Lands of Lore 2 – Easy Insektenphobien entwickeln!

Von Christian Kuhrmann am
Kommentiert von: Christian Kuhrmann, André Eymann
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Wenn du dich am Leiden anderer Menschen erfreuen kannst, ist diese Geschichte genau das Richtige für dich. Ja ich gebe es zu. Ich habe tierische Angst vor den meisten Insekten. Als männlicher Beschützer vor Spinnen und Motten bin ich ein Witz. Besonders bei Motten und Spinnen drehe ich vollkommen durch. Jedesmal wenn mir eines dieser Viecher in der Wohnung herumfliegt oder krabbelt, stehe ich Todesängste durch.

Diese Angst hatte ich nicht immer. Meine Mutter erzählt gerne die Geschichte, wie ich als Baby einen Weberknecht gefangen und genüsslich gegessen hatte. Ekelhaft, ich weiß UND WARUM SCHAUT MEINE MUTTER ÜBERHAUPT DABEI ZU?!

Lands of Lore ist eher nix für Kinder

Ich kann mich sogar noch dunkel daran erinnern, dass ich in früher Kindheit keine Angst vor den Biestern hatte. Irgendwo und irgendwann muss es einen Vorfall gegeben haben, der mich traumatisierte. Ich habe schon oft darüber nachgedacht, woher diese leichte Phobie kommen könnte. So wirklich fallen mir da aber keine besonderen Vorkommnisse ein…

Zumindest nicht in der Realität!

Vor ein paar Tagen habe ich mir ein Walkthrough von Lands of Lore 2 angesehen. Dieses grandiose Spiel hatte ich schon fast vergessen. Während ich also so in Erinnerungen schwelgte, fiel mir plötzlich eine bestimmte Szene aus meiner Kindheit wieder ein.

Um die Intensität meiner Erfahrung deutlicher zu machen, möchte ich an dieser Stelle etwas genauer auf die Story von Lands of Lore 2 eingehen… Zu Beginn des Spiels verschwindet ein Mädchen aus dem Dorf der XY. Im Intro Video des Spiels sieht man sogar, wie das Mädchen von einer riesigen Spinne angefallen wird. Noch bevor das Kind es überhaupt merkt, gibt es einen Cut und es geht mit der Hauptstory um den Protagonisten Luther weiter.

Man sollte Kinder nicht alleine in einem Dschungel spielen lassen, indem sich doppelköpfige Raubkatzen und riesige Spinnen herumtreiben. (Bild: loadmyblog.com)
Man sollte Kinder nicht alleine in einem Dschungel spielen lassen, indem sich doppelköpfige Raubkatzen und riesige Spinnen herumtreiben. (Bild: loadmyblog.com)

Kannst du mir mal ‘nen Gefallen tun?

Für die NPC's wurden echte Schauspieler vor einen Greenscreen gestellt. Rückblickend keine so gute Idee. (Bild: loadmyblog.com)
Für die NPC’s wurden echte Schauspieler vor einen Greenscreen gestellt. Rückblickend keine so gute Idee. (Bild: loadmyblog.com)

Etwas später kommt es dazu, dass wir nach diesem Kind suchen müssen. Die Mutter macht sich verständlicherweise große Sorgen und damals als kleiner Junge hätte ihr am liebsten gesagt: „Du hör mal. Ich habe deine Tochter im Intro gesehen. Das sah nicht so gut für die Kleine aus, sorry!“

Naja, es kommt natürlich wie es kommen muss. Wir suchen die Tochter, weil wir irgend etwas brauchen. Dorfbewohner schicken sowieso lieber fremde Abenteurer in gefährliche Gegenden, anstatt sich selbst um ihren Kram zu kümmern. Wir finden das Skelett des kleinen Mädchens letztendlich in einer Höhle. In dem Moment war ich schon etwas traurig. Ich hatte gehofft, dass wir das Kind noch irgendwie lebendig vorfinden. Kinder sterben zu lassen ist in Filmen und Spielen bis heute eigentlich ein No Go. Auf einmal stehen wir allerdings vor diesem Knochenhaufen und klein Christian war schon etwas berührt.

IN DIESEM MOMENT SCHIESST DIREKT VOR UNS DIESE RIESENGROßE EKELHAFTE SPINNE AUS DEM DUNKEL! SIE GREIFT UNS KURZ AN UND VERSCHWINDET DIREKT WIEDER IN DIE DUNKELHEIT!

Ich hatte mich dermaßen erschrocken, dass ich Maus und Tastatur gegen den Monitor schmiss und anfing zu heulen… also das nenne ich mal ein immersives Gamedesign.

Toll gemacht Westwood! Ihr habt ein Kind zum weinen gebracht!

Der vielarmige Tot oder wie ich es nenne: Die Mutter meiner Urängste. (Bild: loadmyblog.com)
Der vielarmige Tot oder wie ich es nenne: Die Mutter meiner Urängste. (Bild: loadmyblog.com)

Naja, was solls. Noch am gleichen Tag wollte ich unbedingt weiterspielen. Sobald ich meinen letzten Speicherplatz geladen hatte, schoss mir das Adrenalin durch die Adern und meine Aufregung stieg mit jedem Schritt, den ich weiter in die Höhle hineinging. Natürlich habe ich die Spinne dann nicht gleich auf Anhieb geschafft, sondern wurde noch etliche male gefressen. Der Kampf an sich war auch sehr nervenaufreibend. Da die Spinne eine ausgefuchste Guerillataktik anwendete.

Das nackte, blaue Ungetüm, mit seiner robusten Lederhaut rannte genauso panisch durch die Höhle wie ich. Da es sehr dunkel war konnte ich gerade noch so ein- bis zwei Meter den von Lava aufgerissenen Boden vor meinen Füßen erkennen. Bis auf ein paar Steinsäulen, die ca. einen Meter entfernt waren, konnte man aber nichts erkennen. Die alten Röhrenmonitore hatten damals auch keine gute Beleuchtung. Wenn ich die Spinne sah, war es meist schon zu spät und sie verletzte mich immer zuerst.

Mit meiner Panik und der Orientierungslosigkeit versuchte ich ein paar mal gegen dieses ausgefuchste Vieh zu kämpfen. Irgendwann klappte es natürlich doch und ich konnte diese verdammte Höhle endlich hinter mir lassen. Es war einer dieser Spielmomente wo man einfach richtig abkotzt! Als Kind wurde die Situation auch nicht besser nach der Zeit. Es entstand keine Routine oder Langeweile bei diesem Kampf, da er immer etwas anders verlief. Der erste Schockmoment ist seit dem Walkthrough auf YouTube wieder sehr, sehr präsent in meinem Kopf.

Aber es kommt noch besser!

Diese Spinne war eine von vielen Vorgeburten unseres Endbosses Belial. Dieser ist zu Beginn des Spiels hingerichtet worden und war so clever seine eigene Wiedergeburt vorher in die Wege zu leiten. Im weiteren Spielverlauf erscheinen oft missgestaltete Bossgegner, die immer ein bisschen mehr nach diesem Spinnenvater aussehen. Gegen Ende des Spiels war ich der Story extrem verfallen und wollte es am liebsten am Stück durchziehen. Ich träumte inzwischen regelmäßig von der Spinne aus der Höhle.

Als ich merkte, dass dieses Erlebnis einen guten Artikel abgeben würde, habe ich mit meiner Mutter telefoniert, die mir oft eine Gedächtnisstütze ist, wenn ich sie über Kindheitserlebnisse von mir befrage. Sie konnte sich zwar nicht an das Spiel selbst erinnern aber das ich vor Schreck geschrienen und geweint habe, wusste sie noch gut. Auch an die Alpträume konnte sie sich gut erinnern. Immerhin musste sie mir Nachts beistehen.

Rückblickend vielleicht ein kleiner Erziehungsfail

Meine Mum kontrollierte zwar welche Filme ich schauen durfte, aber nie welche Spiele ich spielte. Für sowas waren die männlichen Familienmitglieder da. Die spielten sowieso die gleichen Spiele und waren der Meinung, dass es halb so wild sei. Mal abgesehen davon, dass ich ein ziemliches Weichei bin oder war, ist es doch schon auffällig, dass ich mich bis vor dem Walkthrough überhaupt nicht mehr an diese intensive Spielerfahrung erinnern konnte.

Letztendlich kann ich nicht genau einschätzen, ob ich vor oder nach diesem trotzdem sehr gutem Spiel, meine Phobie vor Spinnen und Insekten entwickelt habe. Vermutlich spielen auch weitere Faktoren dabei eine Rolle. Das Image von Insekten im allgemeinen Volksmund hat bestimmt auch einen Teil-Einfluss darauf.

Warum empfinden wir Motten beispielsweise als abstoßend, während wir Schmetterlinge gerne auf unsere Hand landen lassen? I don’t know… ich weiß nur, dass ich überhaupt nicht darauf klar komme, wenn Grashüpfer, Motten, Spinnen und was es sonst noch gibt, sich blitzschnell oder unkontrolliert bewegen. Dazu bekomme ich heute noch bei der (mittlerweile) lächerlichen Grafik von Lands of Lore 2 eine Gänsehaut. Ist das ein Zufall? Ich glaube nicht.


Veröffentlicht in: Spielebesprechungen
Tobi

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Kommentare (2)

  1. Vielen Dank André, freut mich wenn dir das Lesen Spaß macht. 🙂
    Lands of Lore ist eine großartige RPG-Reihe. Die Charaktere sind immer sehr Authentisch geschrieben. Wenn man mit der veralteten Grafik zurecht kommt, empfehle ich die Reihe unbedingt weiter. Meiner Meinung nach wird es Zeit die Lizenz für das Spiel wieder aus zu graben und die Spiele zu remastern.

  2. Lieber Christian,

    was für ein cooler Text 🙂 Ich finde die Art wie Du Deine Erinnerungen und das Thema Videospiele verbindest einmalig! So lustig, metaphorisch und gleichzeitig und dennoch locker geschrieben, dass man immer weiterlesen möchte. Mit diesem Artikel bist Du bei VSG genau richtig! Ich habe mir natürlich “Land Of Lore” gleich mal bei YouTube angeschaut: ein wirklich hochinteressantes, detailliertes Spiel. Ich kannte es vorher nicht und war beeindruckt, wie viel Liebe zu Kleinigkeiten Westwood hier hineingepackt hat. Es gibt immer wieder kleine Videospiele-Edelsteine zu entdecken. Dieses Juwel wäre an mir – ohne Deinen Text – vermutlich vorübergegangen. Danke auch dafür!

    André