Die Torwächter. Über Gatekeeping in der Spiele-Community

Von Matthias Jessen am
Kommentiert von: Gerrit, Tobi, Stefan, Matthias Jessen, Thilo, Lenny, Benni
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Stardew Valley ist kein richtiges Spiel, Fortnite auch nicht – und Mobile Games schon gar nicht! – Solche und ähnliche Aussagen finden sich zuhauf im Internet. Wer sich lediglich mit “Casual Games” befasst, sei kein richtiger Gamer und möge bitte die selbsternannte Elite nicht beim grinden, looten und craften stören, heißt es dort.

Aber wie kann es sein, dass die Liebe zu den Sims-Spielen weniger wert ist als zu der Elder Scrolls-Reihe? Beobachten lässt sich: Teil einer erlesenen Elite zu sein, pusht das Ego. Daher schaffen sich einige Hardcore-Fans ihre Identität durch Abgrenzung – ein Phänomen, dass es auch in anderen Unterhaltungsbereichen zu sehen gibt.

Sie streben ein abgeriegeltes Heiligtum an, ein nach außen hin geschlossenes System. Nur diejenigen, die nach ihren (oft diffusen und irrationalen) Regeln spielen und so viel Zeit und Herzblut investieren wie sie, haben das Recht auf einen Platz an der Spitze. Das Problem hat einen Namen: Gatekeeping. Man gewinnt dabei den Eindruck, dass gewisse Menschen ihr Hobby bedroht sehen und es schützen wollen vor … ja, wovor eigentlich?

Verteidigung der eigenen vier Wände

Elitäres Denken spaltet jede Gemeinschaft.

Matthias Jessen

Wer stolz auf einen Titel ist, wer ihn als sinn- und identitätsstiftend für sein Leben erachtet, fürchtet sich unweigerlich davor, dass der Zugang zu eben diesem Titel für andere – womöglich weniger hart „Arbeitende“ – erleichtert wird. Der Wunsch, die Worthülse „Gamer“ bis aufs Blut zu verteidigen, ist der Versuch, einen undefinierten, elitären Bereich zu schützen. Die Mittel dafür sind Ausgrenzung und Verunglimpfung.

Dieses reflexartige Verhalten wird durch die Angst befeuert, dass die eigene Lieblingsbeschäftigung von einem breiteren Kulturkreis vereinnahmt wird. Aber was wäre so schlimm dabei? Sich innerhalb einer Gesellschaft an eine selbst definierte Rolle zu klammern, spendet ein Gefühl von Zugehörigkeit und bietet einen Pool an kulturellen Artefakten wie Sprache (bspw. Gamersprache), Idealen (bspw. Trophäen) und Verhaltensweisen (bspw. Investition tausender Stunden in ein Spiel). Wenn diese Harmonie durch „Kulturfremde“ gestört wird, droht eine Veränderung oder sogar eine Umwälzung.

Mitglieder der Gaming-Community sind nicht gerade für ihren höflichen, differenzierten Umgang bekannt. Hochgradig sauertöpfische Diskussionen über die Zugehörigkeit zu einer Konsolenfraktion oder zur „PC Master Race“ zeigen deutlich, auf welchem Niveau Diskussionen größtenteils ablaufen und wie wenig Substanz die tatsächlichen Argumentationspunkte haben. Des toxischen Verhaltens überdrüssig mussten erst kürzlich die Reddit-Moderatoren den Gaming-Bereich vorübergehend schließen.

Eine andere Diskussion wird aktuell über den Schwierigkeitsgrad von Sekiro geführt. Während einige sich einen „Easy-Mode“ wünschen, wird der hohe Schwierigkeitsgrad durch diejenigen verteidigt, die das Spiel bereits durchspielen konnten – und sich damit rühmen.

Ein fragwürdiger Maßstab

Doch außer in den Köpfen einiger gibt es keinen einheitlichen Maßstab, wann sich jemand „Gamer“ schimpfen darf. Gehöre ich erst wirklich dazu, wenn ich über zweitausend Stunden in Counter-Strike verbracht habe? Wenn ich die Dark Souls-Reihe mit verbundenen Augen auf einer Tanzmatte durchgespielt habe? Wenn ich über 500 Euro in kosmetische Items in einem Free-to-Play-Titel investiert habe? Wenn mein Steam-Account über 2.500 Titel umfasst? Wenn meine heimische acht-Meter-Regalwand mit Retro-Konsolen und Spielehüllen vollgestopft ist?

Alleine der Mangel eines Maßstabs führt die gesamte Diskussion ad absurdum – dennoch wird diese inbrünstig weiter auf Twitter, Reddit, Twitch oder in den Fegefeuern der YouTube-Kommentare geführt.

Neue und weniger ambitionierte Spieler als minderwertige Eindringlinge anzusehen, zu beleidigen und zu entmutigen ist schändlich und unmenschlich.

Matthias Jessen

Streit um eine Worthülse

Dabei ist der Begriff „Gamer“ keineswegs mit beispielsweise einem Doktortitel gleichzusetzen, der eine festgelegte Laufbahn mit entsprechenden Qualifikationen voraussetzt. Seien wir ehrlich, die Spiele-Community ist kein Geheimkult mit Aufnahmeritualen oder erstrebenswerten Rängen. Es ist auch keine Quantenphysik, die ein jahreslanges Studium der Bausteine des Universums bedarf.

In seiner Grundidee sind Spiele ein Unterhaltungsmedium, das Freude bereiten soll. Anstatt es zu begrüßen, dass Videospiele inzwischen ein allgemein anerkanntes Kulturgut geworden sind, verdammen einzelne Hardliner die Verwässerung und Verunreinigung ihrer Domäne – und schaffen als Reaktion darauf künstliche Hierarchien.

Diversifikation des Marktes ist begrüßenswert

Elitäres Denken spaltet jede Gemeinschaft. Die Vorstellung, ich wäre ein besserer Mensch, weil ich weitaus mehr Kills in einem Spiel habe, ist blanker Irrsinn – ebenso wie der klägliche Versuch, sich über seinen eigenen Geschmack zu definieren und anderen seine Erhabenheit aufdrängen zu wollen. Und dann ist da noch das Argument, „Casual Games“ und ihre zahlungskräftigen Unterstützer würden „echte Games“ kaputtmachen.

Dabei möchte nicht jeder tagtäglich die drei gleichen Twitch-Dauerbrenner zocken oder zu Schwergewichten wie Sekiro, Dead Cells oder Cuphead greifen. Eine Produktdiversifikation hat den Vorteil, dass jeder Anspruch bedient wird und Spiele auch Personen zugänglich gemacht werden, deren Frustresistenz geringer ausfällt. Je weiter Spiele in die Mitte der Gesellschaft vorrücken, desto größer wird die Akzeptanz für das Medium – und das kommt am Ende allen zugute.

Ungestört weiterzocken

Ich kann weiterhin Freude an The Division 2 auf meinem heimischen PC haben, auch wenn jemand neben mir in der U-Bahn ein Mobile Game spielt. Und ich kann mir weiterhin ungestört die Zähne an bockschweren Spielen wie Bloodborne ausbeißen, auch wenn Blizzard Diablo aufs Smartphone bringt. Der Markt ist vielfältig, wenn nicht sogar übersättigt und ich habe die Wahl, womit ich mir die Zeit vertreibe.

Es ist absurd, sich in seiner Rolle als „passionierte Gamer“ bedroht zu fühlen, nur weil der Markt für weitere Menschen geöffnet wird. Neue und weniger ambitionierte Spieler als minderwertige Eindringlinge anzusehen, zu beleidigen und zu entmutigen ist schändlich und unmenschlich. Und seien wir ehrlich: Wer will schon einem elitären Kreis „wahrer Gamer“ angehören, die einen solchen Umgang pflegen?

Eine Frage der Selbstdefinition

Ohne mit der Wimper zu zucken, würde ich mich selbst als „Gamer“ bezeichnen, auch wenn ich keinen Gaming-Sessel, kein Gaming-Headset, keine Gaming-Tastatur und keine grell blinkende Wasserkühlung in meinem PC-Tower besitze. Bei Steam habe ich nur knapp eine Handvoll Freunde, ich trinke keine Energy-Drinks, gehöre keinem Clan an und auf der Playstation habe ich keine einzige Platin-Trophäe. Mit „nur“ 110 Stunden ist Factorio mein Spiel mit der längsten Spielzeit.

Dennoch ist Gaming seit fast zwanzig Jahren eine Leidenschaft, der ich gerne nachgehe. Und ich freue mich, wenn Menschen, die bisher keine Berührungspunkte mit Videospielen hatten, darin einen gewissen Wert oder Freude daran empfinden.

Wie sieht es bei euch aus, liebe Leserinnen und Leser? Was habt ihr bisher für Erfahrungen mit Gatekeeping gemacht? Hat es eure Spielerfahrung negativ beeinflusst oder befürwortet ihr womöglich sogar, dass sich gewisse elitäre Gruppen bilden? Wenn ja, welchen Einfluss haben sie eurer Meinung nach auf das Medium Spiele, deren Wahrnehmung und deren Entwicklung?


Veröffentlicht in: Videospielgeschichten
Casual GamerTobi

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Kommentare (7)

  1. Hallo Matthias, danke für diesen aufschlussreichen Artikel. Es scheint so, als ob sich das beschriebene Phänomen auch auf andere Bereiche der Gesellschaft bezieht, was allzu schade ist. Hier ist tatsächlich ein Umdenken der selbsternannten “Elite” erforderlich. Habe die speziell auch im Bezug auf Spieleforen (z. B Steam) kennengelernt, wo eine Diskussion entbrannte, ob ein Easy-Mode bzw. Cheats akzeptabel sind. Bezeichne mich selbst als Casual Gamer und finde, jeder hat das Recht, selbst zu entscheiden, was für ihn das beste ist – allerdings auch mit Respekt gegenüber anderen.

  2. Danke Matthias für den tollen Beitrag.
    Der Begriff Gatekeeping war mir überhaupt nicht geläufig, das mag aber auch daran liegen, dass ich mich aus dem Mehrspieler seit Jahren (lass es vielleicht 16+ Jahre sein) komplett zurückgezogen habe. Einzige Ausnahme: lokal zocken mit unseren Kindern.

    Du hast mir das Thema sehr gut und verständlich näher gebracht.
    Ich sehe und sah mich nicht als “Gamer”. Das war nie so, auch wenn ich früher viel bis sehr viel Zeit ins (Online-) Zocken gesteckt habe. Du schreibst so schön von Worthülsen und was jemanden definiert. Ich versuche immer, die Menschen dahinter zu sehen. Auch wenn ich gerne alleine bin, alles zu viel wird, mich Menschen oft nerven. Anderes Thema.
    Wenn ich spielen will, dann möchte ich dort in den Welten eine schöne Zeit verleben. Der Alltag birgt für mich oft schon genug Stress, warum sollte ich mich dann noch freiwillig beim Spielen stressen? Somit spiele ich mittlerweile fast alles auf ‘leicht’ oder ‘moderat’. Wie andere das finden, ist mir Banane. Davon abgesehen, dass es ja sowieso niemand sieht.
    Mich selbst und mein Ego stört das nicht, dass ich jetzt nicht auf Superhelden-Schwierigkeitsgrad, sondern vielleicht lieber auf Kindergarten-Niveau spiele. Spielen ist ein Ausgleich, oft auch eine Flucht für mich, da möchte ich natürlich dann auch nicht rückwärts flüchten und stolpern. Klar gibt es noch die Achievements, die bestimmt einen ‘wahren Zocker’ ausmachen und auch anspornen. Aber ein Jäger danach bin ich auch offline nicht, was kommt, das kommt. Ich möchte mir meinen Spielfluss nicht kaputt machen und ich mich für einen Erfolg auf den Kopf stellen müssen.

    Etwas am Thema vorbei. Ich verstehe aber sehr gut, was du meinst, kann halt nur nicht viel darüber schreiben. Danke für deinen Beitrag!

  3. Vielen Dank erst einmal an dieser Stelle für die Kommentare und das Feedback zum Artikel.

    Ähnliche Erfahrungen in kompetitiven Multiplayerspielen wie Thilo habe ich kürzlich in Apex Legends gemacht. Ich wollte mir das Spiel kurz nach Erscheinen einmal anschauen, wurde aber gleich in den ersten Runden verbal beleidigt, da ich einige Mechaniken noch nicht kannte. Ich kann das zwar schulterzuckend ignorieren, aber es hinterlässt dennoch einen üblen Geschmack und wirft ein übles Licht auf so manche Online-Existenzen, die mit ihrem toxischen Verhalten eine schlechte Stimmung verbreiten. Ich frage mich dann immer, ob diese Personen im realen Leben auch so agieren, oder ob es einfach an der Anonymität des Internets liegt, dass vielerlei Hass und Unfrieden gesät wird.

    Den hohen Anspruch von Kingdom Come kann ich ebenfalls nur unterstreichen, insbesondere die fehlende Speicherfunktion. Nicht jeder hat die Zeit, mehrere Stunden am Stück zu zocken, bis der nächste Checkpoint kommt. Ich finde es absolut nicht verwerflich, hier durch eine Mod eine Vereinfachung zu schaffen. Aber wie bereits in meinem Artikel beschrieben, benötigen einige diese (oft unnötigen) Herausforderungen als Profilierungsmöglichkeit, sei es, um das eigene Ego zu boosten oder um sich über andere Spieler zu erheben.

    Gerade bei Singleplayer-Spielen sollte es doch jedem selbst überlassen sein, welcher Schwierigkeitsgrad für einen selbst vertretbar ist. Am Ende soll man Spaß haben, nach der Arbeit abschalten können, in andere Welten versinken können – ich möchte mich nicht auch noch in meiner Freizeit schwarz ärgern, das mache ich im Job schon genug. Gerade gestern habe ich den letzten Boss in Sekiro mit einer Mod erledigt, die den Spielfluss verlangsamt. Nachdem ich mir zwei Wochen lang die Zähne an ihm ausgebissen habe, hat es mir gelangt. Ich wollte das Spiel endlich beenden und mich anderen Games widmen. Also habe ich nach Ewigkeiten mal wieder gecheated und es ist vollkommen in Ordnung für mich. Ich kann das (wirklich tolle) Spiel abhaken und weiterziehen. Habe ich damit jemanden in seiner Ehre gekränkt? Den Erfolg von anderen geschmälert, die es ehrlich geschafft haben? Wohl kaum.

    Interessant finde ich auch den Punkt, den Lenny und Benni angebracht haben: Sexismus (und auch Rassismus) in Spielen. Hier kommen wahrlich schlimme Abgründe zum Vorschein, die sicherlich in einer Handvoll Artikel noch nicht abgegolten sind und die (insbesondere auch) außerhalb der Gaming-Community ziemlicher Zündstoff sind.

    Schlussendlich lässt sich wohl auch sagen, dass unser kleiner Gaming-Kosmos kein isolierter Raum ist und dass jeder, der daran teilnimmt, seine Probleme, Haltungen, Meinungen und Feindseligkeiten mit einbringt. Nur stellt sich mir die Frage, warum gerade in diesem Umfeld so viel toxisches Gedankengut unterwegs ist. Hat es was mit der Zielgruppe zu tun? Sicherlich irgendwo. Aber auch in anderen Hobbybereichen lässt sich ein ähnliches Verhalten beobachten. Ich habe früher Gitarre gespielt und habe auch in der Musikerszene ein vergleichbar prahlerisches und elitär-segmentiertes Verhalten beobachtet. Vielleicht liegt es (leider) auch einfach in der menschlichen Psychen/Natur, dass ein Gefühl von wertvoller Identität nur durch aggressive Abgrenzung erlangt werden kann.

    Tobi
  4. Sehr spannendes Thema und ein toller Artikel!

    “Gatekeeping” war bisher kein Begriff, den ich mit irgendwas verbunden habe. Jetzt verstehe ich ihn etwas besser und fühle mich an ein paar Begebenheiten und Eindrücke erinnert.
    Ich sehe mich selbst als Gelegenheitszocker oder neudeutsch “Casual Gamer”, im Wesentlichen mit Aufbausimulationen, Shootern und Rollenspielen im Portfolio.

    Speziell bei Shootern wie Battlefield oder CS:GO fällt mir immer wieder auf, wie teamorientiert diese angelegt sind. Für mich als “Lone Wolf”, also Einzelspieler, hält sich damit der Spaß oft in Grenzen, wenn ich nicht zufällig in Gruppen gerate, bei denen ich aktiv mitspielen kann. Angenehm war bei BF3, daß es viele ausgewiesene “Noob Server” gab, auf denen ich auch mit wenig Erfahrung und Koordination Spaß haben konnte. Auf normalen Servern ging ich schnell unter und wurde, wenn schon nicht verbal, dann durch Dauerbeschuß aus dem Spiel geekelt. Aber ich konnte mir die Server dann ja aussuchen und den Clans, die ich als sozialverträglich erlebt habe, nachjoinen.
    Besonders bei CS:GO fand ich es extrem schwer mit den anderen Spielern mitzuhalten, die fast alle tausende von Stunden auf der Uhr haben und bei Anfängern wie mir schnell ungehalten werden. Hier ist es erstaunlich, wie blumig die Sprache werden kann, wenn man eben nicht in der ersten Runde schon drei Headshots verteilt hat, oder eben mangels Kartenkenntnis mal wieder direkt am Spawn weggeputzt wurde. (Dagegen war der Umgang bei COD tatsächlich vergleichsweise zivilisiert zu nennen)
    Da vergeht mir schnell die Lust und so steige ich dann nach ein paar Runden wieder aus bzw. in den Competitive Mode gar nicht erst ein. Vor allem CS:GO ist ein Spiel, das als Let’s-Play-Video kurzweilig und amüsant ist, in der eigenen Spielerfahrung aber eigentlich nur frustriert.

    Etwas anders ist die Erfahrung bei Rollenspielen, die mir als Einzelgänger sehr entgegenkommen:
    Vor einiger Zeit habe ich mir Kingdom Come: Deliverance gekauft und es sehr genossen. Schnell liefen 40, 50, 60 Stunden hinein, weil es einfach Spaß gemacht hat, nach Feierabend zu Henry zu stoßen und Böhmen umzukrempeln.
    Was es mir schwer gemacht hat, war das Kampfsystem: Mit hohem Simulationsanspruch erfordert es sehr viel Übung und Koordination, also im Wesentlichen Zeit und Wiederholungen, die mir offen gesagt zu monoton und nach Feierabend auch zu anstrengend waren. Also habe ich schnell eine Modifikation installiert, die das Kampfsystem entschärft hat. Das habe ich seinerzeit auch mal auf Twitter geäußert, und im Zusammenhang mit dem dann angekündigten “Hard Mode” (Ehrlich: Wie schwer denn noch?) viele interessante Reaktionen mitbekommen:
    Während auf Twitter relativ einhellig die offene Welt und der Rollenspielteil gelobt und ein “Easy Mode” gewünscht wurde, bei dem das Kampfsystem entschärft und abenteurertauglicher gemacht würde, lief auf anderen Kanälen eher ein meiner Meinung nach digitalmasochistisches “Mehr! Mehr! Mehr!” (“Hurt me plenty!”? Oder darf es “Ultra-Violence” sein?) auf.
    Dazu dann etliche Stimmen, die Gelegenheitsspielern nahelegten, sich doch ein einfacheres Spiel zu suchen, wenn sie auf Realismus keine Lust hätten. (Ob das diese Hard-Core-Gamer sind, von denen alle sprechen?)

    Für mich tauchen also mehrere Effekte auf, die ich dem Thema Gatekeeping zuordnen würde.
    Bei Shootern wie Battlefield haben wir Spiele, die rasante Teamaction ohne intrinsische Schwierigkeitsgrade offerieren. Anders gesagt: Der Anspruch wächst erst mit der Zusammenstellung und den Fähigkeiten der Teammitglieder und die Spieler können sich bei genügend großem Serverangebot selbst auf entsprechend anspruchsvolle Partien sortieren. Also alles gut und offen, solange die Server da sind.

    Bei CS:GO sehe ich erstmal ein ähnliches Setting wie bei Battlefield: Das Spiel an sich ist neutral, was die Schwierigkeit angeht. Allerdings gibt es keine Serverauswahl, sondern ein (für mich) intransparentes Matching. Zusätzlich scheinen sich hier vor allem hochkompetitive Spieler zu sammeln, die Einsteigern und Gelegenheitsspielern gerne mal zeigen (oder sagen) wo der Hammer hängt. Der resultierende Druck auf die Spieler steigt stetig und entsteht hier fast ausschließlich aus der Community selbst, die sich in meiner Wahrnehmung dadurch auch von anderen abgrenzt. Vielleicht geht es nur mir so, aber als Casual Gamer stößt mich CS:GO genau deswegen ab, obwohl ich das Spiel an sich mag und im Single Player mit Bots immer noch gerne spiele.

    Bei Spielen mit Handlung, also Kingdom Come oder Sekiro, verstehe ich die Verweise auf das Gesamtkunstwerk durchaus. Auch die Realismusansprüche von Warhorse Studios sind für mich nachvollziehbar, stehen sie doch mit der realitätsnahen Spielwelt und dem historischen Kontext auf festen Beinen. Allerdings steht bei vielen Gelegenheitsspielern das Forschen und Erkunden im Vordergrund, also tatsächlich die in Questen und zufälligen Begegnungen erzählte Geschichte im Vordergrund.
    Meiner Meinung nach nebensächliche Aspekte wie zum Beispiel überkomplizierte Kampfsysteme oder extrem anspruchsvolle Geschicklichkeitspassagen, die letztlich eher von der Story ablenken als sie zu unterstützen, vergällen mir den Spaß am Spiel und übertönen auch irgendwann jede noch so packend inszenierte Story.

    KC:D habe ich bei aller Begeisterung letztlich beiseitegelegt und mich um die möglicherweise interessanten DLCs gar nicht mehr gekümmert.
    Battlefield, CoD, CS:GO liegen auch brach, weil mir die Onlinesessions einfach keinen Spaß mehr machen.

    Ist das Gatekeeping?
    Ich weiß es nicht, ebenso wie ich nicht weiß, was davon Absicht ist und was einfach ein gruppendynamischer Effekt.

    Tobi
  5. Aus persönlichen Gründen habe ich Gatekeeping noch nicht bewusst wahrgenommen. Das liegt sicher auch an der Bubble in der ich mich bewege. Was ja in gewisser Weise dann doch Gatekeeping ist. Nur das ich aus meiner Sicht die Idioten raushalten will.
    Menschen die Gatekeeping betreiben leben meiner Meinung nach einen Zwiespalt. Zum einen wollen sie in ihrer elitären Gemeinschaft bleiben und versuchen diejenigen zu vergraulen die weniger Expertise oder Skill haben. Alles natürlich aus deren Sicht gesehen, denn woran Expertise oder Skill festgemacht wird ist ja genauso wenig klar wie die Definition des Begriffs Gamer.
    Auf der anderen Seite wird sich dann darüber beschwert, dass Videospiele immer noch nicht die öffentliche Anerkennung bekommen die sie eigentlich verdient hätten. Aber wie soll das funktionieren, wenn jedem der versucht neu in das Medium einzutreten toxisch begegnet wird?
    Wie du schon richtig sagst fehlt es an allen Ecken an einer richtigen Definition und wenn man jeden Einzelnen mit dieser Denkweise befragen würde, würde man immer andere Antworten bekommen. Die einen sagen, das fängt beim Geschlecht an, dann geht es mal um die Zeit wann man angefangen hat zu zocken, natürlich ist es auch wichtig worauf gezockt wird. Die Gemeinschaft definiert sich weniger über Gemeinsamkeiten als über brüchige Bündnisse gegenüber anderen. Frei nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.

    Tobi
  6. Um auf das Beispiel mit Sekiro zurück zu kommen: Ich hatte den Eindruck, dass sich dort eher eine Diskussion entzündete, inwieweit ein “Easy Mode ” die Intention des Künstlers verändern würde. Aus meiner Sicht eine legitime Frage, aber in dem Sinne ein anderes Thema.

    Zum Thema Gatekeeping: Mir selbst ist mir sowas noch nicht begegnet, aber dafür Spiel ich nur im kleinen Kreis online und bekomme eventuelle Beleidigungen nicht mit. Es ist aber auf jeden Fall sichtbar, dass die Gamer Gemeinschaft auch mit strukturellen Problemen zu kämpfen hat, sei es wie im Text beschrieben die Zuschreiben eines Titels oder in z.B. sexistischen Strukturen, was wiederum auch eine Form von Gatekeeping ist.
    Danke auf jeden Fall für den schönen Text.

    Tobi
    1. Nein schon richtig. Das eigentliche Ausgangsthema hatte nichts mit Gate Keeping oder Menschen mit Beeinträchtigung zu tun. Es ging einzig um ein paar Journalisten denen das Spiel zu schwer war und auf eine provozierende Art einen Easy Mode gefordert haben. Eine Überschrift war “From Software needs to respect it’s players”.
      Als es dann keine Argumente mehr gab wurden, das muss ich so hart sagen, Menschen mit Beeinträchtigungen instrumentalisiert um eine “Oberhand” in der Diskussion zu gewinnen. Ein komplett anderes Thema.
      Momentan ist der Tenor: wenn du gegen einen easy mode bist, dann bist du ein Gate Keeper oder noch schlimmeres. Egal wie sachlich man argumentiert.
      Diese Verallgemeinerung ist leider auch in diesem Beitrag wiederzufinden.
      Man muss sich schon fast schämen wenn man ein Fan vom Entwickler ist…….

      Tobi