“Ich hatte keine Lust mehr, immer Geld in die Spielautomaten zu stecken” – Interview mit Henrik Wening (Kingsoft)

Von André Eymann am
Kommentiert von: mnemo, André Eymann, Madoc, Michael
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Der Spielautomat Time Pilot ist als Legende in die Videospielgeschichte eingegangen und hat als Shooter-Zeitreise ungezählte Spieler begeistert. Henrik Wening, der seinerzeit Spiele für den deutschen Publisher Kingsoft programmierte, haben wir es zu verdanken, dass die Adaption Space Pilot auch auf Commodore-Heimcomputern für fulminante Action sorgte. Bis dato existierten nur Ports für die Konsolen Atari 2600, ColecoVision oder MSX-Computer.

Auf das Konto von Henrik gehen außerdem zwei Hits für die 264er-Heimcomputerserie. Wir haben mit ihm am 4. August 2011 ein exklusives Interview geführt, das interessante Einblicke in die Computergeschichte, sein Gesamtwerk und die Hintergründe bei Kingsoft gewährt.

Interview vom 4. August 2011

Hallo Henrik, ich freue mich sehr, dass Du bereit bist, uns Deine ganz persönliche Videospielgeschichte aus erster Hand zu erzählen. Über welche Stationen bist Du zur Spieleprogrammierung gekommen?

Der eigentliche Grund war, dass ich keine Lust hatte, immer Geld in die Automaten zu stecken. Mein erstes selbst programmiertes Spiel war Car-Crash.

Ich hatte einfach Lust, am Computer zu spielen. Es gab aber nur Geldspielautomaten und die waren mir zu teuer. Deswegen habe ich versucht, sie selber zu programmieren. Es war einfach der Reiz, dieses Gerät dafür zu nutzen, obwohl dieser Bürocomputer, der PET den ich damals kaufte, eigentlich nicht dafür ausgelegt war, zu spielen.

Car-Crash war eine Adaption, die einigermaßen gut war und ich habe dadurch erkannt, dass mir das Programmieren Spaß macht. Aber als Spiel, nicht als Textverarbeitung oder Kalkulation, sondern es sollte Unterhaltung sein. Car-Crash war ein Geldspielautomat, der bereits existierte. Du hattest in diesem Autorennspiel immer an vier verschiedenen Stellen die Möglichkeit, die Spur zu wechseln. Man fuhr im Kreis und musste wie bei Pac-Man alle Punkte abfahren. Du konntest entscheiden, an den vier Stellen, oben, links, unten und rechts, ob Du ein oder zwei Fahrspuren wechseln möchtest.

Du konntest nicht umdrehen, aber Du konntest ein bisschen schneller fahren. Und das ist ganz schön kompliziert, wenn der Gegner, der auf Kollisionskurs zu Dir war, immer versucht, Dir in die Spur zu fahren. Der Gegner war ein Computergegner. Zu zweit an dem Automaten zu spielen, war nicht möglich. Es gab nur einen Joystick. Das Spiel wurde immer schneller und war zum Schluss nicht mehr zu gewinnen, weil man nicht mehr in der Lage war, die richtige Spur zu finden. Es ist also relativ schnell vorbei. Aber der Frustfaktor war so hoch, dass man sagte: „Nochmal!“. Es hatte einen extrem hohen Suchtfaktor.

Car-Crash von 1981 für den PET war das erste selbstprogrammierte BASIC-Videospiel von Henrik Wening. (Bild: Henrik Wening)
Car-Crash von 1981 für den PET war das erste selbstprogrammierte BASIC-Videospiel von Henrik Wening. (Bild: Henrik Wening)

Das Spiel ist in BASIC programmiert. Der PET kannte in der Grundausbaustufe nur BASIC. Damit konnte man sehr viel schöne Sachen machen. Mein Gedanke war: wie bekomme ich eine Bewegung hin? Es gab zum Beispiel Night Driver von Atari (1980). Da fuhr man durch gedachte Pylone links und rechts der Straße. Eine ganz simple Methode war auf dem Bildschirm, einfach eine neue Zeile auszugeben, dann wurde ja alles „hochgeschoben“. Also hat man unten eine neue Zeile eingebaut und dann musstest Du von oben nach unten „fahren“. Dann ging das Spiel von oben nach unten und nicht von unten nach oben.

Das habe ich dann auch so gebaut. Jetzt musste man noch erkennen, dass man kollidiert ist. Ton hattest Du eigentlich in diesen Rechnern nicht, aber man konnte den Bildschirm invertieren. Aber das musste natürlich innerhalb der kürzesten Zeit geschehen und es gab keinen Systembefehl dafür.

Also musste ich in Assembler ein kleines Stück Maschinencode programmieren, den ich dann über einen Sys-Befehl startete. Der Code setzte kurz die Bildschirm-Attribute auf negativ und nahm sie wieder zurück. Dadurch hat es dann geblitzt und man hatte einen optischen Effekt. Ähnliche Effekte habe ich später auch in anderen Spielen wie Space Pilot genutzt.

Wenn Du sagst, Du hast keine Lust gehabt, immer die Markstücke in Automaten zu versenken. Welche waren denn Deine ersten Spielerfahrungen, die Du an Automaten gesammelt hast?

Henrik Wening im Sommer 2011 in Hamburg. (Bild: André Eymann)
Henrik Wening im Sommer 2011 in Hamburg. (Bild: André Eymann)

Donkey Kong fand ich sehr gut und auch Pac-Man hat mir gefallen. Moon Cresta, Galaxians, Galaga, Circus Circus, Frogger. Dann natürlich Zaxxon, Scramble, Space Invaders. Also fast alles sehr weltraumgeprägt.

Wo hast Du diese Spiele gespielt? War das im Imbiss um die Ecke, im Schwimmbad oder im Kaufhaus?

Es gab ja schon Spielhallen. In meiner Heimatstadt gab es eine, die sehr viele verschiedene Automaten aufgestellt hatte. Geflippert hatte ich auch, fand das aber irgendwie zu mechanisch. Mir gefiel eher die Virtualität. Und man war stolz auf seinen High-Score. Außerdem wollte ich immer wissen: was kommt danach? Wie sieht der nächste Level aus? Und ich musste die Level auch alle auflösen und sie dann reimplementieren.

Zum Beispiel Ms. Pac-Man: das Spiel hatte nicht nur einen Bildschirm, sondern mehrere, die der Reihe nach umgeschaltet wurden. Außerdem hatte Ms. Pac-Man Lippenstift und eine Schleife auf dem Kopf. Ich habe das einfach nur Pac-Man 2 genannt.

Die Assembler-Adaption Pac-Man 2 von 1982 war Henriks zweite Version des erfolgreichen Pillenfressers aus der Spielhalle. (Bild: Henrik Wening)
Die Assembler-Adaption Pac-Man 2 von 1982 war Henriks zweite Version des erfolgreichen Pillenfressers aus der Spielhalle. (Bild: Henrik Wening)

Es gab für die PET-Programme kaum nennenswerten Umsatz. Über ein Inserat in der CHIP habe ich zwei Stück verkauft. Eine Firma namens Omikron hatte meine Spiele in ihren Katalog aufgenommen. So wurden auch über diesen Weg einige verkauft. Das hatte sich finanziell nicht gelohnt. Bis auf die eine Version, die wohl an Herrn Fritz Schäfer von Kingsoft gegangen ist. Dadurch ist es dann weitergegangen.

Aber nochmal: der Anspruch war: ich möchte meine eigenen Spiele spielen. Und die wollte ich auf meinem Rechner spielen. Ich habe dann auch zwar andere Spiele im Tausch bekommen, aber ich habe da eigentlich nur die Ideen rausgezogen, was man alles so machen könnte. Ich habe mir nur sehr selten die Quellcodes angeguckt. Einen Monitor (Disassembler) sowie Assembler hatte ich selber entwickelt. Und außerdem habe ich damals im Mnemonics gedacht. Maschinensprache war für mich normal. Hätte man zu mir NOP gesagt, hätte ich gewusst, was das bedeutet. Heute sprich man da von „chillen“.

Du hast Deine ersten Programmiererfahrungen eher im öffentlichen Umfeld gesammelt?

Das Kaufhaus war eine Notlösung. Weil ich morgens in der Schule nicht ran konnte. Wir hatten in unserer Schule, im Gymnasium an der Hamburger Straße einen sehr motivierten Mathematiklehrer, Herrn Ahrens, der damals für den Schulverein vier PETs angeschafft hatte. Zu diesem Zeitpunkt gab es das eigentlich noch gar nicht im Lehrplan.

Das war die Zeit in der Informatik noch gar nicht als Studiengang bekannt war. Das hieß Numerik. Diese Numerik hatte mich fasziniert. Wir haben im Mathe-Kurs, kleine Aufgaben gelöst. Mathematische Aufgaben wie Differentialgleichungen oder Matrizen modifiziert und das als BASIC-Programm implementiert. Das war so faszinierend für mich, dass ich, wenn die letzte Stunde um 13:20 Uhr vorbei war, noch bis 15 Uhr dageblieben bin. Bis die Putzfrau mich rausgeworfen hat.

Dort habe ich dann auf einer Compact-Cassette meine Programme gespeichert und elendig lange wieder eingelesen. Turbo-Tape gab es damals noch nicht. Es dauerte ewig, bis endlich wieder das READY auftauchte und ich dann meine BASIC-Programme weiter kodieren konnte. So kam dann das erste Spiel zustande. Ich dachte mir, das ist so toll, das musst Du weiter machen.

Galaga aus dem Jahr 1982 für den PET/CBM wurde in Assembler geschrieben und bot eine Bildschirmauflösung von 80 x 50 Zeichen. (Bild: Henrik Wening)
Galaga aus dem Jahr 1982 für den PET/CBM wurde in Assembler geschrieben und bot eine Bildschirmauflösung von 80 x 50 Zeichen. (Bild: Henrik Wening)
Galaxy von Henrik Wening für den Commodore 64 von 1984, kommt dem berühmten Weltraum-Automatenspiel Galaga von Namco sehr nahe. (Bild: Kingsoft)
Galaxy von Henrik Wening für den Commodore 64 von 1984, kommt dem berühmten Weltraum-Automatenspiel Galaga von Namco sehr nahe. (Bild: Kingsoft)

Dann wurde mit BASIC der Punkt erreicht, an dem es nicht mehr ging. Statt Spielfluss ruckelte es nur noch und war einfach zu langsam. Zeit sich vom Basic Interpreter zur wesentlich schnelleren aber auch komplizierten direkten Programmierung des Prozessors mit der Maschinensprache (Assembler) zu orientieren. Nur damit konnte man sich die Frage stellen: „Wie kann ich noch mehr aus der Kiste herausholen?“

In der Darstellung verfügte der Bildschirm über 25 Zeilen mit 40 Zeichen wie auf einer Schreibmaschine. Das war zu grob für manche Zwecke. Aber in dem fest vorgegebene Zeichensatz befanden sich auch alle Zeichen, um diese als 2×2 Grafik darzustellen. Dadurch vervierfachte sich die Bildschirmauflösung und ermöglichte ein realistischeres Spielgefühl, welches für GALAGA perfekt passte und worauf ich richtig stolz bin, da ich es noch in keinem anderen Spiel auf diesem Rechner gesehen habe. Es lief super flüssig und war dem Galaga-Automaten verblüffend ähnlich. Den hatte ich ja auswendig gelernt, weil ich ihn so oft gespielt hatte.

Es gab zwar noch andere Programme, die ich in Assembler gebaut hatte, aber Galaga war wirklich klasse. Daraufhin hatte ich mir dann gesagt: dieses Spiel musst Du auf dem C64 programmieren. Doch da hatte ich dann schon die Idee, es nicht Galaga zu nennen, denn der Name gehörte Namco. Ich nannte es daher Galaxy. Es war von der Farbe her sehr langweilig bedingt durch den HiRes Modus im C64, der nur monochrom existierte aber vom Spielfluss war es sehr schön geworden.

Die Original-Kassettenverpackung zu Galaxy. Das Spiel wurde 1984 für den C64 von Kingsoft vertrieben. (Bild: Kingsoft)
Die Original-Kassettenverpackung zu Galaxy. Das Spiel wurde 1984 für den C64 von Kingsoft vertrieben. (Bild: Kingsoft)

Das heißt, Du hast anfänglich keinen eigenen Rechner Zuhause gehabt?

Am Anfang nicht. Ich habe dann einen Monat bei Eduscho gejobt und habe dort 1.000 DM verdient, habe dann noch einen Monat in einem Studentenjob privat gearbeitet und noch einmal 1.000 DM verdient. Und dann konnte ich mir bei Vobis in Aachen einen Commodore kaufen. Das war der 3008. Der PET. Der durfte dann nicht mehr PET heißen, sondern CBM („Commodore Business Machines“). „Personal Electronic Transactor“ war bereits vorbelegt. Der Rechner hatte 8 KB Speicher und damit habe ich dann alle Programme (zuerst in BASIC und später in Assembler), auch beispielsweise Galaga, programmiert.

Den Rechner habe ich dann privat auf 32 KB hochgerüstet. Dann hatte mir noch ein Freund eine Umschaltplatine mit weiteren 64 KB eingelötet, womit ich ein anderes Betriebssystem hochladen konnte. So konnte ich verschiedene ROMs laden vom 3032, 4032 und 8032. Er wurde dadurch zu einem 3064 mit 80×25 Zeichen, den es eigentlich gar nicht gab. Und auf diesem „Uralt“-System sind alle Programme geschrieben worden. Auf dem C64 wurden sie nur ausgeführt.

Am CBM 3008 hatte ich einen grünen Monochrommonitor. Da konnte ich stundenlang drauf schauen, ohne daß ich Kopfschmerzen vom Flimmern bekam. Für den C64 hatte ich nur einen Loewe-Fernseher und keinen echten Computermonitor.

Danach hatte ich mir durch weitere Jobs eine Commodore-Doppelfloppystation bei der Vobis Data Computer GmbH geleistet, die mit 3.345 DM inkl. Kabel teurer war als der Rechner selbst. Da waren auch zwei CPUs drin. Das Bus-System IEEE-488 war sehr fortschrittlich. Damit war es möglich, mehrere Rechner an eine Floppy anzuschließen. Somit konnte ich an diese Station meinen 3008 und mittels eines Adapters auch meinen C64 anschließen. Ich konnte also zwei Laufwerke pro Rechner adressieren: Laufwerk 8.1 oder 8.0. So hatte ich auf der einen Diskette mein Programm und auf der anderen meine Ergebnisse. Das war im Jahr 1983.

Du hattest dann mit Space Pilot und Galaxy schon fertige Spiele in der Schublade gehabt. Wie kam dann Dein Kontakt mit Kingsoft zustande?

Fritz Schäfer (der Gründer und Geschäftsführer von Kingsoft – Anm. d. Red.) kontaktierte mich und sagte er hätte gern etwas für den C64 von mir programmiert. Er kannte mich durch den Verkauf meiner PET-Spiele über Omikron. Diese Spiele müssen irgendwie bei ihm angekommen sein. Er hatte mir einen C64 geschickt und mir gesagt: „Programmiere mir das Spiel. Du darfst den Rechner auf jeden Fall behalten.“ Fand ich fair, habe ich gemacht.

Space Pilot ist so in drei Monaten entstanden und ich habe den Rechner behalten. Inklusive des Adapters mit dem ich den C64 an die Commodore-Doppelfloppystation anschließen konnte. Der eigentliche finanzielle Erfolg des Spiels kam später. Das habe ich erst später erfahren – ein Lerneffekt für mich.

Space Pilot von 1984 war das erste kommerzielle Spiel von Henrik Wening. Es wurde von Kingsoft für 39.- DM angeboten. Der Publisher textet dazu in einer CHIP-Anzeige: Wer träumt nicht davon, in einem Flugzeug der König der Lüfte zu sein? (Bild: Kingsoft)
Space Pilot von 1984 war das erste kommerzielle Spiel von Henrik Wening. Es wurde von Kingsoft für 39.- DM angeboten. Der Publisher textet dazu in einer CHIP-Anzeige: Wer träumt nicht davon, in einem Flugzeug der König der Lüfte zu sein? (Bild: Kingsoft)

In welchem Zeitraum hast Du für Kingsoft gearbeitet?

Von 1982 bis 1988, also sechs Jahre. Danach war mein Studium zu Ende und ich hatte dann keine Zeit mehr. Ich hatte Informatik bzw. zuerst Mathematik studiert. Anfangs gab es den Studiengang Informatik noch nicht. Das Informatik-Studium damals war allerdings sehr langweilig und ich habe kaum etwas Neues erfahren. Ich brauchte irgendetwas, das ich in dieser Zeit tun konnte.

So habe ich während der Studienzeit programmiert. Man hatte als Student nur 27 Wochen zu studieren und die anderen 25 Wochen waren frei. Also hatte ich genug Zeit. In drei Monaten Semesterferien ist dann Space Pilot entstanden. Ende 1987 musste ich mich mehr um meine Diplomarbeit kümmern und der C64 war bereits out. Der Amiga war in. Leider war der kompliziert zu programmieren.

Wie hast Du das eigentlich hinbekommen, Dich für Space Pilot so genau an die Centuri-Vorlage von Time Pilot zu halten? Du hast den Automaten wahrscheinlich nicht besessen oder?

Ich hatte eigentlich immer die Gabe, nicht mehr zu vergessen, war ich einmal angesehen oder angelesen hatte. Deshalb konnte ich für Space Pilot viel aus meiner Erinnerung übernehmen. Außerdem habe ich in den Time Pilot-Automaten wahrscheinlich so einige hundert DM eingesteckt, oder habe anderen beim Spielen zugeschaut. Das hatte auch immer eine geselligen Aspekt. Time Pilot hatte nur fünf Spielbildschirme. Danach ging es dann wieder von vorn los.

Welche Spiele kamen nach Space Pilot und Galaxy?

Danach kam Space Pilot 2. Hier wollte ich die Untergrundbewegung von Uridium einbauen. Dann habe ich entdeckt, dass man mit den vorhandenen Farbelementen Schatten und somit eine Pseudo-Landschaft mit Lichteinfall realisieren konnte. Das hatte bis dahin noch so richtig niemand gemacht. Meist bestanden die Spiele aus platten Pixelflächen. Dort hatte ich angefangen, zwei von acht Screens – es sind im Grunde nur vier verschiedene gewesen, die zweifach koloriert wurden – mal mit optischen Schatten zu versehen. Ich habe das in Zyron dann flächendeckend eingesetzt, aber einer der Screens von Space Pilot 2 arbeitet auch so.

Space Pilot 2 wurde 1985 veröffentlicht und bietet mehr optische Anreize als sein Vorgänger. Alle beweglichen Objekte im Spiel werden durch Sprites dargestellt. (Bild: Kingsoft)
Space Pilot 2 wurde 1985 veröffentlicht und bietet mehr optische Anreize als sein Vorgänger. Alle beweglichen Objekte im Spiel werden durch Sprites dargestellt. (Bild: Kingsoft)
Zyron von 1986 ist ein Taktik-Shooter im 3D-Look mit einer echten Geschichte. Reines rumballern führt hier nicht zum Ziel. (Bild: Kingsoft)
Zyron von 1986 ist ein Taktik-Shooter im 3D-Look mit einer echten Geschichte. Reines rumballern führt hier nicht zum Ziel. (Bild: Kingsoft)

Space Pilot 2 war allein meine Idee. Ich wollte hier 32 Sprites ausprobieren und den Untergrund bewegen. Denn in Space Pilot gab es nur den Himmel und die Wolken als imaginären Bewegungshintergrund. Nur das Raumschiff drehte sich, der Rest blieb in der Mitte stehen. Ich wollte im zweiten Teil etwas mehr Bewegung und Funktionalitäten haben. Ich finde Space Pilot 2 eigentlich besser als den Vorgänger. Es ist flüssiger im Spiel. Der erste Teil aber hat mehr Nostalgie.

Und dann gibt es noch Zaga. Das war dann die Zaxxon-Geschichte?

Ja, allerdings ohne Ballerei. „Mit dem Hubschrauber durchs Wohnzimmer“ hatte ich dazu irgendwann mal gesagt. Die Idee hinter Zaga war, etwas grafisch partiell so „abzudecken“, dass man das Gefühl hatte, das etwas dahinter war. Sozusagen dreidimensional. Was ich mir zusätzlich ausgedacht hatte, war – so nannte ich es – das „Mäusekino“.

Es gab bei Zaga in der Mitte einen kleinen Bildschirm. Auf dem wurde alles möglich ausgegeben, was das Spiel beeinflusste. Das Spiel-Logo, Pfeile in welche Richtung man fahren musste und Informationen wann das Spiel pausierte. In der Form hatte ich damals noch nie gesehen, daß es einen „Bildschirm im Bildschirm“ gibt. Ich habe prinzipiell nie länger als drei Monate an einem Programm geschrieben. In diesem Zeitraum habe ich aber auch sieben Tage die Woche ca. 10 Stunden durch programmiert.

Henrik Wening präsentiert Zaga von 1984 in einer Commodore 64-Emulation auf seinem aktuellen Smartphone. Das von Zaxxon inspirierte Spiel hat nur wenig mit seinem Vorbild gemeinsam. Hier wird nicht geschossen, sondern fliegerisches Können belohnt. (Bild: André Eymann)

Wie hast Du eigentlich die umfangreichen Grafiken für Deine Spiele erschaffen? Gab es hierfür bereits fertige Programme?

Der Original-Bausatz eines BELL UH-1D SAR war die Vorlage für den Hubschrauber in Zaga. (Bild: Revell)
Der Original-Bausatz eines BELL UH-1D SAR war die Vorlage für den Hubschrauber in Zaga. (Bild: Revell)

Mit eigenen Editoren, die ich selbst programmiert habe. Ich musste auch digitalisieren. Das ging teilweise als „Blaupause“ mit dem typischen Pergamentpapier, das man auf ein vorhandenes Bild legt. Das Lustigste ist eigentlich der Zaga-Hubschrauber. Das ist ein Revell-Bausatz. Den habe ich auch noch. Allerdings habe ich ihn nie angemalt, der ist noch plastik-weiß und steht noch irgendwo im Schrank. Und dieses Modell habe ich einfach „aus der Hüfte“ abgepixelt. Im Spiel dann ist der Hubschrauber ein komplettes Sprite aus insgesamt vier Teilen. Alles andere in Zaga ist Hintergrundgrafik.

Gab es damals eigentlich schon eine Zensur für Videospiele? Konntest Du aufgrund irgendwelcher Beschränkungen Deine Spiele vielleicht nicht so umsetzen, wie Du es gern gewollt hättest?

Nein. Ich hatte auch keine offiziellen Auftragsarbeiten erfüllt, sondern einfach das gemacht, wozu ich Lust hatte. Es hieß dann irgendwann: „Ich habe was Neues“ und dann „Oh gib mal her. Ja, das können wir verkaufen.“ Und es wurde alles verkauft, was ich angeliefert habe. Schlussendlich war jedes Spiel nur eine Position in der Verkaufsliste. Wenn kein Markt da war, musste es nicht vervielfältigt werden. Software vertreiben war ja nicht so aufwändig. Die Produktion war das größere Problem. Ich habe voll und ganz nach eigenem Interesse – „Was würde ich gern haben wollen?“ – produziert. Ich war mein eigener Kritiker, sozusagen Produzent, Ausführender und Regisseur in einer Person. Allein schon deshalb habe ich mir keinen Kopf um Zensur gemacht.

Bei Kingsoft hast Du dann immer direkt mit dem Geschäftsführer Fritz Schäfer gesprochen?

Ja genau. Dem habe ich dann einfach mitgeteilt, dass es etwas neues gibt und ihm mein neues Material per Post auf Diskette zugeschickt. Das Internet gab es noch nicht. Wir haben manchmal auch vorweg besprochen, was man wann brauchen könnte. Was zu welcher Messe vielleicht gezeigt werden sollte. Oder was zum Beispiel zu Weihnachten zur Verfügung stehen sollte. Ein bisschen haben wir also die „Releasetermine“ geplant. In der Regel sind so zwei Spiele pro Jahr entstanden. Davon habe ich dann auch mein Studium finanziert. Reich bin ich davon nicht geworden, sicher aber reicher an Erfahrung. Aber unter dem Strich war es ein guter Start ins Berufsleben.

Sogar die renommierte Computerzeitschrift 64er schrieb im Januar 1985 über Zaga: Es werden Erinnerungen an Zaxxon wach. Allerdings wurde hier der dreidimensionale Eindruck noch etwas verbessert ... (Bild: Henrik Wening)
Sogar die renommierte Computerzeitschrift 64er schrieb im Januar 1985 über Zaga: Es werden Erinnerungen an Zaxxon wach. Allerdings wurde hier der dreidimensionale Eindruck noch etwas verbessert … (Bild: Henrik Wening)

Welche Messen haben damals eine Rolle gespielt?

Auf der Hannover-Messe gab es die CeBit-Halle, die später zur CeBit-Messe wurde und in Berlin gab es die Funkmesse. Beide Messen hatten aber damals andere Produkte. Es war alles gerade im Entstehen. Die einzige Messe, auf der ich mal gewesen bin, war die Hobbytronic in Dortmund. Das war damals schon eine Spielemesse. Da habe ich auch mal Fritz Schäfer besucht.

Hatte Kingsoft hier einen offiziellen Messestand? Was wurde dort noch vorgestellt?

Eine Anzeige für Zyron vom deutschen Publisher Rushware aus Kaarst. Das Shoot-em-up wurde neben den Klassikern Gunship und Gauntlet beworben. (Bild: Rushware)
Eine Anzeige für Zyron vom deutschen Publisher Rushware aus Kaarst. Das Shoot-em-up wurde neben den Klassikern Gunship und Gauntlet beworben. (Bild: Rushware)

Ja, Kingsoft war Aussteller und Fritz Schäfer, die einzige Person am Stand. Dort hatte ich Zaga vorgestellt. Es war eine Demoversion. Es waren auch einige interessierte Kunden da. Die wollten wissen, ob man denn in dem Spiel auch schießen könnte. Das musste ich leider verneinen und den Leuten erklären, dass es sich um ein reines Geschicklichkeitsspiel handelt. Ein Kunde sagte mir, dass er den Ton – das Hubschrauber-Geknatter – sehr gut getroffen fand. Das gebe ich gern zu. Der Hubschrauber knattert gut! Sogar eine englische Kritik schrieb darüber „Great sound“.

Ich hatte das Modell digitalisiert, indem ich es in die Luft gehalten und es von allen Seiten angeschaut hatte. So wurden all die Grafiken, die ich geschaffen habe mit eigenen Editoren erstellt, zusammen gepixelt und so lange daran herum gefeilt, bis sie einigermaßen gut aussahen. Die Originale aus der Spielhalle abzubilden, war sowieso sehr schwierig, weil die eine andere Auflösung hatten.

Außerdem enthielten die Automaten zumeist einen gedrehten Monitor im Portrait-Format, bei denen die Spiele von oben nach unten funktionierten. Bei den Commodore-Systemen hatten wir natürlich das Landscape-Format. Deshalb war auch die Auflösung der Monitore anders. Um unterschiedliche Farben darstellen zu können, wurden zwei Pixel nebeneinander ausgegeben. Das war für vertikale Spiele praktisch, aber horizontale Spiele gingen damit gar nicht. So musste man immer Kompromisse finden. Deshalb haben zum Beispiel C64-Spiele dem Automaten nie geglichen. Sie waren immer von den Automaten inspiriert, aber nicht gleich.

Wurden Deine Spiele eigentlich vor der Vervielfältigung getestet und kamen dabei Änderungswünsche heraus?

Diese Anzeige-Reihe bewarb unter anderen Henriks Hit Zyron. (Bild: Kingsoft)
Diese Anzeige-Reihe bewarb unter anderen Henriks Hit Zyron. (Bild: Kingsoft)

Ich habe meine Freunde, die mich besuchten, immer dazu angestiftet, mal mitzuspielen. Auch weil sie neugierig waren. Außer Pong und die gewöhnlichen Telespiele für den Fernseher gab es damals kaum Videospiele. Spiele am Computer waren da schon interessanter. Ich beobachtete dann, wie sie damit spielten. Das Spiel war dann gut, wenn sie nicht mehr gemerkt hatten, dass es ein Spiel war.

Wenn es für sie zur Realität wurde und sie beispielsweise den Joystick malträtierten, oder sie sich ärgerten. Wenn das Spiel eine Illusion vermittelte, dann war es gut. Alles andere war umsonst. Wenn das Spiel Dich aus der Realität in die Scheinwelt herauszieht, dann ist es nicht gut.

Weißt Du noch, welche Spiele bei Deinen Freunden am besten ankamen?

Space Pilot. Das war auch logisch. Sie kannten den Automaten zwar teilweise nicht, aber sie konnten sich das Szenario vorstellen. Ich erinnere mich: wenn das Flugzeug nicht so schnell wendete, wie sie es wollten, dann brachen sie fast den Joystick ab. Ich fand das interessant, zu beobachten.

Zu jener Zeit gab es in Deutschland noch nicht so viele Spielmagazine. Es gab beispielsweise die Happy Computer oder die 64er. Weißt Du noch, welche Bewertungen die Kingsoft-Spiele in diesen Magazinen erhalten haben?

Werbung für Space Pilot 2 vom englischen Publisher Anirog. Kingsoft-Spiele waren sehr beliebt auf der britischen Insel und verkauften sich dort weit besser als im Heimatland Deutschland. (Bild: Anirog)
Werbung für Space Pilot 2 vom englischen Publisher Anirog. Kingsoft-Spiele waren sehr beliebt auf der britischen Insel und verkauften sich dort weit besser als im Heimatland Deutschland. (Bild: Anirog)

Der deutsche Markt war nicht sonderlich gut. Es gab wenig Umsatz. Die Kritik war groß es waren eigentlich immer Summer- und Winter-Games, die gut wegkamen. Im deutschen Markt habe ich eigentlich selten gute Kritiken bekommen. Wenn überhaupt kritisiert wurde, hieß es: „Na ja es geht so“ oder „Man hätte mehr erwartet“. Ich war nie erfreut darüber.

Der englische Markt hingegen hat unglaubliche Umsätze eingebracht. Die waren begeistert und haben gut gespielt. Andere Märkte habe ich nie mitbekommen. Ich habe jetzt erst erfahren, dass auch Spiele nach Amerika gegangen, sind wo Leute fasziniert davon sind und auch immer noch spielen. Das freut mich natürlich. Im deutschen Markt gab es leider nie ein großes Aufsehen um meine Spiele. Es war eher ein wenig ernüchternd.

Das ist interessant, vor allen Dingen, weil Kingsoft ein deutscher Spielehersteller war.

Kingsoft hat ja auch genügend Werbung gemacht in den Zeitschriften. Es hat aber scheinbar den Testern nicht so ganz gefallen, muss man wohl attestieren. Die waren aber teilweise wirklich sehr kritisch und ich hatte den Eindruck, die konnten in einem Jahr nur zwei oder drei Spiele gut finden. Auf der anderen Seite: die eigene Kritik ist immer schwer zu akzeptieren.

England war also ein Markt, in dem viele Kingsoft-Spiele abgesetzt wurden?

Ja. Space Pilot für den C64 war auf der Insel wochenlang die Nummer 1 der Spielecharts. Da war sonst nur Jet Set Willy in manchen Hitparaden auf Platz 1, was aber auf dem ZX Spectrum lief. Die konkreten Umsatzzahlen habe ich nie erfahren, aber Nummer 1 wird man nicht mit nur 50 verkauften Lizenzen.

Gab es noch andere europäische Länder, in die die Kingsoft-Spiele exportiert worden sind?

Das Hubschrauber-Spiel Zaga wurde in England als Zaga Mission vermarktet, so wie der Computer VIC-20 bei uns abweichend VC 20 hieß. (Bild: Anirog)
Das Hubschrauber-Spiel Zaga wurde in England als Zaga Mission vermarktet, so wie der Computer VIC-20 bei uns abweichend VC 20 hieß. (Bild: Anirog)

Die Firma Kingsoft hatte das Recht, mit der Ausnahme von England (England wurde exklusiv von Anirog beliefert – Anm. d. Red.), in alle Länder weltweit zu exportieren. In Deutschland wurden Firmen wie Karstadt beliefert, die dann vielleicht auch nach Österreich verkauften. Ich weiß das leider nicht so genau.

Hast Du das Gefühl, dass Du bei Kingsoft für Deine Arbeit als Entwickler ausreichend gewürdigt worden bist?

Gewürdigt nicht. Bezahlt eigentlich schon. Aber es hat sich dort niemand um mich gekümmert. Absolut niemand. Es ist nie irgendeine Presseveröffentlichung, ein Event oder eine Veranstaltung gelaufen. Ich war allerdings auch damals nicht erpicht darauf, mit den Spielen berühmt zu werden und fand es eigentlich ganz gut, dort unter „ferner liefen“ geführt zu werden.

Auf dem Space Pilot steht mein Name ja auch fast gar nicht drauf. Nur auf dem Startbildschirm. Aber dort wurde er von „kreativen Leuten“ (hier sind natürlich „Cracker“ gemeint – Anm. der. Red.) bei der Modifizierung des Spiels oft durch andere Texte ersetzt.

Weißt Du eigentlich wer die Illustrationen zur Space Pilot Verpackung gemacht hat?

Nein. Von mir stammt da nichts. Lediglich der Text auf der Rückseite und der Klappentext sind original von mir. Den habe ich entwickelt. Das Finishing und die Verpackung hat die Firma Kingsoft oder die Firma Anirog übernommen. Letztere hat für den englischen Markt gearbeitet.

Unter C16-Benutzer steht der Name Kingsoft bis heute für eine Reihe guter Softwaretitel für die 264er-Serie (C16, C116 und Plus/4). Weißt Du eigentlich, warum diese Fokussierung damals stattgefunden hat?

Kingsoft wusste damals von dem bevorstehenden Deal mit Aldi. Der C16 lag wie Blei in den Regalen. Er kam auch ungünstig erst nach dem C64 auf den Markt und war eigentlich eine Light-Version des C64 ohne Sprites. Allerdings hatte er einen leicht verbesserten Grafikprozessor, der nicht nur 16, sondern 121 Farben ermöglichte. Aber er hatte keine Sprites und nur 16 KB RAM Hauptspeicher. Das Gehäuse sah schwarz etwas schicker aus. Dieser Computer wurde bei Aldi für ca. 150,- DM verscherbelt.

Herr Schäfer rief mich an und fragte mich nach Software für den C16. Aus diesem Grund heraus habe ich Software für den C16 geschrieben. Er wollte eine C16-Adaption von Space Pilot haben. Das ist geschehen. Als ich mir dann den Rechner genauer ansah, fand ich heraus, daß damit wesentlich mehr möglich war, als nur die Adaption eines Space Pilot und entwickelte dann Fire Galaxy.

Ohne irgendwelche Vorgaben wollte ich wissen, wie ich die Farben des C16 benutzten konnte. Und so entstand ein recht buntes und prächtiges Programm, welches ich dann später wieder zurück auf den C64 portierte. Das Spiel war eigentlich sehr unterhaltsam. Es handelte sich um ein taktisches Ballerspiel. Hier musste man gezielt schiessen, alles wegballern brachte nichts.

Die Galaga-Version für den C16 mit dem Namen Fire-Galaxy von 1987 war eine völlige Neuerfindung von Henrik und hatte nur das grobe Spielprinzip. (Raumschiff unten bewegt sich rechts/links) vom Vorbild übernommen (Bild: Kingsoft)
Die Galaga-Version für den C16 mit dem Namen Fire-Galaxy von 1987 war eine völlige Neuerfindung von Henrik und hatte nur das grobe Spielprinzip. (Raumschiff unten bewegt sich rechts/links) vom Vorbild übernommen (Bild: Kingsoft)
Es brennt in der Galaxis und Kingsoft läßt nichts anbrennen! - textet die Compute mit im Februar 1988 zu Fire Galaxy und lobt das Spiel als einen soliden Shooter, der auf allen C16-Versionen läuft. (Bild: Kingsoft)
Es brennt in der Galaxis und Kingsoft läßt nichts anbrennen! – textet die Compute mit im Februar 1988 zu Fire Galaxy und lobt das Spiel als einen soliden Shooter, der auf allen C16-Versionen läuft. (Bild: Kingsoft)

Worin bestand der Hauptunterschied bei der Entwicklung zwischen dem C16 und dem C64? War das wirklich nur die Grafik?

Eine Kingsoft-Anzeige aus der deutschen RUN von 1987. (Bild: Kingsoft)
Eine Kingsoft-Anzeige aus der deutschen RUN von 1987. (Bild: Kingsoft)

Du hattest auf dem C16 keine Sprites, und noch weniger Speicher. Weniger Speicher war allerdings nicht schlimm, weil es auch immer eine Herausforderung war, mit dem vorhandenen Speicher auszukommen. Man konnte auch teilweise nachladen oder überladen. Ich hatte damals schon Kompressionsalgorithmen im Einsatz. Ich fuhr sozusagen eine virtuelle Disk hoch, in der ich die Sachen expandierte, die ich brauchte. Denn was ich brauchte, hatte ich nicht immer im Speicher.

Grundsätzlich gab es bei beiden Rechnern keine Grafik-CPU, die etwas rechnen konnte, sondern nur eine Video-CPU für die Ausgabe. Es gab nur einen Prozessor und der musste alle Arbeiten übernehmen. Der lief beim C64 beispielsweise nur mit einem Megaherz.

War Dir eigentlich damals schon klar, dass die 264er-Serie dann doch nicht den durchschlagenden Erfolg auf dem Markt haben würde?

Mir war zumindest klar, dass meine Spiele nur mit dem C16 zusammen verkauft werden würden. Ich bin erstaunt, dass das jetzt nochmal so ein Interesse nach sich zieht und das Leute, die den C64 kennen, den C16 vielleicht sogar noch besser finden. Der einzige Vorteil des C16 war die Grafik. Vielleicht liegt es aber auch daran, daß er einen Charme besaß, den der größere Bruder nicht hatte. Es war wohl das hässliche Entlein, was man damit pflegte. Ich selbst besitze noch einen C16 mit der VC1581-Floppy. Ich fand das dunklere Gehäuse des C16 übrigens auch immer schicker als das des C64.

Die meisten Spiele von Dir waren im Weltraum angesiedelt. Hast Du auch ganz anderen Themen verarbeitet?

Mich haben zum Beispiel Sportspiele nie so sehr interessiert. Ich mochte Shoot-em-Up Games und auch immer schon Racing Games. Nur waren diese schwer, zu realisieren. Da war die Grafik noch nicht dafür gemacht. Im Weltraum wusste halt keiner wie es aussieht, das ließ sich schön abstrahieren. Das war mit einfachen Mitteln programmierbar. Das ist immer der Trick gewesen. Ich musste ja mit kleinen Ressourcen und meiner kleinen Zeitdimension mit dem Produkt fertig werden. Alles größere hätte ich nie schaffen können.

Gibt es eine Spielidee, die bei Dir seit Jahren in der Schublade schlummerte und die bisher Du nie umsetzen konntest?

Ich habe keine unerledigten Ideen in der Schublade. Das hätte mich auch geärgert. Ich habe nichts zurückgehalten, weil ich es zeitlich oder programmtechnisch nicht konnte. Ich hatte bei Kingsoft keine Liefertermine und habe immer erst geliefert, wenn das Spiel wirklich fertig war. Herr Schäfer von Kingsoft war immer froh, wenn neue Spiele geliefert wurden.

Dies dürften die ersten öffentlichen Spuren von Henrik Wening sein. Eine Anzeige von Omikron Software in der CHIP aus dem November 1982. (Bild: CHIP)
Dies dürften die ersten öffentlichen Spuren von Henrik Wening sein. Eine Anzeige von Omikron Software in der CHIP aus dem November 1982. (Bild: CHIP)
Eine zweite Anzeige aus dem Dezember 1982 (ebenfalls in der CHIP erschienen), geht mehr auf die Details von Galaga ein. (Bild: CHIP)
Eine zweite Anzeige aus dem Dezember 1982 (ebenfalls in der CHIP erschienen), geht mehr auf die Details von Galaga ein. (Bild: CHIP)

Kannst Du Dich noch an persönliche Begegnungen mit Entwicklern oder Unternehmern zu der damaligen Zeit erinnern?

Ich kann mich nicht erinnern, weil es diese Begegnungen nicht gegeben hat. Ich habe damals keinen anderen Entwickler getroffen. Ich habe nur Namen im Kopf von Leuten, die ich nicht persönlich kenne und die gute Spielemusik gemacht haben. Das war das, was ich wirklich nicht konnte. Daher finde ich einen Rob Hubbard und einen Chris Hülsbek beeindruckend. Was die für Turrican beziehungsweise Uridium komponiert haben, ist wirklich super. Das kann man sich eigentlich auf einer Endlosschleife auf CD anhören. Das sind Meister ihres Fachs.

Wurdest Du von Kingsoft beim Marketing einbezogen?

Gar nicht. Mich kannte lange Zeit niemand. Erst als ich auf meiner Homepage etwas Werbung machte, da ging das ein wenig mehr durch die Presse und die Foren. Meine Homepage ging vor 12 Jahren online.

Es ist erstaunlich, dass Kingsoft mit so vielen freien Entwicklern gearbeitet hat, sich aber nie darum gekümmert hat, diese Menschen untereinander zu vernetzen oder eine Gemeinschaft zu formen.

Nach heutigen Kriterien ist es eigentlich Frevel gewesen, die Leute so für sich allein werkeln zu lassen. Heutzutage würde man diesen Entwicklern ein Angebot machen, sie in einem Team, in eine Gruppe integrieren und in einem Gebäude zusammen bringen. Dort würden dann bestimmt eine Menge Kreatives entstehen. So etwas hätte mir damals gut gefallen. Aber das wurde damals nicht angeboten.

Wirst Du denn heute noch häufig auf Deine Zeit für Kingsoft angesprochen?

Kingsoft kennt niemand. Zu Kingsoft hat mich nie jemand angesprochen, außer Du heute. Man fragt mich nach Space Pilot, aber nicht nach Kingsoft. Ich habe über Kingsoft auch nichts Negatives oder Positives zu erzählen. Kingsoft war mein Vertriebskanal. Mehr nicht.

Abbildungen aus dem Omikron-Katalog von 1982. Hier kann man gut erkennen, dass die Spiele damals noch zeichenorientiert dargestellt wurden. (Bild: Omikron)
Abbildungen aus dem Omikron-Katalog von 1982. Hier kann man gut erkennen, dass die Spiele damals noch zeichenorientiert dargestellt wurden. (Bild: Omikron)

Spielst Du heute eigentlich noch Videospiele?

Ja. Ich spiele sehr gerne Autorennspiele wie DiRT 2 oder Need For Speed. Egoshooter haben mich nie fasziniert. Rollenspiele auch nicht. Autorennspiele sind wirklich mein Faible. Ich spiele auf dem PC, nicht auf der Konsole. Ich würde gern unter Linux spielen.

Du bist damals im Schwerpunkt Commodore-Entwickler gewesen. Hattest Du Dich auch mit Atari beschäftigt?

Nein. Das war damals eigentlich so wie bei den Mercedes- und BMW-Fahrern. Man hat die gegenseitige Technologie zwar honoriert, aber auf keinen Fall berührt. Den 8-Bit von Atari fand ich schlecht. Ich fand den Atari ST cool, aber das war es dann auch.

Gibt es etwas, was Du einem Junior-Entwickler, vielleicht auch in der Spielebranche, heute mit auf den Weg geben möchtest?

Eine gute Idee braucht keine super aufwendige Umsetzung und trägt allein. Gute Ideen kann man immer noch haben. Es ist noch nicht alles erfunden worden. Daher kann ich nur jedem raten: denke Dir etwas Gutes aus und setze es simpel um. Heutzutage bestehen leider viele Produkte nur noch aus grandioser Verpackung. Sie sind geschminkt, getuned und gut vermarktet, aber sie werden nach zweimal spielen langweilig.

Henrik, wir danken Dir für diesen Einblick in Dein Schaffen und wünschen Dir auch weiterhin alles Gute!


Veröffentlicht in: Medien & Literatur, Videospielgeschichten

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Kommentare (4)

  1. Bin gerade erst über Twitter auf den Beitrag gestoßen und bei “Gymnasium an der Hamburger Straße” sehr aufmerksam geworden. Wenn es sich um die Schule in Bremen handelt, habe ich diese nur wenige Jahre später ebenfalls besucht, auch an einem der oben erwähnten PET gesessen, daran erste Programmiererfahrung gesammelt und dann auch bei Herrn Ahrens Informatikunterricht gehabt. Die Schule hatte dann auf Apple IIe und IIc umgestellt. Einen C64 hatte ich allerdings nie, sondern den bösen Atari 800XL und bin dann auf den Amiga 500 gewechselt, den ich sehr gerne in Assembler programmiert habe. Klein ist die Welt. 🙂

  2. Danke für Deinen Kommentar. Ich fand das Interview mit Henrik ebenfalls sehr interessant. Es hat mich natürlich auch in eine andere Zeit versetzt und mir näher gebracht, wie die Dinge damals liefen. Die Antworten sind in der Tat sehr ehrlich und spiegeln das damalige Zeitgeschehen. Ich bin sehr froh, Henrik als Zeitzeugen der Kingsoft-Ära getroffen zu haben. Der Artikel erinnert mich daran, dass die heutige milliardenschwere Games-Industrie noch gar nicht so alt ist und wie die Anfänge ausgesehen haben.

  3. Danke für dieses schöne, unverfälschte Interview. Die Fragen sind gut gestellt, und die Antworten ehrlich. Ich erkenne, dass die Situation der ersten Spieleentwickler damals ähnlich war die die heutige Situation der Indie-Game-Entwickler. Da Ansprüche und Aufwand heute aber wesentlich höher sind als damals, ist das persönliche Risiko für den heutigen Indie-Game-Entwickler entsprechend höher. Außerdem haben sich Online-Communities, technische Tools und neue Vertriebskanäle entwickelt.

  4. Wow, das ist ja Stoff der ersten Stunde 😉 Auf dem PET habe ich auch einige Programme in Basic geschrieben. Was mich besonders freut: dass hier auch mal beleuchtet wird, wie Kingsoft so gearbeitet hat. Man weiss ja kaum etwas darüber und findet auch mit Google sehr wenig über die Programmierer, die für Kingsoft entwickelt haben.