Der 24. Dezember 1991 war für mein zwölfjähriges Ich ein besonderer Tag. Unter dem Weihnachtsbaum lag in jenem Jahr nämlich das Master System II von SEGA. Bis dahin hatte ich immer zu einem Freund gehen müssen, wenn ich in den Genuss von Videospielen kommen wollte. Nun konnte ich auch im heimischen Wohnzimmer in mir bis dahin unbekannte Pixelwelten eintauchen, wann immer ich dazu die Lust verspürte.
Beim Auspacken des Gerätes aus der Schachtel fiel mir damals eine Postkarte vor die Füße, mittels derer man ein Abonnement für eine spezielle Zeitschrift abschließen konnte, in der die neuesten Spiele von SEGA vorgestellt wurden. Der Titel dieses Magazins lautete GAMERS.
Videospielmagazine waren damals noch eine recht neue Angelegenheit für mich. Die Aussicht, auf diese Weise regelmäßig über Neuerscheinungen informiert zu werden, klang jedoch verlockend. Daher bekniete ich meine Mutter so lange, bis sie schließlich einwilligte und ein Abonnement abschloss. Irgendwann im Frühjahr 1992 steckte dann die Ausgabe 02/92 in unserem Briefkasten. Da dies mein allererstes Zeitschriftenabonnement war, ich noch alle Hefte besitze und immer mal wieder auch zur Hand nehme, möchte ich Euch an dieser Stelle ein wenig von der Geschichte dieses in vielerlei Hinsicht einzigartigen Magazins berichten.

Neutralität als oberstes Gebot
Ein Blick ins Impressum verrät, dass die GAMERS von der MVL GmbH in Hamburg verlegt wurde, als Herausgeber ist Rüdiger Limbach genannt. Die erste Ausgabe mit der Nummer 01/92 erschien Ende 1991. Somit war ich selbst ohne es zu wissen fast von Anbeginn dabei.
Aufgrund der Tatsache, dass das Abo jedem Käufer einer SEGA-Konsole mittels der beiliegenden Karte quasi ans Herz gelegt wurde, könnte man meinen, dass das Heft, ähnlich wie die Club Nintendo, die Haus- und Hofpostille des Videospieleherstellers war. Für dieses Annahme spricht auch, dass ja keine Spiele der Konkurrenz getestet wurden. Dem war jedoch keineswegs so, es wurde im Gegenteil sogar großer Wert auf Neutralität gelegt. Schlechte Spiele erhielten auch schlechte Wertungen, und SEGAs glücklose Hardware-Erweiterungen wie das 32X wurden entsprechend kritisch betrachtet.

Die Wertungen wurde übrigens mittels eines Schulnotensystems vorgenommen, was sicherlich der jungen Zielgruppe geschuldet und am Markt der Videospielmagazine ein Alleinstellungsmerkmal war.
Als freie Redakteure konnten damalige Szenegrößen wie Heinrich Lenhardt und Boris Schneider gewonnen werden. Ersterer war in der Anfangszeit sogar komplett allein für die Texte verantwortlich, Schneider stieß etwas später dazu. Ein weiteres bekanntes Gesicht aus der Hochphase der GAMERS war Julian Eggebrecht, welchen viele sicherlich von der Firma Factor 5 kennen. In einem Interview, welches ich 2019 für die RETURN mit ihm geführte habe, eröffnete er mir einen interessanten Einblick bezüglich seiner Mitarbeit:
Ich habe in der Schule immer gerne und viel geschrieben. Als Heinrich Lenhardt dann die Video GAMES machen wollte, sprach er mich an, ob ich nicht Lust hätte, auch dafür zu schreiben. Ich war völlig Feuer und Flamme und habe dann viel freiberuflich für die Video GAMES, GAMERS, Total! und andere Zeitschriften geschrieben. Das fand hauptsächlich an den Wochenenden statt, damit Factor 5 nicht darunter zu leiden hatte. Wir kannten uns ja alle damals in Deutschland – die Szene der frühen Spielemacher und Journalisten.
Julian Eggebrecht, 2019
Das Ende der GAMERS
Die GAMERS hielt sich bis Ende 1995, als der Verlag in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Unabhängig davon hatte ich mein Abo just mit der Ausgabe 12/1995 beendet, da ich mittlerweile vom Konsolen- zum PC-Spieler geworden war und mich nur noch am Rande für SEGAs Schicksal interessierte. Zwar hatte ich mein Master System nach wie vor ab und zu in Betrieb, aber im Laufe der Zeit war die Welle der Neuerscheinungen für den 8-Bitter immer weiter abgeebbt. Wie es der Zufall wollte, stellte meine letzte Ausgabe auch die allerletzte offiziell erschienene dar.
Zwar hatten die Redakteure noch ein weiteres Heft produziert und in Eigenregie an den Start gebracht. Diese (Doppel-) Ausgabe 02/1996 musste jedoch aufgrund eines Rechtsstreits mit dem Geschäftsführer des Verlags wieder vom Markt genommen werden. Dementsprechend selten und somit auch teuer sind Exemplare dieses Hefts heutzutage.

Unter dem Namen GAMBLER erschienen die Inhalte dann doch noch einmal als Ausgabe 04/96, herausgebracht abermals von den ehemaligen Redakteuren und deren neu gegründetem X-plain Verlag. Auch diese Ausgabe ist heute sehr rar.
Von alledem hatte ich selbst nichts mehr mitbekommen. Eines Tages fand ich jedoch überraschenderweise eine Zeitschrift mit dem Namen neXt Level in unserem Briefkasten. Hierbei handelte es sich um den inoffiziellen Nachfolger der GAMERS und alle ehemaligen Abonnenten hatten die Erstausgabe 05/96 als Gratisheft bekommen, mit der Option auf ein neues Abo. Aus dem Editorial erfuhr ich dann zumindest teilweise, wie es zum Ende der GAMERS gekommen war.
Sein erstes Videospielemagazin vergisst man nie
Was macht die GAMERS rückblickend für mich so besonders? Sie stellte meinen ersten Kontakt zur Welt der Videospielemagazine dar. In Zeiten ohne Internet waren sie die einzige Quelle an Informationen zu Neuerscheinungen und fungierten somit als idealer Kaufberater.
Meine damals erworbenen Spiele resultierten allesamt aus den Eindrücken, welche ich in den Testberichten der GAMERS gewonnen hatte. Eine Bezugsquelle für die Spiele wurde ebenfalls gleich mitgeliefert: In jeden Heft befanden sich zahlreiche Anzeigen von Händlern wie Korona Soft oder Theo Kranz, bei denen ich in den folgenden Jahren Stammkunde wurde.
Im Laufe der Zeit kaufte ich mir immer einmal andere Hefte wie Video GAMES, SEGA Pro, SEGA Magazin oder Mega Fun. Der GAMERS jedoch blieb ich bis zum Ende treu, was nicht zuletzt an deren vergleichsweise edler Aufmachung lag. Das silberglänzende Logo sowie das wertige dicke Papier machten einfach etwas her. Zudem duftete eine frisch gedruckte Ausgabe ganz wunderbar: Ja, ich gebe zu, dass ich ein Zeitschriften-Schnüffler bin. Solche Düfte haben wahrhaftig die Macht, einen in die Vergangenheit zurückzuversetzen.
Wenn das Erscheinungsdatum der jeweils nächsten Ausgabe näher rückte, konnte ich es vor lauter Vorfreude kaum aushalten und bei jedem Öffnen des Briefkastens bebte ich förmlich vor Anspannung. Umso größer war die Enttäuschung, wenn der Kasten wieder einmal leer war.
Die GAMERS erschien anfangs noch zweimonatlich und wurde dann auf monatliche Erscheinungsweise umgestellt. Zudem erschienen noch einige Sonderhefte, etwa zu Sport- oder Actionspielen. Die Erstausgabe habe ich mir vor einigen Jahren nachträglich zugelegt, sodass ich nun im Besitz aller regulär erschienenen Hefte inklusive der Sonderausgaben bin.

Und auch die einzige Ausgabe der GAMBLER, nach der ich jahrelang auf der Suche war, befindet sich durch einen glücklichen Umstand mittlerweile in meinem Besitz. Wie bereits eingangs erwähnt, nehme ich auch heute immer mal wieder gern ein Heft zur Hand, um darin zu blättern. Das geht so weit, dass vor allem die frühen Ausgaben schon regelrecht zerlesen sind und bald auseinanderzufallen drohen.

Die GAMERS ist übrigens mit dafür verantwortlich, dass ich mich zwanzig Jahre später selbst als Videospielejournalist betätigt habe, was letztlich zu einer langjährigen Mitarbeit bei der RETURN geführt hat.
Was war Euer erstes Videospielemagazin? Habt Ihr heute noch alte Hefte? Schreibt es mir gern in den Kommentaren.
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Hinweis: dieser Text erschien erstmals am 21.03.2022 auf Retrokram. Für die Neuveröffentlichung wurde er stark überarbeitet und erweitert.
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