Albtraumgeschichten – AMONG THE SLEEP

Von Eine_Franzi am
Kommentiert von: Tobi, André Eymann, Svila, Jessica Kathmann
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Wenn Eltern Kinder kriegen – und es dann nicht mehr läuft. Dann ist äußerste Vorsicht geboten, denn Kinder, egal welchen Alters, bekommen alles mit. Alles. Und in der kleinen Seele kann es dadurch ganz schön düster aussehen …

Als ich AMONG THE SLEEP anfing, dachte ich vor dem Stream an ein 0815-Horrorgame, das ein paar Jumpscares beinhaltet und man vor “dem großen Bösen” wegrennen muss. Aber mal wieder bin ich an ein Spiel geraten, das viel mehr beinhaltet, als es auf den ersten Blick aussieht. Und wieder einmal gab es am Ende einen Plottwist, bei dem mir ein Schauer über den Rücken lief … aber erst einmal ganz von vorn!

Unser Teddy bringt Licht ins Leben, auch wenn es noch so dunkel sein mag.
Unser Teddy bringt Licht ins Leben, auch wenn es noch so dunkel sein mag.

Es fängt ganz harmlos an …

First things first: In den Einstellungen kann man seinen Pyjama anpassen. Super gut!!! Ich habe mich für einen grauen Regenbogen-Pyjama mit Einhörnern entschieden. Ein schöner Kontrast zwischen farblos und farbenfroh.

Und noch besser: Ich habe heute Geburtstag und werde sagenhafte zwei Jahre alt, PAEERTEEYY! Dafür bekomme ich von Mama auch einen leckeren Kuchen. In meinem Kopf war es ein Schokoladenkuchen mit Erdbeerfrosting drauf. Einfach, weil ich die Kombi Erdbeeren und Schokolade so gut finde. Wir haben Spaß, werfen den Ball vom Tisch und spielen mit dem Abakus herum.

… aber dann!

Plötzlich wird Mama unruhig und geht zur Tür. Ich höre eine laute Diskussion, bis Mama zurückkommt – mit einem Geschenk. Und was könnte Besseres da drin sein, als ein neuer Teddy (er ist so flauschiiiiiig), der für den Rest des Tages unser Lieblingskuscheltier und Spielgefährte sein wird, bis wir liebevoll von Mama zu Bett gebracht werden. Allerdings ohne Zähneputzen, kann man an so einem speziellen Tag ja ausnahmsweise mal vergessen.

Bunt, warm, einladend - Ein Wohlfühlort für kleine Menschlein
Bunt, warm, einladend – ein Wohlfühlort für kleine Menschlein

Alles ist so groooooooß

Da ich Pädagogin bin, sind mir natürlich einige Dinge aufgefallen, die nicht ganz so stimmig sind. Beispielsweise können wir noch kein einziges Wort sprechen, malen aber wie Klein-Picasso. Sogar Kopffüßler sind mit dabei. Eher untypisch für ein Zweijähriges, jedoch gibt es der Atmosphäre des Spiels mehr Charme. Ich habe mich auf jeden Fall sehr klein gefühlt. Sehr, sehr, sehr klein.

Aber hey, ich kann Stühle umschubsen! Und meine Treffsicherheit ist “over 9000”, wenn ich mit einem Tennisball eine fast fünf Meter entfernte Glasflasche treffe. Wie gesagt, es ist zwar schon sehr realitätsfern – aber es ist toll. So müssen sich die Kiddies auf meiner Arbeit fühlen. Wenn ich so recht überlege, vielleicht war sie ja auch nur einen Meter entfernt … aber es sieht alles SO GROSS aus von da unten!

Der Horror beginnt

Des Nachts werde ich wach … Etwas zieht meinen Teddy von mir … Und wagt es dann noch, mich aus dem Bett zu schubsen! Hey, was soll das, ich brauche meinen Schönheitsschlaf?! Ich werde wütend und schwöre, wer auch immer mich aus dem Bett geschubst und mich des Schlafs beraubt hat, der wird es noch bitter bereuen!

Ich krabble erst mal in den Flur und höre aus dem Wäscheraum so komische Geräusche. Oh nein, mein Teddy! Er ist gefangen in diesem riesengroßen weißen Quadratmonster! Wie kann ich ihn befreien? Er scheint fast zu ertrinken! Man merkt, ich habe mich richtig in die Rolle der zweijährigen Tochter eingefühlt. Ich hab es genossen. Und es war ein so schöner Moment, als alles so dunkel wurde, ich den Teddy an mich drückte, damit er mir Hoffnung und Licht spendete. Hach, es war ein tolles Abenteuer. Vielleicht gehe zu Mami und … Hey! Wo ist meine Mami???

Erinnerungen sind der Schlüssel - aber wozu?
Erinnerungen sind der Schlüssel – aber wozu?

Plottwist

Dann machen wir, mein Teddy und ich, uns auf die Suche nach Mutter. Auf unserer Reise müssen wir Erinnerungsstücke finden, uns vor einer “Baumhexe” verstecken und versuchen, keine Glasflaschen umzuwerfen, denn das “Mantelmonster” kommt, um uns zu holen. Es ist mal mehr, mal weniger gruselig.

Das Gameplay an sich ist einfach gestrickt und die Aufgaben sind leicht zu bewältigen. Aber irgendwann, als wir am Ende der Reise angekommen zu sein scheinen, wird mir mein Teddy weggenommen. Und wir als Spieler finden heraus, was wirklich hinter der ganzen Geschichte steckt.

Achtung, Spoilergefahr!

Es heißt ja, dass man in seinen Träumen die Geschehnisse des Tages überwältigt. So wohl auch bei mir, dem kleinen, zweijährigen Mädchen, dessen Mutter angefangen hat, zu trinken.

Während ich meine Träume und das Haus erforsche, stoße ich immer wieder auf zerrissene Fotos von Mama und Papa. Zu den guten Erinnerungen, die wir mit unserer Mutter haben, kommen stets schlechte hinzu. Überall Bierflaschen, umgestoßene Weingläser. Flecken auf dem Boden. Mama geht es schlecht, und das lässt sie leider an mir aus. Ich werde weggeschubst. Immer wieder sagt sie “Nicht jetzt, Schatz”.

Hoffnung

Es scheint, als sei der Alkohol der einzige Trost für sie. Und das erfahren wir an Körper und Seele. Umso erschütternder das Ende: Ich sehe sie am Boden, weinend, an einem Küchenschrank angelehnt. Neben ihr wieder Alkohol. Und als ich mich ihr nähern möchte, schubst sie mich weg und wirft dabei den Teddy, dem sie vorher einen Arm ausriss, fort. Sie entschuldigt sich, oder eher, versucht es.

Es klopft plötzlich an der Tür. Ich vernehme eine dumpfe Stimme. Unsere Rettung naht – und sie heißt Daddy. Da musste ich erst mal durchatmen. Im Nachhinein habe ich ein paar Tränen verdrückt. Wenn Eltern sich untereinander nicht verstehen und es zu großen Problemen kommt, dann werden die Probleme zum Albtraum für Kinder.

Deswegen, liebe Eltern: auch, wenn es nicht mehr funktioniert zwischen euch. Es muss zwischen Mom und Dad und dem Kind funktionieren. Denn auch die Kleinsten können große Sorgen entwickeln, die sie ein Leben lang mit sich tragen …


Veröffentlicht in: Spielebesprechungen
WolfgangAndré EymannTobi

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Kommentare (12)

  1. Huhu Svilla,

    vielen Dank für deinen Artikel! Ich habe Among the Sleep auch erst vor wenigen Wochen durchgespielt und war auch begeistert, daher freue ich mich besonders über den Artikel hier. 🙂 Dass man den Pyjama customizen kann, ist leider an mir vorbeigegangen – sehr ärgerlich! 😀

    Auch ich war überrascht von der Tiefe, die das Spiel nach und nach offenbart, auch wenn natürlich nicht alles ganz stimmig ist. Ich bin ja Psychologin mit analytischem Hintergrund und ein Gedanke, der mich umtreibt, ist dieser: Wir haben in der (Albtraum-)Welt des Kleinkinds eine ganz große Schwarz-Weiß-Zeichnung, man könnte vermutlich auch “Spaltung” sagen. Wir haben einerseits die nur-gute Mutter, die irgendwo ganz weit weg ist und die wir wiederhaben wollen, und wir haben die Sumpfhexe und andere Monster (die ich auch weiblich gedeutet habe), die uns Böses antun. Dazwischen gibt es keine Gestalten – außer unser Teddy, der im Sinne eines Übergangsobjekts (Psychoanalytiker*innen freuen sich!) uns etwas Trost und Licht (das fand ich auch eine schöne Spielmechanik) spenden kann. Und diese Spaltung zwischen der guten und der bösen Mutter ist im frühkindlichen Alter noch recht normal, denn das “Zusammendenken” von Gutem und Bösem, dass das in derselben Person sein kann, braucht eine gewisse kognitive und emotionale Reife. Die psychoanalytische Theorie hinter Erkrankungen wie Borderline ist ja auch genau die, dass diese Ambiguität nicht ausgehalten werden kann (auch wenn sie auf einer kognitiven Ebene mitunter gedacht werden kann) und daher noch immer in Schwarz und Weiß, gut und böse, eingeteilt wird. Natürlich aufgrund entsprechender Erfahrungen in der Kindheit, weswegen diese Fähigkeiten nicht ausgebildet werden konnten.

    Erst ganz am Schluss bricht das Spiel mit dieser radikalen Spaltung, als wir die Frau tatsächlich als die alkoholabhängige, gebrochene Mutter erkennen und erahnen, dass sie es gut meint, aber daran aufgrund ihrer Erkrankung scheitert. Das ist eine Leistung, die ein Zweijähriges natürlich noch nicht bringen kann…

    So, das war zumindest mal eine ganz kurze und grobe Zusammenfassung dessen, worüber ich am Ende des Spiels nachgedacht habe…
    Vielen Dank nochmal für deinen Artikel!

    TobiEine_FranziAndré EymannWolfgang
      1. Ja, das stimmt, lieber André! Natürlich gilt das insbesondere dann, wenn man ein Mental Health-Thema aufgreifen möchte, das betonen wir auch bei Behind the Screens im Podcast immer wieder. 🙂

        @Svila: Tut mir übrigens Leid, dass ich beim ersten Kommentar ein L zu viel in deinen Namen gebastelt habe, da war ich unachtsam…

        TobiEine_FranziAndré Eymann
    1. Hallo Jessica, ich bedanke mich herzlichst bei dir für den Kommentar, dein Feedback und deine Geschichte dazu! Ich finde es spannend, wie du den schwarz-weiß-Akzent herauskristallisierst und ja, ich stimme dem definitiv zu. Auch ich als Pädagogin habe ein “klein bisschen” Psychologie inne, aber deine professionelle Aussage zu hören, war sehr interessant. Vielen Dank! 🙂 Liebste Grüße!

      Ach, und wegen dem Namen, das ist kein Problem 😉

      TobiAndré Eymann
  2. Wie schön Du das geschrieben hast Svila. Dein Beitrag und die Vorstellung von Among the Sleep ist durchzogen von Pädagogik und Empathie finde ich. Man spürt förmlich wie Du Dich hineinfühlst in das Erlebte und das macht Deinen Text für mich so besonders.

    Es ist schon beachtlich wie viele “kleine” (oder Indie-)Titel in den letzten Jahren durch die Unity-Engine ihren Weg ans Licht der Öffentlichkeit gefunden haben. Ich finde das ganz toll, denn aufgrund von Job & Familie habe ich nicht so viel Zeit zum Spielen und da kommen mir kurze Spiele sehr entgegen.

    Danke für Deinen Beitrag und bis hoffentlich bald!

    Eine_FranziTobi
    1. Hallo André, vielen lieben Dank für dein Feedback! Ich habe mich erst vor einigen Jahren ins Indie-Genre gewagt und finde es erstaunlich, wie viel SPIEL eigentlich in kurzen, günstigen oder auch total unbekannten kleinen Games steckt. So viel Geschichte, so viele Emotionen, ich freue mich auf noch viele weitere Videospiele aus dieser Sparte! Und danke dir, der nächste Beitrag ist schon angesetzt 😉 Liebe Grüße

      TobiAndré Eymann
      1. Ich freue mich schon sehr auf Deinen nächsten Text! Vielleicht magst Du ja auch einmal einen Beitrag von Dir einsprechen? Dann könnten wir ihn als Hörbeitrag in unserem VSG Podcast anbieten <3

        Eine_Franzi
        1. Hmmmmm das klingt sehr verlockend, aber ich kann mich selbst absolut nicht gut hören 😀 Ich überlege mir da mal was, dann funk ich dich an, vielleicht ja was für Ende des Jahres 😉

          André Eymann
  3. Danke Svila für deine Vorstellung! Ich habe deine Text nur etwa bis zur Hälfte gelesen, da ich Among the Sleep noch auf der Wunschliste habe. Den Trailer, den ich neulich dazu sah, fand ich auf jeden Fall sehr spannend, zumal es auch nicht die alltägliche Spielepampe ist, eine Gruselgeschichte aus der Sicht eines Kleinkindes zu spielen.

    André Eymann
    1. Hallo Tobi, vielen Dank für den Kommentar! 🙂 Wünsche dir viel Spaß beim Durchspielen, es ist wirklich empfehlenswert – und dann freue ich mich auf dein Feedback, wenn du den Rest des Beitrags gelesen hast 🙂 und deine eigenen Erfahrungen. Freue mich drauf <3

      André EymannTobi
      1. So, dank Quarantäne hatte ich jetzt etwas mehr Zeit. Und Among the Sleep war neulich sogar auf der Xbox im Sale, passte ja.
        Beim Spielstart hab ich gar nicht mehr an deinen Text gedacht und finde lustig, dass ich mich instinktiv ebenfalls für die Regenbogen-Einhörner auf zartem Rosa entschieden hatte 😀
        Ich war mir sicher, dass ich das “Kinderspiel” ohne große Probleme spielen werde, hab mich dann aber abends schnell entschieden, dass ich mit Weiterspielen warte, bis es draußen hell ist : Emotional hat es mich dann nicht ganz so getroffen (obwohl es schon echt übel ist, was da offenbart wird), denn ich war ehrlich gesagt froh, dass ich fertig war. Ich bin überhaupt kein Gruselspiel-Spieler mehr und wie du an meinen Zeilen siehst, aus gutem Grund, wenn ich mir schon bei Among the Sleep in die Hose mache. Eine interessante Spielerfahrung war die Welt aus der Sicht eines Kleinkinds dann aber allemal.

        André Eymann