Audiosurf als Inspirationsquelle: Meine Vision eines perfekten Musikspiels

Lesedauer: 5 Minuten

Eine Reise durch die Zeit: Die Entwicklung der Rhythmusspiele und Musikprogramme für frühe Spielekonsolen und Heimcomputer

Musik-Videospiele haben im Laufe der letzten Jahrzehnte eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen und sich als faszinierendes Genre etabliert. Im Jahr 1978 brachte die Milton Bradley Company (MB) ein elektronisches Spielzeug mit dem Namen Simon auf den Markt, dass sich auf Farbmuster und Töne beschränkte. Dieses einfache Konzept legte einen wesentlichen Grundstein für die späteren rhythmischen Mechaniken in Videospielen.

PaRappa the Rapper setzte 1996 mit seiner humorvollen und innovativen Mischung aus Rhythmus und ikonischer Musik neue Maßstäbe und gab den Ton für ein Genre vor, das sich mit Titeln wie BeatmaniaDance Dance RevolutionRezGuitar Hero und Amplitude zu einer globalen Sensation entwickeln sollte.

Die frühe Ära der Spielmusik hingegen zeichnet sich dadurch aus, dass aus begrenzter Bitrate und limitierten Tonspuren ein innovativer und unverwechselbarer Stil hervorging, der zum Markenzeichen der damaligen Gaming-Ästhetik wurde. Bereits Ende der 1970er Jahre ermöglichte der Sound Effects Editor des Atari 2600 relativ komplexe Klangeffekte.

Mit dem Music Composer des Commodore 64 (1982) war erstmals die Komposition eigener Musikstücke möglich. Der bahnbrechende SID-Sound-Chip dieses Heimcomputers prägte maßgeblich die Entwicklung der Chiptunes. Später trugen Programme wie Mario Paint (SNES 1992) und die Game Boy Camera (1998) dazu bei, Musiktools auf spielerische Weise zugänglich zu machen. Der MTV Music Generator, auch bekannt als Music 2000 (Playstation 1999) ebnete schließlich den Weg für spezialisierte Titel wie den 2008 veröffentlichten KORG DS-10 Synthesizer.

Audiosurf: Wenn dein Lieblingssong zur Herausforderung wird und interaktive Klangwellen dich ins Ziel tragen

Im selben Jahr, nur wenige Monate vor dem Erscheinen des KORG DS-10 Synthesizers, erschien ein Spiel mit einem einfachen, aber dennoch kreativen Konzept und erlangte rasch Beliebtheit. Dieses Spiel traf genau jene „grüne Welle“, die aus einem Indie-Spiel einen zeitlosen Klassiker machen konnte.

Unter all jenen, die sich damals Audiosurf direkt bei Veröffentlichung zulegten, war ein guter Freund von mir, der in einer Punkband spielte und mich bat, ihre nächste EP aufzunehmen. In jeder freien Minute – umgeben von Bierflaschen und Musikinstrumenten – wurde dieses Spiel gezockt. Zu meinem Leidwesen war die Songauswahl jedoch oft gefüllt mit bekannten Eurodance-Hits der 90er wie Cotton Eye JoeWhat Is Love oder Blue (Da Ba Dee). Gleichzeitig schuf diese skurrile Szenerie jedoch eine herrlich witzige und erfrischend unbefangene Atmosphäre.

Obwohl ich Audiosurf damals etwas belächelte, konnte ich gut nachvollziehen, warum es bei so vielen Spielern auf Begeisterung stieß. Das Spiel war nahezu mit jeder Musikrichtung kompatibel, was ihm eine breite Zielgruppe erschloss. Es kombinierte spannende Puzzle-Mechaniken mit temporeichen Rennspiel-Elementen, und globale Ranglisten förderten einen freundlichen Wettbewerb unter den Spielern. Was mich jedoch am meisten faszinierte, war die musikbasierte Streckengenerierung und die visuelle Synchronisation.

Ich dachte sofort: So etwas würde ich mir als Spielmodus für WipeOut wünschen! Und dann schlug eine Idee ein, die mich lange nicht mehr loslassen sollte.

Lieber eine abgeschlossene Mission als alle Achievements auf einmal holen zu wollen, oder wie ging das Sprichwort noch gleich?

Nach Rock Band 2DJ Hero und Beat Hazard begann das allgemeine Interesse an Musikspielen wieder abzunehmen, und Musikspiele wurden zunehmend zu einer Nischenerscheinung. Die Entwicklung eines Videospiels ist generell ein äußerst komplexer Prozess, der eine Vielzahl von Rollen und Fähigkeiten erfordert.

Audiosurf 2 erinnerte mich nicht nur an diese eine Idee, sondern auch daran, dass ich wohl in diesem Leben kein Programmierer mehr werden würde. Die wenigen Menschen, die ich aus der Welt der Spieleentwicklung kannte, hatten entweder selbst alle Hände voll zu tun oder sich längst komplett aus der Branche zurückgezogen. Selbst eine großartige Idee kann oft scheitern, wenn die Umstände nicht ideal sind und das nötige Quäntchen Glück fehlt, zur richtigen Zeit auf die richtigen Menschen zu treffen.

Mein Ziel war jedoch nie, um jeden Preis ein Videospiel zu entwickeln, sonst hätte ich es längst irgendwie getan. Vielmehr wollte ich als Ideengeber und Game Designer tätig sein, um nebenbei auch an der Soundgestaltung eines revolutionären Spiels mitzuwirken.

Das Konzept lässt sich eigentlich leicht zusammenfassen: Stellt euch eine Mischung aus AudiosurfMusic Maker und Mario Kart vor – ein Sandbox-Spiel, in dem man nicht nur eigene Charaktere und Fahrzeuge oder Schiffe erstellen kann, sondern auch Strecken und den dazugehörigen Soundtrack.

Anders als bei Audiosurf, dessen Strecken durch analysierte Musik generiert werden, würde in meiner Vision jede Strecke dynamisch und kreativ auf die integrierte Musik reagieren. Diese Reaktionen könnten in Form von einzigartigen Hindernissen, Power-Ups oder rein visuellen Effekten erscheinen. Die Idee sollte sowohl als Hommage an bekannte Partyspiele dienen als auch Kreative und Musikschaffende ansprechen und begeistern. Ein zusätzlicher Editor wäre ebenfalls Teil des Konzepts, er würde es auch Anfängern ermöglichen, vorgefertigte Loops zu bearbeiten, ähnlich wie ein Sample-Player oder Sequencer.

Mit diesem Konzept wollte ich nicht nur kreative Freiheit bieten, sondern auch die Grenzen zwischen Musik, Spiel und Gemeinschaft verschmelzen lassen. Am Ende soll es nicht nur ein Spiel sein, sondern ein Werkzeug, das Spielende zusammenbringt, inspiriert und ihnen erlaubt, ihre Kreativität auf völlig neue Weise auszudrücken.

Musikspiele, Soundtracks, Sound-Design: Stimmen aus der Szene

Musik und Klang sind für Videospiele nahezu unverzichtbar. Sie schaffen Atmosphäre, erzählen Geschichten und ziehen uns in die virtuelle Welt hinein. Musikspiele kennen kaum Grenzen oder Regeln – nahezu alles ist denkbar, solange der Fokus klar auf dem Aspekt Audio liegt. Sie bieten eine unglaubliche Vielfalt, die kreative Freiheit und musikalisches Erleben auf ganz verschiedene Weisen kombiniert.

Egal ob durch farbenfrohe Plattform-Abenteuer mit elektronischen Beats, rhythmusbasierten First-Person-Shootern mit Heavy-Metal-Klängen oder klassische Rhythmusspiele im EDM- oder K-Pop-Gewand – jedes Spiel eröffnet eine eigene Welt, die durch die Kraft der Musik zum Leben erweckt wird. Sound transportiert nunmal Emotionen, verstärkt die Dramatik einer Geschichte und macht eine Szene erst richtig lebendig. Vom Rauschen des Windes über das Einsammeln von Gegenständen bis hin zu kraftvollen Kampfgeräuschen: Jedes Detail zählt, um eine immersive Spielerfahrung zu schaffen.

Zu all diesen Themen habe ich mich mit drei Experten aus der Szene unterhalten, die spannende Einblicke geben konnten:

Mathilde Hoffmann aus Hamburg komponierte und machte das Sound-Design für Spiele wie Get TogetherDeep Space Gardening und Unrailed! Zuletzt war sie maßgeblich am Spiel ODDADA beteiligt. Froghut oder Björn von der Osten, ebenfalls aus Hamburg, ist Programmierer aus Leidenschaft, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Unter anderem wirkte Froghut bei dem Spiel Beatbuddy mit.

Sam Battle, besser bekannt als Look Mum No Computer, ist britischer Musiker, Elektroniker und YouTuber. Fans erinnern sich vermutlich an sein Video „Gameboy Triple Oscillator Synthesizer“ Zu diesem Zeitpunkt arbeitet Sam mit The Bitfather an seinem ersten eigenen Spiel, das ebenfalls den bekannten Namen Look Mum No KlangwellenComputer trägt und bei dem Musik ein wesentlicher Bestandteil ist.

Mathilde Hoffmann sprach begeistert über Audiosurf und reflektierte den heutigen Stand von Musikspielen:

Audiosurf ist ein legendäres Musikspiel! Es gab eine Zeit, in der viele Videos dazu hochgeladen wurden, auch weil es eine viel unterhaltsamere Art war, Musik zu teilen und gleichzeitig eine großartige Möglichkeit darstellte, neue Musik zu entdecken. Rhythmusspiele haben sich eine solide Nische mit einer konstanten Spielerschaft erarbeitet, die begeistert auf neue Veröffentlichungen wartet. Sobald ein Musikspiel jedoch nicht in diese Nische fällt, wird es meiner Meinung nach schwieriger, ein Spiel erfolgreich zu vermarkten.

Froghut oder Björn von der Osten, der privat gerne Dubstep, Rock und Metal, aber auch Popmusik hört, verriet seine Favoriten und gab Feedback zu der von Audiosurf inspirierten Spieleidee: Musikspiele, die Froghut selbst gespielt hat, sind unter anderem Beat HazardBrütal Legend und 140. Seiner Meinung nach hat das Spiel Journey einen der besten Soundtracks, und das Sound-Design zu Super Mario Bros. war ein Meilenstein der Videospielgeschichte:

Das Konzept und die Spielidee klingt richtig gut. Mir gefällt vor allem der Punkt, dass sich die Strecke jeweils zur Musik verändern und variieren soll – ich kann mir da sehr viele lustige Effekte vorstellen.

Sam Battle:

Klingt cool und versetzt mich zurück in die frühen 2000er Jahre, wo wir zum Beispiel mit den Sound-Dateien in Computerspielen herumexperimentiert haben. In irgendeinem Rennspiel haben wir die Originaldateien durch wirklich beschissene Gitarren ausgetauscht – das war unglaublich spaßig. Ich glaube, ich habe mehr Zeit damit verbracht, Programmdateien durcheinander zu bringen, als mit den Spielen selbst. Die Idee zu meinem Spiel entstand 2021, als ich bei einem meiner Gigs einige Leute von The Bitfather traf. Sie meinten: Yo! wir sollten ein Spiel machen. Worauf ich einfach nur antwortete: Ja! Und dann dauerte es etwa sechs Monate, bis wir tatsächlich damit anfingen. Der Musikaspekt kam in einem Chat auf: Wäre es nicht cool, wenn ich alle Songs zerschneiden würde, damit man sie im Spiel selbst mischen kann? Und das haben wir dann auch tatsächlich umgesetzt, was alles leider nur noch viel zeitaufwändiger machte. Dafür gibt es jetzt eine Menge Module, alle mit eigenen Sounds, Melodien und vielfältigen Einstellungsmöglichkeiten.

Audiosurf mit persönlicher Note: Einmal Beat zum Mitnehmen bitte

Zum Abschluss möchte ich euch einladen, mit mir Mal wieder oder ein letztes Mal Audiosurf zu spielen. Auch wenn ich niemals meine Vision eines perfekten Musikspiels umsetzen werde, so habe ich in Gedanken an jene Geschichte immerhin ein Musikstück produziert, welches auch ihr in Audiosurf erleben könnt. Es lässt meine Idee dadurch zumindest ein kleines Stück weit erklingen.

Hier geht’s zum Anhören

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Alexander StrellenAndré EymannTobi

Eine Antwort zu „Audiosurf als Inspirationsquelle: Meine Vision eines perfekten Musikspiels“

  1. Avatar von Rob

    Musik- bzw. Rhytmus-Games waren nie mein Lieblingsgenre, aber im Laufe meiner langen Spielerkarriere hat mich natürlich doch das eine oder andere in seinen Bann gezogen. Am liebsten denke ich an die Rockband-Reihe zurück, die meinen Freund*innen und mir damals ein paar wirklich tolle Abende beschert hat. Als jemand, der zwar eine starke Bindung zu Rockmusik hat, aber gleichzeitig zu faul und/oder untalentiert für Instrumente ist, waren die Spiele eine geradezu magische Art geliebte Songs neu zu erleben.

    Auch Titel wie das erwähnte PaRappa the Rapper oder SEGAs Space Channel 5 kommen mir in den Sinn, aber darin war ich nie wirklich gut. Audiosurf lag mir da schon eher und ich denke, das werde ich demnächst tatsächlich mal wieder anwerfen und mich dann auch mal intensiver damit beschäftigen.

    Deine Spielidee klingt für mich übrigens ein wenig nach dem Little Big Planet der Musik-Games, was durchaus funktionieren könnte.

    TobiAlexander StrellenAndré Eymann

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