Darstellung eines Pixelaliens aus dem Spiel Space Invadors mit durchschimmerndern Büchern. Er trägt Kopfhörer und hört offenbar einen Podcast.
Pixelalien mit Büchern im Hintergrund und Podcast-Kopfhörer

Ich die Gamerin, die multimediale Sekundärliteraturkonsumentin

Von Claudia Feiner am
Kommentiert von: Alexa Sprawe, Claudia Feiner, Christian, André Eymann, Michael, Lukas, Mario Donick, Dennis Gerecke, Jessica Kathmann, Lenny
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Vor kurzem strömte die letzte Episode des Pixeldiskurs-Podcasts über den Äther. Ein Verdienst dieses Podcast liegt zweifelsohne in großen Teilen darin, den kulturwissenschaftlichen Diskurs über Computerspiele einer breiten Masse zugänglich zu machen, ohne jener weit verbreiteten, exkludierenden akademischen Arroganz. Ich werde ihn vermissen, war er doch Teil meines Alltags und brachte mir im Nebenbei eine herrliche Dosis Computerspielethemen auf die Ohren.

Eine mir geliebte Inspirations- und Informationsquelle hat sich nun also verabschiedet. Das ist insofern tragisch, weil diese Art von Medienkonsum, das Sprechen und Reflektieren über Computerspiele für mich mindestens genauso genussvoll und wichtig geworden ist, wie das Spielen selbst.

Ich genieße es, mich mit Sekundärliteratur wie zum Bespiel narrativen Analysen, behind-the-scenes und Metabetrachtungen zu Videospielen zu beschäftigen. Tatsächlich beläuft sich die Zeit, in der ich spiele auf sehr wenige Stunden pro Woche. Diejenige Zeit, in der ich mich hingegen passiv kognitiv damit beschäftige, umfasst ein Vielfaches. Bin ich damit nun weniger Gamerin?

Computerspiele begleiten mich schon mein ganzes Leben. Ich war Screenager, da war von diesem Begriff noch sehr lange keine Rede. Ab Mitte 20 fürchtete ich aber, das Erwachsenenleben und Gaming würde sich gegenseitig ausschließen und mein Hobby hätte in einem „seriösen“ Lebensentwurf keinen Platz. In meinem Umfeld, obwohl ich in der IT tätig war, gab es kein role model, das, wenn es um das Thema Games ging, nicht eher eine negative Konnotation „Nerd“ trug. Es war die Zeit als die primären Medien zu Computerspielen, die klassischen Printmagazine, ihren Auflagenzenit überschritten und das Internet in einer Himmelsrichtung dämmerte, der sich alle, also auch der klassische Spielejournalismus erst noch zuwenden mussten.

Das Gegenteil meiner Befürchtung ist eingetreten. Nie war es so selbstverständlich über Videospiele zu reden wie heute. In den vergangenen 15 Jahren habe ich beobachtet, wie sich das Sprechen und die Rezeption von Games verändert hat. Das Narrativ der „guiltiy pleasure“ verblasst und ich höre weniger der – oft mangels selbst erworbener Spielekompetenz – nachgeplapperten Ressentiments und polemischer Rhetorik. In meiner Wahrnehmung (oder Bubble?) werden Computerspiele inzwischen als Kunstwerke verstanden, es gibt mehr und mehr Transparenz in den breiten Alltagsmedien und wir sprechen endlich auch in Feuilletons darüber.

Die Nutzung von multimedialer Sekundärliteratur ist für mich nicht nur ein Mittel um passiv an der Welt der Spiele weiter teilzunehmen und sie zu verfolgen, sondern sie hat mein Spiel selbst verändert. Ich kann Computerspiele anders rezipieren und das verdanke ich genau jenem Sekundärkonsum. Es heißt „nur der Wissende sieht“ und ich habe das Gefühl, ich betrachte sie tatsächlich verschieden, lese und verstehe, erkenne sie anders, wie jemand der sich nicht damit beschäftigt.

Der Vollzug des Spiels, das konkrete „Spiel“ – wie Stephan Schwingeler in seinem Buch „Kunstwerk Computerspiel“ so schön schreibt – ist nur noch ein Teil dieses Hobbies.

Das Computerspiel als Medium strebt nach Transparenz – danach, sich im Prozess der Vermittlung zum Verschwinden zu bringen und seine Bedingtheiten zu verunsichtbaren […]

Stephan Schwingeler

Was auf den ersten Blick nach einem Schrumpfen, einem „weniger werden“ klingt, ist in Wahrheit aber darin begründet, dass die Welt um Computerspiele herum, die Kontexte und Contents so expandiert sind. In dieser Medienevolution ist ein eigener Kosmos entstanden, aufgeblüht, sichtbarer, zugänglicher für die nicht spielende Welt da draußen und er hat sie dennoch reicher gemacht.

Es fühlt sich an, als hätte die Gesellschaft zu artikulieren gelernt, wie Spiele eben auch gelesen werden können: als Interaktion, Erfahrbarmachen, Ästhetik, Erleben, Simulation, Immersion und – zugegebenermaßen – manchmal auch nackter Eskapismus.

Wir können darüber jetzt aus diesen Dimensionen heraus und mit einem ausdifferenzierten und interdisziplinären Vokabular darüber sprechen. Spielende und Nichtspielende können Games inzwischen miteinander gemeinsam erschließen.

Ich feiere jedes neue Medium, jeden neuen Podcast, jeden Blog und jeden Artikel, der mir erlaubt, mich mit einem meiner Lieblingsthemen sekundär zu befassen, auch wenn ich selbst gerade nicht den „aktiven“ Part übernehmen kann.

Wie ist es bei euch? Konsumiert ihr auch mehr über Videospiele, als ihr tatsächlich spielt? Habt ihr gute Empfehlungen zu Podcasts, Blogs etc.? Darf ich mich trotzdem (noch) Gamerin nennen? Ich freue mich auf eure Antworten.


Veröffentlicht in: Kolumne
Alexa SpraweDennis GereckeJessica KathmannLennyNadineStephan Rickenmore

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Kommentare (20)

  1. Liebe Claudia,

    ich finde deine Gedanken sehr interessant, vor allem in Bezug auf Videospiele. Während meines Germanistik-Studiums habe ich mich mit ähnlichen Fragen beschäftigt. Es ging dann aber in erster Linie um Literatur- und Filmwahrnehmung. Oft wurde die Meinung vertreten: Wer sich wissenschaftlich mit Literatur und Film beschäftigt, muss auch so viele Werke wie möglich kennen, um Vergleiche herstellen, intertextuelle Bezüge erkennen und das Werk einordnen zu können. “Kennen” heißt in diesem Fall, selbst gelesen oder geschaut zu haben. Interessanterweise beobachte ich, dass dieser Regel für Videospiele nicht zu gelten scheint. Hier reicht es, ein Let’s Play oder Walkthrough zu schauen. Ich frage mich, ob das – zumindest was wissenschaftliches Arbeiten betrifft – ausreicht, weil sich Videospiele insbesondere durch die Interaktivität auszeichnen. Aber das würde jetzt wohl zu weit führen.

    Ich habe schon im Germanistik-Studium gemerkt: Je mehr ich mich mit theoretischen Hintergründen befasse, desto mehr sehe ich – und vielleicht sehe ich dann auch zu viel. Es kam dann eine Phase, in der ich Bücher nicht mehr aus Spaß lesen konnte, weil ich sie – mit meinem Hintergrundwissen – direkt analysierte. Bei Filmen erging es mir ähnlich. Heute bin ich, was Literatur und Filme betrifft, so kritisch geworden, dass ich phasenweise lieber nichts schaue und nichts lese und stattdessen spiele. Noch ist mir der Spielspaß nicht abhanden gekommen, auch wenn ich mich u.a. im Rahmen meines Studiums mit Game Studies beschäftige. Ich hoffe, das bleibt noch eine Weile so.

    Auch wenn ich aktuell sehr viel spiele, würde ich mich persönlich nicht als Gamerin bezeichnen, weil dieser Begriff für mich negativ konnotiert ist. Ich sage immer, dass ich “spiele”; ich spiele digitale und analoge Spiele. “Spieler*in” trifft als Bezeichnung, meiner Meinung nach, auf alle zu, die spielen.

    Danke für denen Text!

    André Eymann
  2. Gamer bleibt man eigentlich für immer 😉 .
    Nachdem bei mir 2009, ich war da dann knapp 25 ,so wirklich die Luft raus war,alles war gefühlt gleich,nichts hat einen mehr vom Hocker gehauen und eigentlich war man doch auch Erwachsen,Zeit sich mit anderen Dingen zu beschäftigen hab ich in einer Kurzschlusshandlung alles verkauft .

    Danach ist man dann irgendwie wie in ein Loch gefallen und man hätte sich selbst in den Hintern treten können.
    Im Nachhinein war es aber nicht verkehrt sich auch mal mit anderen Dingen zu beschäftigen.Trotzdem hat man sich nach einiger Zeit mit dem Thema Gaming wieder beschäftigt indem man sich die neusten News zu Spielen durchlas oder bei Youtube anderen beim Spielen zusah .

    Erst 2019 gab es von der Freundin weil ich ihr immer vorschwärmte wie toll das damals alles so gewesen ist (wie das eben so mit Erinnerungen ist im Rückblick 😀 ) eine PS4 zu Weihnachten .

    Und ja heute ist es anders wie damals ,der Karton lag über eine Woche da bis ich ihn auspackte,man denkt oft ich hätte mal wieder Lust was zu Spielen dabei bleibt es dann aber oftmals,es ist zum vergleich zu früher sehr viel weniger geworden .
    Spiele werden nicht mehr zum Relase gekauft sondern eher im Sale weil es einem das dann doch nicht mehr wert ist,für 20-30€ nimmt man dann doch mal eher einen Titel mit.
    Aber dann und wann gibts eben doch wieder Zeiten wo man jeden Abend seine 3 Stunden davor sitzt ,dann wieder Zeiten da ist das Gerät Tagelang gar nicht an.

    Da beineide ich meine Freundin,denn sie hat noch diese Kindliche Neugier denn als nie Gamerin ist sie durch mich zur Gamerin geworden.
    Ihr System ist nicht die Playstation sondern die Switch,seit gut 8 Wochen gibt es kaum einen Tag wo sie nicht davor sitzt,seit dem besitzt sie nämlich diese Konsole .
    Ich gucke dann gerne auch einfach nur zu wie sie mit Yoshi schimpft weil er nicht das macht was sie will 😀 ,da wird dann mit dem Pad mit gehüpft als wolle sie ihn so nach oben werfen .
    Erinnert einen an sich selbst, wie man vor dem TV saß und den Kopf gedreht hat damit man um die Ecke “gucken” konnte was einen da wohl erwartet .

    Auch war es mir eine Freude mit ihr in den Media Markt zu gehen und ihr da bei der Auswahl behilflich zu sein und sie zu beraten,gefolgt vom Auspacken anschliessen und einrichten der Konsole und die ersten Gehversuche.

    Die Freude und den Spaß ,den man als Kind und Jugendlicher selbst verspürte wenn man die neue Konsole endlich in den Händen hielt und man es kaum abwarten konnte diese endlich zu bespielen.
    Das ist bei mir verloren gegangen,sie hat es noch weil es ihre erste Konsole ist und sie davor nicht wirklich Berührung damit hatte.

    Also ja ich bin Gamer seit 1989 ,seit ein Atari 7800 unter dem Weihnachtbaum stand und werde es wohl immer bleiben auch wenn ich heute nicht mehr jeden Tag Stunden (ach was das waren früher ja in den Ferien ganze Tage) damit verbringe irgendwelche Spiele zu spielen erstens weil ich gar nicht mehr die Zeit und oftmals auch nicht die Lust habe.

    André Eymann
    1. Hallo Christian,

      wie amüsant, dass Du jetzt als durchaus auch als “back-seat gamer” unterwegs bist ;D
      Eine sehr schöne Geschichte! Danke für Deinen Kommentar und viel Spaß weiterhin, beim Mitfiebern und andere in die Welt der Spiele einführen 🙂

  3. Liebe Claudia, ich finde besonders deine Eingangsfrage “Oder kennzeichnet sich die Leidenschaft nicht auch durch das Drumherum aus?” sehr spannend. Ich bin der Meinung, dass das “Drumherum” fundamental für das Spielen ist, sozusagen den Zugang schafft. Ich empfinde ein Spiel als Kunstwerk, dass aus mehreren Komponenten oder auch Aspekten besteht. In den Anfängen waren viele Spieler auch selber Spielentwickler oder Programmierer. So ging es auch mir, dass mich immer die Technologie hinter dem Spiel, also das Know-how interessierte, etwas Neues, mystisches zu schaffen, dass den Spieler in seinen Bann zieht. Hierzu zähle ich auch die Cover-Artwork, die heute leider eher eine untergeordnete Rolle spielt. Wenn ich mit Lara durch den Dschungel laufen und versunkene Ruinen erforschen konnte, dann ja nur, weil einige Entwickler garantiert mit viel Leidenschaft an der Umsetzung ihrer Spielidee arbeiteten.

    André EymannTobiClaudia Feiner
    1. Lieber Michael,

      vielen herzlichen Dank für Deine Gedanken und die Rückmeldung!
      Es stimmt, was Du sagst: Den Aspekt, des Drumherum kann man genauso auch auf die (früher noch vorhandene) Verpackung und zum Beispiel die Anleitungen und das Artwork beziehen.
      Ich glaube, wir kennen alle das Gefühl, wenn man sich ein neues Spiel gekauft hatte und dann im Bus nachhause schon im Beilagenmaterial versunken ist. Es war nicht nur Vorfreude, sondern auch ein beträchtlicher Anteil Vorwegnahme des Genusses, der mit dem Spiel einherging.
      Und was ich auch sehr gut nachvollziehen kann ist der Punkt, dass kreative Lösungen (insbesondere zu Zeiten in denen man mit sehr limitiertem Speicher umgehen musste) eine Ästhetik in sich darstellen. Was Coder*innen und Graphiker*innen geleistet haben, war beeindruckend. Auch hier leisten verschiedenste Medien tolle Arbeit, indem sie uns auf diese Hintergründe aufmerksam machen und uns erläutern, was die Leistung daran war. 🙂

      Tobi
  4. Moingiorno!
    Eine sehr schöne Kolumne, die mir verdeutlicht hat, wie wichtig mir der Diskurs über Spiele neben dem eigentlichen Spielen eigentlich ist. Ich glaube Videospiele würden für mich sehr stark an Reiz verlieren, wenn ich nicht regelmäßigen Meinungen, Erfahrungsberichte und Erkenntnisse aus der Forschung rezipieren würde. Das eröffnet mir einfach regelmäßig neue Perspektiven – gerade, weil das Medium noch so jung ist und viele Aspekte & Wirkmechanismen noch gar nicht ergründet sind.

    Und da explizit danach gefragt wurde, möchte ich zumindest ein paar Empfehlungen dalassen:
    Auf Youtube sind das Extra Credit (Game Design/Research & Education), Razbuten (am prominentesten für die Reihe “Gaming for a non-gamer”) und Game Makers Toolkit (Game Design).
    Als tatsächliche Sekundärliteratur kann ich “Persuasive Games” von Ian Bogost, “Cybertext” von Espen Aarseth und “Computerspiele – eine Ästhetik” von Daniel M. Feige in den Ring werfen. Das MDA-Paper von Hunicke/LeBlanc/Zubek fand ich auch sehr erhellend. Und falls sich jemand für Videospiele im Literaturunterricht interessiert ist auch noch: “Literarisches Verstehen mit narrativen Computerspielen” von Jan Boelmann ganz cool, auch wenn ich seine Trennung von “narrativen” und “nicht-narrativen” Computerspielen nicht ganz teile…
    Und was Podcasts angeht, habe ich wohl mit The Pod & Stay Forever keine Geheimtipps…

    Beste Grüße
    Lukas

    André EymannTobiClaudia FeinerLennyAndre
    1. Hallo Lukas,

      vielen lieben Dank für Deine Worte! Wie erzählt, mir geht es da vollkommen ähnlichen wie Dir!
      Und vielen Dank auch für die tollen Tipps! Die Buchempfehlungen klingen super und ich schau gleich mal rein. 🙂

      Viele Grüße,
      Claudia

  5. Es ist allgemein schwierig, sich im Videospielbereich einen bestimmten Begriff unterzuordnen, da das Medium Videospiel sehr komplex ist. Jemand, der sein Können in einem kompetitiven Multiplayerspiel verbessert, spielt anders als jemand, der mit seinen Freunden in Mario Kart gemütlich ein paar Runden abklappert. Die Erfahrung in einem Abenteuerspiel wie The Last of Us unterscheidet sich deutlich von der Highscore-Jagd in Tetris. Trotzdem werden alle Videospiele in der Kategorie des Videospiels untergeordnet und nur in Genres unterschieden. Meiner Meinung nach fehlt es an klar definierten Begriffen, mit denen sich ein Spieler/Gamer/Zocker betiteln kann. Jemand, der sich leidenschaftlich mit Filmen auseinandersetzt, wird oft als Cineast bezeichnet. Und da du dich leidenschaftlich mit Videospielen auseinandersetzt, würde ich dich als Videospielliebhaberin bezeichnen. Aber egal wie du dich nennst. Du musst nicht massig Videospiele durchspielen, um dich im Kreis der Gaming-Community/Videospielfreunde usw. wohlzufühlen.

    André EymannAlexa SpraweTobiClaudia FeinerLenny
    1. Stimmt, in anderen Medien oder Freizeitaktivitäten gibt es klarere Sub-Genres.
      Bestes Beispiel ist da mein kleiner Bruder. Er ist ein Sony-Pony durch und durch und hat schon immer Konsolenspiele verschlungen. Während er die großen AAA-Titel liebt, bin ich teilweise mit arg nischigen Indie-Experimentialtiteln unterwegs. Wir suchen auch nach ganz unterschiedlichem Erleben, wenn wir spielen und erwarten/erhoffen uns etwas komplett anderes.

      Dennis Gerecke
  6. Mich interessieren die kulturellen Aspekte von Videospielen ja schon seit einer langen Zeit. Der Startschuss für die Leidenschaft meiner „Meta-Betrachtungen“ war der Herbst 1998. Der Flohmarkt-Kauf einer Atari-2600-Jr.-Spielkonsole inkl. eines Joysticks und des Moduls „Donkey Kong“ hatte meine Synapsen nach ca. 10 Jahren Videospiele-Abstinenz wieder in Schwingungen versetzt.

    Die Idee, das Erlebte mit dem Schreiben zu verbinden, entstand durch die Begegnung mit meinem Freund Guido Frank, der seinerseits bereits eine Erinnerung zu Pitfall! auf einer österreichischen Webseite „zu Papier“ gebracht hatte. So begann auch ich zu schreiben und die „Aufarbeitung“ und „Forschung“ hält bis heute an.

    Warum aber?

    Durch das Internet hatte ich schnell festgestellt, dass das Austauschen über Spiele (nicht konkret das Spielen selbst) auch von vielen anderen praktiziert wurde. Es wurden nicht nur Erinnerungen geteilt, sondern schnell entstand eine Bewegung „neue“ Informationen zu produzieren. Viele Reviews natürlich, aber auch Anekdoten oder eben erlebte „Momente“, die in Foren getauscht wurden.

    Dieser soziale Raum hat mich besonders interessiert und so gründete ich „Videospielgeschichten“, eine Webseite um eben diese – wie Du es nennst „Sekundärliteratur“ – festzuhalten. Über die Jahre ist darauf eine greifbare Community entstanden, die viel mehr teilt, als nur zu spielen. Und ja, diese Community ist auch interdisziplinär, wie man an den fliessenden Grenzen zu beispielsweise der Literatur, oder den Hörbetrieb (Podcasts, Radio usw.) erkennen kann.

    Ich spiele dennoch immer wieder auch „in echt“. Dabei ist mein Herz riesig; ich lege mich nicht auf eine Ära, eine Plattform oder ein Genre fest. Das Videospiel ist für mich so faszinierend, dass eine Einschränkung undenkbar für mich wäre.

    Gleichwohl konsumiere ich sehr viel Sekundärliteratur und empfinde da genau wie Du. Insofern berührt Dein Text auch direkt meine Leidenschaft und ich freue mich riesig über Deine Zeilen.

    Auf Deine Frage „Darf ich mich trotzdem (noch) Gamerin nennen?“ möchte ich wie folgt antworten. Für mich bist Du eine universell interessierte, sowie offene und leidenschaftliche Spielerin, die alle wunderbaren Aspekte der Spielkultur gleichermaßen schätzt. Den Begriff „Gamerin“ halte ich – wie viele anderen „Klassifizierungen“ dieser Art, sowie für überflüssig. Nenne Dich wie Du willst, es braucht aus meiner Sicht keine „Kaste“ – die im negativen Fall eh nur zu Gatekeeping führt. Wir sind über vielseitige Interessen verknüpft und im Dialog wird so etwas schnell klar.

    Du liebst Videospiele mit allem was dazu gehört. Ich auch. Und das wird uns immer verbinden.

    TobiClaudia FeinerLennyDennis Gerecke
    1. Lieber André,

      wo soll ich anfangen? Noch bevor wir uns kennenlernten, waren die Videospielgeschichten schon seit langer Zeit eines meiner Fundstücke, in denen ich genau das fand, was mich selbst bewegt: Geschichten rund um Spiele. Das Ungewöhnliche ist die offene und herzliche Einladung selbst die eigenen Gedanken einzubringen und selbst beizutragen.
      Was Du hier erschaffen hast, diese wunderbare niederschwellige Plattform bringt uns alle zusammen und bereichert uns auf so vielen Ebenen! Das kann gar nicht oft genug gesagt werden. Danke Dir!

      AndreTobi
  7. Liebe Claudia, vielen Dank für deine Kolumne! Ja, das Ende des Pixeldiskurs ist für viele einschneidend, mich inbegriffen. Schön, dass du es als Aufhänger genutzt hast, um dein Thema auszuarbeiten!
    Auch ich verbringe mehr Zeit damit, mich mit Spielen zu beschäftigen als sie aktiv zu spielen. Nun ist es bei mir ja nicht nur eine Freizeitbeschäftigung, sondern auch Teil meines Berufs, zu spielen und mit Spielen beschäftigt zu sein, daher sind Vergleiche natürlich eher schwierig. Denn neben dem Konsumieren von Spielen oder der “Sekundärliteratur” produziere ich ja auch Podcasts und Artikel. Das heißt, vieles lese oder höre ich gar nicht aus reinem Interesse, sondern oft als Vorbereitung / Recherche auf etwas, das ich selbst produziere. Aber wo zieht man die Grenze? Wenn ich mir etwas anhöre, zu dessen Thema ich vielleicht IRGENDWANN etwas produzieren möchte, ist das dann privates Interesse oder Recherche? ^^’
    Mal wieder der Klassiker, wenn man ein Hobby zum Beruf macht…

    Für mich ist alles wichtig: Das Spielen selbst, das Erleben und selbst tätig Sein, aber genauso das mentale (für mich) Beschäftigen mit den Spielen und auch das Lesen / Hören von Gedanken von Anderen. Ich finde, erst Hand in Hand entsteht wirklich ein befriedigendes Erlebnis – jedenfalls für mich. 🙂

    TobiClaudia FeinerLennyAndre
    1. Liebe Jessica,

      danke für Deine Antwort!
      Ja, ich glaube, es wird noch eine Weile dauern, bis die “Pixeldiskurs”-Lücke in mir nicht mehr so dolle weh tut 😉
      Und: “I feel you” 😀
      Mittlerweile bin ich auch in der tollen Situation, dass ich private Leidenschaft und berufliche Arbeit verbinden kann. Ich freue mich, Dich und Deine Arbeit auf diese Weise auch hier auf Videospielgeschichten kennen- und schätzen gelernt zu haben. Und ich bin sehr gespannt, wann wir tatsächlich mal persönlich über Games quatschen 😉
      In diesem Sinne, bis hoffentlich auf bald,
      Claudia

      AndreTobi
  8. Selbstverständlich kannst du dich so nennen, siehe Lennys Begründung.

    Randnotiz: Den Begriff “Gamer” mag ich eigentlich nicht so richtig, aus den Gründen, die letztes Jahr bei languageatplay diskutiert wurden (https://languageatplay.de/2020/04/23/opfermythos-und-sexismus-gamer-und-das-gatekeeping-einer-hobbyidentitaet/), aber andererseits ist es vielleicht gut, wenn gerade jemand, der NICHT dem [sic] Klischee-Gamer entspricht, sich als Gamer bezeichnet (auch wenn o.g. Artikel das Reclaiming als sinnlosen Kampf gegen Windmühlen bezeichnet).

    TobiClaudia FeinerLennyDennis GereckeAndre
    1. Mich würde wahnsinnig interessieren, wie du zum Begriff “Zocker” stehst? Gezockt wird in einem Casino aber meiner Meinung nach nicht in einem Videospiel. Ich würde ein Videospiel lieber spielen oder genießen, statt eben zu zocken.

      Claudia Feiner
      1. Den Begriff mag ich auch nicht. 🙂 Das hat so den Beigeschmack des Glücksspiels, des Wettens, vielleicht sogar Betrügens. Das wertet Spiele irgendwie ab.

        Auch wenn die meisten Leute das heute sicher als ganz neutrale Bezeichnung verwenden und da gar nicht diese Assoziation (mehr) haben.

        Claudia Feiner
    2. Hallo Mario,

      vielen lieben Dank für die Perspektive! Tatsächlich geht’s mir auch ein wenig wie Dennis und “zocken” hat für mich eher einen negativen Beigeschmack. Zum Einen wegen der – ich nenne es mal – “linguistischen Nähe” zum erwähnten Glücksspiel und es klingt in meinen Ohren auch nach gierigem und gedankenlosen Konsum von Spielen.
      In meinem Freundeskreis wird “zocken” auch auf Kicken auf dem Bolzplatz angewandt, insofern scheint es doch je nach Gruppe sehr unterschiedliches Verständnis zu geben, was “zocken” eigentlich ist 😉
      Was meinen die anderen? Was wären noch geeignete Verben oder “Bezeichnungen” für uns? 😉

  9. Eine spannende Kolumne.
    Um deine Frage zu beantworten, ja du darfst dich noch Gamer nennen. Egal wieviel du spielst oder wie gut oder was oder wie. Weil es eben wichtig ist sich mit Spielen zu beschäftigen. Sowohl durch das Spielen selbst als auch mit allem drumherum. Und die Möglichkeiten sind heute ja zahlreicher als je zuvor. Ich finde auch, es muss nicht immer ein analytischer Blick sein oder eine kulturelle, psychologische oder politische Perspektive (oder oder oder). VSG ist dafür ja das Beste Beispiel. Es ist aber gut, dass es immer mehr davon gibt und ich wünsche mir, dass es noch weiter in die Mitte kommt. Und zwar nicht nur in die Mitte der breiten Gesellschaft. Sondern vor allem in der Mitte der Spielenden. Meinem Gefühl nach ist das Beschäftigen mit einem Spiel über das reine spielen hinaus eher noch eine Nische. Ja, Spiele sind Kultur, aber wenn auch mal kritisch über Videospiele berichtet wird und das über Grafikfehler hinausgeht, sind mit gleicher Schnelligkeit auch Stimmen laut, die sagen, es sind doch nur Spiele. Aber wahrscheinlich ist es die gleiche alte Frage. Welche Gruppe ist laut und welche Gruppe ist groß. Und natürlich, in welcher Gruppe ist man selbst.

    Alexa SpraweClaudia FeinerTobiDennis GereckeAndreJessica Kathmann
    1. Lieber Lenny,
      vielen lieben Dank auch Dir für Deine Sicht auf die Dinge! 🙂
      Tatsächlich kann und will auch auch gar nicht den professionellen Anspruch auf meine Betrachtungsweise anlegen, wie das zum Beispiel Jessica tut. Wir erleben gerade recht kompakt, wie sich ein Medium sozialisiert. Beim Buch hat das mehrere hundert Jahre gedauert und beim Film immerhin noch gute einhundert. Wir sind in der luxeriösen Position, dass wir innerhalb weniger Jahrzehnte das Heranreifen eines komplett neuen Mediums, inklusive seiner Ausdifferenzierung und seiner – so wie Du sagst – Reise in die Mitte der Gesellschaft erleben.
      Es sind spannende Zeiten.
      Und ja, ich denke auch, dass Spiele nicht nur Spiele sind 😉