Flashback – Abenteuer, Schiss und Anerkennung

Lesedauer: 6 Minuten

Gerade unlängst habe ich hier bei den Videospielgeschichten von Lunark gehört. Einem Cinematic Platformer in der Tradition von Prince of Persia oder Another World. Oder aber auch von Flashback.

Für die jüngeren Leser, denen diese Titel nichts sagen, möchte ich kurz zwei Sätze dazu sagen. Als die Computerspiele in den 1980er Jahren endlich begannen, schöne Grafik zu bekommen, gab es diese großen Traum, dass Spiele eines Tages „fotorealistisch“ sein würden. Und wenn man so manche Verpackungsrückseite liest, dann war das eigentlich immer schon ein großes Versprechen der Hersteller. Heute weiß man, dass das noch einige Jahrzehnte entfernt war.

Trotzdem: Prince of Persia war eines der ersten Spiele, wo sich die Spielfigur bewegte, wie ein echter Mensch. Die konnte man nur von der Seite sehen und der Prinz war relativ farbarm. Aber dank Rotoskopie, wo gefilmte Bewegungen mit der Hand auf den Bildschirm übertragen wurden, lösten zumindest die flüssigen Bewegungen einen Teil dieses Versprechens ein.

Prince of Persia. Kampf gegen ein Skelett
Animationen wie im Zeichentrickfilm. Hier die erst 2011 erschienene Fan-Version von Prince of Persia für den C64 (Quelle: c64-wiki.de)

Nun: wir waren aber eigentlich bei Lunark, dem Ururenkel dieser Spiele. Das hab ich mir dann kurz angesehen und beschlossen, es couchtauglich auf der PlayStation 4 zu spielen. Das Spiel hat einen so guten Eindruck bei mir hinterlassen, dass ich schließlich auch wissen wollte, wie gut Opa Flashback auf der PS4 funktionierte, und wie gut es gealtert war.

Warum gerade Flashback, und nicht Prince of Persia oder Another World? Weil meine Geschichte, die es zu Flashback gibt, nun mal zu Flashback passiert ist.

Ich hatte einen Freund in der Kindheit, nennen wir ihn Marco. Wie ich auch hatte er mit dem C64 begonnen. Ich erinnere mich noch genau, dass er immer vom Amiga schwärmte. Und es war auch ausgemachte Sache mit seinem Vater, dass er einen Amiga bekommen würde. Denke ich.

So hatte er schon massenhaft Amiga-Spielezeitschriften mit Heft-Disketten gehortet, damit er dann direkt mit genug Material starten konnte, sobald der Computer endlich da war.

Doch kein Amiga

Und trotzdem stand statt des Amigas eines Tages ein Highscreen Colani Big-Tower unter dem Schreibtisch. Was war der hässlich. Aber heute sind die Kult! Es war ein 486 SX mit 25 MHz. Natürlich brauchten Kinder den Computer damals vor allem als Unterstützung bei der Hausübung. Das weiß jeder. Und da dürfte der Verkäufer bei Metro wohl darauf hingewiesen haben, dass ein PC sinnvoller wäre, als ein Amiga. Das muss so um 1992 oder 1993 gewesen sein.

Und ja, daran ist nicht zu rütteln, dass der PC in die Zukunft betrachtet die bessere Wahl war. Selbst der SX 25. Im darauffolgenden Sommer muss es dann gewesen sein, dass ich viel Zeit bei ihm verbracht habe. Ich hatte damals eigentlich ausschließlich Sicherheitskopien von Originaldisketten die bei anderen Leuten waren. Marco hatte aber irgendwie immer Budget für Original-Spiele.

Schiss und Anerkennung

Aufgewachsen sind wir alle dort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Und von dort nochmal 4 Kilometer außerhalb. Es hatte also was besonderes, wenn man in die Stadt kam, wo es mehr gab, als nur den Bäcker, die Tankstelle und den Gemischtwarenladen. Und so kam es, dass wir eines Tages von seinem Onkel dahin mitgenommen wurden. Ein großer und korrekter Mann. Sehr streng.  Lehrer. Und sich seiner Authorität bewusst. Ich will hier weder dramatisieren noch beschönigen: wir hatten grundsätzlich Schiss vor ihm. Auch wenn nie mehr als laute Worte gefallen waren.

Nebenberuflich war er für eine Versicherung tätig. Und deshalb besaß er einen tragbaren Computer. Ich glaube, es war ein 386 SX Notebook. Mit diesen Flüssigkristalldisplays, wo flüssig noch Programm war, und der Mauszeiger monochrome Schlieren der feinsten Art zog.

Es war die Zeit, als die Erwachsenen nach und nach anfingen, mit Computern zu arbeiten. Und zwar nicht nur die Bastler und Tüftler. Sondern eben auch jene, die ihn als Arbeitsgerät nutzen mussten, ohne sich groß dafür zu interessieren, geschweige denn auszukennen.

Der eigentliche Zweck der Fahrt in die Stadt war dieses Notebook. Onkel Viktor musste damit nämlich in die EDV-Abteilung der Versicherung. Ein Update der Versicherungssoftware stand an. Das wurde damals entweder über einen Stapel Disketten per Post, oder vor Ort gemacht. Und er hatte wohl auch ein, zwei Fragen zu irgendetwas.

Und so kam es, dass uns der Onkel mit dabei haben wollte, wenn er sein Notebook zum Service brachte. Denn wir würden uns sehr viel leichter merken, was dort gesagt und empfohlen wurde. Ich weiß nicht mehr, ob es einen Unterschied gemacht hat, dass wir dabei waren. Vielleicht hat es ihm nur ein besseres Gefühl gegeben. Ich selber war jedenfalls bei keinen weiteren Ausflügen dorthin dabei.

Nach dem Besuch bei der Serviceabteilung ging die Reise weiter in den Elektrofachmarkt. Es gab dort diese endlos langen Regale mit den Spiele Big Boxen, wie man sie damals halt kannte. Und wenn man das Ende des Regals erreicht hatte, bog man in den nächsten Gang ein, und fand das nächste Regal der selben Art vor.

Und vor so einem standen wir, und haben überlegt, welches Spiel gut wäre. Wir haben uns dann gemeinsam für Flashback entschieden. Es kam auf zwei 3,5″ Disketten. Und die hatten kein Etikett drauf, sondern der Titel des Spiels war direkt aufs Plastik gedruckt.

Eine Schlierenkomödie

Die Disketten von Flashback hatten kein Etikett. Sie waren direkt bedruckt. (Quelle: mobygames.com)
Die Disketten von Flashback hatten kein Etikett. Sie waren direkt bedruckt. (Quelle: mobygames.com)

Bevor wir nach Hause kamen, und das Spiel endlich ausprobieren konnten, mussten wir noch mit zum Onkel. Denn wir mussten darauf warten, bis Marcos Vater uns abholte und mit nach Hause nahm. Und wisst ihr was: wir durften Flashback auf diesem Laptop installieren. Natürlich unter der Auflage, dass wir es wieder entfernten, ohne Spuren zu hinterlassen. Aber wir hatten ja bewiesen, dass wir vertrauenswürdig waren.

Es war eine Schlierenkomödie, wie zu erwarten war, und spielten es nicht lange. Und wir entfernten es wieder, restlos. Was aber hängengeblieben ist, ist dieser Sommertag, an dem uns der strenge Onkel wohl gesonnen war, wir ernst genommen wurden, und uns ein Stück Vertrauen entgegengebracht wurde. Ein kleiner Vorgeschmack darauf, wie’s wäre, Erwachsen zu sein.

Endlich auf ins Abenteuer

Irgendwann schafften wir’s dann vor den Colani und konnten das Spiel endlich auf einem ordentlichen Computer spielen. Wir hatten auch gleich eine Spielezeitschrift mit dazu gekauft, wo der erste Teil der Gesamtlösung des Spiels abgedruckt war. Und wir haben das Spiel dann von Beginn an direkt mit der Lösung gespielt.

Der Spieleinstieg im Dschungel bot wunderschöne VGA Grafik (Quelle: mobygames.com)
Der Spieleinstieg im Dschungel bot wunderschöne VGA Grafik (Quelle: mobygames.com)

Ich war an der Tastatur, mein Freund hat wie ein Co-Pilot die Lösung aus dem Heft gelesen. Geschicklichkeitsspiele waren nicht ganz so seins, aber auf diese Art hatten wir beide Spaß an dem Spiel. Als das Ende des Lösungsteil in der Zeitschrift erreicht war, dachte er, wir würden nun aufhören zu spielen. Und dann weiterspielen, wenn die nächste Ausgabe erscheint.

Ohne Lösung würden wir ohnehin nicht sehr weit kommen, meinte er. Ich hab ihn dann aber davon überzeugen können, dass wir ja mal sehen könnten, wie weit wirs schaffen. Wir sind dann noch ziemlich weit gekommen, fertig gespielt haben wir’s aber bestimmt trotzdem nicht. Das wüsste ich, denn damals war es irgendwie klar, dass Spiele so gemacht sind, dass man sie ohnehin nicht schafft. Bruce Lee war da eine der wenigen Ausnahmen für mich – aber ich schweife ab.

Der Vergleich mit Heute

Jetzt auf der PlayStation sind durchaus einige Erinnerungsfetzen zurückgekommen. Die blauen Aliens lösen sich zum Beispiel in sowas wie einer angedeuteten Rauchwolke auf, wenn man sie erledigt hat. Das hab ich damals immer mit einem lässigen „ausgeraucht“ kommentiert. Sehr zur Erheiterung meines Co-Piloten.

Und auch die katastrophale, deutsche Übersetzung fällt mir wieder ein. Die ist nämlich jetzt in der PlayStation Version auch nicht verbessert worden. Aber mei; es war bei weitem nicht der einzige Fall von verbaler Diarrhö bei deutschen Übersetzungen damals.

Jedenfalls bin ich jetzt auf der PlayStation in der letzen Welt angekommen. Wo man wohl auf dem Planeten der Außerirdischen ist. Und hier verlässt mich irgendwie die Motivation. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es auch damals so war.

Lunark hübscht das Spielkonzept der Cinematic Plattformer für die Gegenwart (Quelle: mobygames.com)
Lunark hübscht das Spielkonzept der Cinematic Plattformer für die Gegenwart (Quelle: mobygames.com)

Im direkten Vergleich mit Lunark merkt man schon, wo es Verbesserungspotential gegeben hätte, beziehungsweise was Lunark so großartig macht. Die Steuerung zum Beispiel. Aber auch beim Gegnerverhalten patzt Flashback ordentlich, wenn man ihnen beispielsweise zu Nahe steht. Natürlich findet man da schon wieder rein – speziell weil man das Spiel ja eh mit der Retro-Brille spielt. Trotzdem: ein Flashback in der Lunark Engine wäre wohl das perfekte Remake für so „Junge Wilde“ wie mich gewesen.

Ein Spiel, zwei Geschichten

Mein Freund hat es damals glaub ich nur anfangs schade gefunden, statt des Amiga einen PC bekommen zu haben. Dank VGA war schließlich der PC dem Amiga nun auch in der Darstellung überlegen. Mit seinen Amiga-Heftdisketten konnte er zwar nichts anfangen, Marco kam aber mit dem PC ganz schnell ganz hervorragend klar, und er wurde rasch zu einem der Vorreiter im Freundeskreis, was neue Hardware betraf. Spätestens als er dann Wolfenstein 3D entdeckte, war bei ihm die Frage, welches System das bessere wäre, ohnehin geklärt. Und der PC, auf dem ich Jahre später Tomb Raider und Quake zum ersten Mal mit einer 3DFX Grafikkarte sah, oder aus dem ich meine erste selbstgebrannte CD-ROM nahm, gehörte ebenfalls ihm.

Das sind also meine zwei Geschichten zu Flashback: die von zwei Teenagern, die in den Sommerferien wie Pilot und Co-Pilot gemeinsam vor einem Monitor saßen, und auszogen, um die Welt von den Außerirdischen zu befreien. Und die von zwei Teenagern, die dank ihrer Affinität zu Computern zum ersten Mal auch in der Erwachsenenwelt ernst genommen wurden.

Manchmal sind Videospielgeschichten auch Geschichten übers Erwachsenwerden.

Permalink: https://www.videospielgeschichten.de/flashback-abenteuer-schiss-und-anerkennung/


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TobiLuca

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