YouTube vs. Me: Hero Wars – Challenge accepted!

Avatar von Marcel
Lesedauer: 5 Minuten

Aufdringliche Werbung auf YouTube und vielen anderen sozialen Kanälen, ein schlimmer Comiclook und leicht bekleidete Prinzessinnen-Elben, die einen Mukki-Helden vorführen, der zuvor gegen Monster zu bestehen hat:
Schrott zum Kinder abzocken denken wir schnell. Aber ist dem wirklich so? Kommt mit mir auf eine Erkundung.
..

Liebe Lesenden,

kennt ihr das? Auf YouTube surft ihr bei eurem Lieblingskreativmenschen vorbei, um das letzte Video zu schauen, und trotz Adblock wird die immer gleich-nervige Werbung geschaltet (nein, keine Diskussion in den Kommentaren über Adblock nötig). Eine laute kriegerische Musik und im Comiclook pest immerzu der eine Held zu der einen Schönheit, nur um dann abserviert zu werden. Pointe, Ende (…übrigens erinnert er mich immer an Louis von Little Fighter II, ihr erinnert euch vielleicht)

Little Fighter 2: Held Louis sieht unserem Helden in Hero Wars ganz schön ähnlich. Genommen von Offizielle Webseite https://lf2.net/lf2_pic/8b.gif
Little Fighter 2: Held Louis sieht unserem Helden in Hero Wars ganz schön ähnlich. Genommen von Offizielle Webseite https://lf2.net/lf2_pic/8b.gif

Die Rede hier ist aber von Hero Wars.

Und um es gleich vorweg zu sagen: Ich hatte Spaß an dem Spiel. Aber die Nerven, die es mich mit der Werbung vorher gekostet hat, werde ich wohl nicht wiedererlangen. Von Hero Wars gibt es verschiedene Versionen, die hier besprochene Fassung ist die „Facebook-Ad/Web-Ad“-Version, welche 2023 umbenannt wurde in Hero Wars: Dominion Era.

Gutes von Gestern und Heute

Hero Wars ist eine Art Side-Scroller und lässt uns gegen immer stärkere Gegner anrennen. Wir laufen und attackieren automatisch. Währenddessen lädt sich eine Anzeige rund um das Profilbild der Helden auf. Ist diese golden, so können wir pro Teammitglied eine Superattacke ausführen: die Heilenden eine bessere Heilung, die Supporter beispielsweise einen Pfeilregen und die Tanks einen Klingenschauer. Die Figuren haben also verschiedene Rollen. Ein altes, aber immer wieder gut wirkendes Spielprinzip.

Für jede dieser Rollen schalten wir im Laufe der Zeit weitere Figuren frei. Wir folgen einer groben Story, mit welcher ich mich aber nicht beschäftigt habe. Stattdessen habe ich lieber gekämpft und auf einer Super Mario-ähnlichen Map immer neue Stationen freigeschaltet, natürlich mit steigendem Schwierigkeitsgrad. Als Free-to-Play-Game können wir natürlich, ihr werdet es ahnen, unsere Echtgeld-Taler ausgeben. So kommen wir schneller weiter, was ich aber vollkommen in Ordnung finde bei der gebotenen Qualität.

Ab und an, nach einigen erfolgreich abgeschlossenen Stationen, wartet ein Endboss auf uns. Diese Bosse sind aber nicht mehr als Kugelfänge und entsprechend wenig herausfordernd (wie es besser geht könnte ihr hier lesen). Die taktische Tiefe fehlt etwas, einer der wirklichen Schwachpunkte von diesem ansonsten doch unterhaltsamen Machwerk.

Davon ab gibt es die üblichen grünen und gelben, aber diesmal nicht roten, Balken. Grün für die Trefferpunkte, gelb für die Zauberkraft. Diese brauchen wir zum Zaubern. Fans eines roten (und für uns erfahrene Spielende eindeutigen) Balken gucken „doof aus die Wäsche“.

Vorne Tanks, hinten Heilende und Support: Bekannt und gut! Hero Wars, 2016. Entwickelnd: Nexters, Herausgebend: Nexters
Vorne Tanks, hinten Heilende und Support: Bekannt und gut! Hero Wars, 2016. Entwickelnd: Nexters, Herausgebend: Nexters

Neue Hauptfiguren können wir gegen eingesammelte Währungen kaufen. Wirklich benötigen wir sie aber nicht, wir bekommen laufend welche hinzu und wählen uns dann fünf Stück für den nächsten Run aus. Unsere Sternchen haben, wie es nicht anders zu erwarten ist, Level, Stufen und Fähigkeiten, die wir nochmal extra verstärken können. Mit dem Kämpfen gibt es Erfahrung, mit der Erfahrung gibt es Punkte, die wir dann verteilen können.

Meine Erwartung war zu Beginn, dass wir ab einem bestimmten Punkt das Spiel nicht mehr ohne Echtgeld bestreiten können. Dem war aber bislang noch nicht so. Ich bin jetzt ungefähr 5 bis 10 Stunden dabei, genug um einen Artikel über Hero Wars zu schreiben, und komme noch hervorragend durch. Zumindest habe ich anspruchsvollere Stellen bislang noch durch Looten und Leveln meistern können. Ich neige gerade dazu zu sagen, dass sich auch dieses Klischee in Luft aufgelöst hat.

Von hier aus – raus in die Welt!

Aber zurück zum Gameplay: Teampunkte benögtigen wir, um weitere Stationen auf der Karte freizuschalten, in denen die Herausforderungen auf uns warten. Wir starten aber stets in einer Art Hub-Welt. Dort können wir die Map betreten, unsere gewonnenen Punkte verteilen, zu einem Händler gehen, Arenakämpfe bestreiten (scheinbar sogar gegen Teams von anderen Echt-Spielenden), unsere Quests betrachten.

Von Zeit zu Zeit werden uns aber auch nicht ganz so kniffelige Rätsel präsentiert. Hier müssen wir, durch das Bewegen der stützenden Teile unter uns, unseren Star-Hero durch widrige Elemente buchsieren, um das ganz unten enthaltene Gold zu bergen. Mit diesem – na klar – lässt sich dann wiederrum unsere Ausrüstung verbessern oder die Helden stärken, in dem wir uns eben Levelpunkte kaufen.

Nicht allzu kniffelige Rästel, bescheren uns noch einen Taler extra. Hero Wars 2016. Entwickelnd: Nexters, Herausgebend: Nexters
Nicht allzu kniffelige Rästel bescheren uns noch einen Taler extra. Hero Wars 2016. Entwickelnd: Nexters, Herausgebend: Nexters

Noch ein paar Worte zu den Quests: Hier gibt es sowohl Dailies, als auch allgemeine, „normale“ Quests. Diese erfüllen sich aber im Vorbeigehen. Zum Beispiel „Töte soundsoviel Gegner X mit Attacke Y von Figur Z“. Anschließend klicken wir nur noch auf „Sammeln“ und heimsen die entsprechenden Erfahrungspunkte ein. Als weitere Mechanik, welche wir schon aus zahllosen RPGs kennen, ist das bereits angesprochene Looten und Sammeln von Rüstungsteilen auf unseren Ausflügen.

Das ist wie es klingt und allgemein neige ich zu sagen, das ganze ist, für mich RPG-Flegel, ein Sidescroll-World of Warcraft. Kann auch sein, dass sich die Mechaniken von damals mittlerweile durchgesetzt haben, aber ich bin jemand, der sich Null in dem Genre auskennt und auch sonst bislang kein Interesse hatte. Die Veteranen unter euch mögen über das Beschriebene lachen, aber ich konnte dem Spiel einiges abgewinnen und trotzdem die Übersicht verlieren.

Schwerter gegen den Nervtöter

Zwischen den Levels werden mir Angebote gemacht, Helden zu kaufen, Smaragde zu erwerben um Rüstungen und Waffen zu verstärken und weitere Verlockungen gegen unser Geld zu kaufen. Aber diese lassen sich immer mit einem schnell geklickten X oben rechts schließen, ohne Wartezeiten. Das Spiel hat eine Qualität zu bieten, die ich als Idle-Game-mit-gelegentlichem-Teilnehmen beschreiben mag. Es ist auf jeden Fall besser, als die Werbung vermuten lässt.

Smaragde gegen unseren hart erarbeiteten Zaster. Hero Wars, 2016. Entwickelnd: Nexters, Herausgebend: Nexters
Smaragde gegen unseren hart erarbeiteten Zaster. Hero Wars, 2016. Entwickelnd: Nexters, Herausgebend: Nexters

Die Werbung als solche bleibt aber ein absoluter Nervtöter, der dem Spiel mehr schadet als hilft. Sie führt unweigerlich zu dem Nimbus, dass es sich hier um ein schnell hingesautes Werk irgendeiner Kapitalklitsche handelt und eben nicht wert ist, gespielt zu werden. Natürlich dürft ihr hier keine Neuheiten erwarten. Hier wurde Bestehendes genommen, um etwas irgendwie Spielenswertes zu schaffen. Aber meine Meinung ist nun, dass zum Glück wirklich ein Spiel dahinter steckt, das zumindest zum Abschalten gespielt werden darf und auch kann.

Jepp, wir können hier echte Taler ausgeben. Jepp, das Ganze ist unbestreitbar gefährlich für Kinder, welche in eine Spielsucht-Spirale geraten könnten. Und Jepp, hier lassen sich Vorteile erwürfeln, sogar mit Würfeln, welche uns digital angezeigt werden, immerhin wird also mit offenen Karten gespielt.

Die Entwickelnden sind ein Konglomerat aus Zypern mit dem Namen „Nexters Global Limited“. Sie sind bekannt und berüchtigt für eben jene Spiele, die in Werbung groß beworben werden, mit auf Zielgruppen zugeschnittenen Inhalten, um diese zum Kauf zu bewegen. Der „Deutsche Werberat“, ein Zusammenschluss aus Werbeinteressenten der Wirtschaft, Forschenden, und mehr, rügte 2013 die sexistischen Inhalte und klischeehaften Rollen der Figuren.

In der Werbung sehen wir leicht laszive, als weiblich gelesene Wesen, die unseren Poster-Helden anschmachten. Hier bewahrheiten sich die angeführten Vorwürfe tatsächlich und können auch nicht weggeredet werden. Ich erspare uns hier mal einen Screenshot. Diesen hatte ich übrigens schon aufgenommen. Beim Sichten erst ist mir der Sexismus aufgefallen, ich kann mich also selbst nur dabei ertappen, Nexters auf den Leim gegangen zu sein. Und, dass auch ich Träger eines Sexismusses bin, den es weiter zu beobachten gilt.

Später erwarten uns gefährliche Lavawelten mit ihren Unholden. Hero Wars, 2016. Entwickelnd: Nexters, Herausgebend: Nexters
Später erwarten uns gefährliche Lavawelten mit ihren Unholden. Hero Wars, 2016. Entwickelnd: Nexters, Herausgebend: Nexters

Was ist also die Essenz von Hero Wars?

Neugierig sein, mal reinschauen und Abschalten nach anstrengender Arbeit, in dem Bewusstsein, wessen Werk man da spielt. Selbst bin ich überrascht, doch ein Spiel hinter der nervigen YouTube-Werbung gefunden zu haben. Weiter werde ich es nicht spielen, es ist einfach nicht mein Genre. Aber auch als Genrefremder hatte ich ein paar entspannte Stunden. Wer aber was für Auto-Sidescroller und dem Leveln seiner wachsenden Schergengruppe übrig hat, der wird hier bestimmt noch ein paar Stunden Glück mehr finden.

Euer Schwert-Ninja,
Marcel

Tobi

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2 Antworten zu „YouTube vs. Me: Hero Wars – Challenge accepted!“

  1. Avatar von André Eymann

    Puh, lieben Dank für Deinen Beitrag Marcel. Das war interessant zu lesen. Denn tatsächlich würde ich nie auf die Idee kommen, ein Spiel wie „Hero Wars“ anklicken und zu starten. Einfach weil es der Kontext mich überhaupt nicht ermöglichen würde. Alles was ich als Werbung deute, wird von mir ausgeblendet. Ich bin sozusahen immun.

    Es ist aber dennoch eine spannende Erkenntnis, dass es solche Spiele/Konzepte gibt und offensichtlich ein Markt dafür existiert. Warum auch nicht. Ohne Deinen Text jedenfalls hätte ich nie hinter diese Kulisse geschaut und deshalb finde ich ihn auch gut. Man ist ja auf eine gewissen Weise auch immer gefangen in seinen eigenen Grenzen.

    TobiMarcel
  2. Avatar von Alexander Strellen

    Ich sehe die Werbung für diese Spiele und denke: „Wer spielt denn das?“ Jetzt wurde mir die Frage beantwortet. Danke für deinen Erfahrungsbericht und deine Warnungen. Ich werde davon die Finger lassen.

    Marcel