Unreal Tournament 99 – Besser als die Realität

Von André Eymann am
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Siebzehn Jahre ist es mittlerweile her, dass GT Interactive – besser bekannt als Atari – den Future-Ego-Shooter Unreal Tournament von Epic Games veröffentlichte.

Und noch immer sind die Erlebnisse und Klänge des Spiels präsent. Weltweit. Auch in meiner Spieler-DNA sind die Strukturen von Facing Worlds und Deck 16 eingebrannt. Wie kommt es, dass ein so betagtes Spiel noch immer mein Maßstab ist, wenn neue Multiplayer-Ego-Shooter auf den Markt kommen?

Der Startbildschirm von Unreal Tournament, Version 436. (Bild: André Eymann)
Der Startbildschirm von Unreal Tournament, Version 436. (Bild: André Eymann)

Sicher, über Unreal Tournament ist schon alles geschrieben worden. Ungezählte Texte sowie tausende von Webseiten und Videos huldigen dem Meisterwerk von Cliff Bleszinski aus dem Jahre 1999. Bleszinski (Design) und Steve Polge (Hauptentwickler) haben mit ihrem Spiel aber nicht nur einen Hit gelandet. Sie haben die Shooter-Landschaft nachhaltig geprägt.

Dabei war es zunächst ein Point-and-Click Adventure namens The Palace of Deceit, das den Gründer von Epic Games Tim Sweeney überzeugte, Bleszinski einen Job bei Epic, zu geben. Von 1994-1998 dann entwickelte der Mann aus Massachusetts, der manchmal nur CliffyB genannt wird, das erste Unreal-Spiel. Die Legende war geboren.

Anfang der 2000er Jahre war Unreal allerdings nicht der einzig gute Shooter im Regal. In meinem Freundeskreis wurden regelmäßig Quake III Arena, Half-Life, NOLF oder Soldier of Fortune gespielt. Alle eben genannte Titel sind großartige Spiele, die ihren Stern auf dem Walk of Games verdienen.

The Sound of Unreal

Dennoch: Unreal Tournament hat alle überlebt. Kein anderer Shooter hat mich immer wieder aufs Neue so fasziniert und so viel Spaß gemacht. Das schnelle Gameplay, die unfassbare Präzision und der brillant treibende Klangteppich des Spiels wurden zu unserer Religion. Bei LAN-Partys war UT das zentrale Spiel. Das hypnotisierende Drum-and-Bass-Geklopfe von Foregone Destruction auf der Map Facing Worlds war der Soundtrack unserer LAN-Party-Lebensphase. Der Mond schwebte am Himmel und alles drehte sich nur um uns. Zwei Teams im unendlichen Weltraum. „You got the flag!“

An dieser Stelle: bei YouTube gibt es ein großartiges Remix-Album mit Tracks aus dem Spiel. Unbedingt reinhören und weitersagen.

M-M-M-Monster-Kill

Aus heutiger Sicht ist UT Zeitzeuge einer fast vergangenen Spielerära. In den 2000ern zählte der Hit von Epic zur Standardausstattung eines LAN-Party-Spielers. In jenen Tagen wurde gemeinsam an einem Ort gespielt. PCs wurden über Hubs oder Switches miteinander vernetzt und danach stundenlange Multiplayer-Gefechte ausgetragen.

Hochgetaktete Grafikkarten und klobige CRT-Monitore heizten die Stimmung zusätzlich an. Aus allen Lautsprechern kreischten „Headshot!“, „Double-Kill“ oder „M-M-M-Monster-Kill“-Ansagen. Es ging von einer Killing-Spree zur nächsten und am Ende wurde abgerechnet. „You have won the match!“ Das war das Ziel.

Facing Worlds gilt als eine der besten Multiplayer-Maps überhaupt. Hier ist gerade ein Sniper am Werk. (Bild: Andre Eymann)
Facing Worlds gilt als eine der besten Multiplayer-Maps überhaupt. Hier ist gerade ein Sniper am Werk. (Bild: Andre Eymann)
Fractal Reactor von Dave Ewing ist ideal für kleinere Teams. Ist die Map gut belegt, gibt es kein Entkommen. (Bild: Andre Eymann)
Fractal Reactor von Dave Ewing ist ideal für kleinere Teams. Ist die Map gut belegt, gibt es kein Entkommen. (Bild: Andre Eymann)
Laufen einem mehrere Gegner vor die Waffe, kommt es schnell zu einem „Multi-Kill!“ (Bild: Andre Eymann)
Laufen einem mehrere Gegner vor die Waffe, kommt es schnell zu einem „Multi-Kill!“ (Bild: Andre Eymann)
Mein PC anno 2003. Modding war damals ein Muss. (Bild: Andre Eymann)
Mein PC anno 2003. Modding war damals ein Muss. (Bild: Andre Eymann)

Jeder der an LAN-Partys teilgenommen hat, kann sich an die Stimmung erinnern. Man spielte gemeinsam in einem sozialen Gefüge und war unmittelbar an den Gefühlen der Mitspieler beteiligt. Heutige Online-Multiplayer-Spiele können höchstens einen Schatten dieser Emotionen abbilden. Leider gibt es aber immer weniger Spiele, die sich im LAN spielen lassen. Zu sehr scheinen die Publisher daran interessiert zu sein, zusätzliches Geld durch die Bereitstellung ihrer Online-Server und weiteren DLCs verdienen zu wollen.

Dennoch gibt es Lichtblicke: Unreal Tournament hält bis heute am LAN-Modus fest und bietet ihn sogar auf den Konsolen-Varianten der UT-Spiele an. Dieses Novum teilt UT mit der Call of Duty-Reihe, die ebenfalls LAN-Support bietet. Darüberhinaus hat sich Marc Rein, Vice President und Mitgründer von Epic, immer wieder für die Unreal-Community stark gemacht und Rücksicht auf die Bedürfnisse der Spieler genommen. So gab es sogar in Unreal 2007 für Playstation 3 die Möglichkeit, Custom Maps direkt in das Spiel zu integrieren.

Diese Offenheit ist ein beständiger Grundpfeiler der Spielserie. Schon kurz nach der Veröffentlichung von UT99 (so wird das erste Spiel der Serie heute genannt) kam des dank des frei verfügbaren Map-Editors zu einer wahren Flut an Maps. Hunderte neue Karten wurden von teilweise sehr talentierten Mappern geschaffen und bereicherten das UT-Universum.

Konzentriert für das Team unterwegs auf DM-Phobos. (Bild: Andre Eymann)
Konzentriert für das Team unterwegs auf DM-Phobos. (Bild: Andre Eymann)

Übersicht der Serie

Die Erfolgsgeschichte von Unreal Tournament begann 1999. Seitdem sind verschiedene Spiele des Multiplayers entstanden. Hier ein kurzer Überblick:

  • Unreal Tournament (erschien 1999)
  • Unreal Tournament 2003 (erschien 2002)
  • Unreal Tournament 2004 (erschien 2004)
  • Unreal Tournament 3 (erschien 2007)
  • Unreal Tournament (seit 2014)

Es waren aber nicht nur die Maps, die zur Verbreitung des Mythos beitrugen. Spielmodifikationen, sogenannte MODs, münzten UT komplett um, sodass ganz neue Spiele entstanden. Shooter wie Tactical Ops oder das fantastische Strike Force erblickten das Licht der Welt. Später dann wurde die Unreal Engine immer wieder zur Erstellung neuer Spiele lizenziert. Erfolgreiche Beispiele hierfür sind Bioshock, Borderlands oder Dishonored: Die Maske des Zorns.

Dankbares Setting

UT99 CD-ROM Jewel-Case, Rückseite. (Bild: Klaus Krause)
UT99 CD-ROM Jewel-Case, Rückseite. (Bild: Klaus Krause)

Die situationsorientierte Auswahl einer Waffe hatte bereits in UT99 einen wesentlichen Anteil am Gameplay. Dabei gingen Sniper, Assault Gun und Raketenwerfer auf einer Map Hand in Hand. Jeder konnte spielen, wie er wollte, und auf seine Art und Weise Erfolge erzielen. Dabei gab es auch für den gut versteckten Sniper keine Garantie, dass nicht auch er von einem ferngelenkten Rocket Launcher Missile zur Strecke gebracht wurde.

Dies brachte viel Bewegung in die Karten und bei vielen Mitspielern eine unvergleichliche Action ins Spiel. Pixelgenaues Zielen mit höchster Präzision war ebenso hilfreich wie ein Treffer mit dem Ripper, der auf mittelgroßer Distanz drehende Metallscheiben durch die Gänge schleuderte.

Bis heute bin ich der Meinung, dass das Spiel auch deshalb so viel Spaß macht, weil es ein eben nicht realistisches Setting hat. Weil ich hier eben nicht in der Wüste von Dubai oder Afghanistan gegen Gegner kämpfen muss, die mir 2016 täglich als vermeintliche Feindbilder in der Tagesschau präsentiert werden. Unreal war eben unreal. Und somit eine perfekte Projektionsfläche und alternative Realität.

Gefecht im Weltraum: Space Noxx bietet ein Arena-artiges Spielfeld. (Bild: Andre Eymann)
Gefecht im Weltraum: Space Noxx bietet ein Arena-artiges Spielfeld. (Bild: Andre Eymann)

Der Reboot

Gute Aussichten gibt es für den nächsten Teil. Denn dieser wird seit 2014 unter der Federführung des ursprünglichen Programmierers Steve Polge, gemeinsam mit der Community entwickelt.

Es handelt sich um einen echten Reboot, der für die Spieler kostenfrei sein soll. Ziel ist es, eine möglichst große Spielergemeinde zu erreichen und das Spiel stetig weiter zu entwickeln. Polge sowie die beiden Designer Jim Brown und Nick Donaldson sind sehr darauf bedacht, das, „was Unreal Tournament ausmacht“, im neuen Spiel zu bewahren. Den Neubeginn der Legende kann man bereits jetzt als Pre-Alpha auf seinen PC herunterladen.

So kann eine Map für das neue Unreal Tournament aussehen. (Bild: UT Map „Sand“ von Adam "Gooba" Wood)
So kann eine Map für das neue Unreal Tournament aussehen. (Bild: UT Map „Sand“ von Adam “Gooba” Wood)

UT99 heute spielen

Die Hardware-Anforderungen von UT99 sind aus heutiger Sicht gering: eine 200 MHz CPU, 32 MB RAM, 300 MB Festplatte und 8 MB Grafikkarte waren ausreichend, um das Spiel flüssig spielen können. Auch heute noch läuft UT99 auf modernen Windows-Betriebssystemen wie Windows 7, 8 oder 10 problemlos. Wer MacOS verwendet, sollte entweder Boot Camp einsetzen oder auf einen Wrapper wie Wineskin ausweichen.

Wir dürfen gespannt sein, wohin uns die Reise von Unreal Tournament führen wird. Ganz sicher aber erneut in fantastische und großartig aussehende Welten. Wie bereits 1999, dem Jahr, in dem UT geboren wurde.

Videobericht

Am 22.11.2019 ist ein Video von heise online erschienen, das euch noch einmal mit den bewegten Bildern des Spiel betört: “Unreal Tournament setzte zu seinem Erscheinen vor 20 Jahren Maßstäbe für Multiplayer-Shooter und beherrschte viele Jahre die Shooter-Szene. Bis Fortnite zum Monsterkill ansetzte.”

Die Screenshots zu diesem Beitrag habe ich auf einem DELL X300 Notebook, Intel Pentium 1200 MHz CPU mit 632 MB RAM und Windows XP SP2 erstellt.


Veröffentlicht in: Spielebesprechungen

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Kommentare (15)

  1. UT99 ist so gut, dass ich sogar meinen 14-jährigen Neffen, der sonst nur Fortnite oder COD schätzt, dafür begeistern konnte. Das heißt schon was nach über 20 Jahren 🙂

  2. Lange her, aber das Game hab ich mit meinem Grundschulfreund auf meinem alten 2003 PC gespielt im LAN und wir haben so ziemlichst jede Map bis zum Erbrechen gezockt. Lieblingsmap war Hall of Giant, die Capture the Flag Map, die bisher beste Map mit seiner Schwerelosigkeit. Seltens war so ein Multiplayer Game so gut wie dieses vlt noch UT 2004, aber ab UT3, war ich dann nicht mehr davon angetan und würde immernoch, die älteren Games hervorziehen, als die neueren. Irgendwie fehlen mir solche LAN Momente, selbst zu zweit, einfach superb 😀

  3. UT war damals 2002 in der Firma das Standardgame, das wir ab 15:00 (offiziell Arbeitsende) noch 1-2 Stunden gezockt haben. Ich bin UT bis zur Version 2004 treu geblieben und spiele die MAC Version teilweise immer noch gegen BOTs, wenn ich mal kurz ein wenig Ablenkung brauche (Tokana Forrest z.b. .. die Reduzierte Schwerkraft ist super .. oder Morpheus 2).
    UT3 ist dann auf meine MAC nicht mehr gelaufen und die Konsolenversionen haben mich auch nicht wirklich gereizt. Ich wollte ja eigentlich die aktuelle Version mal antesten, aber Epic stampft die ja für Fortnite ein 🙁

    Schade. Es gibt leider kein FPS Spiel ala UT mehr und quicktime Events können mir gestohlen bleiben.

    1. Ja, das stimmt, irgendwie haben es auch alle um mich herum gezockt 😀
      Feierabend, *PC-Anschaltgeräusch*, Getränke & Knabberkram bereitstellen,
      und los 😀
      Facing worlds & Deck 16 waren eigentlich immer mit dabei…

  4. UT war eins der ersten Spiele, mit denen ich auf dem PC in Kontakt kam – ich habe erst spät umgerüstet, war nach meiner Amiga-Zeit erstmal auf Konsolen unterwegs.
    Ich mochte sofort die Optik, die knalligfarbenen Charaktere, das teils abgedrehte Leveldesign, das Tempo und die Sprüche.

    UT hatte eine komplett andere Atmosphäre und Spieldynamik als das (glaube) fast zeitgleich erschienene Quake 3 Arena.
    Ich weiß nicht mehr, warum das so war, aber UT machte mir mehr Spaß. Und wir haben damals beides über Internet und auf den berüchtigten Kollegentagungen im In- und Ausland per LAN gezockt. Später hatte sich dann der Großteil meiner Kollegen zu Q3A verlagert, was ich wirklich schade fand.
    Für diese zwei Kandidaten habe ich extra die Pingoption bei meinem damaligen Telekom DSL aktivieren lassen ^^
    Die Framejagd begann für mich ebenfalls und ich habe mehr als einmal den Rechner aufgerüstet (hier gab es auch einen super Laden, HW Elektronik, leider hat er wohl den Kampf gegen die Großen verloren).
    Mit UT 2004 ging es dann erstmal wieder mit den Zockerkollegen zurück zu UT, aber mitgerissen hatte mich das damals nicht mehr so sehr, emfand ich das Tempo doch irgendwie lahmer und die Grafik zwar hübsch, aber charakterlos & synthetisch (schlagt mich jetzt nicht zu doll).
    Das war schon ne coole Zeit. Heute schaue ich meinen Kids über die Schulter und denke “Alter, du bist alt geworden” 😀

    1. Der Richtigkeit halber, ich meinte eigentlich UT2003, nicht, wie ich geschrieben habe, 2004.
      Der technische Schritt von 99 aus war zugegeben groß, der Funke, der überzuspringen versuchte, bei mir aber recht klein. Daher habe ich UT2004 danach gar nicht mehr verfolgt.

  5. UT99 ist einfach “Dominating!” 🙂 Das Spiel gehört bei uns heute noch in die “Playlist” jeder LAN-Party! Auch wenn das ähnliche Q3A seinerzeit ein sehr gutes Spiel war hat UT mir immer besser gefallen, es war einfach abwechslungsreicher, da fetzte man sich in einer Runde in einer Burg und in der nächsten auf einer Raumstation im All, während die Maps in Q3A stilistisch geradliniger waren.

    UT2003/2004 wurde dann das ganze Gameplay etwas ausgebremst, die Spiele haben ein etwas langsameres Pacing, was mir nicht so gut gelegen hat, ich schneide in UT99 immer besser ab. Deswegen war ich dann ganz froh als die Geschwindigkeit in UT3 wieder anzog, das Spiel fühlt sich wieder mehr nach UT99 an.

    Von dem Reboot habe ich schon lange nichts mehr gelesen. Sollte da nicht auch was offizielles von Epic Games kommen? Oder ist das eine andere Baustelle?

  6. Schöner Artikel. Selbst Nächte lang damit verbracht. Ein wahrer Meilenstein. Solche Spiele sind es die zeigen, dass futuristische Szenarien in Shootern länger unterhalten als wie es bei Kriegsshooter der Fall ist, bei denen man stets bemüht ist krampfhaft Realismus mit einfließen zu lassen.

  7. Oh ja, Quake III Arena habe ich auch jahrelang gespielt. Ein Spiel wie ein Rausch. Großartige Maps und wunderbar schnelles Gameplay. Ich weiß noch genau, wie motivierend die Ansagen waren. “You Have Taken The Lead!”

  8. Ich habe Unreal leider nie so intensiv gespielt, wie ich eigentlich gewollt hätte. Schon damals haben viele andere Spiele nach meiner Aufmerksamkeit verlangt. Der Shooter, den ich wohl am umfassendsten konsumiert habe, war Quake III Arena, aber auch da habe ich seit Jahren schon keine Hand mehr angelegt.

  9. Bester FPS ever. 🙂

    Hatte mir damals nur dafür eine Voodoo-Karte (Diamond Monster 3D) für meinen Power Mac gekauft. Bzw. bereits für den Vorgänger Unreal. Das war im Sommer 1998.

    Zocke ich heute noch gerne native unter Mac OS 9. 🙂

    (Oder über eine virtuelle Maschine auf aktuellen Macs.)

  10. Grandioser Shooter, der tatsächlich lange überlebt hat. Auch deshalb, weil die Community einfach dabei ist und es eine DRM-freie Version auf GOG gibt.