Aufnäher von Activision – Der Stoff aus dem die Helden sind

Von Guido Frank am
Kommentiert von: Tobi, Guido Frank, Paul Hartmann, Andreas Wanda
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Eine lange Zeit ist inzwischen vergangen, seitdem ein simples elektronisches Spiel namens Pong die Welt veränderte.

Pong bedeutete erstmals echtes interaktives Fernsehen und für eine ganze Generation entstand dadurch eine völlig neue Art der Freizeitgestaltung. Doch erst die Einführung der Atari VCS Konsole im Jahr 1977 brachte den endgültigen Durchbruch der Videospiele als eigenständiges Unterhaltungsmedium.

Revolutionär war dabei ein wesentliches Merkmal: Anstatt über eine begrenzte Anzahl einprogrammierter Spiele zu verfügen, konnte der Spieler von der Konsole getrennte Module einzeln hinzukaufen. Diese wurden zunächst von Atari selbst, bald aber auch von anderen Spieleherstellern wie Activision, Parker oder Imagic hergestellt. 

Konkurrenz belebt das Geschäft

Ansteckbuttons von Atari, Activision, Imagic und Milton Bradley. (Bild: Guido Frank)
Ansteckbuttons von Atari, Activision, Imagic und Milton Bradley. (Bild: Guido Frank)

Die Aufspaltung in Hard- und Software setzte einen neuen Standard für alle Geräte nachfolgender Generationen und machte das VCS seiner Zeit zur wichtigsten Plattform der Spieleindustrie.

Das Angebot zahlreicher Hersteller führte verständlicher Weise zu einem starken Wettbewerb um bestehende Marktanteile. Die Zielgruppe wurde damals geradezu überhäuft mit Aufklebern, Postern, Prospekten oder den kultigen Ansteckbuttons, einem Werbeträger der sich besonders in den 1980er Jahren großer Beliebtheit erfreute. Ein weiteres Element für ein erfolgreiches Marketing erfüllte der direkte Kundenkontakt und so entstanden nach und nach immer mehr firmeneigene Fanclubs.

Weil „Cheaten“ zu dieser Zeit (Gott sei Dank) noch ein Fremdwort war, spielten Rekorde eine wesentliche Rolle wenn man seine Leistungen mit anderen Spielern messen wollte. In den Clubmagazinen befanden sich deshalb regelmäßig aktuelle Highscore-Listen mit den Namen der besten Spieler. Auch Urkunden waren ein beliebtes Mittel um damit hohe Punktzahlen einzelner Mitglieder zu belohnen.

Extra für solche Zwecke hatte die Firma Activision einen sehr exklusive Prämie im Programm. Bei erreichen bestimmter Punktzahlen erhielt man dort hochwertige Stoffabzeichen, individuell für fast alle Spielmodule aus der hauseigenen Produktpalette.

Jeder Spieler musste allerdings zuerst die von Activision geforderten Punktzahlen durch das Einsenden eines Bildschirmfotos nachweisen, bevor er seinen Anspruch auf so ein Stoffabzeichen geltend machen konnte. Ein nicht ganz leichtes Unterfangen in einer Zeit ohne Digitalkameras.

Der Schwierigkeitsgrad der einzelnen Badges war dabei sehr unterschiedlich. Meist lagen die geforderten Punktzahlen auf Anfängerniveau, einige brachten allerdings auch echte Profis ins schwitzen. Ein gutes Beispiel im Bezug auf „schwitzen“ ist der Klassiker Decathlon. Wer daran zweifelt, sollte einfach versuchen die Grenze von 10.000 Punkten für die Decathlon Goldmedaille zu überbieten.

Urkunde für Decathlon auf der CVG Euro-Con 1999. (Bild: Guido Frank)
Urkunde für Decathlon auf der CVG Euro-Con 1999. (Bild: Guido Frank)
Glückwunschschreiben von Activision für Kaboom! (Bild: Guido Frank)
Glückwunschschreiben von Activision für Kaboom! (Bild: Guido Frank)
Wichtige Aufbügelhinweise. (Bild: Guido Frank)
Wichtige Aufbügelhinweise. (Bild: Guido Frank)

Die Auslieferung der Badges an die Mitglieder erfolgte in der Regel zusammen mit einem offiziellen Schreiben dessen Inhalt zur erreichten Punktzahl gratulierte. Oben ist ein Brief von der amerikanischen Activision Niederlassung für das Spiel Kaboom!abgebildet.

Witzig: Im Anhang des Schreibens wird speziell auf die Gefahren hingewiesen, die entstehen können wenn jemand das Abzeichen auf seine Kleidung aufbügelt (was tatsächlich möglich war). Mit einer Warnung wie auf dem Bild rechts („Heat Seal Instructions Caution“) sollten eventuelle Schadensersatzklagen abgewehrt werden. Ein Vorgehen das in den USA auch heute noch oft üblich ist. Auf der Rückseite des Badges befindet sich eine genaue Anweisung zum Aufbügeln auf die Kleidung. So kann nichts mehr schiefgehen.

Total überdreht

Bei einigen Spielen von Activision bestand die Möglichkeit ein Spiel zu beenden, indem man den Zähler beim erreichen der maximalen Punktzahl von 1.000.000 „überdrehte“. Danach schaltete das Spiel einfach ab.

Logisch, dass solche Punktzahlen nur sehr wenige Personen erzielten. Beim Einsenden eines Bildschirmfotos gratulierte in Deutschland der Activision „Telecrack“ und informierte gleichzeitig über die Anzahl der bisherigen „Eine-Million-Rekordhalter“.

Eine Glückwunschkarte vom „Telecrack“. (Bild: Guido Frank)
Eine Glückwunschkarte vom „Telecrack“. (Bild: Guido Frank)
1.000.000 Punkte bei Keystone Kapers. (Bild: Guido Frank)
1.000.000 Punkte bei Keystone Kapers. (Bild: Guido Frank)

Rekord! Wenn den Zähler von Keystone Kapers vom 999.999 auf 1.000.000 Punkte springt, stoppt das Spiel und links oben auf dem Bildschirm erscheinen lauter Polizeimützen. Für solche Fälle gab es in Amerika sogar zwei extra Aufnäher für Laser Blast und Kaboom!

Ob noch weitere „Eine-Million-Abzeichen“ existierten ist uns leider nicht bekannt. In den USA erschien noch eine ganze Serie speziell für das Atari 5200. Einige der 5200er Badges hatten ein völlig anderes Layout als die in Deutschland bekannten 2600er Badges. Weil Atari die 5200er Konsole aber niemals in Europa auf den Markt brachte, sind gerade diese Aufnäher bei uns so gut wie nicht erhältlich und selbst in Amerika gehören sie zu den seltenen Exemplaren.

Auch für andere Hersteller wie Mattel Intellivision, ColecoVision oder Commodore verteilte Activision Badges, soweit eigene Spiele für diese Systeme erhältlich waren. Rarität: Toy Bizarre gab es nur exklusiv für den Commodore 64 ab einer Punktzahl von 75.000. So gab es also Badges für Konsolen- und Heimcomputerspiele.

Seltenheit und Preise

Toy Bizarre Highscoreabzeichen. (Bild: Guido Frank)
Toy Bizarre Highscoreabzeichen. (Bild: Guido Frank)

Damals wie heute zählen Highscoreabzeichen von Activision zu den begehrten Sammlerstücken der klassischen Konsolen, was nicht zuletzt an ihrem liebvoll gemachten Design und der hohen Qualität liegen dürfte.

Der Seltenheitsgrad eines solchen Stoffabzeichens wird in der Regel von den Verkaufszahlen des dazu passenden Spielmoduls bestimmt. Das bedeutet, daß ein Badge von Pitfall! oder River Raid normalerweise leichter zu bekommen ist, als von den weniger erfolgreichen Titeln. Preise bei eBay Deutschland haben sich je nach Abzeichen bei ca. 15 bis 25 Euro eingependelt, in den USA werden sie inzwischen mit weit höheren Summen gehandelt. Für einzelne Exemplare sind dort selbst Preise weit über USD 50 keine Ausnahme mehr. Woher diese große Abweichung kommt ist schwer zu sagen, Activision verteilte die Abzeichen damals in Amerika genauso wie bei uns in Deutschland.

Selbst gemacht: das Kabobber Highscoreabzeichen. (Bild: Guido Frank)
Selbst gemacht: das Kabobber Highscoreabzeichen. (Bild: Guido Frank)

Das Spiel Kabobber ist niemals offiziell im Handel erschienen und gilt als reiner Prototyp. Obwohl die Entwicklung scheinbar komplett abgeschlossen war, kam es nicht mehr zu einer Veröffentlichung des Spiels. Ein echtes Stoffabzeichen für diesen Titel gab es natürlich nicht. Bei dem Bild rechts handelt es sich um ein selbstentworfenes Design von Dave Giarusso. (Quelle: atariage.com).

Zurzeit der klassischen Konsolen, konnte man seine Siege durch die Badges die man besaß offiziell beurkunden. So konnte man bei seinen Freunden mächtig Eindruck hinterlassen! Da die Spiele in der VCS-Ära nicht so komplexe Ziele verfolgten wie heute, galt die Punktezahl mit als wichtigster Spielanreiz. Aber auch heute sind Punkte wieder wichtig.

Anforderungen für Activision-Spezialabzeichen. (Bild: Guido Frank)
Anforderungen für Activision-Spezialabzeichen. (Bild: Guido Frank)

Bei aktuellen Spielen wie Counter Strike oder Medal Of Honor werden dedizierte Server für ein LAN-Spiel gestartet, die alle erreichten Punktzahlen notieren. Dabei wird eins wieder deutlich: durch den Wettkampf um die Punkte werden die Spiele heute wie früher spannender. Und so hat sich, abgesehen von der Technik, der Spaß beim Siegen im Zusammenspielen nicht geändert. 

Die geniale Idee solche Highscoreabzeichen als Bonus für die Spieler anzubieten blieb bis zum heutigen Tag absolut einzigartig.

Erinnern wir uns also deshalb zurück an die Zeit, als wir für unsere Rekorde noch mit Auszeichnung belohnt wurden.

Galerie mit allen Activision Badges zum Download

Hier findest Du alle Abzeichen die für Atari, Intellivision, ColecoVision oder Commodore 64 erschienen sind zum Download. Zu jedem Badge geben wir Hinweise, welche Rekorde erreicht werden mussten. Die Galerie ist nach Spieletiteln und folgend Systemen sortiert.

Überarbeitete Originalfassung aus dem Dezember 2003.


Veröffentlicht in: Videospielgeschichten
Tobi

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Kommentare (4)

  1. Was für ein interessanter Beitrag, vielen Dank, Guido! Dass es so eine, ich sag mal Nähe, zwischen Spielecompany und Endkunde gab, zeugt meiner Meinung nach von einem damals sehr langfristig denkenden Marketing. Kundenbindung durch physische Prämien, mit denen man selbst erspielte Erfolge verbindet, wie du es schon in einem Kommentar beschreibst. Was für eine geniale Idee und was für wunderbare Erinnerungen, auch noch Jahrzehnte später!
    So wie es für mich aussieht, zeugen beispielsweise solche Goodies von einer euphorischen “Aufbruchstimmung” im recht neuen Spielemarkt damals und dass alle Beteiligten mit viel Leidenschaft total aus dem Häuschen waren, was sie da taten. Was für Zeiten. Dass es solche Aufnäher gab, wusste ich bis zu deinem Beitrag nicht. Vielen Dank dafür!

    Michael
  2. Hallo Guido, eine wundervolle Zusammenstellung der Informationen über die Activision Aufnäher. Ich habe sie zwar aus Magazinen und Spielanleitungen gekannt, aber leider nie einen selbst besessen.

    Die Anforderungen waren meiner Meinung nach recht hoch und so hätte ich es nie zu einem H.E.R.O. Abzeichen, meinem all-time Lieblingsgame für den Atari 2600 geschafft.

    Spaßeshalber habe ich vor ein paar Jahren mal versucht und Seaquest und Stampede dürfte ich voller Stolz tragen, aber in River Raid hätte es eher zum „Quax der Bruchpilot“ Aufnäher gereicht.

    Auf jeden Fall war es damals eine tolle Marketingidee und Activision neben Atari und Parker mein Lieblingsentwickler.

    Schön, dass du das alte Gamingwissen pflegst und daran teilhaben lässt.

    Tobi
    1. Hallo Paul,
      vielen Dank für dein positives Feedback, tatsächlich haben diese Aufnäher für mich damals einen ganz besonderen Anreiz dargestellt. Die Highscore Jagd wurde bei den Activision Games dadurch noch viel intensiver und spannender. Gerade bei den Titeln, die manchmal sogar verschiedene Abzeichen mit steigender Punktzahl im Programm hatten, waren immer eine immense Herausforderung, aber das Erfolgserlebnis am Ende natürlich umso größer. Deshalb bleiben mir Spiele wie „Star Master, Decathlon und Robot Tank“ mit ihren 3-4 unterschiedlichen Abzeichen heute in ganz besonderer Erinnerung.

      Tobi
  3. Jetzt möchte ich mir unbedingt ein Videospieleabzeichen aufbügeln, aber wofür nur?

    Ein einzigartiger Artikel, der durch die besondere Themenwahl geschickt die Frage des damaligen Bruchs mit der Realität touchiert. Man musste erst begreifen, warum die feine Eisenbahn Staub ansetzte während Toy Troubleshooter und Chopper Kommandanten Überstunden einlegten. Solche Abzeichen machten die scheinbar brotlose Beschäftigung zu einem greifbaren, annährend nachvollziehbaren Erfolg. Danke, Guido, für diesen Einblick in die Videospielegeschichte.

    Und jetzt weiß ich es wieder: die Welt könnte “Videogame Historian”-Aufnäher doch gut gebrauchen: ab 10.000 Kommentaren, der Beibrief natürlich signiert von André!

    Tobi