Taran und der Zauberkessel – Zauberei auf Sparflamme ohne Thermomix
Die Adventureschmiede Sierra war immer schon bekannt dafür sich für ihre Fantasyadventures Anleihen aus der guten alten Märchenwelt á la Gebrüder Grimm oder sich bei den kultigen Disneyklassiker zu bedienen. Daher dürfte es auch niemand überraschen, dass Sierra tatsächlich auch Spiele mit Disneylizenz herausgebracht hat und auch, dass man tatsächlich ein klassisches Point’n’Click- Adventure basierend auf einem Disneyfilm realisiert hat. Warum es nun unbedingt „Taran und der Zauberkessel“ / Original: Black Cauldron sein musste, weiß vermutlich nur Sierra oder ein W20-Würfel. Vielleicht weil es gerade der aktuelle Film war. Aber eine andere Wahl wäre sicherlich besser und verständlicher gewesen.
Disneys dunkles Zeitalter beginnt…
Black Cauldron (oder wie der total passende deutsche Titel lautet „Taran und der Zauberkessel“) erschien 1985 als 25. Zeichentrickkinofilm der Disneyreihe. Der Jubiläumsfilm basiert auf den Büchern der Chroniken von Prydain von Lloyd Alexander und handelt von Taran und (s)einem Zauberkessel. Hättet ihr jetzt nicht erwartet, oder? Ist ja kein Til Schweiger-Film mit False Advertising…
Ein junger Held erwacht
Taran fristet sein Leben als gelangweilter Schweinehirte und träumt dabei fleißig von einem Leben als richtiger Held. Tatsächlich wird sein Wunsch eines Tages wahr. Denn sein Schwein Wien (entsprechende Wurst- bzw. Schweinewitze hier bitte selbst einfügen – DANKE) hat die Gabe der Hellsicht (NATÜRLICH) und wird deswegen plötzlich entführt. Der Entführer entpuppt sich als der böse Herrscher (AUCH NATÜRLICH) „der Gehörnte König“ und mittels des Schweins sucht der Bösewicht nun den schwarzen Kessel (siehe englischen Original Titel), um dabei eine Armee der Untoten zu beschwören und sich die Welt untertan zu machen (NATÜRLICH oder passend aus Street Fighter The Movie Raúl Juliás legendären „Of Course“!).
Das kann Taran „natürlich“ nicht so durchgehen lassen. Zu seinem Glück muss er diese Aufgabe aber nicht alleine angehen und darf/muss mit der jungen Prinzessin Eilonwy, dem Harfe spielenden Fflewddur Fflam und dem als Plüschtier angelegten Gurgi als Party sich dem Bösewicht stellen.
Das A-Team der Fantasywelt
Taran: ist der Held und sonst auch nix, selbst Captain America Steve Rogers aus den ganz alten Marvel Comics würde diese Figur für langweilig halten. Und das heißt was!
Eilonwy: die hübsche Prinzessin mit einem dunklen Geheimnis. Gut, das Klischee brauchen wir natürlich auch. Aber mehr eben auch nicht. Erinnert vom Stil irgendwie an Daphne aus Dragon’s Lair vom Zeichner Don Bluth. Und falls ihr euch gerade fragt, warum kenne ich diese Disneyprinzessin nicht – naja, vielleicht kommt der ein oder andere drauf. Dunkles Geheimnis – zwinker, zwinker, zwinker. Nur so als kleiner ganz dezenter Hinweis.
Fflewddur Fflam: ja, der Barde und der hätte eine interessante Geschichte. Hier ist er der Barde und ist völlig eindimensional.
Gurgi: ist der Angsthase und schwächste Glied der Truppe und auch nicht gerade mein Lieblingscharakter.
Tim Burtons dunkle Welt erwacht
Für Disney eher untypisch bemerkt man die düstere Stimmung dieses Filmes. Vielleicht liegt es auch an der Beteiligung eines jungen Mannes namens Tim Burton (genau, DER Tim Burton). Auf jeden Fall wurde der Film mehrfach umgeschnitten, da die Erstfassung Disney viel zu „dark“ wirkte. Allerdings versuchte man mit diesem Film in das dunklere Fantasygenre zu springen, da He-Man und Co. sehr erfolgreich waren und viel Merchandise umgesetzt hatten.
Der Film floppte brutal an der Kinokassen total (44 $ Mio Kosten, 21,3 $ Mio Einspielergebnis) und wurde sogar (wirklich kein Witz!) vom Glücksbärchiefilm (22,9 $ Einspielergebnis) übertroffen. Und dieser Film ist nicht gerade Qualitätskino. Daher galt Taran in Disneykreisen als das absolute Schwarze Schaf (oder eher Schwein) der Disneymärchenreihe. Und wenn ihr lieb seid, vielleicht schreibe auch mal was über das Glücksbärchie-Game – JA, DAS GIBT ES WIRKLICH!
Vom Kinodesaster zum Videospiel
Daher versteht nahezu jeder (Ironie), dass Sierra dieses Meisterwerk im Jahre 1986 (1 Jahr nach dem Kinostart) versoften wollten. Ich fand den Film ganz okay. Aber eben mehr auch nicht. Man fühlte sich sehr an den Stil von Fantasia und dem auch nicht so erfolgreichen Herr der Ringe Trickfilm erinnert. Auch wenn der Film die düstere Stimmung gut vermitteln konnte, es fehlte dem Streifen einfach an Charme und auch die Charakteren blieben eher blass. Selbst Eilonwy, die neben dem Gehörnten König die wirklich spannendste Hintergrundstory hat, darf nur Eyecandy sein und nichts mehr. In den Büchern sollen die Charaktere wesentlich mehr Tiefgang haben.
Aber was machte Sierra nun aus diesem „Machwerk“…? In ihrer sechsteiligen Hi-Res Adventure-Serie erschuf Sierra schon mal ein Adventure basierend auf einem Film: „Dark Crystal“ bzw. „Der dunkle Kristall“ von Jim Henson. Der Film war auch kein Abräumer damals an den Kinokassen. Hat sich mittlerweile aber auch zu einem Kultfilm entwickelt und bekam jetzt sogar von einigen Jahre eine eigene Serie.
Black Cauldron wurde designet von niemand anderes als Al Lowe, der bekannte Erfinder von Larry Laffer und bot neben dem typischen Textparser dieser Zeit auch Möglichkeiten einige Aktionen mit den Funktionstasten auszuführen. Dies sollte an das Verbenmenü von Maniac Mansion angelehnt sein. Übrigens sollte dieses Adventure für Kinder konzipiert sein. Davon hatte ich beim Durchspielen kaum etwas gemerkt. Das ist Al dann wesentlich besser in seinem Torin’s Passage Jahre später gelungen.
Nix für Kinder bei diesem Adventure für Kinder
Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen, dass man dieses Adventure nur echt harten Veteranen des Genres empfehlen sollte. Wer die Nicht-Remakes der ersten Quest-Serien schon mal gespielt hat, weiß worauf man sich einlässt. Erwartet bloß kein Maniac Mansion oder Zak McKracken. Hier gilt wieder die Sierra-Regel: Speichere oft, denn du stirbst oft und du wirst viel wiederholen müssen.
Und neben dieser Lebensweisheit, die auch aus den Dark Souls-Universum stammen könnte, wird man auch wieder fleißig Karten malen dürfen. Denn natürlich gibt es Wege, die zu Dead Ends werden und natürlich muss man sich manchmal auch schnell orientieren. Denn der Tod lauert überall. Eben ein echt „frustfreies“ Spiel für „geduldige“ Kinder…
Ist es denn wirklich düster?
Grafisch sind die Landschaften recht nett gezeichnet und stellen wirklich viele Szenen aus dem Film sehr gut nach. Sound ist zweckmäßig und eben für damals üblich kaum vorhanden. Dadurch kann der Sound aber auch nicht nerven.
Was die Rätsel angeht, wollte man mal auch in eine andere Richtung gehen. Es scheint wirklich so als hätte Al Lowe zu viel Maniac Mansion gespielt (gut, man kann nicht zu viel Maniac Mansion spielen). Denn der Vater von Larry kam auf die Idee verschiedene Lösungswege und Enden einzubauen. Was in Sierras Robin Hood: Conquest of the Longbow und noch viel besser in King’s Quest VI funktioniert hat, klappt hier überhaupt nicht.
Mami, ich will nach Hause…
Ich hatte vor dem Durchspielen zur Sicherheit noch mal den Film gesehen und das hilft auch ganz gut, um sich ungefähr orientieren zu können. Aber wenn es in Richtung Endkampf geht, wird man schnell in Situationen kommen, auf die man sich einstellen muss. Denn die Macher erwarten vom Spieler andere obskure Aktionen. Auch wenn die eigentliche Lösung viel logischer und einfacher wäre.
Muss man nun „Black Cauldron“ gespielt haben? Wenn man Adventurepurist ist oder vielleicht eine Wette verloren hat, dann ja. Aber auch hier gibt es genügend Möglichkeiten sich dieses Drama lieber anzusehen als fluchend dieses Adventure zocken zu müssen und ich habe viel geflucht!
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