Es gibt diesen Ausspruch. Mal wird er John Woo, mal wird er Quentin Tarantino zugeordnet. Er lautet: „Es ist spannender einem Auto beim Explodieren als beim Einparken zuzusehen.“ Für die Ludodystopie, also die virtuelle Dystopie in Digitalspielform, könnte man einwenden: „Wieso diesen Kuchen nicht haben und essen?“ Doch vielleicht gehen wir damit schon einen Schritt zu weit …
Mein Vortrag „Die Macht der Dystopien: Wie digitale Spiele unsere Wahrnehmung von Demokratie prägen” auf dem diesjährigen gamescom congress ging der Darstellung dystopischer Welten in digitalen Spielen und ihre Auswirkungen auf unser Demokratieverständnis nach.
Anhand von populären Spielen, wie z. B. Papers, Please, versuchte ich aufzugezeigen, wie narrative und spielmechanische Elemente im Gamedesign genutzt werden, um komplexe politische Themen zu vermitteln und kritische Reflexionen (zumindest) bei Spielerinnen und Berichterstattung anzuregen. Dabei beleuchtete ich, wie diese Spiele (mal bewusster, mal unbewusster) demokratische Werte hinterfragen (oder ihre Abschaffung inszenieren), alternative Gesellschaftsformen darstellen und somit unser Denken über Machtstrukturen und Bürgerrechte beeinflussen könn(t)en.
Meine Perspektive ist eine aus der Politischen Theorie und Ideengeschichte gespeiste. Dort stehen Utopien und ihre warnenden, düsteren Zwillinge wie Brave New World, Wir oder Der Report der Magd sehr oft auf den Lehrplänen. Doch Sie sehen schon, in meiner Vortragsbeschreibung steckt sehr viel Konjunktiv und Möglichkeitsraum: Das merkte auch das Publikum und stellte dementsprechend im Nachklapp die Frage, was sich aus meinem Vortrag für die sogenannte Praxis ableiten lasse.
Doch was genau diese Praxis sein solle, das blieb im Nebel. „Politische Bildungsarbeit“ fällt da als Schlagwort immer wieder. Nur, tja, das können alle Seiten des politischen Spektrums offenbar leisten. Unterhaltung, Wettbewerb und Eskapismus. Unter diesen Begriffen werden digitale Spiele oftmals verhandelt. Für sich selbst dürfen sie hingegen weniger oft stehen. Dann ist man oft nur einen Steinwurf von der nicht minder komplexen „Kunstdebatte“ entfernt. Daniel Feige kann vermutlich ein Lied davon singen.
Unter Anleitung und mit den entsprechenden Fragestellungen versehen kann man aus einem Spiel wie Wolfenstein: The New Order (2016) allerdings tatsächlich einiges herausholen (die Figuren, die Spielwelt, die Schauplätze, die Marketingkampagne oder die an Stellen eingeschränkte Wirkmacht der Spielerinnen) – die geplante didaktische Vorgehensweise sorgt dafür, dass von Indie bis AAA aus vielen Titeln utopisches und dystopisches Potential gemeinsam zu bergen ist. Wer sich über meine Vortragsfolien ein Bild machen möchte, sei hiermit herzlich eingeladen und bei Nachfragen wendet Euch bitte ganz skrupellos an mich.
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