Der Trend, Videospiele von früher neu aufzulegen, begleitet die Branche mittlerweile seit einigen Jahren, und ein Ende scheint noch nicht in Sicht zu sein.
Im Gegenteil: Auf der diesjährigen gamescom wurde deutlich, auf was für einem Höhepunkt sich diese Entwicklung aktuell befindet. Neben modernen Titeln wie Borderlands 3, Code Vein oder Man of Medan wurden die Besucher auch von vielen altbekannten Gesichtern begrüßt. Der gefühlt größte Titel von Square Enix war das Final Fantasy VII Remake. Das ikonische Logo des JRPG-Klassikers prangte auf riesigen Plakaten, daneben waren die Helden Cloud, Barret, Tifa und Aeris zu sehen. Sony hatte unter anderem das Gruselabenteuer MediEvil (wieder) im Programm, bei Nintendo gab es das Remake von Link‘s Awakening. Es wirkte zuweilen, als wäre man wieder in den 90ern – nur mit besserer Technik. Bei anderen vorgestellten Spielen wähnte man sich in einer parallelen Realität, die man sich damals wohl nie erträumt hätte: Panzer Dragoon erscheint in neuem Gewand auf einer Nintendo-Konsole, und die lange im Westen nicht erhältliche Fortsetzung von Secret of Mana, Trials of Mana, bekommt ein 3D-Remake spendiert. Und selbst totgeglaubte Marken wie Contra oder Battletoads werden mit neuen Titeln versorgt.
Das klingt nach glorreichen Zeiten für Retro-Enthusiasten, doch wie schlagen sich die neuen alten Spiele in der heutigen Realität? Ein Blick in die Wirklichkeit sorgt zuweilen für Ernüchterung: So wirkte der Stand von Panzer Dragoon ähnlich trostlos wie die Endzeitwelt, in der das Remake spielt. An der roten Wand des Nintendo-Bereichs gab es nicht mehr zu sehen als das Panzer Dragoon Logo, auf einer Ablage fanden sich zwei Nintendo Switch Handhelds, ein Fernseher war nicht aufgebaut. Das Interesse der Besucher hielt sich in Grenzen, weshalb man immerhin eine gute Chance hatte, das Spiel ohne lange Wartezeit zu testen. Fans von früher sollten am Panzer Dragoon Remake wenig auszusetzen haben: Die neue Grafik ist schick und fängt die fremdartige Atmosphäre des Originals dennoch gut ein, und zumindest im Handheld-Modus lief alles flüssig. Die Steuerung ist genauso wie früher, was Kenner des Originals sicher als positiv bewerten: Mit dem linken Stick wird sowohl Flugdrache als auch das Zielkreuz gesteuert, mit den Schultertasten rotiert die Kamera um 90 Grad. Doch ob auch Spielende von heute mit diesem mittlerweile fast archaischen Schema aus der Zeit vor Analogsticks zurecht kommen, ist fraglich. Im Optionsmenü gab es immerhin die Wahl zwischen klassischer und moderner Steuerung – leider war letztere in der Demo nicht verfügbar. Bleibt zu hoffen, dass das moderne Kontrollschema gut umgesetzt wird.
Nach einigem Hin und Her zwischen dem Nintendo- und dem Square Enix Stand konnte ich das Trials of Mana Remake für die Switch anspielen – und war rasch begeistert davon! Visuell haben die Entwickler den Charme der 16-Bit Vorlage gut eingefangen, ohne dass die Low Poly Grafik je wie ein billiges Mobile Game wirkt. Das Kampfsystem wurde von Grund auf modernisiert. Trifft man auf Gegner, wird das Geschehen von einer Zone eingegrenzt, die erst wieder verlassen werden kann, wenn alle Widersacher besiegt wurden. Diesen kann man mit verschiedenen Angriffen zusetzen. Daneben gibt es ein Ausweichmanöver und die Möglichkeit, zu springen, wodurch die Kämpfe dynamischer wirken als in der ursprünglichen Super Nintendo Version.
Nachdem mich Panzer Dragoon erst in die 32-Bit Ära und Trials of Mana anschließend in die 16-Bit Zeit zurück verfrachtet hatte, bekam ich dank Battletoads auch noch die volle 8-Bit Packung serviert. Microsoft hatte ein gemütliches Wohnzimmer eingerichtet, in dem man sich zu dritt auf dem Sofa durch die Battletoads-Demo prügeln konnte. Unter der schicken neuen Cartoonfassade verbirgt sich nahezu unverändert das Gameplay von damals. Die drei namensgebenden Kröten prügeln sich unter Verwendung von teilweise aberwitzigen Attacken durch die Gegnerhorden. Die Probleme der alten seitwärts scrollenden Prügler sind leider auch wieder mit dabei: Die Erkennung, ab wann man sich auf gleicher Ebene mit dem Gegner befindet, ist recht streng, und wenn sich alle drei Battletoads gleichzeitig durch den Bildschirm prügeln geht auch recht schnell die Übersicht flöten. Schön und unverbraucht ist immerhin der Humor: So wirbt der erste Boss Porkshank für den Beitritt in seine Gang, die Vorzüge wie etwa Elternzeit bietet. Die plötzlichen Sprünge zwischen verschiedenen Levelabschnitten werden damit kommentiert, dass das wohl so ein „gamescom Ding“ sei. Battletoads wäre natürlich nicht Battletoads ohne einen sadistischen Hoverbike-Level, der auch im neusten Ableger absurd schwer ist. Wenn man nicht mal die Messe-Demo durchgespielt bekommt bedeutet das immerhin eines: Die Serie ist sich treu geblieben!
Die Demo vom Final Fantasy VII Remake anzuspielen war leider aus zeitlichen Gründen nicht drin. Stattdessen habe ich mich wie der schlimmste Mensch an die Absperrung um die Spielstationen gehängt und versucht, über Schultern und an Köpfen vorbei wenigstens ein bisschen vom Gameplay abzugucken. Meine frühere Skepsis des Remakes verflog dabei rasch. Trotz gravierenden Änderungen am Kampfsystem und dem Aufbau der anfänglichen Reaktormission wirkte das, was ich beobachten konnte, im Kern immer noch wie das Final Fantasy VII von früher, nur eben etwas weitergedacht. Der Reaktor von Sektor 1 wird jetzt in Echtzeit 3D erkundet, während Wachroboter außerhalb des Sichtfelds Cloud oder Barret mit einem Feuerball erwischen können, doch am Ende hat der Ort nichts von der mysteriösen und bedrohlichen Atmosphäre aus dem Original verloren. Die Szene, in der Cloud die Bombe anbringt, ist inhaltlich nahezu identisch mit der Vorlage, und wird dazu noch sinnvoll ergänzt: Wenn ich das richtig gesehen habe, reagiert Barret auf das plötzliche Auftauchen des Wachskorpions mit dem Vorwurf, dass das eine Falle von Cloud sein könnte. Barret vertraut dem ehemaligen Angehörigen einer feindlichen Kampfeinheit am Anfang des Spiels nur zögerlich, was diese neue kurze Szene gut unterstreicht. Zur Steuerung und zum Kampfsystem kann ich natürlich nichts sagen. Auch der Sound wurde meistens von einem Trailerbildschirm in der Nähe übertönt – einmal lustigerweise von dem Game Boy Gedudel von Mystic Quest aus der beworbenen Mana Collection.
Neben dem Antesten von neuen und alten Videospielen ist die gamescom auch ein Ort der persönlichen Begegnungen. In der Indie-Arena verbrachte ich eine Weile an der Anspielstation für die Switch-Version von Vambrace: Cold Soul, einem optisch sehr ansprechenden Klon von Darkest Dungeon. Einer der Künstler, der an dem Spiel gearbeitet hat, stand dabei und tat sein bestes, mich irgendwie durch die Demo eines Spiels zu leiten, das aufgrund seiner Komplexität natürlich nur bedingt geeignet für eine schnelle Testsession war. Das Schöne an der Situation war, dass ich ihn bei der Gelegenheit für seine grafische Arbeit loben konnte. Als ich ihn auf den vorigen Titel des Studios, einem Clock Tower ähnlichen Horrorspiel namens The Coma ansprach, freute er sich sehr, nach mehreren Tagen den ersten Messegast zu treffen, der das Spiel erwähnte.
Gelungene Remakes von Klassikern, Fortsetzungen von totgeglaubten alten Spielereihen, Indiespiele mit wunderschöner 2D-Grafik: Wenn das die Zukunft ist, löse ich mich gerne von der Vergangenheit.
Wie seht ihr das? Freut ihr euch auf die Wiederbegegnung mit zahlreichen Klassikern, oder würdet ihr es bevorzugen, wenn sich die Branche wieder mehr auf brandneue Titel fokussieren würde?
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