Technologie – Was damals nicht möglich war

Von Jens Sommerfeld am
Kommentiert von: Tobi, David Lightman, Ferdi
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Was damals nicht möglich war, ist heute leicht irreal. Wir schreiben das Jahr 1982. Ich sitze gerade vor einem Sinclair ZX81 mit 16k-RAM-Modul und angeschlossenem Kassettenrekorder. Der ZX81 lädt gerade ein Spiel von Kassette. Ich warte. Danach spiele ich. Ich habe Spaß.

Wir schreiben das Jahr 2017. Ich sitze gerade vor einem Sinclair ZX81 mit 56k-RAM, USB-Anschluss, Ethernet-Karte und Soundmodul. Ich bin mit einem Finnen im IRC-Chat. Mein Soundmodul hat gerade gepingt – er hat gerade wieder geschrieben. Ich antworte ihm. Wir haben Spaß.

Ist es nicht erstaunlich, wie unterschiedlich diese zwei Zeiten sind?! Gut, im Jahr 1642 gab es noch keine Flugzeuge, Autos, Handys, keine öffentlichen Toiletten und auch keine Hundepension. Aber darum geht es hier gar nicht – so weit wollen wir nicht schauen.

Ein typisches ZX81-Setup 1982. (Bild: Mike Cattell)
Ein typisches ZX81-Setup 1982. (Bild: Mike Cattell)
Ein moderner ZX-NU (ZX81-Clone) mit USB, Netzwerk und Sound im Chat. (Bild: Jens Sommerfeld)
Ein moderner ZX-NU (ZX81-Clone) mit USB, Netzwerk und Sound im Chat. (Bild: Jens Sommerfeld)

Als ich 1983 den Film WarGames im Kino sah, wollte ich Hacker werden. Nun gut, den Gedanken verfolge ich noch immer und bin dem Ziel auch ein paar Schritte näher gekommen. Aber ein “richtiger” Hacker bin ich nicht geworden. Macht aber nichts. Ich habe Spaß.

Um Spaß ging es damals. Und heute auch. Egal, welchem Hobby wir frönen, es soll Spaß machen. Ich finde es immer wieder verwunderlich, wie ernst manche ein Hobby nehmen. Und dann dabei den Spaß verlieren. Aber das nur am Rande.

Homecomputer sind ein wunderbares Hobby. Ein Homecomputer ist zuerst mal ein Gegenstand, den wir besitzen. Erst durch das Anschalten wird er allerdings zu einem Computer, denn sonst ist es nur ein Gerät ohne Funktion. Hardware bedingt Software. Das ist auch beim Terminator so.

Und nach dem Anschalten? Ist es dann noch der Computer, mit dem wir damals gearbeitet haben?? Die Antwort lautet: NEIN. Denn wir leben in einer anderen Zeit (wem der Unterschied zwischen Vergangenheit und Gegenwart nicht klar ist: Vergangenheit war schon)… Das Spiel “Flappy Bird” gab es damals für den ZX81 noch nicht.

Das Filmplakat zum Film WarGames / Kriegsspiele. (Bild: MGM/UA)
Das Filmplakat zum Film WarGames / Kriegsspiele. (Bild: MGM/UA)

Die technologischen Entwicklungen der Jahre sind immens. Kodak hat die Digitalkamera erfunden (und den Anschluss verpasst), heute ist die herkömmliche Fotografie nur noch eine Nische. Der Nachteil ist, das viele Menschen 1000 Fotos am Tag knipsen aber davon nicht ein einziges Foto entwickeln. Ich vermisse das Fotoalbum. Bei den Computern ist es nicht anders. Die Diskette ist verschwunden, vieles passiert online (ein Wort, das es 1983 noch nicht richtig in das Bewusstsein der Gesellschaft geschafft hatte). Alles geht gefühlt schneller und ist so vielfältig.

Damals versuchte man (ich) über Monate (!) herauszufinden, welche Gitarre Steve Lukather (von der Band Toto) auf der Schallplatte benutzt hat. Die Infos bekam ich durch Fotos in der BRAVO, dem Plattencover oder Musikzeitschriften. Heute komme ich an diese Infos über eine Suchmaschine innerhalb von Minuten und habe noch viele Informationen und Videos dazu. Sehr praktisch, aber recht unspannend. Das Gefühl, einem Ereignis oder einer Sache entgegenzufiebern ist aus meinem Leben fast verschwunden. Vieles ist heute gleich verfügbar. So gibt es im Internet viele Sites, auf denen man Programme von diversen Homecomputern herunterladen kann. Und ich kann das Spiel sofort auf einem Emulator starten.

Die Freundschaften, die durch das Hobby entstanden sind, sind die Essenz.

Jens Sommerfeld

1999 entdeckte ich meinen Sinclair ZX81 auf dem Dachboden wieder. Und fing an, nach Kontakten zu Nerds zu suchen, die sich noch damit beschäftigen. Ich fand das ZX-TEAM (zx81.de) und war überrascht. Es gab einige Entwicklungen, die 1982 gar nicht möglich waren. Festplatten-Interface, Flachbildschirmanschluss, neue Games, eigene Betriebssysteme, komplette Neuentwicklungen, RAM-Erweiterungen, C-Portierung und vieles mehr. Dadurch entstanden wiederum viele neue Möglichkeiten. Alles skaliert sich nach oben. Und wenn ich dann noch 18 Jahre weiter blicke, so sehe ich USB- und SD-Karten-Speichermöglichkeit, echtes Internet und CNC-Fräsen und und und… die Auswahl ist endlos.

Doch warum tun wir das? Nur, weil es geht?

Ich glaube, es steckt mehr dahinter. Der Wunsch des Menschen, seine Neugier zu befriedigen und Dinge zu erschaffen kommt hier voll zum Zug. Die Technik zu beherrschen ist eine Sache. Etwas Neues zu erschaffen die Andere. Doch der Nutzen ist nicht immer ganz klar.

Mein erstes Projekt war damals, ein Interface mit acht LEDs zu bauen und einen “Nightrider-Effekt” zu programmieren. Ich freute mich wie ein Schneekönig, obwohl das Projekt an sich recht sinnlos ist (außer, das ich dadurch gelernt habe, wie so etwas zu realisieren ist). Aber der Nebeneffekt war mir zuerst gar nicht bewusst: die Kommunikation.

Die jährlichen TEAM-Treffen sind ein Highlight, die wöchentlichen Chats und das Forum eine tägliche Beschäftigung mit dem Thema. Aber die Freundschaften, die daraus entstanden sind, sind die Essenz. Das ist der wahre Grund, warum wir ein Hobby haben. Menschen zu treffen, mit denen man etwas teilt und gemeinsam etwas erschafft, sei es Hardware oder Software.

Das sind alles Dinge, die ich 1982 nie für möglich gehalten hätte (an die ich auch nie gedacht habe). Und auch nicht, das ich das Wort “Spaß” in diesem Artikel so oft benutzt habe.

Aber genau darum sollte es uns gehen.


Veröffentlicht in: Videospielgeschichten
Bernd BockTobi

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Kommentare (3)

  1. Ein sehr schöner Artikel, vielen Dank 🙂

    Das war schon eine tolle Zeit, die Entwicklung der Technik mitzuerleben.
    Auch wenn vieles von damals heute im Vergleich zu den fotorealistischen Spielen lächerlich wirkt, es war einfach faszinierend, was mit ein paar Farben, Pixeln und Strichen vermittelt werden konnte. Heute frage ich mich ernsthaft manchmal, wo das Spiel hinter dem Grafik- & Soundfeuerwerk versteckt ist, handelt es sich wie so oft doch wieder mal “nur” um einen millionenschweren Aufguss bekannter Spielemuster. Die Industrie hat’s aber auch nicht leicht, irgendwo war alles ja schon mal da.
    In meinem Kopf habe ich die Spielerei auch intensiver in Erinnerung, mag aber natürlich auch an den heutigen Umständen liegen (älter, Familie). Meine Frau hat meinen Hang zu alten Computern nie verstanden, sie ist aber auch nicht damit aufgewachsen.

    Heute ist die Erwartungshaltung an Programmiertes schon so groß und die Konfigurationen so vielfältig, trotzdem wird natürlich gemeckert, wenn etwas nicht läuft. Damals lief die Datasette oder ratterte später das Diskettenlaufwerk und das war dann halt so. Heute ertappe ich mich wie so oft, wenn der seelenlose PC endlich mal hochgefahren ist, geht das denn nicht schneller als 30sec?!
    Ich glaube damals war alles etwas entspannter. Ist vermutlich auch gesellschaftlich geprägt. Die Gelassenheit vermisse ich. Klinkt man sich mal ein paar Tage aus allem aus (und das fällt mir selbst nicht leicht, aber es ist gut und manchmal auch notwendig), werden gleich schon Vermutungen angestellt, ob ich eventuell einem Verbrechen zum Opfer fiel…
    Wie konnten wir damals nur überleben, seufz.

  2. Hey Ferdi!

    Danke für Deinen Kommentar.

    Das Interesse am Rechner wurde bei mir 1982 durch den ZX81 geweckt, dann 1983 durch den Besitz eines C64 mit Dauerdaddeln wieder verdrängt. Dann kam 1993 der PC mit Klickibunti, was die Möglichkeit, sich intensiv mit Hardware zu beschäftigen noch weiter zurückgedrängt hat. 1999 war im Nachhinein insofern ein besonderes Jahr, als das ich dort eine Leidenschaft wiederentdeckt habe, die einige Jahre vergraben war. Dafür bin ich dankbar!!

    Die 80er waren eine tolle Zeit. Die Kids von heute werden das über die 2000er auch sagen, aber im Bezug auf Dinge, die es damals zu entdecken galt (zB die Computer), war unsere Zeit sicher spannender. Die Welt hat sich geändert und ohne Handy geht fast nichts mehr. Aber es ist meiner Meinung nach wichtig und vielleicht sogar unsere Aufgabe, aus der damaligen Zeit zu berichten. So hätten die Kinder von heute immerhin die Möglichkeit, mit Hilfe der heutigen Medien etwas zu erfahren, um a) die Welt besser zu verstehen und b) den Zeitgeist im Umgang mit heutiger Technik zu befahren!

    Wir sehen uns sicher bei Meet&Blog 🙂

    Gruß
    Jens

    P.S.: Den Terminator lass ich zu Hause, der würde nur stören…

  3. Sehr schöner Artikel Jens! Und wie Recht Du hast: Heimcomputer sind ein wunderbares Hobby. Und Hobbys sollen in erster Linie Spaß machen.

    1999 scheint ja ein besonderes Jahr gewesen zu sein. Du hast den ZX81 auf dem Dachboden gefunden und damit Deine Leidenschaft neu entfacht. Bei André war es der Kauf einer Atari 2600-Konsole auf dem Flohmarkt.

    Dein LED-Nightrider-Projekt finde ich übrigens keinesfalls sinnlos. Oft zählt ja nicht das Ergebnis, sondern das Tun selbst. Die Beschäftigung damit. Genauso wie die Beschäftigung mit alten Heimcomputern. Du hattest Spaß und Du hast Dich mit den Mitgliedern des ZX-TEAMs ausgetauscht. Dabei sind neue Freundschaften entstanden und ist es doch, was zählt. Ob es am Ende funktioniert, ist dann Nebensache. Aber es hat ja auch noch funktioniert! Umso besser. Ich habe auch schon mal ein 1.000 Teile-Puzzle zu Ende gepuzzelt, um es anschließend in genau Eintausend Einzelteilen wieder in den Karton zu werfen. Sinnlos? Nein. Das Tun hat Spaß gemacht. Die Beschäftigung damit. Getreu dem Motto: Der Weg ist das Ziel, auch wenn es bei einem einzigen Puzzle geblieben ist.

    In Deinem letzten Artikel wolltest Du nochmal Kind sein; mit dem Wissen von heute in das Jahr 1983 zurückversetzt werden. Seinerzeit hatte ich kommentiert, dass ich nicht nochmal Kind sein möchte. Wenn ich heute so darüber nachdenke, dass Freunde und Bekannte, ja selbst die eigene Frau oft nicht nachvollziehen können, was man damals mit Heimcomputern so alles erlebt hat, dann wünschte ich mir, Doc Emmett Brown würde mit dem DeLorean um die Ecke biegen, um mich mitzunehmen – Back to the 80ties. Ohne Internet, Handy und Netflix; aber dafür mit Spaß! Der Doc müsste aber nochmal kurz in das Jahr 2028 reisen, um mir George R.R. Martin´s letzten Band von Game of Thrones mitzubringen. Und die Königsmörder Trilogie von Rothfuss, die wird auch nicht früher fertig sein.

    Der Terminator ist ja auch zurück in die 80er gereist – aber ohne DeLorean, also völlig unrealistisch. Aber Moment: In ihm steckt ja ein MOS 6502, wie im C64 auch. Das macht die Zeitreisen des T1000 natürlich plausibel …

    Ich hoffe wir sehen uns beim Meet&Blog.

    Liebe Grüße

    Ferdi