Rückschau: Homecomputer

Avatar von André Eymann
Lesedauer: 4 Minuten

Stolz packte der Sohnemann seinen C64 am Weihnachtsabend aus. Nachdem alles angeschlossen war, blickten traurige Kinderaugen auf einen leeren Bildschirm. Dort stand nur ein „READY.“ und leider war kein Spiel im Paket gewesen. Was nun? Genau hier konnte die Homecomputer Abhilfe schaffen. Mit Spielen zum Abtippen.

Das Vorwort von Ralph Roeske in der Ausgabe vom November 1983.
Das Vorwort von Ralph Roeske in der Ausgabe vom November 1983.

Ralph Roeske, der Herausgeber der Zeitschriften Homecomputer, CPU oder Compute mit, hatte die Zeichen der Zeit erkannt. Er sah das aufkommende Potential, das sich damals am Markt und in der Gesellschaft auftat. Folglich gründete er den Roeske Verlag und gab den „Usern“, was sie brauchten: frische Programme.

Die Homecomputer war Roeskes erste Computerzeitschrift und erschien 1983. Bis November 1986 konnten sich Leser jeden Monat auf eine neue Ausgabe freuen. In diesem Beitrag möchte ich an das Heft, dass sich selbst als „Deutschlands erste Heimcomputer-Zeitschrift“ betitelt, erinnern und ein paar Einblicke in diese prägende Computer-Frühzeit geben.

Mehr als nur Programmcode

Obgleich die Homecomputer augenscheinlich „nur“ ein Listing-Magazin war, ging es dem Herausgeber doch um mehr. Das kann man beispielsweise im Editorial der November-Ausgabe von 1983 nachlesen. Dort geht der Chefredakteur auf die Relevanz seines Magazins für die „Computershows“ und Wahrnehmung der neuen „Heimcomputer-Welle“ im Land ein.

So spiegeln sich in der Zeitschrift immer wieder (damals) neue Hard- und Softwareangebote in Form von Berichten und Anzeigen. Das macht die Homecomputer heute zu einer interessanten Informationsquelle und lässt uns eintauchen in eine vergangene Epoche, die an der Schwelle zum neuen Computerzeitalter stand.

Erwähnenswert ist die Tatsache, dass das Heft offen für verschiedene Systeme war. Egal ob Commodore, Atari, Sinclair, Laser, Sharp oder Texas Instruments: Alle User fanden sich wieder und wurden mit vielseitigen Informationen und Programmen versorgt. Diese Einstellung teilten auch andere Magazine wie die HC Mein-Homecomputer oder die legendäre Happy Computer aus dem Markt+Technik Verlag.

Anarchische Ideen

Aufruf zum Einsenden von "TOP-Programmen" (Ausgabe März 1984).
Aufruf zum Einsenden von „TOP-Programmen“ (Ausgabe März 1984).

Ob es in der Roeske-Redaktion wirklich so aussah wie auf dem Cover (links oben) der Ausgabe vom Oktober 1984 wissen wir nicht. Auf eine gewisse Art aber versprühte das Heft mit seinem bunten Blumenstrauß an Programmen eine angenehm anarchische Atmosphäre. Tatsächlich konnte jeder der wollte ein Listing einreichen und es auf diese Weise mit den Lesern teilen.

Dafür gab es 300 DM pro Heftseite und die Aussicht auf den Ruhm des „TOP-Programm“ des Monats. Das Angebot des Verlags wurde oft genutzt, wie man an den zahlreichen Einsendungen in den Heftausgaben ablesen kann.

Immer wieder waren die Spielprogramme von bekannten Titel inspiriert. So kam es, das bereits etablierte Spiele wie Demon Attack, Jump Man oder Defender als abgewandelte Varianten zum Abtippen auf den heimischen Heimcomputer landeten.

Gleichwohl – und das ist ein sehr bemerkenswertes Detail dieser Zeit – wurden viele Programme und Spielideen eingereicht, die unbekannt und von der Autoren selbst entworfen waren. Dieser Aspekt ist aus gleich mehreren Gründen erwähnenswert. Denn er bot unbekannten Entwicklern ein Forum, einen Kreativmarkt, in dem sie ihre Software bekannt machen konnten. Außerdem waren die Listings eine Art Vorläufer der späteren Shareware. Einer alternativen Vertriebsmethode, die ein ähnliches Konzept verfolgte.

Gut informiert

Ein Bericht über die CFA’84 (Commodore Fachausstellung) klärte darüber auf, welche Themen im September 1984 auf dem Markt wichtig waren. So wurden dort Vorträge über „Datenstrukturen und -formate der Floppy 1541“ gehalten oder von Jim Butterfield (Toronto) die neuen Commodore Heimcomputer Plus/4, C16 oder C116 vorgestellt.

Die Berichterstattung zur Messe ist gut recherchiert und nicht nur aus Faktensicht sehr informativ. Man spürt beim Lesen, dass es dem Roeske-Verlag hier nicht ums Seitenfüllen ging, sondern guter Journalismus beabsichtigt war. Gerade auch das macht die Homecomputer zu einem wertvollen Zeugnis ihrer Zeit.

In einer September-Ausgabe finden wir eine (seltene) deutschsprachige Doppelseite zum BIT-90, einem Z80-Heimcomputer aus Taiwan, der auf der Basis der ColecoVision-Konsole entwickelt wurde. In seinen Modulschacht passten sogar (mit Adapter) die Spielmodule des Atari VCS 2600, was ihn zu einer Ausnahme machte.

Die Bit Corporation, der Entwickler des Computers, wird manchen vielleicht vom Spieltitel „Bobby geht nach Hause“ bekannt sein. Diese Variante von Jumping Jack wurde seinerzeit von der Bit Corporation veröffentlicht und in Deutschland vom Versandhaus Quelle vertrieben.

Im Burgverlies

Besonders schön finde ich immer die Spiele-Reviews der damaligen Zeit. Mit ihren (abfotografierten) Screenshots erschaffen sie bei mir wohlige Gefühle und erinnern an die Einfachheit und Kreativität der Heimcomputer-Ära. An der Abbildung unten kann man gut die Systemvielfalt erkennen. Die Homecomputer berücksichtigte auch hier die Gesamtheit des Marktes.

Randnotiz: immer wieder wird auf das damals etablierte Wort „Freak“ in den Beschreibungen zurückgegriffen. Heute würde man eher „Nerd“ sagen, obgleich auch das schon etwas aus der Mode gekommen ist.

Reviews zu verschiedenen Heimcomputerspielen (Ausgabe Juli 1984).
Reviews zu verschiedenen Heimcomputerspielen (Ausgabe Juli 1984).

Fazit

Die Homecomputer ist ein fester Bestandteil meines Computer- und Spielezeitschriftenarchivs. Sie ist zwar nicht so umfangreich wie beispielsweise die Happy Computer oder so tiefgehend wie die 64er, aber Ralph Roeske hat mit seinem Magazin einen wichtigen Anteil zur Entwicklung der publizierten Computergeschichte in Deutschland geleistet.

Ich selbst hatte damals nicht die Möglichkeit fertige Programme zu kaufen, weil ich sie mir schlicht nicht leisten konnte. Hier hat mir das Heft sehr geholfen, indem ich für wenig Geld viele Programme einfach „abtippen“ konnte. Das hat, ganz nebenbei, auch noch mein Verständnis und Interesse für Computer grundsätzlich verfestigt. Denn wer so viel Mühe aufbringt, ein mehrseitiges Listing abzutippen, übt sich in Geduld und bringt dem Ergebnis, seinem Heimcomputer und der Peripherie (Datasette) viel Wohlwollen entgegen.

Dass man mit dem „Modifizieren“ oder Anpassen von BASIC-Listings, durch einfaches und spielerisches Ausprobieren, fast automatisch in die Fußstapfen eines Entwicklers tritt, ist eine andere Geschichte, die man erzählen könnte…

Ich erinnere mich, wie ich C64-Spiele wie Mafia, das komplett in Basic geschrieben war, manipuliert habe, um meine Gang mit massig Geld auszustatten, die Namen der Gangster anzupassen und ihre Attribute hoch zu schrauben. Hach… Was für Zeiten…

Dennis Deuster

Abschließen möchte ich mit drei Scans und dem Appell an Euch gern selbst einmal in die Ausgaben der Homecomputer hinein zu schnuppern. Diese findet ihr beispielsweise im Internet Archive, zumindest teilweise. Die Papier-Hefte sind heutzutage schwer zu finden. Deshalb werde ich meine auch gut pflegen und bewahren.

Vielen Dank fürs Lesen und wenn ihr mögt, lasst mir gern einen Kommentar mit euren Gedanken oder vielleicht sogar euren Erinnerungen an die Homecomputer da. Ich würde mich sehr freuen!

PS: das Aufmacherbild wurde auf dem Fußboden meines Hobbyzimmers aufgenommen. Die abgebildeten Hefte befinden sich in meinem Privatbestand.

MichaelTobi

Avatar von André Eymann

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13 Antworten zu „Rückschau: Homecomputer“

  1. Avatar von Wumpus

    Wiedermal ein sehr schöner Artikel…. Auch ich habe mit einem ZX 81 angefangen und war froh das damals dieses Magazin auf den Markt kam (habe mir die ersten 5 Ausgaben gekauft, bevor ich auf den C64 umgestiegen bin und dadurch natürlich die 64er Zeitschrift kaufte). Habe unzählige Listings abgetippt und Stunden mit der Fehlersuche, die beim Abtippen passiert sind, verbracht. Es war schon eine sehr schöne Zeit damals und man hat viel über Computer gelernt.
    DANKE für den nostalgischen Rückblick bei mir

    Gruß
    Wumpus

    MichaelAndré Eymann
    1. Avatar von André Eymann

      Danke Heiko! Wir haben uns ja gefühlt ewig nicht mehr gehört. Bist Du auf den Beitrag über den Mail-Newsletter ausmerksam geworden?

      Der ZX81 verbindet uns alle irgendwie. Denn das war ja auch mein erster Computer, wie im Detail hier nachlesen kannst: Mein ZX81 – Ein magisches Geschenk.

      Bist Du noch aktiv im Retro-Thema? Schreibst Du irgendwo und/oder spielst Du noch?

      1. Avatar von Heiko

        Hallo André

        Den Artikel habe ich über den Mail-Newsletter wargenommen.

        Im Retro-Thema bin ich halt immer wieder hier durch mitlesen. Meine Sammlung von Homecomputer (ca. 100 Stück) befinden sich alle noch gut verpackt im Keller. Eigentlich müßte ich nach langer Zeit mal wieder einen raus holen und ein bißchen BASIC programmieren oder abtippen.

        Schreiben tue ich eigentlich nicht mehr, da ich auch kein guter Schreiber bin und auch keine Muse dazu habe. Meine Geschichte wie ich zum Homecomputer kam, habe ich aber vor zig Jahren mal als Power Point niedergeschrieben.

        Viele Grüße
        Heiko

        André Eymann
        1. Avatar von André Eymann

          100 Homecomputer (!) – oh, das sind eine Menge… bezüglich Deiner PowerPoint: meinst Du das wäre vielleicht etwas, dass wir auch bei VSG veröffentlichen können? So können wir das vielleicht mit noch mehr Menschen teilen?

  2. Avatar von Michael

    Vielen Dank für dieses Review der Homecomputer-Zeitschrift, lieber André. Ich kann gut nachempfinden, warum sie dir wohlige Gefühle verschafft. Mir geht es da genauso. Zwar war es bei mir nicht die Homecomputer, aus der ich Listings aptippte (der CPC war da nicht so oft vertreten), aber ich erinnere mich gerne daran, wie ich beim Abtippen des Codes schon nach gegrübelt habe, was dieser Peek oder Poke wohl für ein Geheimnis hat. So wurde das Abtippen auch schon fast wieder zu einem Spiel :).

    André Eymann
    1. Avatar von André Eymann

      Danke Michael 🙂 Dies war wieder einer der Beiträge, der sich praktisch von selbst geschrieben hat. Meine Erinnerungen an diese Zeit sind noch so lebendig, dass ich sie einfach in Text umwandeln musste. Das Gleichnis Peek&Poke <> Geheimnis finde ich sehr schön! Ein schöner Gedanke.

      Michael
      1. Avatar von Michael

        Ich finde es schön, wie du die Erinnerungen für dich bewahrst und hier mit uns teilst!

  3. Avatar von Andreas Steinbacher

    Vielen Dank für diesen schönen Bericht. Ich habe 1983 mit dem Sinclair ZX81 angefangen und freute mich über all die Zeitungen mit ihren Listings, die damals auf den Markt kamen. Auch ich habe Stunden damit verbracht in meinem Computerzimmer (der Keller, Computer und Monitor standen auf der Tischtennisplatte, das war mein Schreibtisch) die Listings einzutippen. Ich hatte damals alle Zeitschriften gekauft, aber irgendwann auch wieder weggeschmissen. Heute bin ich froh, wenn ich Archive.org wieder wohlige Erinnerungen empfinde, wenn ich durch die Sammlung dieser Magazine scrolle. Mein absolutes Lieblingsmagazin war die Your Computer. Über die werde ich in meinem Blog auch einen speziellen Beitrag schreiben. Gruß, Andreas

    WumpusMichaelAndré Eymann
    1. Avatar von André Eymann

      Ich habe für Deinen Kommentar und Deine schöne Anekdote zu danken 🙂 Bei mir lösen Zeitschriften wie die Homecomputer ähnliche Erinnerungen aus. Schon allein deshalb pflege ich sie gut und genieße es von Zeit zu Zeit darin zu blättern. Über die Your Computer würde ich gern etwas lesen. Sag gern Bescheid wenn Du darüber geschrieben hast.

      Michael
  4. Avatar von Florian Auer

    Oh ein toller Bericht! Vor allen Dingen kannte ich die Zeitung gar nicht- da war ich noch ein bisschen jung wohl.

    Die Jahre 1983 und 84 kann man hier herunter laden: http://www.kultmags.com/mags.php?folder=SG9tZWNvbXB1dGVy

    Was ist mit den Machern eigentlich nach Ende der Zeitung geworden?

    Und was auch ganz interessant ist: Die Software aus den Listings war ja quasi immer open source. Etwas, das heute auf consumer-Seite mit den ganzen geschlossenen Systemen total untergeht.

    MichaelAndré Eymann
    1. Avatar von André Eymann

      Hach, zu jung; wie schön! Ja, ich alter Sack kann von diesen Zeiten berichten. Du meine Güte ist das mittlerweile lang her…

      Tja, was aus den Machern nach dem Ende der Zeitschrift geworden ist, ist eine gute Frage. Tatsächlich hatte ich vor Jahren sogar einmal Mailkontakt mit Ralph Roeske. Dann aber ist der Kontakt plötzlich beendet worden und so werde ich wohl nie erfahren, was ich erfragen wollte.

      Und ja: der Open Source Gedanke ist richtig. Das Prinzip setzte sich (wie im Beitrag kurz angerissen) mit Shareware fort. Schon verrückt, dass damals Software öffentlich beispielsweise im Bahnhofskiosk in Papierform zu kaufen war…

      Michael
  5. Avatar von Murenius
    Murenius

    Schöner Artikel! Ich war damals noch ein wenig zu jung, ich hatte erst einen Atari ST als eigenen Computer und habe dort mal versucht Listings abzutippen. Das war aber so fehleranfällig und in der Qualität dann mehrere Größenordnungen unter den 16bit spielen, dass ich das mit 8 oder 9 Jahren als furchtbar überholt und uninteressant abgestempelt habe.

    Bei dem Trapper-Listing fällt mir auf, dass die „Grafiken“ tatsächlich in den Blockzeichen angegeben wurden, was für den Leser ja doch eher schwierig umzusetzen ist. Ist jemand auch heute noch bewandert genug in C64-Basic um zu sagen, warum da nicht ASCII-Codes oder etwas Ähnliches verwendet wurden? Gibt es sowas nicht? Zahlencodes wären da einfacher zu lesen und weniger fehleranfällig.

    MichaelAndré Eymann
    1. Avatar von André Eymann

      Dankeschön Murenius! Ich kann gut verstehen, dass das Abtippen von Listings in der 16-Bit-Ära nicht mehr so interessant war 😉 Das war wirklich nur etwas für die Dekade davor, in der kommerzielle Software noch gar nicht so etabliert war.

      Ja, das korrekte Eingeben der grafischen Sonderzeichen in Strings bzw. Print-Anweisungen war schon eine kleine Herausforderung. Eine Alternative wäre Maschinencode gewesen („Data“-Anweisungen). Ansonsten gab es eben nur den CBM-ASCII, wie Du hier nachlesen kannst.

      Michael