absturz brachte – auf dem C64 gab es dafür einen eigens eingelöteten Schalter. Wenn man da den falschen Augenblick erwischte, durfte man von vorne anfangen. Außerdem mussten die Fotos dann lithographiert werden (1985 gab es noch keinen digitalen Workflow) und das ging ins Geld. Mehr Bilder pro Seite war schon aus Kostengründen verboten. Bei PC Player war das anders: Man konnte Screenshots per Programm machen und als TIFF-Datei abgeben, das hat dann den Look der Spielezeitschriften deutlich revolutioniert.

Spiele-Reporter aus Leidenschaft. Die ehemalige Power Play-Redaktion (von links): Martin Gaksch, Gregor Neumann, Boris Schneider, Heinrich Lenhardt und Anatol Locker. (Bild: Markt & Technik)
Spiele-Reporter aus Leidenschaft. Die ehemalige Power Play-Redaktion (von links): Martin Gaksch, Gregor Neumann, Boris Schneider, Heinrich Lenhardt und Anatol Locker. (Bild: Markt & Technik)

Für mich als Sammler von klassischen Spielezeitschriften ist die Power Play heute etwas schwer einzuordnen. Der Grund: Mir ist nicht ganz klar, wann Sie genau entstanden ist. Das erste eigenständige Power Play-Magazin kam ja erst im März 1990 in den Handel. Zu dieser Zeit hattest Du die Redaktion schon längst verlassen. Zuvor erschien die Power Play entweder als Happy Computer-Spezial oder als separate Heftbeilage ab Oktober 1988. Dein Name findet sich zuletzt im Impressum der Ausgabe 2/1989. Erinnerst Du Dich noch, wann und wie die Power Play nun wirklich gegründet wurde? Was waren Deine Beweggründe die Zeitschrift später so schnell zu verlassen?

Die legendäre Power Play von 1988. (Bild: Future Verlag)
Die legendäre Power Play von 1988. (Bild: Future Verlag)

Für mich beginnt Power Play mit den sechs eigenständig erschienenen Spezial Ausgaben, die aus den vorherigen Spiele-Sonderheften hervorgingen. Da stand Power Play drauf und war Power Play drinnen. Mit dem Erscheinen von Power Play wurde der Spieleteil in der Happy Computer, den wir ja auch noch betreuten, kleiner und kleiner. Leider kostete das die Happy Computer-Leser, die einfach zur Power Play wanderten. Deswegen wurde vom Verlag entschieden, dass es finanziell wichtiger sei, Happy Computer zu stützen und die Power Play als 32-Seiten-Heft beizulegen.

Wir nannten die Happy liebevoll den „Schutzumschlag“. Diese Degradierung, gekoppelt mit einem Angebot von Rainbow Arts in Düsseldorf, Spiele zu produzieren, hat mich und Martin Gaksch dann ja zum Wechsel in das andere Lager bewogen.

Wie ist eigentlich der Name für die Power Play entstanden?

Heinrich und ich hatten verschiedene Namen vorgeschlagen, Power Play, ein Begriff aus dem Eishockey, war aber unser Wunschkandidat. Da Power Play ein Sportbegriff ist, muss er Heinrich eingefallen sein. Wir hatten allerdings mehrere Titel zum Schutz anmelden müssen und einer der Titel war Spielomat, als Parodie auf Textomat und Datamat von Data Becker. Natürlich kam auch prompt ein Schreiben der Data Becker Anwälte, dass Data Becker den Titel Spielomat für sich beanspruchen würde.

Heinrich Lenhardt in der Power Play-Redaktion. (Bild: Future Verlag)
Heinrich Lenhardt in der Power Play-Redaktion. (Bild: Future Verlag)

Viele kennen Dich zwar als Redakteur, wissen aber nicht, dass Du früher auch als Übersetzer für Videospiele gearbeitet hast. Aktuelle Abenteuerspiele werden heute immer noch an den legendären Lucasarts Adventures gemessen, an dessen Ruhm Du ja zumindest an der Deutschen Version maßgeblich mit beteilig warst. Hattest Du mit so einem großen Erfolg dieser Spiele überhaupt gerechnet? Welche Programme wurden von Dir alle übersetzt?

Meine erste Übersetzung war Murder on the Mississippi von Activision. Zu dem Zeitpunkt lag ich gerade Activision mit den Infocom-Adventures im Ohr, das deutsche Übersetzungen super erfolgreich werden müssten. Ich kannte die Verkaufszahlen von eher einfach gestrickten deutschen Adventures auf dem C64 und wusste, dass da eine echte Marktlücke ist. Bei Murder… hackte ich mich selbst in den Programmcode rein und sah, dass man die Texte einfach tauschen konnte, ohne die Programmfunktion zu beeinträchtigen.

Der Test zum Spiel Murder on the Mississippi aus dem Happy Computer Spiele Sonderheft Nr. 2. (Bild: Markt & Technik)
Der Test zum Spiel Murder on the Mississippi aus dem Happy Computer Spiele Sonderheft Nr. 2. (Bild: Markt & Technik)
Maniac Mansion von Lucasfilm Ltd. 1987 - Ein Spiel wie im Kino! (Bild: Markt & Technik)
Maniac Mansion von Lucasfilm Ltd. 1987 – Ein Spiel wie im Kino! (Bild: Markt & Technik)

Mit Winnie Derlien von Activision versuchte ich, offiziell den Auftrag für die Übersetzung zu kriegen, aber die Amis bei Activision kamen nicht in die Pötte. Also knackte ich das Programm, schrieb mir einen eigenen Diskeditor, hackte die deutschen Texte direkt in das Diskimage, machte den Original-Kopierschutz wieder auf die Disk und schickte das einfach als Master an Winnie. Der schickte das an seine verblüfften Kollegen in Amerika.

Der damalige Lucasarts-Chef verbat mir auf einmal den Zugriff auf den Source Code aus Sicherheitsgründen. Zu dem Zeitpunkt war ich inzwischen sowohl im Zivildienst als auch als freier Autor tätig. Danach begann dann schon die PC Player-Phase und aus Gründen des Journalisten-Ethos habe ich dann mit Spieleübersetzungen wieder aufgehört.

War es für Dich überhaupt nicht schwierig den englischen Humor in die Deutsche Sprache zu importieren?

Sauschwer. 90% sind machbar aber 10% der Wortspiele haben einfach kein deutsches Äquivalent. „Get ahead in navigating“ in MI1 beispielsweise. Deutsch „Klarer Kopf beim Navigieren“ machte ich daraus. Heute würde ich da was anders machen, wahrscheinlich nur „Navigieren mit Köpfchen“ oder so was. Und in MI2 der „Monkey Wrench“, ein Affe der durch Wortspiel (und Hypnose) zum Schraubenschlüssel mutiert. Ich wollte für die deutsche Version das Puzzle umbauen und einen Engländer draus machen, aber Ron Gilbert weigerte sich, grafische Änderungen durchzuführen.

Mit der Erstausgabe der PC Player im Januar 1993 hatten wir Dich zurück als Redakteur für Videospiele und Du kannst mir glauben, unter uns Fans sprach sich das rum wie ein Lauffeuer. Endlich wieder ein Spielemagazin mit dem Erfolgsduo Boris Schneider und Heinrich Lenhardt. Wie kam es genau zur Gründung der PC Player?

Die Erstausgabe der PC Player im Januar 1993. (Bild: Future Verlag)
Die Erstausgabe der PC Player im Januar 1993. (Bild: Future Verlag)

PC Player war für den Herbst 1992 zusammen mit Rolf Boyke als Layouter bei einem anderen jungen Verlag komplett durchgeplant und die Erstausgabe zu 70% fertig. Doch dann kriegte dieser Verlag von einem Geschäftspartner die Order, PC Player einzustampfen, denn der Geschäftspartner war auch mit Computec im Geschäft, die gerade PC Games vorbereiteten. Glücklicherweise wechselte Michael Scharfenberger damals zurück ins Verlagsgeschäft und heuerte als Geschäftsführer bei DMV an.

Bei Pizza Torrino in Trudering wurde im Herbst 1992 per Handschlag schnell vereinbart, PC Player zu dem anderen Verlag zu retten. Super dramatische Geschichte mit gutem Ausgang – ich glaube durch diesen erzwungenen Verlagswechsel ist PC Player erst richtig groß geworden. Das stärkte natürlich auch unsere „Jetzt erst recht“-Haltung, weil wir wie in alten Zeiten mit der ASM jetzt mit der PC Games ein gutes Feindbild hatten.

Unvergessen bleiben mir da besonders die Multimedia Leserbriefe, das Konzept wurde danach oft kopiert, aber nie erreicht. Hat Dir der Ausflug in die Welt der Schauspielerei tatsächlich soviel Spaß gemacht wie es den Anschein hatte?

Ja, das war das Ventil gegen die 80-Stunden-Woche. Heute in YouTube-Zeiten ist es ja eher normal, dass man sich einfach produzieren kann, aber damals gab es ja nur Fernsehen und keine Kanäle für Schwach- und Blödsinn. Wir haben das gemacht, weil wir durch die CD ein Medium hatten, das mal aus Jux ausprobierten und dann nicht mehr aufhören konnten. Als großer Monty-Python-Fan hätte ich es gern noch absurder gehabt. Aber natürlich hatten wir für so ein Video bestenfalls einen Tag Zeit, inklusive Drehbuch. Und nebenbei mussten wir ja auch noch Skripts für unseren Comic Starkiller abliefern…

Die PC Xtreme erchien im November 1996 und existierte nur sechs Ausgaben lang. (Bild: Cybermedia Verlag)
Die PC Xtreme erchien im November 1996 und existierte nur sechs Ausgaben lang. (Bild: Cybermedia Verlag)

Im November 1996 riefen Deine ehemaligen Kollegen Heinrich Lenhardt, Martin Gaksch und Winnie Forster die PC Xtreme ins Leben. Eine längst überfällige Idee, endlich eine Zeitschrift speziell für erwachsene Videospieler zu veröffentlichen. Hätte Dich die Arbeit dort nicht auch gereizt?

Ich glaube nicht, dass PC Player zu diesem Zeitpunkt nicht für Erwachsene gewesen ist, daher stellt sich für mich die Frage so nicht. Ich hatte ab Sommer 1996 von Spielezeitschriften die Nase ziemlich voll. Seit Heinrichs Abgang Ende 95 stemmte ich PC Player relativ alleine und drückte das neue Wertungssystem, 5 Sterne statt 100%, durch. Das war natürlich ein großer Fehler, aber für mich das Zeichen, dass ich besser den Abgang aus der Zeitschriftenszene machen sollte. Weder wollte ich weiter „Die Grafik ist bunt und das Scrolling butterweich“ schreiben, noch argumentieren, warum ein Spiel 86% und das andere 87% wert ist. Da kam das Angebot von Microsoft gerade recht.

Seit Deinem Ausstieg bei der PC Player Redaktion bist Du ja nun fest bei Microsoft beschäftigt und mittlerweile als Produktmanager für die komplette Xbox Serie verantwortlich. Vielleicht ist hier einmal eine gute Gelegenheit mit der derzeit gängigen Kritik der Xbox 360 gegenüber der Konkurrenz Wii und PS3 etwas aufzuräumen? Wie siehst Du die Zukunft der Xbox?

Boris Schneider-Johne als Mr. Xbox. Produktmanager für die nächste Spiele-Generation. (Bild: Boris Schneider-Johne)
Boris Schneider-Johne als Mr. Xbox. Produktmanager für die nächste Spiele-Generation. (Bild: Boris Schneider-Johne)

Ich will das an sich persönliche Interview nicht durch Marketing-Aussagen zur Xbox 360 entwerten. Ich mag meine Xbox und ich glaube dass die Online-Features, jetzt und in Zukunft, die Plattform auf Dauer erfolgreich machen.

Ein faires und geschicktes Statement. Eigentlich wollte ich mit dieser Frage nur einen passenden Übergang in die Gegenwart finden, aber deine Antwort zeigt wieder einmal mehr Dein gutes Gespür immer die richtigen Worte zu finden. Heutzutage ist der Markt überschwemmt mit unzähligen Magazinen für Videospiele. Fast jede Plattform hat inzwischen ihr eigenes Heft. Diese Entwicklung ist sicherlich positiv zu sehen und dient der Individualität, aber leider geht hier auch die Qualität schnell verloren. Echte Kultmagazine wie früher gibt es eigentlich gar nicht mehr, was ich persönlich sehr bedauere.

Nun erschienen zwei relativ innovative Zeitschriften auf dem Markt, die völlig neue Wege gehen, mit dem Namen GEE und Edge. Sie arbeiten ohne überflüssiger DVD/CD-Beilage und bei den Tests wird komplett auf eine Bewertung durch Noten oder Prozent verzichtet. Wenn Du also wissen willst, wie gut ein Spiel wirklich ist, musst Du den Artikel tatsächlich durchlesen. Ist das für Dich ein Schritt in die richtige Richtung, weg von dem charakterlosen Mainstream?

Die Redakteure mal ganz cool in den Räumen der Redaktion. (Bild: Markt & Technik)
Die Redakteure mal ganz cool in den Räumen der Redaktion. (Bild: Markt & Technik)

Jein. Es ist das, was ich lesen will, daher habe ich auch ein Edge (UK) Abo und kriege dankenswerterweise die GEE vom Verlag zugeschickt. GamePro und Maniac lese ich auch durch, ignoriere einfach den Wertungskasten. Es sind aber zwei Dinge zu sehen: Zum einen bin ich nicht mehr der typische Zeitschriftenkäufer. Wenn ich was gut finde, ist das kein Garant für wirtschaftlichen Erfolg. Viele Käufer heute legen ihren Schwerpunkt auf Heftpreis, die Inhalte der Heft-CD, die Exklusivität von heißen News und Previews. Die Qualität des geschriebenen Wortes, die Tendenz eines Magazins ist selten ausschlaggebend. Und da bin ich dann tatsächlich nutzlos, denn das ist nicht mehr meine Art, Hefte zu machen.

Die Auflagen der Zeitschriften sind allerdings allesamt im Sinkflug. Immer mehr Spieler holen sich ihre Informationen aus dem Internet. Da kann das Medium Papier nicht mithalten, weil es immer viel langsamer ist. Deswegen könnte der geschliffene Artikel, der echte LESEstoff im Gegensatz zum Testbericht und Infostoff, wieder an Gewicht gewinnen. Aber das müssen andere rausfinden, ich bin da nur noch Konsument.

Privat bist Du inzwischen zweifacher Familienvater. Da ich in der gleichen Situation bin, würde es mich interessieren wie Du Dich bei Deinen Kindern mit Videospielen verhältst. Wird da alles erlaubt oder bist Du hier eventuell noch kritischer als die „normalen“ Eltern?

Nun, mein Sohn ist jetzt siebeneinhalb und kennt vom Computer her nur Edutainment-Programme. Ich hab keine Spielkonsolen im Wohnzimmer und er hat auch noch keinen Gameboy (die horte alle ich). Klar, das Thema wird bald auf mich zukommen, bedingt durch den sozialen Druck, der durch die Mitschüler aufgebaut wird. Sobald die alle Konsole spielen, wird er es auch wollen. Da werde ich aber mit Sicherheit sehr genau aufpassen, was er spielen darf. Altersfreigaben gibt es ja nicht aus Jux und Tollerei. Noch wichtiger ist mir aber eine zeitliche Beschränkung. Wenn Kinder drei und mehr Stunden am Tag Videospiele spielen, läuft was falsch.

Natürlich besuchten auch bekannte Gesichter aus der Spielebranche die Redaktion. (Bild: Markt & Technik)
Natürlich besuchten auch bekannte Gesichter aus der Spielebranche die Redaktion. (Bild: Markt & Technik)

Erziehung und Videospiele, bei diesem Thema fällt mit sofort das alte Reizwort „Killerspiele“ ein, dass ja erst kürzlich wieder in allen Medien die Runde machte. Der Bayerische Innenminister will ja jetzt sogar ein Jahr Gefängnis auf die Verbreitung solcher Software einführen, hast Du bereits Sorgen, dass Dein Job bald in dieser Richtung eingeschränkt wird? Vielleicht kannst Du hier ein kleines Statement für unsere fachkompetenten Politiker setzen?

Spiele-Test in der Power Play-Redaktion. Begeisterung vor dem Commodore-Monitor. (Bild: Future Verlag)
Spiele-Test in der Power Play-Redaktion. Begeisterung vor dem Commodore-Monitor. (Bild: Future Verlag)

Ich bin hier keiner so klaren Meinung. Ich halte Vertriebseinschränkungen und Zensur natürlich immer für fraglich, da sollte man eigentlich den Anfängen wehren. Aber auf der anderen Seite gibt es Inhalte als „Spiel“, bei denen ich sehr gut verstehe, warum die Politik auf Verbote drängt. Leider habe ich von vielen Entwicklern, gerade in den USA, nicht den Eindruck, dass sie sich ernsthaft Gedanken darüber machen. Ein gutes Spiel kommt mit wenig graphischer Gewalt aus. Wenn ein Spiel nur Spaß macht, weil da das Blut spritzt, dann hab ich privat sehr große Probleme damit. So was brauche ich nicht, so was tut der Industrie als Ganzem auch keinen Gefallen.

Was fehlt zum Schluss, um ein gutes Interview über klassische Videospiele passend abzurunden? Die wohl wichtigste aller Fragen: Zwischen Ataris Pong und der Microsoft Xbox 360 liegen nun mittlerweile über 30 Jahre Geschichte, was sind aus Deiner Sicht die schönsten und besten Videospiele aller Zeiten?

Boris und Giga-Moderator Michael Neudert auf der Games Convention 2005. (Bild: Boris Schneider-Johne)
Boris und Giga-Moderator Michael Neudert auf der Games Convention 2005. (Bild: Boris Schneider-Johne)

Meine Lieblingsvideospiel-Momente: Tetris, Gameboy, Zweispieler-Modus per Linkkabel und dem anderen eine Viererreihe rüberschieben. Impossible Mission auf Commodore 64, am Sylvesterabend durchgespielt und „Congratulations, Mission Accomplished“ gehört. The Lurking Horror von Infocom, nachts zum Zwei über eine Karte grübelnd die Erleuchtung für das geniale Fahrstuhl-Puzzle gehabt. In Halo 1 begreifen, was tatsächlich die Funktion von Halo ist und dann der nervenzerfetzende Countdown kurz vor Schluss.

In Day of the Tentacle einfach nur lachen. Shanghai auf Amiga mit zwei Mäusen im 5-Sekunden-Zweispieler-Modus. I, Robot in einer Spielhalle in Las Vegas funktionsfähig entdecken und Dollars versenken, weil man es vielleicht nie mehr spielen können wird (damals gab’s noch keine Emulation). Summer Games, Archon, Pitstop II und, und, und…

Herzlichen Dank für Deine umfangreichen und spannenden Ausführungen. Eine schöne Reise in die Vergangenheit, zurück in die Zeit als Spielezeitschriften noch ihren eigenen ganz besonderen Charme hatten. Aufregende und innovative Videospiele zur Tagesordnung gehörten und für die meisten Jugendlichen der wohl wichtigste Büroartikel ein 5 ¼ Zoll Diskettenlocher war. Wir wünschen Dir weiterhin viel Erfolg!

Im Detail betrachtet – Eine kleine Power Play-Historie

Die Erstausgabe als Happy Computer Special
Die Erstausgabe der legendären deutschen Spielezeitschrift Power Play erscheint im Herbst 1987. Damals noch als Happy Computer Special. Auf dem Cover dieser Ausgabe prangen die Worte „Spass“ und „Action total“. Bis zum September 1988 kommen insgesamt sechs verschieden Ausgaben der Power Play in den Handel. Aus heutiger Sicht wohl die besten und kreativsten Hefte der gesamten Power Play Historie.

Der Verkaufspreis des Spielmagazins beträgt zu diesem Zeitpunkt 6,50 DM. Als Beilage ist ein Poster enthalten. Spieletests in dieser Ausgabe (eine Auswahl): Solaris, Moon Patrol, In 80 Tagen um die Welt, Quedex, Shoot ’em’ up Construction Kit, Kid Icarus, Gangster Town, Great Volleyball, Rambo: First Blood Part II und Space Harrier.

Als Beilage der Happy Computer
Vom Oktober 1988 bis zum Februar 1990 wird die Power Play zu einer Heftbeilage der beliebten Heimcomputerzeitschrift Happy Computer degradiert. Sie ist vom Umfang wesentlich kleiner, erscheint aber dafür jetzt monatlich am Kiosk. Unangenehm ist in dieser Phase vor allen Dingen die unglaublich schlechte Papierqualität.

Spieletests in dieser Ausgabe (eine Auswahl): Beyond the Ice Palace, Future Tank, Pandora, Superstar Ice Hockey, Arkanoid II, Lords of Conquest, Star Wars – The Empire Strikes Back, Street Fighter, Galaga ’88, R-Type, Zynaps, Netherworld, Zak McKracken, Bionic Commando, Donkey Kong, Ice Climber, Popeye, Indian Mission, The Last Mission, Solomon’s Key, Maze Hunter 3D, Shinobi, Hot Rod und The Main Event.

Als eigenständige Zeitschrift
Im Februar 1990 wird die Computerzeitschrift Happy Computer schlussendlich eingestellt. Dies bietet eine neue Chance für das erfolgreiche Power Play-Magazin und dessen Redaktion. Ab März 1990 wird die Power Play endgültig zu einer echten eigenständige Spielezeitschrift. Allerdings ohne Boris Schneider. Von der alten Besatzung sind jetzt nur noch Anatol Locker, Heinrich Lenhardt und Martin Gaksch mit an Bord der Redaktion.

Spieletests in dieser Ausgabe (eine Auswahl): Berlin 1948, PostMan Pat – The Computer Game, Tom & Jerry 2, Blue Lightning, California Games, Electro Cop, The Gates of Zendocon, Drakkhen, Wild Streets, Street Cred Football, Knight Rider Special, Battle Out Run, World Games und Mystic Defender.

Das Ende der Power Play
Im Laufe der Zeit verliert die Power Play immer mehr an Qualität und kann sich gegen die wachsende Konkurrenz auf dem deutschen Spielezeitschriftenmarkt letzten Endes nicht mehr behaupten. In der Ausgabe vom Januar 2000 erfährt das Layout einen frischen modernen Stil. Doch auch das neue Konzept hilft nicht mehr aus der Krise.

Die letzte Ausgabe der Power Play erscheint im April 2000. Chefredakteur war zu diesem Zeitpunkt Ralf Müller. Die Redaktion wechselt danach zur PC Player. Aber auch die PC Player wird kurze Zeit später, im Juni 2001, eingestellt. Spieletests in dieser Ausgabe (eine Auswahl): Evola, Theocracy, Metal Fatigue, The Longest Journey und Grand Prix World.

Power Play, Erstausgabe 1/87. (Bild: Future Verlag)
Power Play, Erstausgabe 1/87. (Bild: Future Verlag)
Power Play, Ausgabe 10/88. (Bild: Future Verlag)
Power Play, Ausgabe 10/88. (Bild: Future Verlag)
Power Play, Ausgabe 3/90. (Bild: Future Verlag)
Power Play, Ausgabe 3/90. (Bild: Future Verlag)
Power Play, Ausgabe 4/2000. (Bild: Future Verlag)
Power Play, Ausgabe 4/2000. (Bild: Future Verlag)

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Kommentare (4)

  1. Wenngleich mein Einstieg in die Welt der Computerzeitschriften eine Happy Computer aus dem Jahre 1984 war, insbesondere der „Ghostbusters“-Artikel von Heinrich Lenhardt, hinter dem Kürzel “(bs)” verbarg sich in der C64er Boris Schneider-Johne und sein sachlicher wie witziger Schreibstil, der nicht mit Fachwissen geizte – gern verglich ich seine C64-Tests mit jenen Heinrichs, was für ein Freude,als Boris schließlich mit Heinrich das offizielle Happy Spieletester-Team bildete, einfach genial. Ihre Energie, im November 1987 die eigenständige Power Play auf den Markt zu bringen, bewunderte ich besonders. Endlich konnten Boris und Heinrich gemeinam mit Gregor Neumann ein vollwertiges Magazin schaffen, Anatol Locker und Martin Gaksch waren eine wunderbare Ergänzung.

    Als ich den Dezember 1987 im Spital zubringen musste, war das zweite Heft, die Weihnachtsausgabe, eine große Hilfe, ungemein aufbauend, herzhafte Lacher inbegriffen: Danke, Boris und Heinrich!