Als Kind der 1990er-Jahre bin ich groß geworden, mit dem besten was das Genre zu bieten hatte: Doom, Half Life, GoldenEye auf dem N64… In den 2000er-Jahren wurde das Genre erwachsen, mit Titeln wie Far Cry, Half Life 2 und tollen Quake-Mods, unter anderem Warsow, einem Multiplayer-Quake II mit Dash und einem id-typischen Movement – Hachja zum schwelgen…
Ein anderer Titel wurde ebenfalls in der Zeit geboren, welcher nach einer Dekade schon erkennbar mehr Geld bekam (was die Entwicklung betraf) und nach zwei Dekaden nur noch ein Synonym sein kann für „billiges Hollywood-Geballer im zugekifften Jugendzimmer“. Da mag ich mich selbst zu seiner Zeit nicht von freisprechen. Aber heute stehen die Titel der Reihe bei kundigen Spielern vor allem für den immer wieder aufgewärmten, gleichen Sud. Die Rede ist natürlich von Call of Duty.
Damals als Spiel geboren aus der Quake III-Engine und entwickelt von ehemaligen Medal of Honor-Mitarbeitenden. Dafür habe ich damals eine DirectX8-fähige Grafikkarte kaufen müssen, eine Geforce 4 Ti 4200. Sonst war man bei den LAN-Parties in den Garagen der Kumpels außenvor!
Der Charme des Handgemachten
Aber wie dem auch sei, weshalb führe ich den Text mit Titeln dieser Zeit an und komme nun auf CoD? Ganz einfach, Call of Duty ist heute all das, was dem Shooter-Genre abhanden gekommen ist: id-typisch schnelle, responsive Steuerung, eine Grafik, die vor allem dem Zweck des Spielens dient und nicht um Realismus buhlt, wuchtiges Geballer (Waffen: Pistole, Schrotflinte, Maschinengewehr, Plasmagun, Granat- und Raketenwerfer, gegebenenfalls ein Sniperdings) und dem Charme des Handgemachten.
Das Gegenteil dieser Shooter ist heute abfällig unter dem Label „Boomer-Shooter“ zu finden. Nach dem Spielen der ersten Titel war es direkt um mich geschehen. Man muss sagen, dass ich gerade durch die 2010er-Jahre gegangen war. Eine Dekade, welche einen unfassbaren Durst nach guten Shootern erzeugte.
Der Titel der mich aber direkt gekriegt hat, nach all der Zeit, war Dusk!
Dusk ist ein Shooter mit einem tollen Pacing, in Quake III-Optik in einer Welt, die ebenfalls eher fantastisch ist. Nicht umwerfend, sondern eben fantastisch: fantasievoll mit unwirklichen Gegnern und Kristallen als Items. Diese waren zu finden hinter geheimen Nischen, den sogenannten Secrets. Also in kurz: alles drin was Menschen wie mir, den Ästheten unter den Shooter-Spielenden (HUST), wichtig ist und so schmerzlich von uns vermisst wird.
Danach kamen für mich Postal Brain Damaged, Turbo Overkill, Project Walorck, SuperBuff HD, …
Ein paar von diesen Perlen mag ihr euch kurz hier vorstellen.
Kalter Krieg im Mittelalter
HROT ist ein Shooter der uns in die Mitte des letzten Jahrhunderts mitnimmt, zumindest könnte man die ersten paar Levels an den kalten Krieg denken. Düster und mit vielen Tunneln in engen Winkeln, sehen wir vor allem: Beton.
Kleiner Spoiler: Das mit dem Setting ändert sich (das mit dem Beton nicht). Wir kämpfen mit den üblichen Waffen, geprüft und gut, gegen unwirkliche Wesen. Wir bleiben aber stets in derselben Atmosphäre. Das Movement ist flott und es gibt keinen Fallschaden. Leider auch keinen Rocketjump aber darum ist es nicht wirklich schade. Die Rätsel bestehen aus „Dir fehlt der Aluminiumschlüssel -> Schau mal hinter die nächste Tür“, genretypisch und das was ich gerne im Vorbeigehen erledige. Die Musik ist bedrohlich und trägt toll zum Gesamteindruck bei. Dabei ist das Ding knackig kompakt: in meiner Steam-Bibliothek stehen 5,2 Stunden. Ein toller FPS, der ziemlich das erfüllt, was man sich von einem „Boomer-Shooter“ erhofft.
Im einer Mittelalter-/Fantasywelt befinden wir uns in Hedon Bloodrite. Die Grafik hier ist launig 2.5D und fällt nicht wirklich auf. Wir kämpfen uns durch lauschige Dörfer und graben Schlüssel aus. Dabei treffen wir auf gehörnte Furien, welche uns mit Schwert und Schild zu Leibe rücken.
Als Waffen schwingen wir hier Zauberbälle, Magierstäbe und natürlich das ritterübliche MG (?!). Hier ist die Schlagzahl von Story/Rätsel/Schießerei aber ein bisschen ausgeglichener als bei den anderen hier besprochenen Titeln. So zum Beispiel durchschwimmen wir Höhlen und deren Flüsse und untersuchen Rätsel in den Mittelalterörtchen neben der Schießerei.
Beim Wiederspielen war es nicht mehr ganz so meins, weil mir die Schlagzahl ein wenig zu niedrig war und das Setting nicht mehr meins ist. Aber es macht nach wie vor ordentlich „Bumms!“, der Sound ist super und wer auf Fachwerkbauten steht, wird hier bestens bedient. Auf jedenfall einen Tipp wert!
Wildes Geballer im Wohnkomplex
Jetzt wird es futuristisch-bunt: In Ion Fury kämpfen wir in einer Steam-Punk-Großstadt in deren Häusern und Dächern. Gegenüber stehen uns Gegner in Kapuzen und später noch anderes Getier, das darum bettelt, über die Wupper zu gehen. Auch hier haben wir wieder eine stimmige 2.5D-Grafik, aber die Entwickelnden lassen keineswegs den Eindruck eines C-Klasse-Spieles. Ventilatoren die sich drehen (und hinter denen oft Lüftungsschächte sind), Spielautomaten die blinken und Bar-Tische die gut befüllt sind.
Dabei nimmt uns das Spiel nicht an die Hand. Im krassen Gegensatz zum letzten Spiel Hedon Bloodrite geht es hier Schlag auf Schlag, ab den ersten Sekunden. Später bekämpfen wir interessante Bosse und das Spiel wird durchaus kniffliger, lohnt sich aber einmal alle paar Jahre durchgespielt zu werden!
Und zuletzt die Krönung: Selaco!
Ein Spiel auf der GDOOM-Engine, einer Doom-Engine Modifikation, id-Gefühl garantiert. Wir starten in einem Wohnkomplex, in den schnell unbekannte Gegner eindringen. Um zu entkommen, entdecken wir Lüftungsschächte und sammeln die ersten Waffen ein.
Schnell merken wir, dass nicht nur wir besser werden, sondern auch die Gegner. Diese gewinnen an „Tiers“ hinzu. Das sind Ränge, die Fähigkeiten oder neue Arten hinzufügen, zum Beispiel Schilde nutzen oder Anführer zu haben. Die tolle KI ist ausserdem einzigartig. Naja, auf dem Boomer-Shooter-Level eh, aber sie kann auch ganz oben mitspielen. Gegner teilen sich auf, umzingeln uns und rennen nicht wie Vieh in die Schussbahn, egal wie lange wir warten. Wir selbst sammeln Geld auf, mit dem wir Fähigkeiten dazu kaufen oder Zahnräder, mit denen wir unsere Waffen verbessern können.
Das Gameplay ist rasant! In Windeseile gelangen wir quer durchs ganze Level. Diese können wir übrigens auch später entweder durch Zurücklaufen betreten, oder durch Züge, die unsere Saferooms, das sind Räume, in denen einmal pro Level die Waffen schweigen, verbinden – toll! Gegner werfen Granaten und Minen, eine Art schwebt mit Jetpacks durch die Luft, sprechen sich sinnvoll ab. Manche Waffen teilen sich Munition, aber selbst die Pistole vom Anfang behält ihre Wucht und ist es immer wert nochmal hervorgeholt zu werden.
Genretypisch wird markiert, wenn wir ein Level beendet haben. Wir kriegen den zusammenfassenden Screen zu sehen, den wir schon aus anderen Titeln kennen. Der Wiederspielwert ist enorm hoch, denn zwar wird uns gezeigt, wieviele Secrets wir gefunden haben, aber auch, wieviele nicht! Der generelle Ton ist düstern gehalten. Nicht unheimlich-Düstern sondern eher wie F.E.A.R. seinerzeit – es ist stets Nacht. Natürlich scheinen die Lichter der Strassen, aber da sind wir erst zu einem späteren Zeitpunkt.
Zu guter Letzt möchte ich hier noch den tollen Mod-Support erwähnen. Dank SDKs und Tutorials ist die Community hier wirklich aktiv; in Windeseile habe ich mir eine Max Payne-Mod installiert, auch wenn ich es nicht wusste – meine Herren, was passt das toll zusammen!
Indies mit Herz
All diesen Titeln ist eines gemein: sie sind Indies. Oft nur Ein-Mensch-Projekte oder eben von kleinen Teams, oft auch Studierenden-Arbeiten die sich verselbstständigt haben… mein Herz geht auf bei jedem Kauf. Wie dem auch sei, ich hoffe ihr könnt diesen Titeln nochmal eine Chance geben – es lohnt sich! Übrigens sagt das auch der Geldbeutel, es sind eben keine AAA-Titel die auch entsprechend kosten.
Zudem brauchen diese Spiele, im krassen Gegensatz zu aktuellen Titeln, kaum Ressourcen. Wir bewegen uns immer irgendwo unter 1 GB, als Grafikkarte reicht ein OnBoard-Chip aus 2013 und bei dem Prozessor ein i3. Ich habe mit Freude auf meinem 15″-Laptop mit Ryzen 3-APU im Hotel gespielt. Und natürlich gibt es mit diesen Spielen einen deftigen Grund mehr, bei der aktuellen Grafikkarten-Preisschlacht nicht mitmachen zu müssen…
Zum Abschluss habe ich meine TOP 5 aufgestellt, vielleicht ein kleiner Wegweiser für euch?
- 5. Turbo Overkill
- 4. Dread Templar
- 3. Ion Fury
- 2. Dusk
- 1. Selaco
Guten Genuss oder in kurz und knackig:
Viel Spaß!
Schreibe einen Kommentar