Es war im Januar 1984 als ein Zufall meine Freizeitgestaltung für die nächsten Jahrzehnte beeinflussen sollte. Ich war acht Jahre alt und meine Mutter sagte mir, dass wir am Samstag zu einer Geburtstagsfeier bei „Onkel Walter“ eingeladen sind. Meine Begeisterung war auf absoluter Sparflamme, denn ich erinnerte mich an den letzten Besuch dort.
Ich war das einzige Kind und vor lauter Langeweile meinerseits, wurde mir ein kleiner Fernseher im Nebenzimmer eingeschaltet. „Grand Prix Eurovision de la Chanson 1983“. Ich war an dem Abend irgendwann zwischen dem spanischen Titel „Wer segelt mein Boot?“ und dem Beitrag aus Zypern „Die Liebe lebt immer noch“ auf dem Stuhl eingeschlafen. Dementsprechend „freute“ ich mich auf diese Geburtstagsfeier. Naja, zumindest lief im Januar noch kein Grand Prix im Fernsehen.
Nach einer obligatorischen Viertelstunde mit „ruhig sitzen“, „nicht dazwischen quatschen“ und „nicht dauernd gähnen“, kam die erwartete Langeweile auf. Wieder das einzige Kind hier und der Abend schien sehr lang zu werden. Als plötzlich „Onkel Walter“ zu seinen Söhnen sagte: „Zeigt dem Jungen doch mal den Klempner!“ Um gleich irgendwelche Missverständnisse auszuräumen, die „Kinder“ von Walter waren bereits 20 und 22 Jahre alt, studierten irgendwas und wohnten noch bei Mutti. Nicht gerade die idealen Spielkameraden für einen achtjährigen, der am liebsten Fußball spielte.
Etwas genervt ging der ältere der Brüder mit mir in sein Kinderzimmer und schaltete den Fernseher und noch ein paar andere Geräte ein. Ich hatte keine Ahnung, was er da machte. Dann nahm er so eine Art Schreibmaschine mit Kabel und tippte darauf irgendwas. Als nächstes hantierte er an einem kleinen Kassettenrecorder herum.
Einige Minuten später startete eine fröhliche Musik und auf dem Fernseher erschienen ein paar farbige Rohre auf denen zwei Figuren herumliefen. Der eine groß, der andere klein. Mir wurde erklärt: „Der Große ist der Klempner und der Kleine sein Gehilfe. Du musst dafür sorgen, dass die Rohre frei bleiben und das Öl in das Fass da unten fließen kann. Hier, nimm den Joystick und versuch es mal. Mit dem roten Knopf kannst du schießen.“

Ich hatte vorher natürlich schon mal einen Arcade-Spielautomaten gesehen, aber da kostete jedes einzelne Spiel Geld und meistens konnte man nur zuschauen, wenn ältere Kinder spielten. Ich hatte auch schon mal Pong auf einem Atari 2600 gespielt, aber das hier war etwas ganz Neues für mich. Jetzt konnte ich endlich mal meine versteckten Talente zeigen. Meine virtuellen Rohre würde niemand verstopfen, kein Ladderman und auch keine übergroßen Kriechtiere in dieser dunklen Kanalisation. Den beiden Studenten würde ich zeigen, wie man so ein Spiel meistert. Haha, kommt her! Versucht es, wenn ihr euch traut!
Ich würde jetzt gerne schreiben, wie heldenhaft ich das Klempner-Tag-Team fehlerfrei durch mindestens 100 Level steuerte und als Newbie direkt mal einen neuen Highscore hinlegte. Aber um bei der Wahrheit zu bleiben, schubste mich direkt die allererste kleine Kellerassel von meinen Rohren herunter. „Game over“, stand da ernüchternd schwarz auf weiß. Meine beiden Zuschauer schmunzelten und sagten: „Du musst ausweichen und mit dem roten Knopf auf sie schießen. Versuch´s nochmal!“
Beim nächsten Versuch konnte ich bereits den Krabbeltieren ausweichen, vergaß aber, dass ich auch bewaffnet war. So kreisten mich zwei Tiere ein und hatten mich erneut erwischt. Aber ich war ein kleines Stück weiter gekommen. Also auf zum dritten Versuch. Dieses Mal konnte ich auch meinen ersten Gegner abschießen. Dann kam der Ladderman und verstopfte meine Rohre. Ich war so mit Wegrennen und Schießen beschäftigt, dass ich das eigentliche Ziel des Spiels vergaß. Im 8. oder 9. Anlauf hatte ich es dann geschafft! Mein erstes Fass hatte 1000 Punkte erreicht und damit war Level 1 gemeistert. Erst nach und nach habe ich verstanden, dass man die Gegner bereits beim Hochklettern auf der Leiter beschießen kann. Viel später habe ich auch gemerkt, dass man seinen Klempnergehilfen quasi als Schutzschild gegen Gegner virtuell opfern kann. Er spawnt immerzu an den Startpunkt und wartet nur darauf wieder abgeholt zu werden.
Da die beiden Studenten sahen, dass ich pfleglich mit Ihrem C64-Equipment umging, kehrten sie ins Wohnzimmer zurück und ließen mich alleine weiterspielen. An diesem Abend begann meine Leidenschaft für Videospiele, auf einem Commodore C64 von zwei „Nerds“, die den Computer eigentlich für ihr Studium gekauft hatten. Neben einigen Anwendungsprogrammen hatten sie zwei Spiele gekauft. „Frogger“ und mein allererstes C64-Spiel: „Super Pipeline“. Da ich noch kein Englisch konnte, kann man sich vermutlich vorstellen, wie ich das Wort „Pipeline“ sehr deutsch ausgesprochen habe.
Kurz vor Mitternacht wollten meine Eltern nach Hause und ich konnte mich nur sehr schwer vom C64 trennen. Im Auto sagte ich dann noch: „So einen C64 möchte ich auch haben.“ Dann bin ich auf der Heimfahrt eingeschlafen und träumte vermutlich von Rohren und dem Klempner-Tag-Team. Bis zum eigenen C64 sollte es aber noch etwas dauern.

Fazit: Im Nachhinein war „Super Pipeline“ keins der Top-Spiele des C64, auch keins welches ein Genre revolutioniert hat. Aber für mich wird es immer mein allererstes C64-Spiel bleiben. Alleine schon die Musik weckt sofort Erinnerungen an den Klempner und seinen etwas trägen Gehilfen.
SUPER PIPELINE
Erscheinungsjahr
1983
Entwickler
Andrew „Andy“ Walker
Publisher
Taskset Ltd.
Genre
Arcade
Kennt ihr Super Pipeline vielleicht auch? Wie hat euch das Spiel gefallen? Habt ihr vielleicht ähnliche Erinnerungen an eure Kindheit?
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