Der individuelle Filter

Avatar von Selmar
Lesedauer: 4 Minuten

Wenn ich mir jedes Spiel anschauen könnte, was heute veröffentlicht wird, hätte der Tag wahrscheinlich nicht genug Stunden. Wenn ich dann auf meine digitale Bibliothek schaue, dann brauche ich hier alleine wohl schon Wochen, um mir alle Spiele anzusehen.

Viele habe ich noch nie gespielt, weil sie irgendwie in einem Bundle dabei waren oder aber zu der Sorte gehörten, die ich mir mal anschauen wollte und die gerade im Angebot waren. Ich schaue dann auf diese riesige Liste, die sich auf Steam, Origin, uPlay, GOG, Discrod, Twitch und Humble verteilt und habe schon keine Lust mehr.

Was soll ich spielen?

Ich will aber auch nicht einfach eines herauspicken. Was, wenn es nicht gut ist? Ich nach einiger Zeit des Spielens erst feststelle, dass es nichts für mich ist? Dann habe ich die Zeit verschwendet. Also doch lieber ein Mainstream-Spiel, wo mir ja die Medien suggerieren, dass dieses wirklich gut ist und sich das spielen lohnt? Nein, eher auch nicht. Bei allen “Triple-Ähi”-Spielen habe ich immer dieses “Been there, done that” im Kopf. Dann bin ich nicht nur gelangweilt, sondern fühle mich auch noch beleidigt von den Entwicklern.

CGA Farbpalette

Also wieder zurück zu den Boxen von Spielen, die ich im Schrank stehen habe. Die Auswahl geht jedenfalls haptischer vonstatten. Aber auch hier stehe ich mit Boxen in der Hand vor dem Regal. EGA? VGA? Stelle dann alles wieder zurück und verbringe die restlichen 20 Minuten Freizeit damit, ein Serie zu schauen. Schade, wieder nichts gespielt. Für 20 Minuten lohnt es sich jetzt nun auch nicht mehr. Als ich auf den Play-Button drücke, erinnere ich mich daran, wie es früherTM war.

Ich hatte nur ein paar Spiele zur Auswahl.

Sicher, alle hatten ihre Fehler, keines war ohne Frust und oft habe ich mich gefragt, warum ich es überhaupt spiele. Klar, damalsTM war alles neu, unverbraucht und fantastisch, aber war es nicht auch alternativlos? Heute kann ich mir natürlich genau die Farbe aussuchen, die mir gefällt.

Aber so ist die nächste Farbe auch nur einen kleinen Sprung weiter entfernt. Vielleicht gefällt die mir ja einen Bruchteil besser?

Oft zitiere ich Robert Browning mit Less is more und wie so oft passt es auch hier sehr gut. Was, wenn ich nun hingehe und künstlich diese riesige Menge an Möglichkeiten beschränke? Mich dazu verdonnere, mich nicht ablenken zu lassen? Nicht nach links und rechts oder unten und oben zu schauen. Mein Ziel im Auge behalte. Sicher, die fantastischen Welten eines Sechsjährigen werde ich nie mehr sehen, aber ich könnte vielleicht durch diese Beschränkung das Wesentliche wiederfinden. Das, was mich an dem Medium Videospiel so begeistert hat.

Die berühmten 16,7 Millionen Farben aus der SVGA-Werbung

Der Spielspaß: die Lösung?

In einem kleinen Selbstexperiment beginne ich. Verflixt, es ist schwerer, als gedacht, nicht gleich die Flinte ins Korn zu werfen. Ich muss mich kontrollieren oder vielleicht noch besser, mich kontrollieren lassen. Ich beginne, einem Freund von meinen Spielerlebnissen zu berichten. Dann kommt uns die Idee, wir nehmen das Ganze auf und laden es irgendwo hoch. Er ist dabei und unserer kleiner YT-Kanal entsteht.

Wie filtere ich die Spiele raus, die ich gern spielen möchte? Ich nehme mir vor, nicht zwei vom gleichen Genre hintereinander zu spielen. Ich nehme mir vor, nicht zwei Action- oder Strategie-Titel hintereinander zu spielen. Ich nehme mir vor, alle Spiele zumindest solange zu spielen, bis ich sicher bin, dass ich das Spielprinzip verstanden habe. Nur so habe ich dann die Möglichkeit, mich zu entscheiden, ob es Spaß macht oder nicht.

Erfolg?

Jein, zum Teil. Ich muss gestehen, dass ich diesen Zwang des Weiterspielens wirklich gut finde. Ich weiß, dass ich jetzt ein Video hochladen will und dass ich nicht lustlos einfach dahinspielen will. Vor einer Aufnahme besinne ich mich darauf, was ich hier erreichen will. Klar, wenn ich keine Lust auf das Spiel hätte, hilft mir das auch nicht, aber das war bis jetzt noch nie wirklich der Fall. Ich habe schon Spiele abgebrochen, aber dies erst nach einiger Zeit. Nie hatte ich eine Aufnahme, vor der ich dachte:

“boah, darauf habe ich jetzt mal so gar keine Lust.”

Es hat mir immer Spaß gemacht, mich länger mit einem Spiel zu befassen. Auch über mehrere Jahre hinweg spiele ich immer noch einige Spiele wieder und wieder.

Was kann das für euch bedeuten? Das müsst ihr natürlich selbst für euch entscheiden. Ihr sollt jetzt keinen YT-Kanal aufmachen oder Freunde dazu zwingen, euch bei eurem Spielkonsum zu kontrollieren, aber vielleicht habt ihr genau das gleiche Problem und schaut dann doch lieber TV oder eine Serie. Vielleicht habt ihr auch immer Ausreden, weil das Setup des Spiels so kompliziert ist, der Emulator rumzickt, das Gamepad nicht so gut ist oder oder oder. Dann versucht es doch vielleicht mal mit meinem Ansatz.

Ich habe hier ein paar Filterparameter, mit denen sich die Menge zumindest recht schnell auf eine überschaubare Zahl an Spielen reduzieren ließe. Diese Parameter müsst ihr natürlich mit Mobygames oder eurer eigenen Spieleliste abgleichen. Ihr nutzt die Filtertypen dann in einer Kombination, bis ihr das gewünschte Ergebnis bekommt. Ihr könnt auch mehrere Filter aus einem Filtertyp verwenden.

Basis-Filter

  • Genre
  • Erscheinungsjahr
  • System
  • Entwickler
  • Publisher
  • Sprache
  • etc.

Modifikations-Filter

  • Coop-Spiel
  • Hardware (Soundkarte, Auflösung, etc.)
  • Thema (Unterwasser, Raumschiffe, Tiere, etc.)
  • Bewertungen (Mobygames, Metacritic, etc.)
  • Cover-Art

Mithilfe dieser Filter solltet ihr eure Auswahl eigentlich sehr schnell eingrenzen können. Gerade die Modifikations-Filter sind leider schwer zu quantifizieren, da diese, wenn, meist nur ungenau, in online-Datenbanken erfasst werden. Ihr müsst hier häufig selbst Hand anlegen, aber da helfen oft schon Screenshots.

Beispiel: Basis-Filter: MS-DOS Spiele aus dem Jahr 1988 vom Entwickler Mircoprose mit dem Thema Raumschiff und in VGA.

Mobygames.com-Beispiel

Die Anfrage bei Mobygames ergibt, dass ich mit dem Thema Raumschiffe schlechte Karten habe, aber Airborne Ranger habe ich schon lange im Schrank stehen und noch nie gespielt. Das schaue ich mir mal an.

So oder so ähnlich ist die Selektion bei mir. Sicher, das mit der Kontrolle ist wie beim, Sport, Abnehmen, Lernen oder auch Spielen. Ich muss mich da selbst disziplinieren, wer damit Probleme hat, dem kann ich z. B. den Dos Game Club (https://www.dosgameclub.com/) empfehlen. Hier werden die Spiele vorausgewählt. Ihr habt einen bestimmten Zeitraum, in dem ihr spielen müsst, und es gibt Leute, mit denen ihr eure Erfahrungen austauschen könnt.

Ihr dürft natürlich auch gern uns auf www.prettyoldpixel.de oder www.youtube.com/prettyoldpixel besuchen und mit uns gemeinsam spielen. Wir freuen uns über jeden, bei dem wir die Begeisterung für ein längst vergessenes Spiel wecken können.


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5 Antworten zu „Der individuelle Filter“

  1. Avatar von Binary Scroll

    Mein Blog hilft mir auch dabei, Spiele konzentrierter anzugehen. Wenn ich was neues auswähle gehe ich meistens mein Regal durch und suche mir die Titel zusammen, die gerade zu meiner Stimmung passen. Inzwischen schreibe ich mir auch auf, welche Titel ich angefangen habe. Falls ich doch wieder abgelenkt wurde weiß ich dann wenigstens, womit ich dann wieder weitermachen muss. Sobald ich merke, dass eins meiner Spiele nicht mein Ding ist, breche ich es einfach ab: Ein Spiel weniger, um das man sich Gedanken machen muss 🙂

    1. Avatar von Selmar

      Ja, stimmt, so etwas hilft natürlich auch. Aber du brichst Spiele ab, die nichts für dich sind. Manchmal muss man sich aber durch ein Stück-Spiel-Mechanik „durchbeißen“ um dann an den ungeschliffenen Diamanten zu kommen. Ich finde es immer schwer den Zeitpunkt abzupassen an dem ich mir sicher bin, dass da kein Diamant mehr ist.

  2. Avatar von Tobi

    Hey, danke für den tollen Beitrag!
    Lutigerweise habe ich gerade heute Morgen an Burntime gedacht und nach dem Lesen hier ebenfalls auf deiner Seite entdeckt ^^

    Ich denke, wir haben hier ein generelles Problem der digitalen Flut. Prime, Netflix, Steam und ich glaube mehr als ein halbes Dutzend anderer Launcher. Immer und (fast) überall.
    Aber manchmal ist weniger einfach mehr.
    Das habe ich mir seit einiger Zeit überlegt und daraufhin ein paar Wochen lang das Internet für mich persönlich gekappt.
    War gut und musste mal sein. Durchatmen, Gedanken ordnen. Ich war einfach voll.

    Ich denke, es ist ähnlich bei dem, was Du beschreibst. Was soll ich spielen? Welchen Film oder welche Serie kenne ich noch nicht? Ich seh‘ den Wald vor Bäumen nicht.
    Die Masse an Titeln ist nicht unbedingt ausschlaggebend. Bei Games habe ich gerne eine Box im Regal, in der Hand, vielleicht noch eine Karte dabei. Genial. Findet man leider nicht mehr heute, es sei denn in irgendwelchen teuren Collector’s Editions.
    Generell mag ich coole Effekte, auf jeden Fall, in Spielen wie in Filmen. Aber oft tendiere ich einfach zu klassichen Unterhaltungsmedien, die einen guten Plot haben oder mir einfach gefallen, aber nicht so überladen sind.

    Die von dir gezeigte Idee mit dem Filter ist eine gute Möglichkeit auszusieben, danke für den Tipp.

    1. Avatar von Selmar

      Ja, du hast natürlich Recht, dass wir heute super schnell übersättigt sind. Das ist natürlich nicht nur auf Spiele begrenzt, sondern trift auf so gut wie alle Konsumgüter zu oder? Habe ich so noch nicht drüber nachgedacht.

      Es freut mich dass du Burntime wieder entdeckt hast. Es ist ein sehr interessantes Spiel gerade mit Freunden an einem PC.

      1. Avatar von Tobi

        Ich kenne Burntime nur vom Amiga damals, ich war technikmäßig irgendwie immer meinen Freunden hinterher… Ist eigentlich immer noch so, aber stört es mich heute nicht mehr wirklich – man wird halt reifer und gelassener (hab ich mal gelesen) 😉

        Ja, diese fiese Übersättigung kann man echt ausweiten. Das kann ja jeder für sich persönlich entscheiden, wo und ob überhaupt er oder sie eine Grenze ziehen möchte. Nur ist diese Überreizung meistens nicht statisch und kommt eher schleichend, bis man (vielleicht) irgendwann hintergragt, warum man mit dem großen Ganzen eigentlich gar nicht mehr so glücklich ist.
        Dann ist in meinen Augen (Technik-)Pause Gold wert und man freut sich nach einer Weile wieder auf dieses oder jenes.
        Funktioniert bei mir ganz gut, ich muss aber dazu sagen, dass ich job- & familientechnisch derzeit wirklich wenig Zeit übrig habe, die ich totschlagen kann.