„Die Macht der Dystopien” – ein Vortrag auf dem gamescom congress 2024

Avatar von Rudolf Inderst
Lesedauer: 2 Minuten

Es gibt diesen Ausspruch. Mal wird er John Woo, mal wird er Quentin Tarantino zugeordnet. Er lautet: „Es ist spannender einem Auto beim Explodieren als beim Einparken zuzusehen.“ Für die Ludodystopie, also die virtuelle Dystopie in Digitalspielform, könnte man einwenden: „Wieso diesen Kuchen nicht haben und essen?“ Doch vielleicht gehen wir damit schon einen Schritt zu weit …

Mein Vortrag „Die Macht der Dystopien: Wie digitale Spiele unsere Wahrnehmung von Demokratie prägen” auf dem diesjährigen gamescom congress ging der Darstellung dystopischer Welten in digitalen Spielen und ihre Auswirkungen auf unser Demokratieverständnis nach.

Anhand von populären Spielen, wie z. B. Papers, Please, versuchte ich aufzugezeigen, wie narrative und spielmechanische Elemente im Gamedesign genutzt werden, um komplexe politische Themen zu vermitteln und kritische Reflexionen (zumindest) bei Spielerinnen und Berichterstattung anzuregen. Dabei beleuchtete ich, wie diese Spiele (mal bewusster, mal unbewusster) demokratische Werte hinterfragen (oder ihre Abschaffung inszenieren), alternative Gesellschaftsformen darstellen und somit unser Denken über Machtstrukturen und Bürgerrechte beeinflussen könn(t)en.

Meine Perspektive ist eine aus der Politischen Theorie und Ideengeschichte gespeiste. Dort stehen Utopien und ihre warnenden, düsteren Zwillinge wie Brave New World, Wir oder Der Report der Magd sehr oft auf den Lehrplänen. Doch Sie sehen schon, in meiner Vortragsbeschreibung steckt sehr viel Konjunktiv und Möglichkeitsraum: Das merkte auch das Publikum und stellte dementsprechend im Nachklapp die Frage, was sich aus meinem Vortrag für die sogenannte Praxis ableiten lasse.

Doch was genau diese Praxis sein solle, das blieb im Nebel. „Politische Bildungsarbeit“ fällt da als Schlagwort immer wieder. Nur, tja, das können alle Seiten des politischen Spektrums offenbar leisten. Unterhaltung, Wettbewerb und Eskapismus. Unter diesen Begriffen werden digitale Spiele oftmals verhandelt. Für sich selbst dürfen sie hingegen weniger oft stehen. Dann ist man oft nur einen Steinwurf von der nicht minder komplexen „Kunstdebatte“ entfernt. Daniel Feige kann vermutlich ein Lied davon singen.

Unter Anleitung und mit den entsprechenden Fragestellungen versehen kann man aus einem Spiel wie Wolfenstein: The New Order (2016) allerdings tatsächlich einiges herausholen (die Figuren, die Spielwelt, die Schauplätze, die Marketingkampagne oder die an Stellen eingeschränkte Wirkmacht der Spielerinnen) – die geplante didaktische Vorgehensweise sorgt dafür, dass von Indie bis AAA aus vielen Titeln utopisches und dystopisches Potential gemeinsam zu bergen ist. Wer sich über meine Vortragsfolien ein Bild machen möchte, sei hiermit herzlich eingeladen und bei Nachfragen wendet Euch bitte ganz skrupellos an mich.

TobiWolfgangAndré EymannDennis DeusterLordJohn75

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8 Antworten zu „„Die Macht der Dystopien” – ein Vortrag auf dem gamescom congress 2024“

  1. Avatar von André Eymann

    Sehr interessant Dein Vortrag und das Thema grundsätzlich Rudolf. Ich musste spontan an meine Erlebnisse mit Wolfenstein: The New Order und Wolfenstein: The Old Blood denken, die ich beide vor kurzer Zeit durchgespielt habe.

    Besonders bei Wolfenstein: The New Order fühlte ich mich beim Spielen oft unangenehm berührt. Darüber muss ich noch weiter nachdenken, aber die Darstellung des Regimes und meine Rolle in der Geschichte fand ich auf jeden Fall problematisch. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich das Spiel nicht gern gespielt habe. Das Regime hat mich maximal angeekelt und die (erzählte) Alternativweltgeschichte fand ich extrem verdreht. Eine sehr verrückte und brutale Welt, die mich weitestgehend ratlos zurückgelassen hat.

    Bei Wolfenstein: The Old Blood hingegen kam ich besser klar. Wohl auch, weil das Spiel weniger Politik enthält und das Setting und Gameplay eher bekannten Strukturen folgt. Dieses Spiel hat mir hingegen viel Spaß gebracht.

    Als ich Deine Folien sah, wurde mir wieder bewusst, wie viele Spiele sich mit dem Thema befassen. Dabei habe ich mich auch erinnert, dass wir ein paar Beiträge hier im Blog haben, die (teilweise) von Dir erwähnte Spiele besprechen:

    Hinter Raptures Kulissen: Was BioShock beabsichtigt
    „Ich glaube nicht, dass man absolute Sicherheit durch absolute Kontrolle erhält“ – Interview mit Daniel Marx (Osmotic Studios)
    VERRISSEN UND VERGESSEN – Homefront: The Revolution
    – oder vielleicht auch: https://www.videospielgeschichten.de/frostpunk-wie-ich-zum-brutalen-diktator-wurde/

    Abschliessend ein großes Dankeschön für Deine Arbeit und das Teilen Deiner Folien. Ich würde mich freuen künftig mehr von Dir hier bei VSG zu lesen!

    Wolfgang
    1. Avatar von Rudolf Inderst

      Hallo André,
      vielen Dank für Deinen Kommentar und Deine Hinweise – sehr spannend (vor allem die unterschiedliche Wahrnehmung der beiden Wolfenstein-Titel!). Über Homefront muss ich auch sehr oft nachdenken. Wenn es sich wieder ergibt, dann werde ich sehr gerne hier wieder einen Teil beitragen. Ich wünsche ein schönes Wochenende aus München
      Rudolf

      André Eymann
  2. Avatar von Wolfgang

    Danke für den Input Rudolf! Regt die Gedanken an, welche Spiele man noch so kennt, die in eine solche Richtung gehen und gedacht werden können. Ausgesprochen spannendes Thema, auch wenn es nicht ganz meine Baustelle ist. Mir fällt da als erstes immer „We Happy Few“ ein. Die geschaffene Welt Wellington Wells passt in den Dystopiegedanken durchaus rein. Mit dem „Editieren“ der Wahrheit, den „Happy Pills“, dem Regelwerk für die Bewohner (Bürgerrechte) usw.

    Auch von mir ein kleines Schade, dass die Gamescom da nicht Audio und Video bereitgestellt hat. Da gibt es bestimmt noch viel mehr Anknüpfung, als momentan am Schirm ist. Übrigens: ganz liebe Grüße von Felix (Buch: Genre und Videospiel), er war einmal bei „New Books“ zu Gast. Ein großartiger Kollege und Freund.

    Und ganz viele Daumen hoch von mir für die „ital. Campingplatz-Arcade-Maschinen“!

    André Eymann
    1. Avatar von Rudolf Inderst

      Guten Abend Wolfgang, vielen Dank für Dein Feedback – über We Happy Few habe ich auch länger nachgedacht, ja. Und bitte bestell dem lieben Felix auch liebe Grüße – ich glaube sogar, wir sehen uns in Wien auf der FROG nächsten Monat? Forza Italia und viel Amore!
      Rudolf

      André EymannWolfgang
  3. Avatar von Dennis Deuster

    Interessantes Thema. Ich meine, schon vor 10 Jahren mal einen Artikel gelesen zu haben, in dem die zunehmende Veröffentlichung dystopischer Szenarien in der Zeit vor den beiden Weltkriegen thematisiert wurde. Krisenzeiten bieten also häufig den Nährboden für Eskapismus in den möglichen Untergang.

    Gibt es einen Mitschnitt Deines Vortrags als Video oder Audio?

    André Eymann
    1. Avatar von Rudolf Inderst

      Vielen lieben Dank für Dein freundliches Feedback – ja, es scheint, wir lebten in ‚dystopischen‘ Zeiten. Leider wurde der Vortrag weder als Audio noch Video mitgeschnitten. Herzliche Grüße
      Rudolf

      André EymannDennis Deuster
  4. Avatar von Horst Thieme

    @vsg Getaped wurde der leider nicht? Fände ich sehr spannend!

    André Eymann
    1. Avatar von Videospielgeschichten 🕹️

      @ibigfoot @vsg Nein, leider gibt es keine Videoaufzeichnung vom Vortrag.