Schießen vor dem Bildschirm, Schießen im echten Leben. Welche Eigenarten lassen sich übertragen? Wieso überhaupt Schießen vor dem Bildschirm und davon abgesehen, wo liegt die Pointe? Gibt es dabei Dinge, die uns gut tun? Fragen über Fragen. Lasst mich (einem der mit beidem zu tun hat) euch mitnehmen!
Liebe Lesenden,
heute bringe ich einen Text über etwas, das vielleicht bei den ein oder anderen auf grundsätzliche Ablehnung stößt. Armeen dieser Welt nutzen die Mechanik zum Übernehmen von Land, zum Verteidigen, oder schlicht um Angst und Schrecken zu verbreiten. Politisch ist es immer wieder ein heißes Thema: diesmal geht es um das Schießen.
Die letztgenannten Punkte sollen hier aber nicht besprochen werden und auch nicht die persönliche Meinung des Schreibenden. Alles was ich beitragen kann und möchte, ist das Beleuchten des Schießens in Computerspielen (First-Person- bzw. Ego-Shootern) und im (Bogen-)Sport. Und vielleicht kann ich euch gute, konstruktive oder positive Seiten aufzeigen.
Denn Schießen muss nicht unmittelbar mit Gewalt zu tun haben. Gewalt im Sinne von „Anderen Leid zufügen“. Seit meinen jungen Jahren begleitet mich das virtuelle Schießen. Auf dem Amiga seiner Zeit mit Wings of Fury, später der erste Ego-Shooter Return to Castle Wolfenstein. „Wohl etwas zu früh“, sagen die Albträume. Aber was soll man machen, es lockte der Reiz des Verbotenen und außerdem galt es damit anzugeben im nächsten Deutschunterricht.
Wir als „jemand anders“
Bis heute schieße ich digital in unzähligen Titeln. Ein eigenes Spielegenre wurde früh geboren, der First-Person- oder Ego-Shooter. Wir jagen durch Schlösser, Ruinen, Marsstationen oder Glasröhren und das alles in einem virtuellen Körper. Wir sind „jemand anders“. Wir werden richtig hineingezogen, in das was gezeigt wird oder scheint. Das Schauen durch die Augen von Person „X“, lässt unsere Emotionen möglichst gleich derer sein, welche man in der Situation selbst hätte. Und weil es das Thema ist, haben wir eine Knarre in der Hand.

Im Computerspiel nutzen wir Bögen, Pistolen, Maschinengewehre oder Raketenwerfer. Und meist (ehrlich gesagt fällt mir kein anderer Fall ein) drücken wir einfach auf eine Maustaste und schießen. Mit einer anderen Maustaste zoomen wir meist vorher nochmal näher heran. Wenn wir einmal nicht schießen, schlagen wir oft mit der Waffe. Also halte ich fest: Positionieren, Zielen, Abdrücken.
Wir verordnen uns im Raum, positionieren uns oft taktisch, sodass wir eine möglichst freie Sicht auf das Ziel haben. Wir schätzen den Schuss ein, nehmen uns einen kurzen Moment, bis das Fadenkreuz etwas stiller steht, drücken ab und bewerten das Ergebnis. Oft tun wir dass schon gar nicht mehr bewusst, sondern instinktiv, entscheiden im Stakkato.
Puh, ziemlich viele Details, wenn man es mal auseinander nimmt. Und im Sport? Was heißt das überhaupt, Schießen und Sport? Auf einem Blatt Papier denke ich sofort an den Schützenverein des Dorfes meiner Kindheit: Ein Haufen Kerle schießen mit einem Luftgewehr auf einen Holzvogel und der Gewinner wird zum König gekürt. Das ist der schnelle, klischeehafte Gedanke und ich wage einmal zu behaupten: Nicht nur bei mir.
Schießen und vieles, was dazugehört
Und nein, darüber schreibe ich hier bestimmt nicht. Kann ich auch nicht, weil ich selbst nie Mitglied in einem solchen Verein war, noch je Interesse daran hatte. Als ein liebes Hobby habe ich aber das Bogenschießen für mich entdeckt. In einem tollen Verein für jung und alt. Zu Beginn werden Zielscheiben aufgebaut, Maßlinien verlegt, Bögen und Pfeile ausgegeben. Danach wird auf Befehl zum Pfeilschuss gebeten.
„Einen Stand weiter vor“, ist Ansage sich an der jeweiligen Linie zu positionieren. Niemand soll davor stehen. „Sicherheit Feuer/Pfeile frei“, bedeutet Pfeil einspannen und los damit. „Sicherheit, Pfeile holen“, wird gerufen, nachdem der letzte Pfeil gefeuert wurde und die Pfeile aus den Zielscheiben geborgen werden sollen. Und „STOPP“, wenn sich ein Lebewesen zwischen uns und dem Ziel verirrt hat.

Der Akt selbst ist gar nicht so einfach festzuhalten. Wir stehen möglichst seitlich-stabil mit einem Bein vor der Markierungslinie und nehmen uns einen weiteren Moment für uns und die Scheibe. Erheben den Bogen, legen den Pfeil an, „Clippen“ den vorher Ausgewählten, abhängig von der Armlänge an dem Nocken in die Sehne ein. Wir positionieren den spitzen Federschaft einen Zentimeter vor das Auge, möglichst gerade. Schätzen ein wie der Winkel zwischen Pfeil und Gesicht zu sein hat, um einen ballistischen Bogen zu machen und lassen die Sehne los.
Schließlich freuen wir uns über einen Schuss ins Ziel oder sind zumindest interessiert, wo unser Versuch gelandet ist. Das Wichtigste, um einen Fortschritt zu machen, ist dass wir Erfolge wiederholen können, also unser Grundakt von Bewegen und Schießen sicher richtig ist und das „Feld“, also die geschossenen Pfeile, möglichst beisammen ist. Die Sehne selbst hat natürlich ziemlich viel Zugkraft, welche in Pfund gemessen wird. Und da wir sie mit den Fingern ziehen und loslassen, ist ein Handschuh für diesen Vorgang das ziemlich Erste, was man sich für schmales Geld zulegt.
Das Nächste sind Pfeile. Da man im Verein natürlich zunächst bekommt, was nach Stärke und Länge passt, aber doch nicht immer gleich ist, ist dieser Kauf sinnvoll. Zum Gewöhnen an eine immer gleiche Charakteristik an ein Material, das beteiligt ist. So sind wir in der Lage, verlässliche Ergebnisse zu liefern. Pfeile kriegt man ebenfalls für einen kleinen Taler, aber natürlich ist es auch hier wie mit jedem Hobby: Geld lässt sich soviel ausgeben, wie man es hat.


Was Sport und Shooter eint
Es gibt zwischen Shootern und Sport also Gemeinsames: Das richtige Positionieren, das Zielen, das Abfeuern und schließlich das Bewerten. Auch gemein ist ein Glücksgefühl über die zutreffende Einschätzung und richtige Ausführung. Geht es ebenso um Macht? Beim Shooter würde ich bejahen. Ich fühle Überlegenheit und sollte dem nicht so sein, so rettet mich oft die Taste F5 und ein neuer Versuch. Sollten wir auf der Map „dust2“ (Counter Strike) gestorben sein, müssen wir eine Runde warten. Tja.
Im Sport hingegen geht es nicht um die Gelegenheit, sondern um eine möglichst gute Ausführung. Der „Schuss ins Gold“ belohnt Ausführende. Wir fühlen uns gut aufgrund unserer Fähigkeiten. Gleichzeitig gibt es ausreichend Faktoren, die Platz zum weiteren Ausprobieren und dem Optimieren unseres „Bogen-Geschickes“ bieten. Wind, Licht, Flugbahn… Das richtige Ziel ausmachen, Einschätzen und Befeuern ist aber wieder, was Sport und Shooter eint.
Außerdem: Im Bogenschießen ist ein langes Zielen oft nicht ratsam. Die Sehne spannt stark und bemüht unsere Muskeln. Das führt zu Zittern. Natürlich schätzen wir mit unseren Sinnen ein und lassen auf unseren Befehl los. Allerdings brauchen wir Intuition, die nach und nach entwickelt werden muss. Für mich zumindest gilt: Aufnehmen, Zielen, einen kurzen Moment warten bis der Atem sich gelegt hat und dann loslassen. Das Zielen hat also intuitiv zu erfolgen.
Und auch in Shootern ist Erfahrung wichtig und wir brauchen unsere Intuition. Nutzen Deckungen, bewegen uns um Kugeln zu entkommen und schießen anschließend auf ein Ziel, ohne langes Überlegen.

Unterschiede sehen wir in der Bewegung. Während wir in Shootern oftmals wild hüpfend Schüsse abgeben, ist das, zumindest beim Bogenschießen, nicht möglich und auch nicht ratsam, möchte man andere nicht gefährden. Wie sollen wir zielen, während der Pfeilschaft knapp vor unseren Augen herbaumelt? Mal ganz abgesehen vom Maß nehmen? Darüber hinaus ist das „Pacing“ (Tempo), die unterschiedliche innere Ruhe, auch noch individuell.
Während wir beim Bogensport eine innere Ruhe brauchen und uns voll auf uns selbst konzentrieren, rasen wir in Shootern, auf der Suche nach dem nächsten Kick, Adrenalin-geladen durch bunte Levels. Und natürlich ist der größte Unterschied die Haptik. Wo wir vor dem Bildschirm ein glattes, technisches Gerät (die Computermaus) anfassen, fühlen wir im Sport viele Dinge.
Wir nehmen einen Bogen auf, diese sind gestaffelt nach unterschiedlichen Zügen, gemessen in Pfund. Wir fühlen die seitliche Textur der Sehne und die Glätte des Bogens. Wir ertasten den glatten Carbonpfeil oder das Holz des Schaftes. Wir fühlen die Feder an unserem Gesicht und natürlich das Spannen des Bogens an unserer Schläfe. Die Kraft, die wir aufzubringen haben.
Oh, aber natürlich habe ich vergessen: Bei den Shootern fühlen wir noch die Tasten WASD unter der linken Hand, oder wahlweise einen Controller.
Zwei Arten den Kopf auszuschalten
Zum Abschluß aber nun die Synthese: Beiden gemein ist die Entspannung! Wir beschäftigen uns mit den Dingen, die wir lieben. Dinge die uns wichtig sind, ohne einen Euro erwirtschaften zu müssen. Und diese beiden Vehikel des Schießens, Ego-Shooter und Sport stehen nicht in Konkurrenz und sind aufgrund ihrer unterschiedlichen Art und Weise schwer miteinander zu vergleichen.
Aber beide Arten geben Raum für Entwicklung: Schließen wir den Level mit einem besseren Score ab, weil wir mehr Ziele aus der „Maushüfte“ treffen konnten, oder lernen wir mit erfahrenen Schützen, die uns an die Hand nehmen, wie Bogen, Pfeil und der Winkel an unserer Schläfe zu optimieren sind. Ich möchte beides nicht missen!
Abschließend mag ich, als „behinderter Mensch“ mit argen Bewegungsstörungen, noch eine Lanze für den Bogen brechen. Während die Physiotherapien nur so an mir vorbeiflogen, mit den immer gleichen Wortfetzen („Rumpf ist Trumpf“), bietet sich beim Bogenschießen eine unglaublich gute Möglichkeit zum Trainieren an. Wir müssen, ganz bewusst, wichtige Körperteile und Muskeln anspannen, achtsam mit ihnen umgehen und vor allem kontrolliert einsetzen und beherrschen – Chapeau!
Das soll es aber nun gewesen sein. Wenn ich in euch ein bisschen Neugierde zum Bogenschießen wecken konnte, würde mich das wirklich freuen. Gebt ihm eine Chance!
Alle ins Gold,
Marcel
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