Ich war 12, als ich mich mit meiner Party von Abenteurern im verfallenen Skara Brae wieder fand. Völlig auf mich alleine gestellt. Wie kam das?
Zuhause hatten wir einen C64. Und da gab es auch das selbst gezeichnete Kartenmaterial zum Spiel von meinem Bruder. Und abgetippte oder kopierte Listen von Zaubersprüchen. Also alles, was man benötigte.
Es war in den Sommerferien, als ich wie immer ein oder zwei Wochen bei Onkel, Tante, Cousins und Cousinen verbrachte. Dort gab es den Blech-128er von meinem Cousin. Das muss Anfang der 1990er Jahre gewesen sein. Und eines Tages, als ich wieder mal die Diskettenbox durchblätterte, beschloss ich, The Bard’s Tale III einzulegen.

Mein Cousin hatte das Spiel auf Original-Disketten. Aber kein Handbuch und keine Packung. Ich denke, er hatte es von einem Freund ausgeborgt. Auf dem Diskettenlabel stand drauf, dass man das Spiel mit LOAD“*“,8 laden könnte . Man könnte die aber auf dem C128 auch einfach einlegen und dann den Computer einschalten. Dann startetet das Spiel von selber.
Ich wusste damals nicht, was den 128er vom 64er Unterschied. Und mein Cousin nutzte ihn auch nur als 64er. Aber da wurde eine Neugier für diesen Computer geweckt, die erst vor zwei oder drei Jahren wieder erwacht ist und die bis heute anhält. Meine Geschichte handelt aber von dem Spiel, nicht von dem Computer.
Ich kannte also The Bard’s Tale III schon von zu Hause, aber besonders weit bin ich bei komplexeren Spielen wie diesem nie gekommen. Oder bei Adventures – bei denen hat sich das bis heute nicht geändert.
Der Zauber fremder Welten
Ich liebte es einfach, mich in diesen Welten zu bewegen. Nicht um des Ziels, sondern um der Reise Willen. Und obwohl ich weder Kartenmaterial noch Handbuch hatte, beschloss ich, mit dem zu Spielen, was ich an Wissen im Kopf hatte. Ich erstellte also eine neue Party und begann, durch die Welt zu schleichen.
Ich hatte keine Lust, eine Karte zu zeichnen. Das Spiel ist ja riesig, und ich wollte mir nur kurz die Zeit vertreiben. Durchspielen würde ich es in dieser Woche ohnehin nicht und auch die Diskette mit dem Spielstand würde ich nicht mit nach Hause nehmen. Aber die Zeit verging und ich spielte und spielte, und meine Abenteurer weigerten sich, das zeitliche zu segnen. Und so gab es keinen erzwungenen Grund, aufzuhören. Keine höhere Macht, die das Spiel beendete.

Eigentlich wanderte ich nur ziellos durch die Gegend. Erst durch die Wildnis, bis ich endlich den Eingang zur Stadt Skara Brae gefunden hatte. Und dann eine Ewigkeit in Skara Brae, ohne eigentlich zu wissen wo mich die Handlung haben wollte, damit sie endlich ihren Anfang nehmen konnte. Ich lief herum, und kämpfte einen Kampf nach dem anderen.
Dass die Kämpfe nur als Textnachrichten abgespult wurden, wird heute oft belächelt. Das hat mich aber nie gestört. Im Gegenteil: die bildhafte Sprache, mit der das Kampfgeschehen und das Ableben der Gegner beschrieben wurde, hat mir immer Spaß gemacht.
Da stand dann sowas wie CONAN swings at a Barbarian and hits him for 97 points of damage. Killing him.
Wenn dann noch der Hunter einen Critical Hit gelandet hat, war das eine riesige Genugtuung. Beim Critical Hit war es nicht wichtig, wieviel Schaden man dem Gegner zufügte. Sobald man getroffen hatte, war der Gegner tot. Das konnten aber halt nur der Hunter und vielleicht der Monk.
Und auch die Gegenstände im Spiel hatten eine magische Faszination auf mich. Es gab viele Waffen und Rüstungsteile nicht nur aus herkömmlichem Eisen, sondern dann auch noch aus Mythril, Adamant, oder Diamant1.
Es gab im Spiel keinen Vorteil, wenn man Schwert, Helm, Rüstung und Handschuhe aus dem selben Material hatte. Aber im Inventory, das ebenfalls nur eine Textliste war, hat es unglaublich gut ausgesehen, vier gleiche Materialbezeichnungen untereinander zu lesen. Obwohl es ein so schönes Spiel ist, hat ein großer Teil der Magie im Kopf stattgefunden. Und Jahre später sind solche Sets in Rollenspielen ja durchaus noch zu großer Relevanz gekommen.
Kleine Erfolge groß feiern
Bei aller Planlosigkeit hatte ich doch ein Ziel im Sinn: das Review Board. Dort wurden die Erfahrungspunkte aus den Kämpfen mit Levelaufstiegen belohnt. Der Augenblick, wo man einen Charakter hochleveln konnte, war immer das Highlight für mich. Zu sehen, welche Werte sich verbessern würden. Und ob die Magier neue Zaubersprüche erlernen würden – vorausgesetzt man hatte genug Gold. Vor meinem inneren Auge sah ich, wie die Helden sich freuten, weil sie stärker geworden waren.
Wie oft war ich in früheren Partien dort hin gelaufen, nur um zu erfahren, dass es wohl noch nicht für ein höheres Level ausreichte. Das Spiel hat auch immer Auskunft gegeben, wieviele Experience Points noch fehlten. Und nach jedem Kampf wurde Buch geführt, ob es wohl schon reichen würde.
Doch dieses Mal war es anders. Ich war so lange unterwegs gewesen, dass jeder Charakter mindestens zwei, wenn nicht sogar drei Levels befördert wurde. Es war großartig.
Wie lange ich dann tatsächlich an dieser Partie gespielt habe, und wie weit ich gekommen bin, kann ich heute nicht mehr sagen. Und es war bestimmt auch nur eine von unzähligen Parties, mit denen ich in ein neues Abenteuer gestürzt bin.
Trotzdem ist mir dieser Augenblick in Erinnerung geblieben, als ich am Review Board ein Level-Up nach dem anderen erhalten habe. Bis heute fallen mir nicht viele Momente ein, wo ich mich durch ein Spiel so stark belohnt gefühlt habe, wie da.
The Bard’s Tale – Nicht nur innerlich schön
Und noch ein zweites Mal hat sich mir The Bards Tale III sehr schön ins Bewusstsein gedrängt: mittlerweile habe ich natürlich meinen eigenen 128er.
Ja, ok. Vier.
Und obwohl ich das Spiel immer wieder mal im Emulator gestartet habe, habe ich es ewig nicht mehr auf einem Röhrenbildschirm gesehen. Glückspilz der ich bin, habe ich auch einen Commodore 1901. Vielleicht ist das der beste Monitor, den man für C64 und C128 haben kann.
Unlängst habe ich The Bard’s Tale III zum ersten mal auf diesem gesehen. Und mir haben die Worte gefehlt, wie schön es darauf aussieht. Wie im Intro der Barde am Lagerfeuer seine Geschichte erzählt. Aber auch im Spiel, wo diese stimmungsvolle Umrandung aus Steinen dem Spiel einen sprichwörtlichen Rahmen gibt. Leider kann kein Foto diesem Eindruck gerecht werden.
Die Art, wie dieses Spiel gemacht ist und gespielt wird ist natürlich mittlerweile in die Jahre gekommen. Wie so oft gibt es aber auch hier noch eine kleine, aber sehr feine, aktive Community. Unter https://dungeoncrawlers.org/ und dem dazugehörigen Discord findet man viele gleichgesinnte, um diese Spiele auf zu diskutieren. Und vielleicht sogar, sich beim jährlich stattfindenden Game Jam selber einmal an einem zu versuchen.
Übrigens habe ich es bis heute nicht durchgespielt. Die vielen Dimensionen, die man bereisen kann, kenne ich nur aus Erzählungen. Und Gesamtlösungen. Und ich weiß garnicht, ob ich mir diese kindliche Naivität überhaupt nehmen will.
Aber eins weiß ich: für mich ist The Bard’s Tale III aus vielen unterschiedlichen Gründen eines der großen Wunder der 8-Bit Ära. Und eines der schönsten.
Permalink: https://www.videospielgeschichten.de/the-bards-tale-iii-in-skara-brae-mit-12-allein/
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