Stolz packte der Sohnemann seinen C64 am Weihnachtsabend aus. Nachdem alles angeschlossen war, blickten traurige Kinderaugen auf einen leeren Bildschirm. Dort stand nur ein „READY.“ und leider war kein Spiel im Paket gewesen. Was nun? Genau hier konnte die Homecomputer Abhilfe schaffen. Mit Spielen zum Abtippen.
Ralph Roeske, der Herausgeber der Zeitschriften Homecomputer, CPU oder Compute mit, hatte die Zeichen der Zeit erkannt. Er sah das aufkommende Potential, das sich damals am Markt und in der Gesellschaft auftat. Folglich gründete er den Roeske Verlag und gab den „Usern“, was sie brauchten: frische Programme.
Die Homecomputer war Roeskes erste Computerzeitschrift und erschien 1983. Bis November 1986 konnten sich Leser jeden Monat auf eine neue Ausgabe freuen. In diesem Beitrag möchte ich an das Heft, dass sich selbst als „Deutschlands erste Heimcomputer-Zeitschrift“ betitelt, erinnern und ein paar Einblicke in diese prägende Computer-Frühzeit geben.
Mehr als nur Programmcode
Obgleich die Homecomputer augenscheinlich „nur“ ein Listing-Magazin war, ging es dem Herausgeber doch um mehr. Das kann man beispielsweise im Editorial der November-Ausgabe von 1983 nachlesen. Dort geht der Chefredakteur auf die Relevanz seines Magazins für die „Computershows“ und Wahrnehmung der neuen „Heimcomputer-Welle“ im Land ein.
So spiegeln sich in der Zeitschrift immer wieder (damals) neue Hard- und Softwareangebote in Form von Berichten und Anzeigen. Das macht die Homecomputer heute zu einer interessanten Informationsquelle und lässt uns eintauchen in eine vergangene Epoche, die an der Schwelle zum neuen Computerzeitalter stand.
Erwähnenswert ist die Tatsache, dass das Heft offen für verschiedene Systeme war. Egal ob Commodore, Atari, Sinclair, Laser, Sharp oder Texas Instruments: Alle User fanden sich wieder und wurden mit vielseitigen Informationen und Programmen versorgt. Diese Einstellung teilten auch andere Magazine wie die HC Mein-Homecomputer oder die legendäre Happy Computer aus dem Markt+Technik Verlag.
Anarchische Ideen
Ob es in der Roeske-Redaktion wirklich so aussah wie auf dem Cover (links oben) der Ausgabe vom Oktober 1984 wissen wir nicht. Auf eine gewisse Art aber versprühte das Heft mit seinem bunten Blumenstrauß an Programmen eine angenehm anarchische Atmosphäre. Tatsächlich konnte jeder der wollte ein Listing einreichen und es auf diese Weise mit den Lesern teilen.
Dafür gab es 300 DM pro Heftseite und die Aussicht auf den Ruhm des „TOP-Programm“ des Monats. Das Angebot des Verlags wurde oft genutzt, wie man an den zahlreichen Einsendungen in den Heftausgaben ablesen kann.
Immer wieder waren die Spielprogramme von bekannten Titel inspiriert. So kam es, das bereits etablierte Spiele wie Demon Attack, Jump Man oder Defender als abgewandelte Varianten zum Abtippen auf den heimischen Heimcomputer landeten.
Gleichwohl – und das ist ein sehr bemerkenswertes Detail dieser Zeit – wurden viele Programme und Spielideen eingereicht, die unbekannt und von der Autoren selbst entworfen waren. Dieser Aspekt ist aus gleich mehreren Gründen erwähnenswert. Denn er bot unbekannten Entwicklern ein Forum, einen Kreativmarkt, in dem sie ihre Software bekannt machen konnten. Außerdem waren die Listings eine Art Vorläufer der späteren Shareware. Einer alternativen Vertriebsmethode, die ein ähnliches Konzept verfolgte.
Gut informiert
Ein Bericht über die CFA’84 (Commodore Fachausstellung) klärte darüber auf, welche Themen im September 1984 auf dem Markt wichtig waren. So wurden dort Vorträge über „Datenstrukturen und -formate der Floppy 1541“ gehalten oder von Jim Butterfield (Toronto) die neuen Commodore Heimcomputer Plus/4, C16 oder C116 vorgestellt.
Die Berichterstattung zur Messe ist gut recherchiert und nicht nur aus Faktensicht sehr informativ. Man spürt beim Lesen, dass es dem Roeske-Verlag hier nicht ums Seitenfüllen ging, sondern guter Journalismus beabsichtigt war. Gerade auch das macht die Homecomputer zu einem wertvollen Zeugnis ihrer Zeit.
In einer September-Ausgabe finden wir eine (seltene) deutschsprachige Doppelseite zum BIT-90, einem Z80-Heimcomputer aus Taiwan, der auf der Basis der ColecoVision-Konsole entwickelt wurde. In seinen Modulschacht passten sogar (mit Adapter) die Spielmodule des Atari VCS 2600, was ihn zu einer Ausnahme machte.
Die Bit Corporation, der Entwickler des Computers, wird manchen vielleicht vom Spieltitel „Bobby geht nach Hause“ bekannt sein. Diese Variante von Jumping Jack wurde seinerzeit von der Bit Corporation veröffentlicht und in Deutschland vom Versandhaus Quelle vertrieben.
Im Burgverlies
Besonders schön finde ich immer die Spiele-Reviews der damaligen Zeit. Mit ihren (abfotografierten) Screenshots erschaffen sie bei mir wohlige Gefühle und erinnern an die Einfachheit und Kreativität der Heimcomputer-Ära. An der Abbildung unten kann man gut die Systemvielfalt erkennen. Die Homecomputer berücksichtigte auch hier die Gesamtheit des Marktes.
Randnotiz: immer wieder wird auf das damals etablierte Wort „Freak“ in den Beschreibungen zurückgegriffen. Heute würde man eher „Nerd“ sagen, obgleich auch das schon etwas aus der Mode gekommen ist.
Fazit
Die Homecomputer ist ein fester Bestandteil meines Computer- und Spielezeitschriftenarchivs. Sie ist zwar nicht so umfangreich wie beispielsweise die Happy Computer oder so tiefgehend wie die 64er, aber Ralph Roeske hat mit seinem Magazin einen wichtigen Anteil zur Entwicklung der publizierten Computergeschichte in Deutschland geleistet.
Ich selbst hatte damals nicht die Möglichkeit fertige Programme zu kaufen, weil ich sie mir schlicht nicht leisten konnte. Hier hat mir das Heft sehr geholfen, indem ich für wenig Geld viele Programme einfach „abtippen“ konnte. Das hat, ganz nebenbei, auch noch mein Verständnis und Interesse für Computer grundsätzlich verfestigt. Denn wer so viel Mühe aufbringt, ein mehrseitiges Listing abzutippen, übt sich in Geduld und bringt dem Ergebnis, seinem Heimcomputer und der Peripherie (Datasette) viel Wohlwollen entgegen.
Dass man mit dem „Modifizieren“ oder Anpassen von BASIC-Listings, durch einfaches und spielerisches Ausprobieren, fast automatisch in die Fußstapfen eines Entwicklers tritt, ist eine andere Geschichte, die man erzählen könnte…
Ich erinnere mich, wie ich C64-Spiele wie Mafia, das komplett in Basic geschrieben war, manipuliert habe, um meine Gang mit massig Geld auszustatten, die Namen der Gangster anzupassen und ihre Attribute hoch zu schrauben. Hach… Was für Zeiten…
Dennis Deuster
Abschließen möchte ich mit drei Scans und dem Appell an Euch gern selbst einmal in die Ausgaben der Homecomputer hinein zu schnuppern. Diese findet ihr beispielsweise im Internet Archive, zumindest teilweise. Die Papier-Hefte sind heutzutage schwer zu finden. Deshalb werde ich meine auch gut pflegen und bewahren.
Vielen Dank fürs Lesen und wenn ihr mögt, lasst mir gern einen Kommentar mit euren Gedanken oder vielleicht sogar euren Erinnerungen an die Homecomputer da. Ich würde mich sehr freuen!
PS: das Aufmacherbild wurde auf dem Fußboden meines Hobbyzimmers aufgenommen. Die abgebildeten Hefte befinden sich in meinem Privatbestand.
Schreibe einen Kommentar