Sega goes LucasArts
„Scooby-Dooby Doo, where are you?“ Diese Frage stellte sich der Sänger des Titelsongs der gleichnamigen Zeichentrickserie, die 1969 auf CBS startete. Einige Besitzer des SEGA Genesis konnten diese Frage im Jahr 1995 zumindest eindeutig beantworten: „In meinem Modulschacht natürlich!“
Umsetzungen bekannter Cartoon-Serien sind seit den frühesten Tagen der Computer- und Videospiele keine Seltenheit und für die Softwareschmieden immer eine gute Gelegenheit für einen schnellen Dollar. Der Hund Scooby-Doo sowie seine menschlichen Freunde Shaggy, Fred, Velma und Daphne wiederum gehören neben den Ghostbusters zu den beliebtesten Geisterjägern, welche die Populärkultur zu bieten hat. Daher lag es nahe, dieses Erfolgskonzept auch hier zu anzuwenden.
Entwickelt wurde das Spiel durch die Illusions Gaming Company, als Publisher fungierte neben Sunsoft die ungleich bekanntere und damals sehr umtriebige Firma Acclaim, welche unter anderem für die Veröffentlichung solcher Perlen wie „NBA Jam“ und „Mortal Kombat“ verantwortlich war.
Bis hierher klingt das alles noch recht traditionell und klassisch. Die Vermutung liegt daher sicherlich nahe, dass ein typischer Plattformer a lá „Aladdin“ dabei heraus kam. Dies ist jedoch weit gefehlt, denn bei „Scooby-Doo Mystery“, so der volle Titel des Spiels, handelt es sich um ein waschechtes Grafikadventure.

Benutze Snacks mit Scooby
Dieses Genre war vor allem auf PCs beheimatet, und hatte Anfang bis Mitte der 1990er-Jahre den absoluten absoluten Zenit seiner Popularität erreicht. Firmen wie LucasArts, Sierra On-Line und die Westwood Studios hatten einige unvergessliche Klassiker wie „The Secret of Monkey Island“, „Leisure Suit Larry in the Land of Lounge Lizards“ und „Legend of Kyrandia“ geschaffen, welche bis heute einen besonderen Platz in den Herzen der Spieler einnehmen. Auf Konsolen wurde dieses Genre jedoch sträflich vernachlässigt.
Außer „Maniac Mansion“ für Nintendos NES und „Kings Quest“ für das SEGA Master System hatte es nur wenige Versuche gegeben, diese Gattung im Konsolenmarkt zu etablieren. Dies ist auch wenig verwunderlich, waren Konsolen mit ihren Scrolling traditionell doch eher für schnelle Action- oder Hüpfspiele geeignet, weniger für stundenlange Sitzungen, in denen diverse Gegenstände miteinander kombiniert und absurde Rätsel gelöst werden müssen. Auch die Steuerung liefert eine Erklärung: Während die PC-Spieler sich bequem per Maus durch die Abenteuer klicken konnten, hatten Konsoleros mit ihren Gamepads hier eher schlechte Karten.
Umso erstaunlicher und auch mutiger ist daher die Entscheidung, „Scooby-Doo Mystery“ zu einem eben solchen Point-and-Click-Adventure zu machen. Hierzu verriet mir Art Director Darren Bartlett vor einigen Jahren in einem Interview für das RETURN Magazin:
Ich hatte immer schon eine Leidenschaft für Grafikadaventures im Stil der Spiele von LucasArts. Was ich zudem auf keinen Fall wollte, war ein Scooby in einem seitwärts scrollenden Plattformer, der Scooby Snacks einsammelt. Darum ging es schließlich nicht in der Serie. Sondern darum, dass Scooby und seine Freunde auf zwar ungeschickte aber witzige Weise Rätsel lösen. Daher lag es nahe, die Form das Grafikadventures zu wählen.
Art Director Darren Bartlett
Sowohl die Aufteilung des Bildschirms, als auch die grafische Gestaltung erinnert stark an einen weiteren Klassiker von LucasArts: „Day of the Tentacle“. Der comichaft überzogene Stil der Darstellung passt natürlich auch hervorragend zur Scooby-Doo-Thematik, und man muss hier wirklich den Hut vor den Programmierern ziehen, was sie technisch alles aus SEGAs 16-Bitter herauskitzeln konnten.
Die Konsole hatte zu diesem Zeitpunkt immerhin schon etliche Jahre auf dem Buckel. Lediglich die Titelmelodie wurde etwas lieblos konvertiert, hier hätte der Soundchip des Genesis bestimmt besseres leisten können. Dafür wird man jedoch durch einige kurze Sprachsamples entschädigt.
Unter der Maske steckt…
Auch spielerisch hat „Scooby-Doo Mystery“ eine Menge zu bieten. Die Handlung ist in zwei Episoden aufgeteilt und es gilt ganz so wie in der Serie, rätselhafte Spukerscheinungen aufzuklären. Der erste Fall trägt den Titel „Blake’s Hotel“, was natürlich eine Anspielung auf das berühmte Motel aus „Psycho“ ist. Der Geist eines Indianerhäuptlings treibt in der Herberge sein Unwesen, was zur vorzeitigen Abreise sämtlicher Gäste geführt hat. Im zweiten Abenteuer verschlägt es unsere Helden in den „Ha Ha Carnival“, wo ein böser Clown sein Unwesen treibt.
Der Spieler übernimmt die Steuerung von Shaggy, welcher von Scooby-Doo begleitet wird. Die anderen Figuren kommen nur am Rande vor. Die Rätsel sind allesamt mittleren Schwierigkeitsgrads, und nach einer gewissen Zeit des Herumprobierens zu lösen. Immer wieder wird das Ganze durch Slapstick-Einlagen, beispielsweise in Form von Verfolgungssequenzen, aufgelockert. Hat man eine Episode erfolgreich gelöst, wird das vermeintliche Monster enttarnt. Der Charme der alten Serie wird somit perfekt eingefangen.


Passwortgefummel
Selbst das Problem mit der Steuerung wurde übrigens einigermaßen gut gelöst: Ein Tastendruck lässt den Cursor auf dem Bildschirm erscheinen, welcher dann per Steuerkreuz auf die gewünschten Verben oder Gegenstände bewegt werden kann. Eine Batterie zum Speichern der Spielstände ist leider nicht vorhanden, dafür kann aber per Passwort jederzeit wieder da eingestiegen werden, wo zuletzt aufgehört wurde. Das ist allerdings ein wenig umständlich.
Für das Super NES erschien übrigens zeitgleich ebenfalls eine Version des Spiels, welche jedoch in eine völlig andere Richtung geht und eher eine Mischung aus Adventure und Plattformspiel darstellt.
Für Point-and-Click-Freunde und Fans von Scooby-Doo ist das Spiel uneingeschränkt zu empfehlen. Leider wurde es jedoch nur in Nordamerika veröffentlicht, und hat sich dort anscheinend auch nicht allzu gut verkauft, was sicherlich hauptsächlich in der späten Erscheinung des Spiels innerhalb des Lebenszyklus der Konsole begründet ist. Dies dürfte auch die Erklärung dafür sein, dass vollständig erhaltene Exemplare nur zu horrenden Preisen erhältlich sind. Auf einem europäischen Mega Drive bekommt man das Modul übrigens nur mit einem Konverter zum Laufen.
Aber vielleicht konnte dieser kleine Bericht das Interesse des einen oder anderen dennoch wecken, und dann ertönt demnächst wieder die vertraute Melodie in den Wohnzimmern: „Scooby-Dooby Doo…“
Hinweis: Dieser Text erschien bereits in der Ausgabe 26 des RETURN-Magazins und am 10. April 2022 bei Retrokram. Für die Veröffentlichung bei Videospielgeschichten wurde er stark überarbeitet.
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