Siebzehn Jahre ist es mittlerweile her, dass GT Interactive – besser bekannt als Atari – den Future-Ego-Shooter Unreal Tournament von Epic Games veröffentlichte.
Und noch immer sind die Erlebnisse und Klänge des Spiels präsent. Weltweit. Auch in meiner Spieler-DNA sind die Strukturen von Facing Worlds und Deck 16 eingebrannt. Wie kommt es, dass ein so betagtes Spiel noch immer mein Maßstab ist, wenn neue Multiplayer-Ego-Shooter auf den Markt kommen?

Sicher, über Unreal Tournament ist schon alles geschrieben worden. Ungezählte Texte sowie tausende von Webseiten und Videos huldigen dem Meisterwerk von Cliff Bleszinski aus dem Jahre 1999. Bleszinski (Design) und Steve Polge (Hauptentwickler) haben mit ihrem Spiel aber nicht nur einen Hit gelandet. Sie haben die Shooter-Landschaft nachhaltig geprägt.
Dabei war es zunächst ein Point-and-Click Adventure namens The Palace of Deceit, das den Gründer von Epic Games Tim Sweeney überzeugte, Bleszinski einen Job bei Epic, zu geben. Von 1994-1998 dann entwickelte der Mann aus Massachusetts, der manchmal nur CliffyB genannt wird, das erste Unreal-Spiel. Die Legende war geboren.
Anfang der 2000er Jahre war Unreal allerdings nicht der einzig gute Shooter im Regal. In meinem Freundeskreis wurden regelmäßig Quake III Arena, Half-Life, NOLF oder Soldier of Fortune gespielt. Alle eben genannte Titel sind großartige Spiele, die ihren Stern auf dem Walk of Games verdienen.
The Sound of Unreal
Dennoch: Unreal Tournament hat alle überlebt. Kein anderer Shooter hat mich immer wieder aufs Neue so fasziniert und so viel Spaß gemacht. Das schnelle Gameplay, die unfassbare Präzision und der brillant treibende Klangteppich des Spiels wurden zu unserer Religion. Bei LAN-Partys war UT das zentrale Spiel. Das hypnotisierende Drum-and-Bass-Geklopfe von Foregone Destruction auf der Map Facing Worlds war der Soundtrack unserer LAN-Party-Lebensphase. Der Mond schwebte am Himmel und alles drehte sich nur um uns. Zwei Teams im unendlichen Weltraum. „You got the flag!“
An dieser Stelle: bei YouTube gibt es ein großartiges Remix-Album mit Tracks aus dem Spiel. Unbedingt reinhören und weitersagen.
M-M-M-Monster-Kill
Aus heutiger Sicht ist UT Zeitzeuge einer fast vergangenen Spielerära. In den 2000ern zählte der Hit von Epic zur Standardausstattung eines LAN-Party-Spielers. In jenen Tagen wurde gemeinsam an einem Ort gespielt. PCs wurden über Hubs oder Switches miteinander vernetzt und danach stundenlange Multiplayer-Gefechte ausgetragen.
Hochgetaktete Grafikkarten und klobige CRT-Monitore heizten die Stimmung zusätzlich an. Aus allen Lautsprechern kreischten „Headshot!“, „Double-Kill“ oder „M-M-M-Monster-Kill“-Ansagen. Es ging von einer Killing-Spree zur nächsten und am Ende wurde abgerechnet. „You have won the match!“ Das war das Ziel.




Jeder der an LAN-Partys teilgenommen hat, kann sich an die Stimmung erinnern. Man spielte gemeinsam in einem sozialen Gefüge und war unmittelbar an den Gefühlen der Mitspieler beteiligt. Heutige Online-Multiplayer-Spiele können höchstens einen Schatten dieser Emotionen abbilden. Leider gibt es aber immer weniger Spiele, die sich im LAN spielen lassen. Zu sehr scheinen die Publisher daran interessiert zu sein, zusätzliches Geld durch die Bereitstellung ihrer Online-Server und weiteren DLCs verdienen zu wollen.
Dennoch gibt es Lichtblicke: Unreal Tournament hält bis heute am LAN-Modus fest und bietet ihn sogar auf den Konsolen-Varianten der UT-Spiele an. Dieses Novum teilt UT mit der Call of Duty-Reihe, die ebenfalls LAN-Support bietet. Darüberhinaus hat sich Marc Rein, Vice President und Mitgründer von Epic, immer wieder für die Unreal-Community stark gemacht und Rücksicht auf die Bedürfnisse der Spieler genommen. So gab es sogar in Unreal 2007 für Playstation 3 die Möglichkeit, Custom Maps direkt in das Spiel zu integrieren.
Diese Offenheit ist ein beständiger Grundpfeiler der Spielserie. Schon kurz nach der Veröffentlichung von UT99 (so wird das erste Spiel der Serie heute genannt) kam des dank des frei verfügbaren Map-Editors zu einer wahren Flut an Maps. Hunderte neue Karten wurden von teilweise sehr talentierten Mappern geschaffen und bereicherten das UT-Universum.

Übersicht der Serie
Die Erfolgsgeschichte von Unreal Tournament begann 1999. Seitdem sind verschiedene Spiele des Multiplayers entstanden. Hier ein kurzer Überblick:
- Unreal Tournament (erschien 1999)
- Unreal Tournament 2003 (erschien 2002)
- Unreal Tournament 2004 (erschien 2004)
- Unreal Tournament 3 (erschien 2007)
- Unreal Tournament (seit 2014)
Es waren aber nicht nur die Maps, die zur Verbreitung des Mythos beitrugen. Spielmodifikationen, sogenannte MODs, münzten UT komplett um, sodass ganz neue Spiele entstanden. Shooter wie Tactical Ops oder das fantastische Strike Force erblickten das Licht der Welt. Später dann wurde die Unreal Engine immer wieder zur Erstellung neuer Spiele lizenziert. Erfolgreiche Beispiele hierfür sind Bioshock, Borderlands oder Dishonored: Die Maske des Zorns.
Dankbares Setting

Die situationsorientierte Auswahl einer Waffe hatte bereits in UT99 einen wesentlichen Anteil am Gameplay. Dabei gingen Sniper, Assault Gun und Raketenwerfer auf einer Map Hand in Hand. Jeder konnte spielen, wie er wollte, und auf seine Art und Weise Erfolge erzielen. Dabei gab es auch für den gut versteckten Sniper keine Garantie, dass nicht auch er von einem ferngelenkten Rocket Launcher Missile zur Strecke gebracht wurde.
Dies brachte viel Bewegung in die Karten und bei vielen Mitspielern eine unvergleichliche Action ins Spiel. Pixelgenaues Zielen mit höchster Präzision war ebenso hilfreich wie ein Treffer mit dem Ripper, der auf mittelgroßer Distanz drehende Metallscheiben durch die Gänge schleuderte.
Bis heute bin ich der Meinung, dass das Spiel auch deshalb so viel Spaß macht, weil es ein eben nicht realistisches Setting hat. Weil ich hier eben nicht in der Wüste von Dubai oder Afghanistan gegen Gegner kämpfen muss, die mir 2016 täglich als vermeintliche Feindbilder in der Tagesschau präsentiert werden. Unreal war eben unreal. Und somit eine perfekte Projektionsfläche und alternative Realität.

Der Reboot
Gute Aussichten gibt es für den nächsten Teil. Denn dieser wird seit 2014 unter der Federführung des ursprünglichen Programmierers Steve Polge, gemeinsam mit der Community entwickelt.
Es handelt sich um einen echten Reboot, der für die Spieler kostenfrei sein soll. Ziel ist es, eine möglichst große Spielergemeinde zu erreichen und das Spiel stetig weiter zu entwickeln. Polge sowie die beiden Designer Jim Brown und Nick Donaldson sind sehr darauf bedacht, das, „was Unreal Tournament ausmacht“, im neuen Spiel zu bewahren. Den Neubeginn der Legende kann man bereits jetzt als Pre-Alpha auf seinen PC herunterladen.

UT99 heute spielen
Die Hardware-Anforderungen von UT99 sind aus heutiger Sicht gering: eine 200 MHz CPU, 32 MB RAM, 300 MB Festplatte und 8 MB Grafikkarte waren ausreichend, um das Spiel flüssig spielen können. Auch heute noch läuft UT99 auf modernen Windows-Betriebssystemen wie Windows 7, 8 oder 10 problemlos. Wer MacOS verwendet, sollte entweder Boot Camp einsetzen oder auf einen Wrapper wie Wineskin ausweichen.
Wir dürfen gespannt sein, wohin uns die Reise von Unreal Tournament führen wird. Ganz sicher aber erneut in fantastische und großartig aussehende Welten. Wie bereits 1999, dem Jahr, in dem UT geboren wurde.
Videobericht
Am 22.11.2019 ist ein Video von heise online erschienen, das euch noch einmal mit den bewegten Bildern des Spiel betört: „Unreal Tournament setzte zu seinem Erscheinen vor 20 Jahren Maßstäbe für Multiplayer-Shooter und beherrschte viele Jahre die Shooter-Szene. Bis Fortnite zum Monsterkill ansetzte.“
Weiterführende Links
- UNREAL REDUX: Wie kommt man dazu, ein AAA-Spiel aus 1998 im Alleingang zu überarbeiten? (hier im Blog)
- Über die Magie von Coop- und LAN-Spielen (hier im Blog)
- Unreal Tournament – offizielle Seite
- UT99.org – Unreal Tournament Community
- The Liandri Archives
- Stay Forever | Unreal (Folge 82)
- 20 Jahre Unreal Tournament: Von Facing Worlds bis Fortnite (Video bei heise online)
Die Screenshots zu diesem Beitrag habe ich auf einem DELL X300 Notebook, Intel Pentium 1200 MHz CPU mit 632 MB RAM und Windows XP SP2 erstellt.
Schreibe einen Kommentar