Wenn aus einem alltäglich wirkenden Routineeinsatz ein dunkles Geheimnis ans Licht kommt, sprechen wir hier definitiv von einem ambitionierten Horrorspiel. Das neuste Werk von Pollard Studio hat es in sich.
Ostdeutschland 1984. Die Leviathan Corporation hat die Macht über die Menschen in der Welt und ist durchaus in der Lage, mit Sozialstatus Bürgern ohne eine Ahnung von Staatskorrektheit oder nötiger Disziplin trotz aller Widrigkeiten das Leben zur Hölle zu machen. Nur Gehörige dürfen sich im Pool der problemlosen Nein-Verweigerer wühlen. Aber was ist, wenn aus einem harmlos wirkenden Fall von offenbarem Diebstahl in einem Forschungsinstitut ein dunkles Geheimnis ans Licht kommt?
Dieses Ende von Loyalität zu seinem mächtigen Arbeitgeber erlebt der Hauptcharakter des Horrorspiels „Karma: The Dark World“, Daniel McGovern. Ein so genannter Roam-Ermittler, der bei Befragungen in die Erinnerungen der Verdächtigen eintaucht, um Beweise zu sammeln. Im Jahr 1976 bekommt er einen Auftrag, einem Tatverdacht eines gewissen Sean Mehndez im Winston Research Institute nachzugehen. So weit so unspektakulär.
Denke nie normal!


Karma: The Dark World bietet nicht nur einen geschichtlichen Ausflug in die Erinnerungen unseres Protagonisten, der zu Beginn des Spiels in einem Krankenbett aufwacht und sich fragt, wer er ist und wo er eigentlich ist. In seiner Ermittlung zur Geschichte mit Sean Mehndez muss er kleinere Rätsel lösen und Zahlencodes knacken, dessen Hinweise sich in den zahlreichen Papieren in der Umgebung gut bemerkbar machen.
Doch dann rennt eine Person, die eigentlich gar nicht da sein sollte, durch den Flur des Tatorts. Einmal die Verfolgung aufgenommen und plötzlich wird es ganz abstrakt: Räume mit Leichen, runterhängende Uhren, Gestalten in dunkler Materie umhüllt. Sind wir in einem Albtraum gefangen? Der wahrlich schauderhafte Realitätssprung offenbart Familientragödien rund um Familie Mehndez, bei dem die kleine Tochter sich nach dem Weggang der Mutter sich absolut nicht zu helfen wusste. Doch Seans Geschichte wird nach dem Höllentrip im Gedächtnisbüro von Leviathan nochmal eine Spur skurriler.
Ich habe Fragen…


Im Befragungsraum tauchen wir mithilfe des Dive-Helms in die Gedankengänge unseres Verdächtigen ein. Nun steuern wir seine Person und dürfen uns die Folgen seiner Degradation infolge eines Unfalls und der Geburt seiner Tochter im Forschungsinstitut ansehen: haufenweise Akten stempeln. Unter Einfluss eines Mittels namens Bluebottle, welches die Leistungsfähigkeit wiederherstellen soll. Quasi das historische Red Bull.
Inmitten dieser stressigen Lage wird er von einer zweiköpfigen Kreatur des Grauens verfolgt, die im Zusammenhang mit seinem Forschungsgegenstand steht: Dasein.
Dasein ist das dunkle Gold in der Welt von Karma. Durch seine ungeheure Energie kann es Macht über Gutes, aber auch über Schlechtes verfügen. Zumindest hilft es in der Lage von Sean Mehndez nicht sonderlich, denn die erneute Begegnung der Kreatur, die sich in der Nähe unserer nächsten Kandidatin – Rachel Weis – befindet, zermatscht wortwörtlich sein Gehirn. Und traumatisiert Daniel zusehend. Das erkennt auch die mächtige KI von Leviathan, MUTTER.
Rachel schafft es sogar, dass wir uns in die eigenen Kindheitserinnerungen beamen und dabei ein weiteres Spielelement kennenlernen dürfen: mit einer Kamera die überwachenden Augen ausknipsen. Ist im realen Leben schon keine angenehme Gelegenheit, doch hier bringt es uns weiter. Dadurch tauchen wir in ein Kapitel ein, dass sich erstmals als relativ knifflig erwiesen hat. Denn Daniels kindliche Vergangenheit möchte seiner Mutter die Kamera zeigen, doch sie hat in seiner Vision nichts anderes vor als ihn zu töten. Und diese Vision, die man eigentlich von einer „Schwiegermutter“ gewohnt ist, sieht man nur durch die Kamera.
Dunkle Welten, buntes Treiben


Rachels Werdegang zum Winston Research Institute wird in einem Erinnerungstrip ebenfalls dokumentiert, nämlich im Elternhaus. Die Eltern sieht man nur in Form von einigen Händen. Anhand von Tagebucheinträgen die Uhr umstellen, Gespräche belauschen und noch nebenbei eine Liebesgeschichte zu einem Mitarbeiter namens Lucas mitbekommen. Bei der visuellen Reise durch das Glück der beiden kommt dann aber auch das böse Erwachen. Wir dürfen mithilfe der Eltern von Rachel das Monster aus Sean Mehndez‘ Visionen töten. Und dabei Herzen rausreißen.
Bei all dem wilden Treiben, was ich wegen Spoilergefahr nicht noch weiter vertiefen möchte, muss man dazusagen, dass man im geschichtlichen Verlauf irgendwann die Reihenfolge aus den Augen verliert. Kein Wunder, haben sich die Entwickler von Machwerken vom im Januar 2025 verstorbenen Künstler David Lynch inspirieren lassen, deren Machwerke wie etwa „Lost Highway“ (1997) ebenfalls wirre, aber imposante Geschichten darbieten konnte.
Einige Horroreinlagen gehen an die Substanz und es gibt die ein oder anderen Schreckensmomente. Diese sind allerdings so ausgelegt, dass das nicht zur Routine wird. Ganz im Gegenteil, die ruhigen Storymomente bieten genug Zeit zum Luftholen und zum Sammeln weiterer Informationen über die leicht verrückte Geschichte rund um Leviathan, Winston Research und einen Teil seiner Mitarbeiter. Dabei vergisst man fast schon, wie heftig, absurd, ehrgeizig, und menschenverachtend der Überwachungsapparat von Davids Arbeitgeber ist. Ein Fehler der „Untreue“ und das soziale Punktesystem stürzt in den Keller. Bloß nichts Falsches gegen das Regime sagen…wir erinnern uns? Ostdeutschland? Da war doch was…
Fazit: Facettenreiches und tiefgreifendes Horror-Spektakel


Karma: The Dark World schafft es innerhalb von knapp sechs Stunden Spielzeit, eine verschachtelte Geschichte in ein Psychohorrorspiel so zu verpacken, dass es zu keinem einzigen Zeitpunkt ein Gefühl von Überforderung, Langerweile und Desinteresse gibt. Was ist mit den Opfern passiert? Was sind die dunklen Geheimnisse hinter den beiden Unternehmen? Wen steuere ich da eigentlich?
Ich gebe zu, die Geschichte, die das Spiel erzählt, ist beim ersten Durchgang nicht sofort einleuchtend. Man erfährt viele Hintergründe, aber wie das eine zu dem führt, ist zumindest in meinen Gedankengängen vielleicht nur beim näheren Hinsehen intelligibel. Vielleicht kommt es aber auch daher, weil man in wahnsinnig viele Welten eintaucht. Davids Vergangenheit, Seans Erinnerungen, Rachels Liebeswelt. Allesamt vermischt mit dunklen Visionen.
Wie schon erwähnt halten sich die plötzlichen Schreckmomente – auch Scarejumps genannt – erfreulich in Grenzen, dafür packt der durchgehende Horror kräftig an den Sinnen und erzeugt eine fabelhafte Spannung. Auch der Wechsel zwischen ruhigen und angsteinflößenden Passagen mag zu gefallen. Die überaus schicke Grafik in der Unreal Engine 5 brachte den etwas betagten Testrechner bei überwiegend hohen Grafikeinstellungen keineswegs ins Schwitzen.
Die Rätsel sind quer verstreut, aber dank Hinweise in den lesenswerten Berichten nicht kopfzerbrechend gelöst. Manches braucht ein wenig Gedenkzeit. Es gab nur wenige Stellen, wo ein paar mehr Hinweise oder gar eine Hinweisfunktion hilfreich gewesen wäre. Und sollte es Passagen geben, bei denen man stirbt, sind die Checkpoints überaus fair gesetzt. Da braucht es nicht einmal eine freie Speicherfunktion.
Kurzum: Ein exzellent kurzweiliges lineares Horrorabenteuer zwischen monströsen Abnormalitäten in einem Überwachungsapparat und tragischen Geschichten zwischen dem Wahnsinn der dunklen Welt des Ostdeutschlands von Karma: The Dark World.
Karma: The Dark World ist seit dem 27. März 2025 für PC (Steam) und PlayStation 5 (Pro) erhältlich. Der reguläre Verkaufspreis beträgt 24,99 Euro. Das Spiel wurde kostenlos von Wired Productions zur Verfügung gestellt.
0 Kommentare