Firewatch – Eine Interpretation

Avatar von Constantin Becker
Lesedauer: 5 Minuten

Ich habe soeben das Videospiel Firewatch von dem Entwicklerstudio Campo Santo von meiner Pile of Shame gestrichen und möchte in folgendem Text meine Interpretation des Spiels darstellen und begründen.

Spoilerwarnung: Die komplette Handlung von Firewatch (2016) wird in dieser Interpretation des Spiels gespoilert.

Unzuverlässiger Erzähler

In Firewatch spielt man Henry in Ego-Perspektive, welcher in Folge einer Demenzerkrankung seiner jungen Frau Julia (41 Jahre) und der anschließenden Trennung, einen Job als Feuerwächter in einem Nationalpark in Wyoming USA annimmt. Dabei bekommt er alle Arbeitsaufträge seiner Chefin Delilah über ein Funkgerät zugesprochen. Im Laufe des sechsstündigen Spiels werden wir Zeuge der unschuldigen Verdächtigung eines sexuellen Übergriffs an jungen Frauen (Voyeurismus), einer möglichen Verschwörung der Regierung durch Abhör-Einrichtungen, eines Kletterunfalls eines Kindes und eines gigantischen Waldbrandes.

Das Spiel gibt einem zum Schluss vor, dass alles Erlebte sich genauso zugetragen haben soll – so wie der Protagonist das Spiel und somit der Spielende (da Ego-Perspektive) wahrgenommen hat: Der ehemalige Brandwächter Ned, möchte den Tod seines Sohnes Brian verschleiern und versuchte durch Einbrüche und Abhör-Attrappen den neuen Brandwächter Henry aus dem Gebiet zu jagen.

Ich hingegen gehe von einem unzuverlässigen Erzähler (Henry) aus, welcher den Spielenden nach Strich und Faden belügt und ein Finale als Rechtfertigung für all seine Taten darstellt. Letztendlich erinnern gewisse Ansätze sehr an die Filme A beautiful mind und Shutter Island.

In meiner Interpretation gelten folgende Thesen

  • Henry ist kein Feuerwächter im Nationalpark. Eventuell war er dies vor langer Zeit.
  • Henry und Julia waren nicht kinderlos, sondern hatten einen gemeinsamen Sohn. Eventuell hieß dieser Brian.
  • Der Sohn ist auf einer Vater-Sohn-Campingtour in diesem Nationalpark bei einem Kletterunfall oder Waldbrand ums Leben gekommen. Eventuell trägt Henry eine Mitschuld.
  • Henry ist schizophren: Es gibt keinen Zaun, es gibt keine Abhöreinrichtungen oder Verstecke, es gibt keine Delilah, es gibt keinen Ned bzw. Henry ist Ned. Möglicherweise wurde Henry durch den Tod des Sohnes Alkoholiker, was bei ihm in einer Schizophrenie endete.
  • Julia ist nicht demenzkrank, sondern das Paar hat sich aufgrund des Todes des Sohns und Henrys Schizophrenie sowie Alkoholkonsums voneinander getrennt. Sie ist zurück zu ihren Eltern gezogen.

Begründung und Analyse

Henry glaubt nicht an einen Unfalltod des Sohnes, sondern vermutet eine Verschwörung der Regierung oder einer anderen Geheimorganisation. Die einzigen Gebäude in diesem Nationalpark sind die Wachtürme der Feuerwächter. Henry erhofft sich daher Informationen und Beweise für die Verschwörung gegen die Ermordung seines Sohnes in diesen Türmen zu finden. In Wahrheit sind diese Türme aber schon seit längerer Zeit unbesetzt, da das Gebiet für Touristen nur schwer zugänglich ist. Optional könnte es auch sein, dass das Gebiet seit dem Tod des Sohnes für die Öffentlichkeit gesperrt ist.

Henry bricht also in den Wachturm „Two Forks“ ein. Dort findet er ein Funkgerät und stellt sich jetzt vor, dass dahinter eine Frau (Delilah) sitzen würde, welche sich für ihn und seine Verschwörungstheorien interessiert. Im Spiel erleben wir den Einbruch direkt am Ende des ersten Tages. Hier soll ein Unbekannter (Ned) den Einbrecher gemimt haben. In Zukunft werden wir als Spielender immer wieder mit dem zerbrochenen Fenster konfrontiert und vernageln dieses laienhaft. Unter der Spielprämisse, dass der Feuerwächter jetzt monatelange dort wohnen wird, ist es unlogisch, dass nicht innerhalb der nächsten Wochen eine Möglichkeit gefunden werden würde, das Fenster ordentlich zu verschließen.

Des Weiteren finden wir im Spielgebiet einen riesigen Zaun, welcher Delilah, der Vorgesetzten und welche in unmittelbarer Nachbarschaft sitzen soll, völlig unbekannt ist. Als wir später mit einer Axt das Schloss zerstören – Delilah bittet uns zu diesem brutalen Schritt – finden wir dahinter modernste Abhöreinrichtungen. Diese wurden benutzt, um die Gespräche zwischen ihm und Delilah aufzuzeichnen. Später im Spiel finden wir ähnliche Aufzeichnungen bei Neds Versteck.

Seine Chefin Delilah ist dabei eine schizophrene Erfindung in seinem Kopf: Die Sprachverbindung per Funkgerät zu Delilah ist fast ausnahmslos lückenlos – die Geschichte spielt im Jahr 1989 und die Funkgeräte sind besser als heutige Handys. Die Stimme ist sogar so gut zu hören, dass Henry sogar Flirt-Anbahnungen heraushören kann. In einem Gespräch mit Henry fragt Delilah wie er aussehen würde. Zum Ende des Spiels können wir ihren Wachturm betreten: Delilah hat Henry nahezu fehlerfrei zeichnen / skizzieren können. Delilah kommt an einer Stelle im Spiel ungesehen in einer geheimen Nachtaktion auf Henrys Wachturmseite, um dort ein neues Funkgerät zu platzieren. Also anstatt Henry einmal in 80 Tagen persönlich zu treffen, schafft sie es ungesehen auf die andere Seite des Canyons und wieder zurück. Dabei gibt es nur eine klapprige Seilwinde, welche den Canyon zwischen den beiden Wachtürmen voneinander trennt.

Henry klärt im Laufe des Spiels den tödlichen Kletterunfall von Brian, Neds Sohn, auf. Die Konklusion des Spiels präsentiert dabei Ned als unsichtbar agierenden Schatten im Hintergrund, welcher Angst hat, dass der Kletterunfall vom neuen Feuerwächter aufgedeckt werden könnte. So bricht Ned (angeblich) in Henrys Wachturm ein, um die Nachforschungen von Henry und Delilah zu sabotieren. Ned bleibt stets ein verschwommener Charakter, welcher uns einmal physisch umhaut – ohne dass wir ihn sehen. Ein anderes Mal sehen wir seine Taschenlampe in der Nacht. Dafür, dass wir ihm angeblich ganz dicht auf den Fersen sind, haben wir nicht ein einziges Mal ein einigermaßen klares Bild von ihm.

Wir finden im Spiel eine Einmal-Kamera, welche Brian und Ned gehören soll, und können weitere Fotos im Spiel schießen. In den Credits am Ende werden diese Bilder noch einmal dargestellt. Nachdem alle unsere Bilder dargestellt wurden, werden Selfies unseres Protagonisten gezeigt, welcher dieser ohne den Spielenden geschossen hat. Als nächstes Foto sehen wir im Anschluss ein Foto mit dem Motiv eines glücklichen Vater-Sohn-Gespanns, welches Ned und Brian darstellen soll. Hier im direkten Vergleich zwischen dem Foto unseres Protagonisten und Ned, kann man eine extreme Ähnlichkeit erkennen. Ned sieht einfach wie eine fünf Jahre jüngere Version von Henry aus.

Das Thema Alkohol ist im Spiel stets präsent, so trinkt nicht nur der Hauptcharakter, sondern auch Delilah häufiger. Hier stellt Delilah den Gegenpol / Wunschvorstellung zu seiner Frau Julia dar. Sie findet Henry attraktiv und befürwortet den alkoholischen Exzess. Im Spiel findet man häufig leere Bierdosen, welche im Spiel auf Ned oder zwei junge Frauen zurückgeführt werden sollen – Henry selbst war natürlich die Person, welcher das Bier getrunken hat.

Spannend ist der letzte Spieltag bei welchem scheinbar alle Verschwörungstheorien und Wunschvorstellungen als Fakten präsentiert werden: Die jungen Frauen, welche nach dem Kontakt mit Henry als verschwunden galten, sind unbekümmert wieder aufgetaucht. Die hochtechnischen Überwachungseinrichtungen waren keine Einbildung, sondern Forschungseinrichtungen für Flora und Fauna, welche Ned nur in angebliche Überwachungseinrichtungen umgewandelt hat. Ned ist der Schattenmann im Hintergrund, welcher die Gespräche zwischen Henry und Delilah abgehört hat und für die ganzen Ereignisse verantwortlich ist. Henry probiert hier als unzuverlässiger Erzähler noch stärker dem Spielenden zu vermitteln, dass seine Ansichten absolut aufrichtig und faktenbasiert sind.

Dabei entscheidet der Spielende am Ende selbst, ob Henry sich weiter in seine schizophrenen Wahnvorstellungen stürzen soll, indem er zurück in die Wildnis geht oder ob, er das tödliche Unglück seines Sohnes, als solches akzeptiert und durch den Rettungshubschrauber einen Weg zurück ins Leben findet.

Ich bedanke mich an dieser Stelle bei Firewatch, dass es mich zum Schreiben dieser Interpretation motiviert hat. Ich hoffe ich konnte mit dieser Interpretation auch euch das Spiel näherbringen. Habt ihr das Spiel gespielt? Hattet ihr eine ähnliche oder andere Interpretation? – Schreibt es in die Kommentare.

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Tobi

Avatar von Constantin Becker

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10 Antworten zu „Firewatch – Eine Interpretation“

  1. Avatar von Tobi

    Jetzt hab ich Firewatch auch endlich mal durchgespielt und deinen Beitrag gelesen, den ich bisher wegen der Spoiler verschmäht hatte. Danke für deinen Text Constantin!
    Achtung, weiterhin Spoiler!
    Ich bin erstaunt über deine Interpretation der Handlung, im positiven Sinn. Du stellst nochmals alles infrage und drehst es, dass mir fast schwindelig wird. Sehr bemerkenswert und spannend! So weit würde ich aber für mich gar nicht gehen wollen. Ich denke, dass die Story hier einfach nur verwirrend gut inszeniert wurde und sich Henry’s Paranoia auf den Spieler übertragen sollte. Das hat, zumindest bei mir, hervorragend funktioniert. Wenn Henry zwischendurch begann, an sich selbst zu zweifeln, oder überall Verschwörungen sah, übertrug sich sein Stresslevel ebenfalls auf mich als Spieler und ich hab mir in die Hose gemacht, wo gar nichts war. Das ging zunächst sogar so weit, dass ich zwei Anläufe brauchte, um das „Abenteuer Wildnis“ auf mich zu nehmen. Ganz großes Kopfkino. Ich glaube, dass genau das, zusammen mit der geheimnisvollen Musikuntermalung und den schummrigen Lichteffekten, ein unglaublich gutes Rezept ist. Ein offensichtlicher Wink mit dem Zaunpfahl ist wohl, zu zeigen, wie schnell man sich beeinflussen lassen und die Fantasie mit einem durchgehen kann. Das wird dem Spieler am Ende förmlich ins Gesicht geklatscht. Ich vermute, dass ich auch nicht alleine dastehe, weil ich mir ein ganz anderes Ende für Delilah und Henry vorgestellt, oder sogar erhofft hatte. Und hier fand ich dann auch die vielleicht weniger ersichtliche, aber für mich persönlich die schönere Kernaussage von Firewatch: „In guten und in schlechten Tagen“. Richtig. Das gute, alte Eheversprechen, welches man im Alltagsstress und besonders in den schlechten Tagen, gerne mal beiseite schiebt. Denn neben allem Hin und Her zieht sich Henry’s Flucht vor seinem Leben ja durch das gesamte Spiel. Und dennoch hat er Julia’s Foto mitgebracht. Henry träumt ja sogar eines Nachts von seiner Jules (Tag 15).
    Delilah, Henry, in was für Gedanken haben wir uns hier verrannt? Dass mir das gerade ein Spiel sagt, zeigt mir nochmals, wie fantastisch und vielseitig dieses Medium sein kann.

    Es gibt natürlich Anhaltspunkte für deine These, keine Frage. Vor allem beim schnellen, letzten Tag stimme ich dir zu, in welchem sich vieles aufklärt. In einem Interview mit Cissy Jones, der Dame, die Delilah ihre Stimme gab, habe ich nach Beenden des Spiels gelesen, dass Firewatch ursprünglich ein anderes Ende haben sollte. Aus dieser Richtung kommend vermute ich einfach mal den kompakten, letzten Abschnitt. Dass Delilah nicht nur eine Fantasie von Henry ist, scheint mir persönlich unter anderem auch mit der Tatsache geklärt, dass Delilah auf Nachfrage vom gestohlenen „Pork Pond“ Schild im südlichen Cottonwood Creek berichtet, welches sich später auch in ihrem Wachturm wiederfindet. Hoppla, kleine Elster. Ned und Henry würde ich persönlich von den Fotos her zwar nicht als dieselbe Person sehen, aber die Idee ist wirklich gut! Letztendlich bleiben ein paar Dinge, wie der Hintergrund über die Existenz einer Hightech Forschungsstation, im Dunkeln. Bei einem späteren Abstecher (ok ok, ich hatte mich verlaufen) zum Zeltplatz der zwei Mädels, war ich verwundert, dass, bis auf die Feuerstelle, nichts mehr vorhanden war. Firewatch ist schon ein geheimnisvolles Spiel.

    Herzlichen Dank für deinen Blick über den Tellerrand und diesen ungeheuer interessanten Beitrag, Constantin.

    André Eymann
    1. Avatar von Constantin Becker

      Danke für das tolle Kommentar. Ich kann deinen Gedankengang komplett nachvollziehen und freut mich, dass meine Interpretation alles etwas hinterfragt hat mit dem Ziel, dass man selbst das Spiel deutlich bewusster wahrnimmt und reflektiert. Klingt echt nach einer tollen Spielrunde die du da erfahren hast! =)

      André EymannTobi
  2. Avatar von Gali
    Gali

    Ich hab Firewatch jetzt auch erst vor einigen Tagen das erste Mal durchgespielt und deine Interpretation auf Twitter zufällig entdeckt.

    Wie schon die meisten anderen hier: ich würde auch sagen du gehst zu weit. es spricht zu viel dagegen. Andererseits ist die Theorie und das Gedanken-mchen natürlich trotzdem genau das, was das Spiel völlig bewusst auslösen will, insofern hat es perfekt funktioniert.

    [Spoilerwarnung]

    Was mir aufgefallen ist: im Spiel glaubt Henry eine komplizierte Verschwörung entdeckt zu haben; er glaubt er ist einer großen geheimen Wahrheit auf der Spur. Er glaubt, es dreht sich um ihn. Am Schluss bleibt ihm aber trotz allem nur die schnöde Realität, es ist alles gar nicht so „besonders“ und aufregend (*) – ihm ist es nicht einmal vergönnt Delilah zu treffen. Es ging nie um ihn, er war nur zufällig da.
    Vielleicht fällst du auf eine ähnliche Sache rein, und das würde ganz toll passen. Es ist imho genau das Interessante an dem Spiel, dass es eben nicht mehr dahinter steckt als eine einfach Geschichte, ohne versteckte Ebenen und ohne unzuverlässigen Erzähler. Es ist irgendwie banal. Man ertappt sich bei solchen Gedanken, genau wie Henry mehr „sieht“ als da ist.

    (*) da liegt dann auch gleichzeitig mein Haupt-Kritikpunkt an Firewatch: aus meiner Sicht beißt sich der Ansatz etwas mit der Tatsache, dass es halt eben im Spiel doch ein „Geheimnis“ gibt, das sich am Schluss aufklärt. Zwar nicht so groß wie man zwischendurch vielleicht denkt, aber halt doch eine Art Krimi, der aufgeklärt wird. Das verwässert imho etwas den philosophischen Ansatz.

    Tobi
  3. Avatar von André Eymann

    Puh. Also, Deine Frage „Hattet ihr eine ähnliche oder andere Interpretation?“ muss ich mich einem klaren Nein beantworten. Zwar hatte ich auch wie Tim ein- oder andere Momente, in denen ich gedachte hatte, das sich Henry vielleicht die ein oder andere Kleinigkeit in seinem Kopf zusammenreimt, aber Deine Begründung und Analyse kann ich nicht mittragen. Ich habe auch keine Lust sie zu entkräften. Bei mir war es so: das Spiel „funktioniert“ für mich durchaus in der vorgetragenen Storyline und in erster Linie habe ich es als ein sehr angenehmes und beruhigendes Spiel mit ein ein paar Spannungsmomenten empfunden. Es bot mir viele schöne Momente und einen Vergleich zu Shutter Island oder A beautiful mind halte ich für sehr konstruiert.

    Tobi
    1. Avatar von André Eymann

      Lieber Constantin! Du hast bestimmt an meinem obigen Kommentar herausgelesen, dass mich Deine Interpretation nicht begeistern konnte. Ich habe immer wieder überlegt, ob Dir das noch einmal genauer erkläre, was ich heute tun möchte. Vorweg muss ich sagen, dass Firewatch zu meinen Lieblingsspielen gehört. Auch weil ich „meine eigene“ Interpretation und Wahrnehmung der Geschichte über das Spiel gelegt habe. Von daher hat mich Dein Beitrag auch sehr emotional berührt, wie man an meinen Worten vom Juni 2021 sicher nachlesen kann.

      Was mir aber wichtig ist: Dein Beitrag ist sehr wertvoll, weil er eben aus Sicht der künstlerischen Interpretationsfreiheit mit einer anderen Perspektive auf den Stoff blickt. Es reicht von daher auch nicht aus, Deine Darstellung einfach nur als „Blödsinn“ abzulehnen. Denn sie ist es nicht. Sie ist ein interessantes Gedankenspiel, dass einen auch dazu ermutigen sollte, andere Spiele mal aus einer ganz anderen Sicht zu betrachten.

      Ich kann zwar persönlich nicht „mitgehen“, finde es aber großartig, dass Du Dir die Mühe gemacht hast Deinen Text zu verfassen und zu veröffentlichen. Dafür vielen Dank!

      Tobi
      1. Avatar von Constantin Becker

        Lieber André,
        vielen vielen Dank für dieses Statement – insbesondere für die späte „Erweiterung“, welche nicht leicht zu schreiben ist.
        Ich bin zu 100% deiner Meinung und ich wollte mit dieser Interpretation auch nie jemandem meine Sicht indoktrinieren. Ich glaube durch solche Analysen / Gedankenspiele / Interpretationen erreichen Videospiele in der Gesellschaft mehr wichtige Diskurse in den Medien, der Kunst und der Öffentlichkeit. Liebend gerne würde ich eine völlige andere / gegenteilige / teilweise-zustimmende Interpretation von Firewatch hier oder anderswo lesen. Großes Danke und Danke an deine Arbeit hier!

        TobiAndré Eymann
  4. Avatar von Tim
    Tim

    Was für ein Zufall: Ich habe Firewatch gestern begonnen, dann zufälligerweise diesen Artikel gesehen und ihn erst einmal wieder geschlossen, um erst nach Abschluss der Story deine Interpretation zu lesen. Seit einer Stunde bin ich nun mit Firewatch durch.

    Es gab bei mir im Spielverlauf durchaus auch Phasen, in denen ich dachte, dass sich ein Teil davon in Henrys Kopf abspielen muss. Aber nach Abschluss der Handlung würde ich nicht (mehr) sagen, dass Henry sich alles nur ausgedacht hat. Für mich – und das ist der wesentliche Unterschied zu anderen „schizophrenen“ Erzählern wie in Shutter Island oder Fight Club – gibt es auf der Detailebene zu viel Indizien, dass die letztendlich vom Spiel suggerierte Version letztendlich korrekt ist. Einige Beispiele: Natürlich konnte Henry die überall verteilten Bierflaschen ausgetrunken haben, aber andere Szenerien bzw. dort vorhandene Details der vermissten Frauen wie das Zelt oder ihre verstreute Kleidung (BHs und Co.) müssten dann komplett seiner Gedankenwelt entspringen. Auch die Existenz Delilahs wird bildlich gegen Ende deutlich gemacht, da er im Turm viele persönliche Gegenstände von ihr findet inkl. Kreuzworträtseln, der Zeichnung und so weiter. Zudem findet Henry im Spiel Vorräte, die für seinen Turm und andere Türme in den Boxen hinterlassen wurden. Dies deutet ja auch deutlich auf die Existenz der Turmwächter hin, andernfalls wären die Vorräte auch fiktiv, was wiederum die Frage aufwirft, wie sich Henry ansonsten versorgt hat, da in seinem Turm lediglich Vorratskisten, jedoch keine Jagdwaffen u.Ä. gefunden werden. Ebenfalls im Turm sind die Gegenstände bspw. von Brian und diverse Notizen, sofern Henry sich entscheiden, diese mitzunehmen.

    Zu guter Letzt deuten noch einige „Easter Eggs“ oder Details, die den meisten im Spielern im Spielverlauf entgehen werden, in Richtung des vom Spiel vorgeschlagenen Endes: Wenn man sich an einem früheren Tag unterhalb der Stelle befindet, an der man ganz am Ende Neds Versteck findet, kann man dessen Glockenspiel finden. Zudem lässt sich mit dem Wellenempfänger ein toter Hirsch finden, um dessen Hals ein Ortungshalsband angebracht ist. Dies demystifiziert auch die „geheime Forschungseinrichtung“ als biologische Station. In ihrer Einsamkeit oder ihrem Unwissen haben Henry und Delilah aus der Hirschforschung eine geheime Überwachungstation gemacht, aber sie scheint trotzdem zu existieren. Schließlich liegen diese Details nicht auf dem eigentlichen Storypfad, den sich Henry als unzuverlässiger Erzähler zusammenreimen würde.

    TobiAndre
  5. Avatar von Stefan Vogt

    Eine gewagte These, vom Autor solide aufbereitet aber im Grunde weit hergeholt. Sehr weit.

    Wenn wir im Mindset der These verweilen… ist der Autor eventuell selbst schizophren und interpretiert das Spiel daher auf eine falsche Weise? Eine ebenso gewagte These. 😉

  6. Avatar von Der1000Sascha
    Der1000Sascha

    Interessanter Ansatz.
    Ich habe Firewatch direkt nach Release gespielt, sodass meine Erinnerung inhaltlich etwas verblasst ist, ich bin aber zu einem ähnlichen Schluss gekommen, dass das vordergründig erzählte nicht die ganze Wahrheit ist.
    Vielleicht sollte ich es einfach nochmal spielen, immerhin ist seitdem das Firewatch Theme als Hintergrund auf meiner PlayStation 4 installiert uns es ist bis heute eins der atmosphärischsten Spiele überhaupt. Oder wir fragen Jane Ng auf Twitter, was Campo Santo sich dabei gedacht hat.

    TobiConstantin Becker
    1. Avatar von Constantin Becker

      Da bin ich komplett deiner Meinung – ich glaube aber, dass der Autor das „Mysterium“ nicht aufklären möchte, was ich gut finde, weil so regt es zu Interpretationen an.