Frostpunk – Wie ich zum brutalen Diktator wurde

Von Philipp Arnold am
Kommentiert von: Diktator, Early Access Gameplay, Amon, Philipp Arnold, Alex, Danny, André Eymann
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Der Abspann rattert den Bildschirm entlang, als ich mit einem Grinsen vor diesem sitze. Ich habe meine Leute gerettet, endlich habe ich es geschafft. Die gute Planung, die harten Entscheidungen, all das Leid, das meine Leute durchleiden mussten. Das Überleben meiner Stadt ist sichergestellt. Doch plötzlich fragt mich das Spiel provokant: “Die Stadt hat überlebt! Aber war es das wert?

Schlagartig wurde mir bewusst, was ich getan hatte. Doch wie kam es so weit? Wie wurde ich zu diesem brutalen fanatischen Diktator? Wie lassen sich meine Entscheidungen rechtfertigen?

Zurück zum Anfang

Frostpunk lässt sich grob als Aufbaustrategiespiel definieren. Doch wer sich eine gemütliche Simulation wie z. B. bei “Cities: Skylines” erwartet, wird an Frostpunk schnell scheitern. Als Anführer der letzten Menschen bekommen wir die Aufgabe, eine neue Zuflucht zu bauen und deren Versorgung zu garantieren.

Ende des 19. Jahrhunderts ist über den Planeten eine Eiszeit hereingebrochen, die letzten Überlebenden setzen vor allem auf Dampfkraft, um gegen den endlosen eisigen Winter anzukämpfen. Wir bauen unsere Stadt rund um einen Generator auf, der mit Kohle angetrieben wird und somit die Quelle der letzten Hoffnung darstellt.

Der Kampf gegen Eis und Verzweiflung kann nur mit knallharter Planung gewonnen werden. (Bild: Quelle)
Der Kampf gegen Eis und Verzweiflung kann nur mit knallharter Planung gewonnen werden. (Bild: Quelle)

Das schwarze Gold dient neben Holz und Stahl als Hauptressource, um Gebäude und Maschinen zu bauen. Geht euch die Kohle aus, fällt die Heizung aus und eure Bürger erkranken an Erfrierungen und sterben im schlimmsten Fall sogar. Selbstredend brauchen eure Leute auch etwas zu essen, deshalb schickt ihr anfangs Jäger los, um Rohfleisch zu besorgen, welches anschließend zu Nahrung weiterverarbeitet wird.

Neben den Grundbedürfnissen wie Wärme, Nahrung und Unterschlupf beeinflussen auch Ereignisse die zwei wichtigsten Erfolgsfaktoren “Unzufriedenheit” und “Hoffnung”. Die Moral eurer Bürger geht schnell den Bach runter, wenn euch die Kohle zum Heizen ausgeht oder eure Bürger hungern müssen.

Zusätzlich kann in Werkstätten an neuen Technologien und Gebäuden, im Austausch für Rohstoffe, geforscht werden. Um all diese Faktoren im Gleichgewicht zu halten, bedarf es guter Planung. Denn sind eure Leute unzufrieden mit eurer Herrschaft oder verlieren jegliche Hoffnung, verjagen sie euch aus der Stadt.

Und genau deshalb endeten meine ersten paar Versuche, meine Stadt durch den Winter zu bringen, mit einem kalten Game Over. 

Wenn der Hunger brennt und die Hoffnung schwindet, habt ihr als Anführer versagt. (Bild: Quelle)
Wenn der Hunger brennt und die Hoffnung schwindet, habt ihr als Anführer versagt. (Bild: Quelle)

Das kann ich besser

Um Zufriedenheit und Hoffnung zu beeinflussen, könnt ihr Gesetze erlassen. Dies kann sowohl aktiv als auch reaktiv geschehen. Aktiv bedeutet, dass ihr ohne besonderen Grund ein Gesetz erlasst. Ein Beispiel zu reaktiven Handlungen wäre, wenn euch eure Bürger nach einem Friedhof fragen, nachdem einer eurer Leute verstorben ist. Alternativ könnt ihr die Toten auch einfach liegen lassen und mit den Konsequenzen leben. 

Etwas kniffliger wird es, wenn euch das erste Mal moralisch fragwürdige Vorschläge zu Gesetzen unterbreitet werden. Immer wieder musste ich abwiegen, ob die Vorteile eines harten Gesetzes mit meinen Wertvorstellungen in Einklang zu bringen waren. Am Anfang des Abenteuers werde ich danach gefragt, ob ich Kinderarbeit einführen möchte. 

Sicher nicht, denke ich mir instinktiv. Doch ich habe kaum noch Arbeitskräfte übrig, die Nahrung geht zur Neige, die Unzufriedenheit ist bereits hoch. Vielleicht setze ich die Kinderarbeit in Kraft lass sie aber nur in der Nahrungsverarbeitung mithelfen? Dort ist es doch schön sicher und warm. Ich könnte in dem Gebäude auch dauerhaft die Heizung anlassen. Dann ist es ja nicht mehr so schlimm! Genau, so mache ich das!

Schritt für Schritt bringt mich das Spiel dazu Entscheidungen zu treffen, welche ich eigentlich völlig ablehnen würde. Aber ich muss meine Leute am Leben halten. Nur ich kann das! Mit jeder Krisensituation gehe ich einen Schritt weiter, runter in den moralischen Sumpf der herzlosen Gesetze und Unterdrückung. Jetzt steht nur noch das Überleben im Vordergrund. Um jeden Preis.

Der Glaube könnte den Menschen Hoffnung geben. Somit baue ich Tempel, Gebetshäuser und veranstalte Festessen, um die Moral der Menschen zu erhöhen. Doch als immer mehr Flüchtlinge meine Stadt erreichen und gleichzeitig die Temperatur weiter sinkt, stellt das die Stadt vor unglaubliche Herausforderungen.

Meine neu geformten Glaubenshüter patrouillieren die Straßen, um aufmüpfige Rebellen zum Schweigen zu bringen. Schließlich mag niemand Miesepeter, die Sprüche über Weltuntergänge an Wände schmieren. Vielleicht sollte ich am nächsten auch mal ein Exempel statuieren.

Nach all den Mühen war es dann endlich geschafft. Nun, es haben nicht alle überlebt, aber die Stadt steht noch. Die meisten Bürger sind wohlauf, zumindest beschwert sich seit einer Weile niemand mehr. Und das alles nur wegen mir, dem einzig wahren Anführer.

Der Preis war hoch, doch das war es am Ende auch wert, oder?


Veröffentlicht in: Podcasts, Spielebesprechungen

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Kommentare (8)

  1. Mir hats extrem Spaß gemacht Diktator zu spielen und so habe ich es auch im ersten Versuch geschafft, sodass die Stadt überlebt. 😀 In der neuen Ordnung ist dann sogar der Hoffnungsreiter ausgegraut, mit der Begründung, dass alle Bürger den eigenen Worten uneingeschränkt Folge leisten. ^^

  2. Frostpunk ist echt ein super Spiel! Ich kann dem Philipp nur beipflichten. Ich bin mit besten Vorsätzen an dieses Spiel gegangen. Aber aus irgendeinem Grund wurden die zu treffenden Entscheidungen immer härter und härter. Am Ende waren zwar alle Aufgaben erfüllt, allerdings nur in dem man knallhart auch gegen die Menschen entschieden hat. Wer weiß, kann ja so gewollt sein?

    Überleben unter solch extremen Bedingen geht halt nicht auf dem Rücken eines Ponys!

  3. Ich fand immer bei Frostpunk faszinierend, wie die moralisch fragwürdigen Entscheidungen an die Spielmechaniken gekoppelt sind. Du willst kein Problem mehr mit Hoffnung haben? Bau doch ein paar Kirchen, stelle ein paar “Aufseher” ein. Desto weiter man da geht, desto leichter hat man es im Spiel aber desto schwieriger lässt sich das mit dem Gewissen vereinbaren. Im großen Ganzen hätte ich mir aber irgendwie doch mehr Auswahlmöglichkeiten gewünscht. Im Endeffekt baut man eben entweder einen Kirchen- oder Militärstaat auf und wenn man alle Szenarien spielen möchte, kann das auf Dauer doch etwas langweilig werden.
    Trotzdem fantastisches Spiel und echt schöner Text! 🙂

  4. Erst vor wenigen Wochen habe ich This War of Mine vom selben Entwicklerteam wie Frost Punk gespielt. Hier machte ich plötzlich die Erfahrung, dass ich ein Spiel abbrechen wollte weil ich mich zwischen zwei möglichen Wegen entscheiden musste. Jeder Weg brachte gravierende negative Folgen mit sich. Das war neu für mich und am Ende ein spannendes Spielerlebnis.
    Aus diesem Grund bin ich auch auf die Spielerfahrung in Frost Punk gespannt. Die habe ich nämlich noch vor mir.

    1. Hi Alex,
      da bin ich sehr gespannt wie dir Frostpunk gefällt. Ich habe bisher keinen Spieldurchlauf geschafft, ohne mindestens ein bis zwei “schlimme” Entscheidungen getroffen zu haben. Finde das sehr spannend, was so ein Spiel mit einem machen kann – und vor allem, was man währenddessen fühlt.

  5. Frostpunk ist ein Spiel, das mir gefallen könnte. Wenn ich mich schon viele Stunden mit einem Unterhaltungsprodukt befasse, möchte ich auch als Mensch etwas daraus mitnehmen – eine Erkenntnis vielleicht, eine Lehre, eine Idee. Ich möchte zur Selbstreflexion gezwungen werden! Das ist mittlerweile mein Anspruch an Unterhaltungsprodukte, egal ob es Spiele, Filme, Serien oder Songs sind. Ich weiß, das ist ein hoher Anspruch, und sehr viele Spiele, Filme, Serien und Songs erfüllen ihn bei weitem nicht. Umso schöner finde ich es dann, wenn sich Entwickler hinsetzen und sagen: “Dieses Spiel soll dem Spieler weh tun.” (Ob die Entwickler von Frostpunk das so gesagt haben, weiß ich nicht, aber nach diesem Artikel kann ich mir das sehr gut vorstellen.) 🙂

    1. Hi Danny,
      ich könnte mir gut vorstellen, dass Frostpunk deinen Wünschen entspricht. Sofern du mit dem Genre und Setting etwas anfangen kannst, solltest du dem Spiel eine Chance geben. Die Entwickler haben hier Game Design und “Message” ausgezeichnet miteinander verwoben.

  6. Ich frage mich oft, warum nicht mehr Videospiele das enorme Potential nutzen, die Spielenden mit ihren “Taten” zu konfrontieren. Es muss ja nicht immer gleich das große moralische Spiel sein, in dem alles im Fazit auf nur ein Betroffenheitsszenario hinausläuft. Schon kleine Momente bzw. Situationen könnte man zur Bewertung heranziehen, um den Spielenden so zu berühren.

    Denn im Vergleich zum Film oder Buch ist die Interaktivität die große Stärke des Videospiels. Schliesslich sitze ich am “Knopf” und kann des Geschehen aktiv beeinflussen. Diese Tatsache, die man im Spiel nicht ungeschehen machen kann, birgt so viele Möglichkeiten für den Verlauf oder die Ergebnisse meiner Handlung.

    Vielen Dank für Deinen Text, der das wichtige Thema wunderbar einfängt und mich wieder einmal angeregt hat darüber nachzudenken.