Drei skurrile Gaming-Erlebnisse

Von Paul Hartmann am
Kommentiert von: Tobi, Michael, Florian Auer, André Eymann
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Ausgehüpft

  • Tatort: Worms 
  • Geschäft: Siegel Spielwarengeschäft
  • Objekt: Kangaroo

Auf dem Höhepunkt der Atari-Ära erschienen tolle Arcadeumsetzungen für den Atari 2600. Space Invaders, Missile Command und Ms. Pac Man verbreiteten Spielhallenathmosphäre. Je moderner die Spiele wurden, umso größer klaffte jedoch die Lücke zwischen Original und Umsetzung.

Hüpfen oder nicht

Kangaroo liebte ich aus der Spielhalle, aber das verflixte Tier verschlang die Markstücke in rasender Geschwindigkeit. Es war wundervoll anzusehen, wie es lustig durch die Gegend hüpfte, Affen verdrosch und Brücken und Leitern erklomm. Doch war es brutal schwer und die Kollisionsabfrage atomteilchengenau. 

Die Umsetzung

Wie freute ich mich, als es in einer schönen Anzeige von Atari Deutschland in der legendären TeleMatch angekündigt wurde. Bei Siegel in Worms konnte man es nach kurzer Zeit dann auch kaufen. Voller Freude ließ ich es mir aus dem Glasregal herausnehmen und schloß es voller Freude in die Arme. Aber was musste ich auf der Rückseite sehen? Lieblose Balken und ein wenig schönes Kangaroo blickten mir traurig entgegen.

Zum Glück konnte ich es probespielen. Die Enttäuschung schwand und je länger ich spielte, um so mehr schloss ich das verflixte Kangaroo wieder ins Herz. Es war zwar genauso schwer wie der Arcadeautomat, hatte nur drei statt vier Level, aber man konnte ja zu Hause und ohne weitere Verluste an Markstücken spielen.

Das Kangaroo trickst mich aus

Einmal in der Hand, wollte ich natürlich mit Mama Roo, ihr Baby vor den dreisten Affen retten. Vorsorglich hatte ich ja bereits den Geldbeutel mit 130 DM geladen, kosteten doch original Atarispiele damals 129 DM, wenige auch 119 DM. 

An der Kasse hieß es dann jedoch gnadenlos 139 DM! Unerhört, da hatte sich jemand vertan, dies konnte nicht sein, dies durfte nicht. Soviel hatte noch nie ein Atarispiel gekostet. Aber leider war der Preis real und auch nicht verhandelbar. Ein Blick in den Geldbeutel verriet die stolze Summe von 134 DM und ein paar Zerquetschten. Meine Armbanduhr wollten sie nicht als Sicherheit und so mußte ich die 15 Kilometer wieder zurückfahren, Geld nachtanken und hoffen, dass niemand sonst das Spiel in die Griffel bekam. Ich war ausgetrixt worden, von dem tricky Kangaroo.

Happy End – Happy Kangaroo

Zu guter Letzt konnte ich es doch noch in die freudigen Arme schließen, mein irrer Blick hatte es bei der Verkäuferin reserviert. Heute habe ich es auf einer Retrobörse wieder gekauft und spiele es immer wieder gern, trotz seiner Schwierigkeit. Die verzweifelten Hüpfversuche und vorprogrammierten lustigen Abstürze der jungen Gamergeneration entschädigen mich jedesmal für die erlittenen Mühen, zumindest solange bis ich es selbst wieder auf Atari oder Arcade spiele. Es ist und bleibt eben ein verflixtes Kangaroo.

Tele Matsch

Die TeleMatch, wie sie richtig hieß, war das erste deutsche Spielemagazin und ich liebte sie heiß und innig. Versorgte sie doch den ahnungslosen Spieler mit lebenswichtigen Informationen, ob ein Spiel für 129 DM sein Geld wert war oder nicht.

Vorverkauf oder Pech gehabt

Jeden Donnerstag erschien sie, aber nicht in Bürstadt und Umgebung. Einzig die große Bahnhofsbuchhandlung in Bensheim führte sie und auch nur einmal. Bereits Mittwochnachmittags machte ich mich also auf den Weg und es gelang mir sie schon am Vortag zu ergattern. Wurden doch eine Reihe Magazine schon am Vortag geliefert, aber durften noch nicht verkauft werden. Mit viel Geschick gelang es mir, dem Inhaber ein Heft abzuschwatzen. 

Der alte Grummel

Aber nicht jedesmal glückte es, denn der alte Grummel, war manchmal nicht bereit, den Stapel verpackter Hefte schon am Vortag zu öffnen, durchzusehen und das Heft bereits jetzt schon herzugeben. Selbst ein Aufpreis, wurde ignoriert. Wenn er schlechte Laune hatte und ich mußte unverrichteter Dinge und ohne Objekt der Begierde wieder von Dannen ziehen. Ein andermal bekam ich es problemlos schon am Vortag mit einem Lächeln.

Abserviert und bematscht

Ein Tag ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. Ein junges hübsches Mädchen erzählte mit ihm und als ich nach dem Magazin fragte und es sogar seitlich am Fenster voller Freude sah, bekam ich mein Fett weg. Sie sagte laut hörbar: „Was ist denn das Tele Matsch – wie kann man so einen Matsch lesen?“ Meine Versuche der Rehabilitation meiner Person und des Heftes waren völlig vergeblich. Auch der alte grummelige Verkäufer schlug sich auf ihre Seite, waren doch Videospiele damals noch verpönt und man selbst gehörte einer merkwürdigen Spezies an. 

Geneckt vom Verkäufer, der das Heft nicht hergeben wollte und der Lady, die kräftig weiter stichelte, fühlte ich mich wie ein Alien. Bis heute weiß ich nicht, ob es ein Flirtversuch der jungen Lady war, oder sie und ihr Bekannter nur einen armen Videospieler als Opfer suchten. Irgendwann bekam ich das Heft dann doch und suchte das Weite. Ich habe seitdem weder den Begriff Tele Matsch, noch das hübsche Mädchen jemals wieder aus dem Hirn gekriegt. Vielleicht hätte ich besser ein Sexheft kaufen sollen?

Windel Willi

Dig Dug war einer meiner Lieblingsarcade Automaten, bevor es dann später auf dem Atari XL in meinen Besitz wanderte. Aber zunächst konnte es halt nur auf einem fast zwei Meter hohen Automaten gespielt werden. Im Horten in Worms stand im Weg zwischen Kleiderständern nun völlig überraschend ein gepflegtes und oft auch freies Dig Dug, welches ich gerne ansteuerte.

Wieder einmal zwei Mark verdaddelt dachte ich noch und hatte bei 30.000 Punkten alle Leben an Fygar den Drachen oder ein Pooka Monster verloren, wenn mich nicht ein Felsblock, selbst angegraben, erschlagen hatte.

Jetzt kommt Windel Willi

Plötzlich tauchte ein kleiner Junge in einer großen Windel auf und im Schlepptau sein Freund, zum Glück ohne so ein Kleidungsstück. Spielst du auch „Dick Duck“ meinte er zu seinem Freund und ich musste grinsen, ob seiner Aussprache, als auch, das er gerade an den Münzschlitz aber nicht an den Joystick heranreichte.

Aber das Kerlchen war ein ganz gewitztes Bürschlein und schleppte zielstrebig aus der Parfüm- oder Schuhabteilung ein kleines Hockerchen an. Schwer hatte er zu ziehen und schleppen, aber schwupps war er schon obenauf und hatte ein Markstück versenkt.

Jetzt wird es lustig dachte ich noch, der kleine Hosenmatz kann doch gar nicht mit einem Joystick umgehen, geschweige denn einen raffinierten Arcadeautomaten beherrschen. Nach kurzer Zeit jedoch verging mir Hören und Sehen. Windel Willi spielte nicht nur deutlich besser als ich, er pflügte sich ohne ein Leben zu verlieren von Level zu Level. Jedes Monster in seiner Nähe wurde zum Platzen gebracht und keine Bonusfrucht war vor ihm sicher.

Eingreifen einer höheren Instanz

Leider wurde das eindrucksvolle Geschehen bei über 60.000 Punkten von einer energischen Mutter unterbrochen. Da bist du ja schon wieder tönte es plötzlich lautstark. Kräftige mütterliche Arme schnappten sich Bürschlein und Hockerchen und schleiften den kleinen Profi ohne Rücksicht auf Verluste mit sich.

Zwischenzeitlich lief das Spiel nun weiter und ich erbarmte mich und nutzte die Gunst der Stunde. Aber was soll ich sagen, schnell wurde mir in den hohen Levels der Gar raus gemacht und noch heute denke ich daran, wie mich Windel Willi nass machte.


Veröffentlicht in: Videospielgeschichten
ThorstenTobiDirk BockstegersAndré EymannMichael

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Kommentare (4)

  1. Lieber Paul, ich bin grad nicht so auf der Höhe, habe aber wirklich amüsiert deinen Beitrag gelesen. Vielen lieben Dank, dass du deine, mit viel Herz, amüsant verfassten Geschichten mit uns geteilt hast!

    Michael
  2. Das sind aber schöne Erinnerungen, Paul! Und so lustig rübergebracht, dass ich beim Lesen ab und zu laut lachen man musste :). Sehr rührend finde ich auch die “Telematsch”-Geschichte und die Erinnerung an das Mädchen, dass dir nicht mehr aus dem Kopf ging. Das war bestimmt ein Flirtversuch ;).

    Tobi
  3. Ich bin zwar noch ‘ne Generation hinter dir, aber dieses Gefühl kenn ich auch, wenn man ein Spiel im stationären Handel heraussucht und dann das erste Mal in die Hand gedrückt bekommt. Das Gefühl hatte ich zuletzt bei NES Spielen damals anno 1992. Ich erinnere mich noch, dass ich im Februar des Jahres mir über gute Noten Super Mario Bros. 2 angespart hatte und im örtlichen Spielwarenladen durfte ich dann die Pappbox aus dem Regal nehmen. Ganz tolles Gefühl 🙂

    TobiAndré EymannMichael
  4. Hach Paul, danke, dass Du mich so rausreißt aus dem Alltag! Deine Anekdoten sind so wunderbar unbeschwert, dass mir das Herz aufgeht. Skurril trifft es, aber gleichwohl sind Deine Kurzgeschichten eine schöne Zeitreise zu den Anfängen unserer Spielleidenschaft. Man begleitet Dich fast in das Siegel Spielwarengeschäft, so lebendig und spürbar schreibst Du! Einfach herrlich, wie Dich beispielsweise “Windel Willi nass gemacht hat”. Eine ganz große Freude! DANKE <3

    MichaelTobiDirk Bockstegers