Wie Videospiele meine künstlerische Ader förderten

Von Christian Kuhrmann am
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Es ist ein grauer früher Abend. Langeweile zermürbt mir das Gehirn. Im Moment sitze ich hier und warte darauf, dass die Internetverbindung sich wieder aufbaut. Leider leide ich gerade unter ständigen Disconnects. Nebenher kritzel ich etwas auf einem Notizzettel herum. Draußen regnet es. Uuuuh, der Text ließt sich gerade wie ein alter Krimi, oder? Naja, jedenfalls ist das Malen und Kritzeln eine alte Angewohnheit von mir. Dabei ist mir die Idee für diesen Artikel in den Sinn gekommen.

Hilfe, ich habe mein Potential verlegt

Heutzutage male ich eigentlich nicht mehr sonderlich viel oder bewusst. Als Kind wollte ich immer Comiczeichner werden. Vielleicht gab es in den 1990er-Jahren den Beruf des Art-Director schon oder ähnliche künstlerische Gaming-Berufe. Ich hatte sie damals jedenfalls nicht auf den Schirm. Für mich war der Beruf des Comiczeichners das Einzige, was man beruflich mit dieser Fähigkeit anfangen konnte… dachte ich zumindest.

Die intensive Auseinandersetzung mit Bildern, Artworks und Screenshots haben, meiner Meinung nach, einen großen Einfluss auf die Sympathie zu einem Spiel. Zumindest im Kindesalter. Oft wenn meine Mutter mir sagte: „Jetzt hast du aber genug gespielt für heute, geh mal weg von der Kiste!“, malte ich über Spiele und war im Geiste dann doch wieder bei den Games.

Für Klein-Christian ist Malen eine künstlerische Ausdrucksform gewesen. Es half mir Phantasien und Gedanken zum Ausdruck zu bringen. Mittlerweile habe ich das Malen durch Schreiben ersetzt. Es tut mir gut, ab und zu Texte zu schreiben. Durch beide Hobbies komme ich runter vom Alltags-Wirrwarr und kann meine Gedanken ordnen.

Kann ich nur jedem empfehlen!

Screenshots statt Cinematic-Trailer

Jedenfalls zeichnete ich als Kind immer sehr gerne die Artworks aus den Spieleratgebern meiner Super Nintendo Rollenspiele nach.

Ich vermute mal, dass Bilder auf Kinder noch gewaltiger wirken, als auf Erwachsene. Damals, in einer Zeit ohne Internet, waren diese „Light Versionen“ von Lösungsbüchern und die Cover auf den Verpackungen das stärkste Marketinginstrument für Videospiele.

Trailer in denen man die Story des Spiels erfahren konnte, gab es nicht wirklich. Das höchste der Gefühle waren TV-Spots in denen schlechte Schauspieler oder Effekte zwischen den Spielszenen gezeigt wurden. Die verrieten allerdings nie wirklich viel über das Spiel.

Eigentlich war bei jedem Kauf eines Spiels nur die Verpackung und die Screenshots das entscheidende Kriterium für den Kauf eines Super Nintendo Spiels. Die Screenshots von Zelda haben mich z.B. überhaupt nicht angemacht. Also wollte ich es damals auch nicht unbedingt haben. Während mich allein der Coversticker auf der Modul-Kassette von Secret of Evermore umgehauen hat! #shutupandtakemymoney

Illustrationen auf Beilagen oder Verpackungen. (Bild: Christian Kuhrmann)
Illustrationen auf Beilagen oder Verpackungen. (Bild: Christian Kuhrmann)

Wenn Comics auf Videospiele treffen

Das „Club Nintendo“ Magazin brachte irgendwann einmal eine Sonderausgabe zu dem RPG Klassiker „Lufia“ heraus. Darin gab es die ersten paar Mission des Spiels als Comic gezeichnet. Dieses gute Stück hat damals sehr stark meinen Zeichenstil geprägt und ich versuchte stundenlang den Held Maxim in seiner Rüstung und seinen Posen abzuzeichnen.

CLUB NINTENDO
Das „Club Nintendo“ Magazin wurde von 1989 – 2002 alle zwei Monate herausgebracht. Im Gegensatz zu Zeitschriften mit journalistischem Anspruch, wie beispielsweise die „GamePro“, wurde das Club Nintendo Magazin von Nintendo selbst veröffentlicht. Es gab kein Wertungssystem und es wurden nur Spiele von Nintendo beworben. Die im Text erwähnte Sonderausgabe Nr. 5 enthielt beispielsweise ein Comic zum Rollenspiel „Lufia“, welches 1995 in Japan erschienen ist.

Artworks waren damals das, was Cinematic-Trailer heute für Videospiele sind. Es war die einzige Möglichkeit die 16-Bit-Welten besser aussehen zu lassen. Im besagten Lufia-Comic beispielsweise wurden die Dungeons und die dazu gehörigen Mobs sehr gut gezeichnet. Seitdem hat das Spiel für mich irgendwie an Wert gewonnen.

Generell würde ein Comic heute wahrscheinlich noch sehr gut funktionieren, um Indie-Spiele mit Pixelart mehr Charakter zu verleihen.

Also nix gegen Pixel-Grafik! Ich mag den Stil sehr, aber wenn man Charaktere mit Emotionen zeigen möchte, ist es damit nicht immer ganz einfach.

Eigene Geschichten zu basteln, gefiel mir oft besser als das Spiel zu starten

Das kaum bekannte (aber hoch gehandelte!) Comic zu Gothic 1 wahr ebenfalls sehr lange Zeit eine gute Inspirationsquelle für mich. Der Zeichenstil von Thorsten Felden passte überragend gut zu der rauen und kriminellen Gefängnisatmosphäre in der Minenkolonie. Mir gefiel die Idee des ersten Teils so gut, dass ich anfing eigene kleine Comics über das Gothic Universum zu zeichnen.

Die Comics zu Gothic und Lufia sollten das Spielerlebnis erweitern. (Bild: Christian Kuhrmann)
Die Comics zu Gothic und Lufia sollten das Spielerlebnis erweitern. (Bild: Christian Kuhrmann)

Oft fragte ich mich beim Spielen: „Was macht dieser Typ wohl, wenn er mal nicht hier steht und Reisschnaps säuft?“. Ich fing an mir kleine Geschichten über die Nebenfiguren in der Kolonie auszudenken und lieferte mir meinen eigenen Fanservice.

Da gab es Beispielsweise Mordrag, der kleinkriminelle Jäger aus dem neuen Lager. Der einem Einstiegstipps für das Verhalten in der Gegend gibt. Irgendwann hatte ich genug davon hatte das Spiel immer wieder von vorne zu spielen. Also dachte ich mir Alltagsgeschichten der Sträflinge aus und orientierte mich immer wieder an dem Zeichenstil des Comic.

Leider besitze ich Depp das Comic nicht mehr, weil mir damals nicht klar war, dass es ein Sammlerstück werden könnte.

“GOTHIC” GEZEICHNET
Das gleichnamige Comic zum PC-Rollenspiel „Gothic“ vom Entwicklerstudio Piranha Bytes wurde im Jahr 2.000 als Sonderband zum Release des Spiels veröffentlicht. Es beschreibt die Geschichte der vier Freunde Diego, Milten, Lester und Gorn, bevor den Geschehnissen aus dem Spiel. Heute ist das Comic nur noch als Sammlerstück zu haben. Der Wert liegt derzeit bei ca. 200 Euro.

Heute wird Bildmaterial zu einem Spiel zwar nicht mehr als Werbeinstrument benutzt, aber gerne als Boni zu einer Collecters-Edition gepackt. Klar, die Zeiten haben sich geändert. Bewegtbild kann leichter verbreitet werden. Man kann der Masse auch nicht mehr zumuten, dass sie mal einen Blick in ein Comic werfen. Videos sind viel weniger anstrengend.

Aber ich bin froh, dass Bildmaterial immer noch als etwas hochwertiges behandelt wird.


Veröffentlicht in: Videospielgeschichten
Tobi

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Kommentare (1)

  1. Danke für Deinen interessanten Artikel Christian. Ich finde das Thema sehr spannend und kann vielleicht beitragen, dass die Kombination Bild und Videospiel in meiner Generation (geb. 1971) ebenfalls schon ein Thema war. Zurzeit der 8-bit Pixel und “Blockgrafiken” war die Fantasie der Lückenfüller, der fehlenden Realismus mühelos gefüllt hat. Andreas Wanda hat das in seinem Artikel “Über Retrografie” sehr schön dargestellt. In der Zeit von Atari und Commodore waren die Abbildungen auf den Spielkassetten oft gezeichnet, um die einfachen Darstellungen des Spiels zu schmücken. Gleichwohl war uns das beim Spielen egal. Wir waren dennoch die Helden, so wie wir sie sehen wollten. Videospiel-Comics gab es sicher auch schon zurzeit von Pac-Man und Co. Da muss ich glatt noch einmal recherchieren. Ein spannender Beitrag von Dir, der mich zum Nachdenken anregt!