Als glorreicher Vorgänger von Discord & Co. bot das IRC seine Dienste an. Gamer aus der ganzen Welt wählten sich auf Chatservern, ebenfalls aus der ganzen Welt, ein. Mittlerweile aber hat es an Bedeutung und einstiger Größe verloren. Wieso aber? Nur weil die Clients keine schicken GIFs, wie Discord sie bietet, haben?
Kurz vorweg: Geschlechtsneutral zu schreiben ist nicht immer einfach und möglich, deshalb habe ich mal das eine dann das andere Pronomen verwendet. Toll seid ihr alle!
Liebe Lesenden,
ich glaube, das könnte jetzt ein echt persönliches Textchen werden. Natürlich für euch, aber für mich mit einer Wehmut in mir. Das IRC (Internet Relay Chat), verband Gamer aus der ganzen Welt, indem sie sich in Netze von Chatservern einwählten. Diese Netze wiederrum boten eigene Kanäle. Meist für ein Thema/Interesse oder als Plattform für Gruppen.
IRC-Commandos im Alltag
Damals war ich neben den Kanälen meiner Clans auch in Spiele-Kanälen. Manchmal auch in den Kanälen der E-Sport-Teams, denen ich folgte. Charakteristisch und auch bis heute kultig, war die Syntax, mit der man die Clients fütterte, um eben Aktionen im IRC auszuführen, wie dem Einloggen in einen Kanal, dem Beitreten eines Servers oder vieler anderer „Commands“.
Aufgedröselt: Mit „/j #XXX“ treten wir einem Kanal XXX bei und mit „/server XXX 111“ verbinden wir uns mit dem Server XXX auf dem Port 111. Heute erkennt man die richtig Coolen, indem XD-Smilies zurückkommen, wenn man Befehle wie /j in die Welt rausschreit. Das Ganze kann man sich vorstellen, wie die Shell eines Unixsystems. Vor dem grafischen Desktop bediente man Computer eben so. Weitere Befehle im IRC sind beispielsweise: „/list“, „/nick“ oder „/AWAY“. Die jeweiligen Aktionen daraufhin werdet ihr schnell erraten.
Das bekannteste Netzwerk damals, oder vielleicht auch einfach jenes, in dem ich immer unterwegs war, ist das immer noch existierende Quakenet. In ihm waren vor allem Shooterbegeisterte aller Art unterwegs. Es war, wie der Name sagt, zuerst für Spieler der Quake-Arenashooter. Aber mit der Zeit kamen auch andere Spielende abseits von Quakelern hierher. In Erinnerung wird mir beispielsweise der Kanal „#cs2on2“ bleiben, um 2er-Matches in Counter Strike 1.6 auszumachen, um sie dann mit dem besten Kumpel zu bestreiten.

Quake war, in der zweiten Hälfte der 90er bis in die 2000er rein, quasi der Standard der zu spielen war, wenn man sich vor dem Monitor mit anderen messen wollte. Es war die absolute Messlatte der Arenashooter. Später gab es dann Nachkommen wie die Unreal Tournament-Reihe. Aber für mich waren Quake und Doom immer das Maß der Dinge.
Eine Spiele-Schmiede sie zu knechten
Die id-Shooter garantierten schnelles Gameplay mit präzisen Sprüngen und wuchtigem Geballer, gepaart mit lustigen Protagonisten. In Erinnerung bleiben wird mir wohl für immer das Auge-auf-zwei-Beinen, „Orbb“. Eben was einem 13-jährigen Marcel und dessen Kumpels unter der Hand auf LAN-Parties in Garagen zugeschoben wurde (Ich meine zugeschoben worden wäre, schließlich haben wir das NIE getan).
Den Ausflug müsst ihr mir verzeihen, das Quakenet war eben mehr als nur ein elektronischer Ort zum Austausch. Das IRC aber bot schon immer Menschen mit bestimmten Interessen einen Platz zum Austausch. Und ich bezweifle stark, dass das Quakenet das IRC gründete. Ein weiterer Sammelpunkt war auch das Freenet, allerdings hängen da nicht soviele Erinnerungen dran. Liberanet ist bis heute ein Tummelplatz für Open-Source-Menschen und es wird noch viele andere, spezialisierte Netze geben.

Zugegeben, ich tue mich sehr schwer mit der Discord-Bezeichnung eines „Servers“. Neben den Servern erinnere ich mich aber auch an die Warez-Szene, welche bis heute allerlei Daten zum Download anbietet und damals vermutlich dem Peer-To-Peer-Datentransfer konkurrent war. Aber zurück:
Mehr als ein Chat
Aus dem Quaknet blieben mir, nach den spielerischen Erinnerungen, Freundschaften, die bis heute anhalten. Aus einem Nickname wird auf einmal eine Stimme auf den Servern der Sprachsoftware Teamspeak. Aus dem Stimmen wurden Besuche der echten Menschen. Aus den Menschen wurden Schicksale wie mein Kumpel Sergej, der Angst davor hat als Mitte-30-Jähriger zurück nach Belarus zu den Eltern zu fahren und der mich zu meiner heutigen Profession brachte.
Oder der Besuch von FragStealer und FragHunter an der Atlantikküste mit eigenem Haus, Schneckengerichten und dem anschließenden Schnitzelmachen, als Rückgabe an die Gastfreundschaft. Daran hängt auch die Erinnerung der Per-Anhalter-Tour und deren komische, lustige, bedrohliche Gastgeber sowie die unterschiedlichen Schlafgelegenheiten, auch in Polen. Also: Pi Pa und Po. Und das alles kann ich auf mein IRC und den Menschen dahinter festmachen.

Auch heute sind im Quakenet noch viele User unterwegs. Unter „Statistics“ der Quakenet-Seite stehen zum Zeitpunkts während ich hier schreibe immer noch 5.000-6.000 eingeloggte Benutzer. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Großteil wohl doch noch Bots im StandBy-Status sind.
Es fällt mir schwer, das Quakenet und das IRC nur als elektronisches Tool zum Austausch über Games zu sehen.
Aber meine Erinnerungen sind definitiv sehr Gaming-nah. In #warsow-ctf wurde sich zu Capture the Flag-Schlachten verabredet. Selbst programmierte Bots halfen dabei, ähnlich denen die man heute in Disord erstellen kann. Überhaupt hat sich Discord viel aus dem IRC genommen.
Vom Besten gelernt
Wieso auch nicht? Die IRC-Clients sahen immer aus wie Texteditoren. Text, nackter Text, der sich aber mit der eigenen Fantasie zu mehr machte. Ich beschuldige Discord der Optik die es geklaut hat, in den Optionen können wir sogar ein „IRC“-Theme einstellen. Das ganze ist schon sehr anbiedernd an den Nachwuchs, aber mei, wenn sie es so wollen? Schließlich kann man ebenso sagen, dass auch Windows aussieht und sich bedienen lässt wie Windows 3.0 und Linux eben, wie Discord dem IRC Meilen vorraus ist, zumindest von der Optik und moderenem Style – Blink Blink!
Natürlich aber hat auch Discord seine Vorteile. Die Zugänglichkeit, die einfach jedes Alter und jedes Interesse miteinander verbindet. Die Zentralisierung von vielen Tools in einem, schließlich brauchen wir nicht mehr TeamSpeak oder eben einen IRC-Client. Und eben auch die bereits angesprochene simple Bedienung.
Zur Recherche habe ich mich nochmal ins Quakenet begeben und bin mal in die Channel „gejoint“, in denen ich damals so unterwegs war. Der Channel meines damaligen Clans #kya (Kick your ass!) ist tot. In #warsow, dem Channel der großartigen Quake 2-Modifikation wird von 10 Inaktiven und 5 Bots bevölkert.
Ja, das IRC für Spieler scheint tot, aber die Zeiten im IRC, das Quakenet und TeamSpeak werden immer mit viel Herz für mich sein! Und übrigens: Zu Zeiten von WinAmp und Co. habe ich das Album „Justice“ von dem gleichnamigen Duo gehört. Zur Erinnerung gehört auch immer die Musik. Lasst doch gerne da, was es bei euch war!
Lieben Gruß und /quit
Marcel
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