Oder wenn man vor der Realität in Deckung geht
Nein nein, hier geht es mir nicht um den Stones Song. Aber um Spiele. Eher, wenn auch nicht zwingend, um große Spiele. Und da geht’s schon los. Denn wenn die Welt mir offen steht, bin ich meistens ziemlich verloren.
Ich meide große Spiele, schaffe ich sie zeitbedingt doch sowieso fast nie. Arbeit, Familie, irgendwas ist ja immer. Manchmal stolpere ich aber in eins hinein, mag es und spiele es eine Weile am Stück, oder hin und wieder, wenn es zeitlich oder zu meiner Laune passt. Ob ich es jemals beende, das ist eine andere Geschichte, auf die ich mich jetzt gar nicht fokussieren möchte.
Habe ich dann Platz im Spiel und viele Möglichkeiten, macht sich neben dem Erkundungsdrang auch schnell Unbehagen breit: Wo soll ich hin? Und was mache ich, wenn ich angekommen bin?

Ich suche in diesen Spielen Orte, die mir ein digitales Zuhause sein können, trügerische Sicherheit und Beständigkeit geben. Wenn auch nur für einen Moment. Sie sind da, wenn ich Deckung benötige, den Spielstand speichern möchte, oder wenn ich mich regenerieren muss. Und sie sind spätere Anlaufstellen, wenn mir vielleicht die Vorräte ausgehen, oder ich einfach mal verschnaufen will.
Dort läuft dann alles entspannter. Entweder sind die Türen zu, niemand sieht mich, oder effektive Unannehmlichkeiten helfen mir dabei, den nötigen Abstand zu Gegnern zu bewahren. Beispielsweise an einem Lagerfeuer, komfortabel vom Sofa aus, mal ohne Mücken, ohne Zecken, ohne beißenden Rauch im Auge.
Durchatmen.

Zuhause. Was ist das eigentlich?
Home is where the heart is, sagt man ja so schön. Ich mag diesen Spruch nicht besonders. Auch wenn ich weiss, was gemeint ist, kann ich wenig damit anfangen. Um ehrlich zu sein, löst er nur Sehnsucht in mir aus – und das tut weh.
Nach annähernd einem halben Jahrhundert habe ich noch immer keinen Platz im Leben gefunden und drifte innerlich herum. Familie, Job, Haus, tralala. Ja, alles toll. Irgendwie. Ich liebe meine Familie über alles. Und dennoch ist da diese unschöne, zerrissenen Seite in mir. Schließe ich die Augen, bin ich ganz woanders. Immer unterwegs, selten hier. Zu Hause fühle ich mich in diesem Ding, was man Leben nennt, oft nicht und mache meine Ra(s)tlosigkeit dafür mitverantwortlich.
Hintergründe
Als Kind bin ich oft umgezogen. Das hat sich eingebrannt. Zu lange an einem Ort? Oha, da stimmt was nicht.
Es fühlt sich falsch an, sesshaft zu sein. Innerlich irre ich herum und suche scheinbar nach dem nächsten Unterschlupf, denn bleiben werde ich hier wohl wieder mal nicht lange. Der Begriff „angekommen sein“ erscheint mir ebenso schleierhaft. Ich kenne das nicht, denn gedanklich bin ich ja immer „on the run“. Oder mit einem Ort verwurzelt zu sein, mmh. Vielleicht hab ich bisher auch einfach nicht den richtigen gefunden.
Natürlich möchte ich in ein schönes Zuhause kommen nach Feierabend. Natürlich möchte ich dort liebe und vertraute Menschen begrüßen. Aber so richtig passt das alles nicht, denn nach wie vor bin ich auch gerne alleine und mache einen Schlenker zu meinem Debütbeitrag hier auf Videospielgeschichten. Zu spät habe ich meine Vergangenheit und meinen dauerwährenden Gemütszustand durchleuchtet. Dass wir gerade dabei sind, unsere Familie aufzulösen, schmerzt und bricht mir das Herz.
Aber es geht, keine Sorge. Wir haben Unterstützung. Es ist gerade viel, aber es geht. Es geht immer, irgendwie.
Denn wir alle wissen: Es kann ja nicht immer regnen.
Wird schon werden
Also auf zu neuen Ufern, denn um eine neue – bald weitaus kleinere – Bleibe, komme ich nicht umhin. Und weniger ist manchmal mehr. Auch, wenn mein Klassenlehrer es einst unter einem meiner Aufsätze anders sah.
Die Bleibe im Spiel muss nicht prunkvoll oder groß sein. Bitte nicht. Mir reicht das einfachste, kleinste Versteck, um dieses Gefühl in mir auszulösen, gut aufgehoben zu sein. Und da scheint es wieder Parallelen zu meinen Vorlieben im realen Leben zu geben, denn ich bin absolut nicht anspruchsvoll und oft auch sehr rustikal im Herzen. Modern, Komfort, Roomservice? Geh bitte weg.

Da war beispielsweise dieser Norwegenurlaub, der schon ein paar Jahre zurück liegt, bei dem das einzige fließende Wasser der kleine Bach in der Nähe war. Dann wird halt abgekocht und sich kalt gewaschen. Das war einer der schönsten Ausbrüche aus dem, was man vermutlich „normal“ nennt, an den ich mich erinnern kann.
Und auch letzten Herbst sollte es zum Zelten und Wandern bei nachts schon knackigen Temperaturen in den Harz gehen. Frost und Zelten sind kein Widerspruch, da kennen wir uns aus.
Krankheitsbedingt konnten wir die Tour dann aber leider nicht antreten. Und jetzt ist alles anders, mmpf.
Aber zurück zu den Spielen
Ich habe ein paar Beispiele von Unterkünften in Spielen gesammelt, die ich aktuell spiele oder schon etwas länger her gespielt habe. Vielleicht fallen euch ja auch noch welche ein?
Generation Zero und die Unterschlupfe, die über die komplette Karte des fiktiven Teils von Schweden verteilt sind. Es tat immer wieder gut, einen neu zu entdecken, zu verschnaufen und kurz die Beine baumeln zu lassen. Nervige Hydraulikarmee, wie konnte es nur so weit kommen? Sei es in einer der Kirchen, in einem der verlassenen Bunker, der Leuchttürme, oder einfach nur im Keller dieses Mehrfamilienhauses. Meine Safe Zone. Mit den Zelten, die die gleiche Funktion im Spiel haben, war ich auch mehr als zufrieden. Wenn sie auch nicht so viel Schutz boten, trumpften sie immerhin mit Campingatmosphäre.

In Eastshade bekommt das Dach über dem Kopf schnell eine eindrückliche Aufgabe: Hat man noch keinen wärmenden Mantel oder gar ein Zelt bei sich, wird man draußen des Nachts nicht weit kommen. Von Eastshade’s tierischen Bewohnern aufgelesen, wacht man nach so einem „coolen“ Ausflug glücklicherweise in einem warmen Bett auf. Was für ein wundervolles, warmes Spiel übrigens – trotz zahlreicher Bugs.

Terminator Resistance. Ein überraschend atmosphärischer Titel und gefühlt die beste Terminator-Versoftung überhaupt. Keine wirklich offene Welt, aber taten mir hier die Pausen zwischen den Einsätzen gegen Skynets emotionslose Blecharmee in diesem oder jenem Keller immer wieder gut. Auch, wenn hier ein ganz anderer Wind wehte, als beim oftmals eher outdoorlastigen Generation Zero, sich alles dreckiger, elendiger und trostloser zeigte, war ich froh über diese Pausen und den ein oder anderen Plausch, zusammen mit dem Soundtrack die atmosphärische Stärke des Titels. Oder die kurzen, ruhigen Momente inmitten der Stadtruinen, während einer Mission. Ich war immer glücklich über einen Unterschlupf. Hier um die Ecke, dort unter dem Schrottauto durch, „Ah, ein alter Computer, speichern!“ Hier findet mich auch erstmal keiner.

Submerged Hidden Depths. In diesem, weitgehend total ruhigen „Relaxploration“ Spiel gibt es diese Kuppel mit den warmen, freundlichen Farben, in die man ständig zurückkehrt. Ein schöner Ort der Geborgenheit für die Geschwister Miku und Taku, in den sie sich mit gefundenen Dingen gut eingelebt haben. Ich hatte mich dort ebenfalls sehr wohl gefühlt. Das Sequel verfolgt hier ein sehr ähnliches Konzept wie der von mir sehr geliebte Vorgänger, in dem eine alte Kirche als Unterschlupf dient und von der aus man sich in das Abenteuer rund um die überflutete Stadt stürzt.

Dying.. *hust* sterbendes Licht. Ähnlich wie bei Eastshade ist hier der Unterschlupf nachts überlebenswichtig, auch, wenn die Prioritäten hier gaaanz anders gesteckt sind.
Möchte man der in der Dunkelheit plötzlich viel gefährlicheren Zombiehorde (anfangs) nicht als Snack dienen, sucht man rechtzeitig vor Nachteinbruch lieber eins der Verstecke auf, wo auf Wunsch auch die Nacht verbracht (und übersprungen) werden kann. Die Unterschlupfe (Safe Zones) sind ein echter Segen im Spiel, denn hier schafft es keins der zahlreichen und teils sehr anhänglichen Ex-Lebenden hinein.

In Mirror’s Edge Catalyst, dem zweiten Teil (und tatsächlich ist es ja der Vorgänger) des innovativen Parcourklassikers, laufen, rutschen, springen und hangeln wir uns durch die glitzernde und schillernde Hochglanzstadt Glass. Ein wenig Ruhe vor den Sicherheitskräften, die hier und dort herumlungern und so gar nicht mögen, was wir auf den Dächern tun, versprechen die über die Stadt verteilten, kleinen Wohnungen, in denen sich die Runner treffen, dort leben und den Widerstand gegen das System aufrecht halten.

The Hunter – Call of the Wild, aus dem hier zwei der Screenshots stammen, hatte ich mal aus Neugier und aufgrund der hübschen Grafik gekauft. Die großen Areale laden zum Erkunden ein. Auch hier gibt es beispielsweise Jagdhütten zu entdecken, in denen man sich ausrüsten und übernachten kann. Allerdings verfehle ich total denn Sinn eines Jagdspiels, denn ich bin viel zu tierlieb, als dass ich dort wild um mich schießen würde. Der Screenshot zeigt eine verlassene Hütte, in der es lediglich etwas zu entdecken gibt.

Skyrim, fällt mir da noch ein, na klar. Hier gibt es sogar ganze Häuser, die man sein Eigen nennen kann. Ich muss aber gestehen, dass mich dieses Abenteuer – trotz schon grafisch aufgepäppelter Special Edition – entgegen so vielen anderen Tests und Meinungen kaum in seinen Bann zog und ich schon recht früh abgebrochen habe. Ich vermute, es lag auch an der Aussichtslosigkeit, das Ding jemals zu beenden, aber Fantasy ist eh nicht so mein Ding.
Ähnlich hier: Drehe ich die Uhr noch einige Jahre weiter zurück, denke ich an Morrowind. Hier hatte ich, gleich im ersten Ort, Seyda Neen, eine einfache Bretterhütte mit allem, was nicht in mein Inventar passte, „dekoriert“ (eventuell auch vollgemüllt) und kam später gerne dorthin zurück, um mich an meinem „Schatz“ zu erlaben und zu bedienen. So richtig „richtig“ gespielt habe ich es aber nie und eher Blödsinn gemacht.
Genau wie in Grand Theft Auto mit seinen Wohnungen. Schöne Idee. Nach Hause kommen, schlafen (speichern), umziehen, weiter geht’s. Gut gemacht, aber mein Morrowind Phänomen trat auch hier auf und ich habe kaum einen GTA Teil jemals richtig gespielt.
Meine Zufluchtsorte

Ich gehe sogar so weit, dass ich lieber in solchen Verstecken oder Ruhezonen, wie dieser Insel speichere (da ist tatsächlich ein Zelt drauf versteckt), um später stressfrei von meinem sicheren Lager aus wieder zu starten. Dafür nehme ich manchmal sogar schräge Umwege in Kauf.
Diese Abläufe helfen mir, etwas zur Ruhe kommen, weil sie mir Sicherheit verschaffen, ich dadurch im Spiel zur Ruhe komme und durchatmen kann. Wahrscheinlich sehne ich mich auch so im Spiel danach, weil mein richtiges Leben ein einziges Chaos ist.
Wie ist das bei euch? Übertreibe ich oder könnt ihr euch vielleicht sogar ein wenig mit meinen Vorlieben identifizieren?
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