Stronghold von 1993 – Heute gespielt

Avatar von Daniel Cloutier

Lesedauer: 11 Minuten

Wenn jemand heute von dem Strategiespiel Stronghold spricht, denkt jeder sofort an die 2001 gestartete, langlebige Spieleserie von Firefly Studios, die bei vielen Spielern – inklusive mir – warme Erinnerungen weckt. Doch es gab bereits zuvor ein strategisches Spiel mit dem selben Namen von Stormfront Studios, vertrieben vom legendären Rollenspielpublisher SSI.

Damit waren gleich zwei ausgesprochen interessante Unternehmen an der Entstehung und Veröffentlichung von Stronghold beteiligt. Stormfront wurde 1988 von Don Daglow gegründet. Der Name dürfte einigen von Euch etwas sagen, brachte er es doch zu einer langen Karriere in der Spieleindustrie. Er programmierte bereits in den Siebzigern Spiele auf dem Mainframe seiner Universität, darunter auch das berühmte Dungeon, das als erstes Computerrollenspiel gilt.

1980 begann er als einer der ersten Entwickler bei Mattel für das hauseigene Intellivision. Zu erwähnen ist hier insbesondere Utopia, das erste Götterspiel überhaupt. 1983, während des Video-Game-Crashs, warb ihn Trip Hawkins ab, sodass er die nächsten Jahre bei EA mehrere Spiele entwickelte. ’87-88 arbeitete er als Chef der Entertainment-Sparte für Broderbund, wo er unter anderem Prince of Persia und Where in the World is Carmen San Diego als Executive Producer begleitete, den Publishingvertrag für das Original-SimCity aushandelte und die Star-Wars-Lizenzen von LucasFilm einkaufte.

Um wieder verstärkt in die Spieleentwicklung einzutauchen, gründete er 1988 Stormfront Studios, das in den ersten Jahren primär Rollenspiele für SSIs Goldbox und Neverwinter Nights produzierte, das als das erste grafische MMORPG gilt. Durch die Zusammenarbeit mit SSI für die GoldBox-Spiele Gateway to the Savage Frontier und Treasures of the Savage Frontier in den beiden Jahren zuvor hatte Stormfront bereits Erfahrungen im Dungeons&Dragons-Universum und in der Zusammenarbeit mit SSI sammeln können.

SSI wiederum ist nicht nur über die langlebige Gold-Box-Reihe bekannt, sondern auch durch die Eye-of-the-Beholder- und Panzer-General-Serien und eine gewaltige Menge weiterer D&D oder Wargames. Stronghold ist in beiden Genres unterwegs und ein wahrer Mix an diversesten Systemen, wie es in den frühen Neunzigern durchaus häufiger vorkam. Die US-Packung beschreibt Stronghold beispielsweise als „Kingdom Simulator“. Als Motiv dient kein klassisches Rollenspiel-Cover, sondern eine prächtige Burg. Auch die deutsche Packungsrückseite verspricht „erschaffen und beherrschen Sie ihr eigenes Königreich in der DUNGEONS & DRAGONS Spielewelt.“ Und das fasst den Spielinhalt ganz gut zusammen.

Zum Spieleinstieg können wir uns eine Karte auswählen oder generieren lassen, einen Hinweis darauf, welche für den Einstieg geeignet ist, bekommen wir nicht direkt. Es folgt die Einstellung des Hostility-Wertes. Wir möchten erst einmal ins Spiel reinkommen und wählen die friedlichste Einstellung. 

Das erwartet uns: Das Spiel bietet einen weitreichenden Blick über unser Reich. (Bild: Daniel Cloutier)
Das erwartet uns: Das Spiel bietet einen weitreichenden Blick über unser Reich. (Bild: Daniel Cloutier)

Wir starten dann mitten auf einem Feld in einer dreidimensional dargestellten Landschaft. Dabei schauen wir weder aus der Vogelperspektive noch isometrisch von schräg ob auf das Geschehen, sondern auf Bodenebene, so als stünden wir selbst auf der Wiese und blickten in die Landschaft.  Berge und Täler sind in Vektorgrafik dargestellt, der Blick in die Ferne bringt aber schon etwas von diesem Gefühl für die Tiefe mit.

Mit den Pfeiltasten können wir uns auf dem Raster der Spielwelt bewegen und sehen, dass Bäume und Landschaften in der Entfernung korrekt dargestellt werden. Wie viele Spiele dieser Zeit lässt es uns zu Beginn dann jedoch etwas alleine. Was genau sollen wir jetzt tun?

Aller Anfang ist schwer

Um nicht gleich überfordert zu sein, zücken wir also das 32-seitige Handbuch und lesen uns etwas ein. Zu Beginn sollen wir einen Charakter als Baron erstellen, der der Anführer unserer Fraktion ist. Ihn erstellen wir – wie auch die nachfolgenden Mitglieder unserer Party – mittels einer klassischen Charaktergenerierung, inklusive den Würfel mehrfach rollen lassen, die Klasse auswählen und Eigenschaftspunkte verschieben.

Da das Spiel auf D&D aufbaut, bietet es uns ein Subset an verfügbaren Rassen und Klassen, die es bunt für die anstehende Metapher der Spielerfahrung wählt. Die einzelnen Rassen und Klassen stehen auf einer Ebene, wir können also einen Fighter, Cleric oder Elf wählen, aber keinen Elffighter. Das schränkt die Auswahl etwas ein, nutzt die typischen Charaktereigenschaften jedoch dann für die Ausprägung der zukünftigen Armeen. Die spätere Gefolgschaft der einzelnen Partymitglieder, die wie Fürsten ihren Landstriche besitzen, besteht dann aus dem gleichen Charaktertyp. Ein Kämpfer-Baron verfügt also später über eine Kämpfer-Gefolgschaft. Darüber definieren sich Fähigkeiten der gesamten Gruppe, was sich auf den Strategieteil des Spiels auswirkt. Doch dazu später mehr.

Wir wählen nun noch das Alignment in den drei Ausprägungen chaotic, neutral und lawful. Das bestimmt unser Spielziel. Ein lawful Baron muss beispielsweise bis zum Rang Emperor kommen, ein chaotic Lord muss sämtliche Gegner vernichten. Als Neutraler hingegen können wir nicht einfach gemütlich rumsitzen, sondern müssen beide Ziele erfüllen. Mit lawful sollten wir entsprechend etwas Ruhe haben.

Dann sind wir soweit, dass uns das Spiel darauf hinweist, dass wir doch nun unsere Burg bauen können. Wir wählen auf der Karte einen vermutet strategisch sinnvollen Ort aus und beginnen mit dem Bau. Das visualisiert das Spiel über eine animierte Baustelle mit kleinen fleißigen Männlein.

Anschließend wiederholen wir den Charaktergenerierungsprozess und erstellen vier weitere Partymitglieder, die dann jeweils ihre eigene Burg bauen und dem Baron untertan sind. Das Handbuch verweist darauf, dass man die Party – analog zu einem klassischen Rollenspiel – möglichst breit anlegen soll, also nicht nur ein oder zwei Klassen wählen, da man im späteren Spielverlauf auch mehrere benötigt. Als Beispiel führt das Handbuch besonders starke Monster an, die nur von Magiern mit Kampfzaubern bekämpft werden können. Jede Klasse hat Stärken und Schwächen, die sich im Spiel neben dem Kampf auch auf Mineraliensuche oder der Landwirtschaft auswirken.

Nachdem wir die – inklusive Baron – insgesamt fünf Charaktere erstellt und ihre Burgen gebaut haben, sehen wir auf der rechten Seite des Bildschirms die Namen der Figuren und daneben dreifarbige Dreiecke. Über diese steuern wir die Ausrichtung der Gefolgschaft der Charaktere flexibel zwischen Bauen, Rekrutieren und Trainieren. Das fühlt sich erst einmal modern und elegant an, allerdings sind die Einstellungen individuell für die einzelnen Charaktere eines Anführers und pro Feld anzupassen. Das scheint den Entwicklern aufgefallen zu sein, da im Handbuch eine Möglichkeit besprochen wird, wie man das – etwas umständlich – für mehrere Charaktere unternehmen kann.

Ein “globales” Dreieck für alle Untertanen fehlt jedoch ebenso wie die Übersicht, wessen Charaktere sich gerade am jeweiligen Ort befinden. Zwar bekommt man das hübsch in der Landschaftssicht angezeigt – die einzelnen Figuren laufen dort rum und lassen sich auch gut unterscheiden – doch nicht im zeittypisch ausladend großen Benutzerinterface.

Unser Reich entsteht

Im Standard ist bei den einzelnen Partymitgliedern automatisches Bauen aktiviert. Das ermuntert die Gefolgschaft, die nach und nach umliegende Felder betritt, Wohnhäuser zu bauen. Farmen oder Marktplätze müssen wir jedoch schon selbst anlegen, genauso wie Bäume landwirtschaftlich zu nutzen oder zu fällen, um Platz zu schaffen, Steine nach Erzvorkommen zu untersuchen und Sumpflandschaften trockenzulegen.

Jeder Bildschirm besteht aus vier Elementen, die wir bebauen können, außer es ist an einzelnen Stellen zu steil oder nass – Wasser können wir natürlich nicht bebauen, seine Nähe zu einem bewirtschafteten Feld erhöht jedoch dessen Ertrag extrem. Wir nutzen also die Landschaft, um unser Reich durch die fünf Fraktionen zu vergrößern. Das automatische Bauen hat dabei seine Berechtigung, da wir auch so alle Hände voll zu tun haben, die Ausprägung über die Dreiecke nachzuziehen und zu schauen, was die jeweiligen Gefolgschaften gerade benötigen. Wohnhäuser für die Elfen? Mehr Essen für die Kleriker? Findet sich in diesem Hügel ein Goldvorkommen?

Tatsächlich verwalten wir quasi fünf verschiedene Gruppen von Bewohnern getrennt voneinander und müssen entsprechend adaptiv haushalten. Und uns auf den Winter vorbereiten, das wurde popkulturell später ja auch nochmal zum Thema. Natürlich hat mich das beim ersten Wiederspielen nicht sonderlich gekümmert und so hatte ich schnell mit Hunger zu kämpfen. Meine Nahrungsvorräte brauchten sich schnell auf, da die Felder zu dieser Zeit kaum Ertrag liefern und sich die Bevölkerung aus den Getreidevorräten ernährt. Natürlich nur, wenn diese auch gefüllt sind. Immerhin: Eine hungernde Fraktion bekommt auch Getreide von einer anderen, gut versorgten. 

Im Winter bedeckt eine geschlossene Schneedecke die Polygonlandschaft. (Bild: Daniel Cloutier)
Im Winter bedeckt eine geschlossene Schneedecke die Polygonlandschaft. (Bild: Daniel Cloutier)

Die einzelnen Charaktere mit ihrer Gefolgschaft entwickeln sich bereits nach wenigen Quartalen sehr unterschiedlich. Die Zwerge in den Bergen finden eine Goldmine nach der anderen und wissen gar nicht wohin mit ihrem Geld, die Menschen in Wassernähe sammeln Nahrung ein ohne Ende und die Elfen im Süden schaffen es einfach nicht, ihren Haushalt im Griff zu behalten.

Die Vielzahl an Gebäuden auf großer Fläche führt schon früh zu einer gewissen Unübersichtlichkeit, insbesondere wenn sich nach und nach Vertreter mehrerer Fraktionen an einem Ort tummeln. Ebenso bei den Gebäuden. Die sehen zwar von Fraktion zu Fraktion so unterschiedlich aus wie die Gefolgschaft, dennoch wäre eine klare Darstellung oder textuelle Beschreibung gut gewesen. Ich zumindest muss ständig auf eines der umherlaufenden Männlein klicken, um in dem hübsch gezeichneten Charakterbildschirm den jeweiligen Herrscher zu recherchieren.

Das braucht man auch für die einzelnen Aussteuerungsdreiecke, die stets alle fünf am rechten Rand zu finden sind, unabhängig davon, ob sich gerade ein Fraktionsvertreter auf dem Bildschirm tummelt. Praktisch wäre es gewesen, zeigte die UI immer nur Dreiecke an für anwesende Vertreter einer Fraktion. Einziger Vorteil mit der umgesetzten Lösung: Wir können auch für zukünftige Besuche von Bewohnern weiterer Fraktionen die Einstellungen vornehmen. War ein Bildschirm mit allen vier Plätzen bebaut, stellte ich die Dreiecke immer alle auf hälftig Recruiting und Training, um neue Charaktere in meine Siedlung zu locken und die anwesenden aufzuleveln.

Zahlen, Daten, Fakten: Die Übersichtsseite des jeweiligen Herrschers rufen wir im Spiel häufig auf. (Bild: Daniel Cloutier)
Zahlen, Daten, Fakten: Die Übersichtsseite des jeweiligen Herrschers rufen wir im Spiel häufig auf. (Bild: Daniel Cloutier)

Am meisten fehlt dem Spiel aber bereits nach den ersten Spielstunden die Übersicht. Ist man es von modernen Spielen gewohnt, übersichtliche Statistiken oder ähnliches präsentiert zu bekommen, muss man sich hier doch einiges zusammensuchen. Die wertvollste Übersicht in meinem Spiel war die jeweilige Übersichtsseite für Herrscher. Hier erfährt man die Menge an Untertanen und verfügbaren Plätzen in Häusern, worüber man ablesen kann, ob Wohnungsbau angesagt ist. Zudem sind hier das monatliche Einkommen und der Nahrungseingang sowie dessen Lagerungsmöglichkeiten zu sehen.

Daraus leitet sich dann der Bau von Feldern oder Kornkammern ab. Doch wo Ein- und Ausgaben dediziert herkommen oder hinfließen, Nahrung entsteht usw. bekommen wir nicht im Detail aufgeschlüsselt. Das Spiel bietet noch weitere Reports über alle Bewohner und Gebäude, die sind jedoch teils über mehrere Bildschirme verteilt, rein textuell und eher umständlich in der Bedienung. Zuwächse über bestimmte Zeiträume, Forecasts oder ähnliches fehlen natürlich auch. Aber das war auch nicht zu erwarten und ich bin vermutlich von modernen Genrevertretern wie Frostpunk verwöhnt.

Immerhin: die Berichte sind ausführlich und breit gefächert, man kann sich auch auf der Karte alle Gebäudetypen einzeln einplanen lassen, muss sich nach Rückkehr auf die Spielkarte aber merken, wo sie sich befanden. So etwas wie ein Overlay oder im Spiel auswählbare Charaktere oder Gebäude zur Übersicht bringt das Spiel nicht mit.

Zahlen bietet Stronghold wahrlich genug, es gibt sich aber wenig Mühe mit ihrer Aufbereitung. (Bild: Daniel Cloutier)
Zahlen bietet Stronghold wahrlich genug, es gibt sich aber wenig Mühe mit ihrer Aufbereitung. (Bild: Daniel Cloutier)

Ich wählte zwar für mein Spiel die friedliche Zielvariante, dennoch kann ich nach Bau eines Turms weit im Osten gegnerische Einheiten identifizieren. Ich befinde mich mittlerweile auf Stufe 6 – Archduke, also Erzherzog. Stufe 9 ist dann Emperor. Die Gegner sehen aus wie gigantische Skorpione mit menschlichem Oberkörper: Manscorpions. Laut Handbuch verfügen sie über eine mittlere Intelligenz, aber Fernkampfmöglichkeiten mittels ihrem Bogen, der vergiftete Pfeile verschießt. Einmal vergiftet, sei der Tod kaum abwendbar. Na super.

Kampfvorbereitungen

Um genug Schlagkraft für einen Angriff zusammenzubekommen, betrete ich in guter Dune-2-Manier ein Feld auf halber Strecke zwischen meiner Stadt und der gegnerischen Festung. Dorthin ziehe ich dann meine Armee über die Magneten auf der rechten Spielhälfte, um ordentlich Schlagkraft aufzubauen. Doch was geschieht? Nichts.

Ein Blick ins Handbuch verrät, dass sich die einzelnen Bewohner in drei verschiedenen Status befinden können: Home, unassigned und ready. Auf Status home befindliche Bewohner sind auf dem jeweiligen Feld beheimatet und verbleiben dort. Das ergibt auch Sinn, da Gebäude ohne Anwesenheit von Bewohnern nach und nach verfallen. Da ich mich bislang nicht um den Status kümmerte, sind alle meine Bewohner auf home.

Neu rekrutierte Bewohner ziehen durch die autobuild-Funktion immer wieder auf unbebaute Felder, bauen Unterkünfte und werden dann vom Spiel automatisch auf home gesetzt. Mir ist unklar, ob ich auf diese Weise jemals an ordentlichen Überschuss an freien Bewohnern kommen könnte. Also schalte ich das automatische Bauen ab und drehe die einzelnen Dreiecke (Puh) beim Recruiting hoch. Das ist durch die Größe meiner Stadt mittlerweile echt mühsam und kleinteilig, aber wer Riesenskorpione besiegen will, darf nicht zimperlich sein!

Nach und nach sammeln sich dann separate Einheiten in und um meine Stadt, die entweder unassigned sind oder auf neuen, unbebauten Feldern automatisch auf home eingestellt waren, was ich manuell auf unassigned änderte. Leider kann man Einheiten nicht teilen, was sinnig wäre, bestehen sie doch aus mehreren einzelnen Personen. Dann hätte ich pro Feld einfach nur eine einzelne Person hinterlassen, die die Gebäude versorgt und wäre mit allen anderen in den Krieg gezogen. Wenn neue Einheiten in bebauten Feldern auftauchen, ändere ich ihren Status auf home und setze die bereits aufgelevelte und auf mehrere Personen angewachsene Einheit auf unassigned, damit sie auf meinen Magneten reagiert.

Nach einer Weile bekomme ich so eine kleine Armee zusammen, mit der ich gen Osten ziehe. Die Kämpfe laufen wie der Rest des Spiels in Echtzeit ab. Viel erkennen lässt sich im Gewusel nicht, jedoch kann über ein Schlachtenbarometer, das an die Total-War-Reihe erinnert, die jeweilige Über- oder Unterlegenheit abgelesen werden.

Die einzelnen Aktionen der eigenen Schlachtenteilnehmer sowie der Gegner lassen sich in Textform nachvollziehen, ganz wie in einem klassischen RPG: Magier schießen ihre Kampf- und Immobilitätszauber, Kleriker heilen Verwundete und Kämpfer hauen drauf, was das Zeug hält, während die Manscorpions wild Gift versprühen. Nach und nach kann ich so das Thermometer auf meine Farbe einfärben und auch den letzten Manscorpion vor der Insektenburg erledigen. Anschließend zerstöre ich die Burg für ordentlich Erfahrungspunkte und werde in den Stand eines Prinzen erhoben. Doch der vermeintlich besiegte Gegner reagiert zornig, versammelt seine versprengten Truppen im Umland und zieht auf in Richtung Heimat meiner Helden …

Die Kämpfe sind ein wunderbar chaotisches Gewusel. Die Grafik zeigt die einzelnen Aktionen detailgenau, der Blick auf den Stärkebalken ist aber das wichtigste. (Bild: Daniel Cloutier)
Die Kämpfe sind ein wunderbar chaotisches Gewusel. Die Grafik zeigt die einzelnen Aktionen detailgenau, der Blick auf den Stärkebalken ist aber das Wichtigste. (Bild: Daniel Cloutier)

Bewertung gestern und heute

Stronghold kommt mit so einigen Nickeligkeiten und nervigen Schwächen daher. Am schwersten wiegt die Unübersichtlichkeit mit all den vielen Personen, Fraktionen, Dreiecken und Gebäuden ohne eine vernünftige Übersicht oder maßgeschneiderte Steuerung. Die Reports sind zwar zahlreich und ausführlich, erschlagen aber mit Zahlen. Auch das immense Mikromanagement bei einem gewachsenen Reich und die umständliche Schlachtführung sind nichts, was sich auf der Habenseite verbuchen lässt.

Doch wie erklärt sich dann die Faszination der Fans von Stronghold?

Schauen wir doch erst einmal, wie das Spiel zu seiner Zeit bewertet wurde. Die zeitgenössische deutsche Presse war sich nicht hundertprozentig einig, wie das Spiel einzustufen ist:

Die Power Play 10/93 sah Stronghold als eine Mischung aus Fantasyrollenspiel, Populous, Powermonger und Sim City. Michael Hengst und Volker Weitz fanden das Spiel beide “super” und bewerteten es als innovative Frischzellenkur. Am Ende bekam das Spiel 85% und die begehrte “besonders empfehlenswert”-Auszeichnung der Power Play.

Ähnlich sah es der PC Joker aus dem selben Monat. Mick Schnelle lobt hier besonders die Variationsfähigkeit über generierbare Karten und die tolle Grafik, die bei ihm zu einem Rückfall in die Sim-City-Sucht führten. Hier gab es dann sogar 87%

Etwas anders sah es Thomas Werner bei der PC Player. Sein wertender Kommentar ist ausgesprochen interessant und aus heutiger Sicht vermutlich noch treffender als damals. Zwar lobt er die Darstellung der Spielwelt und die generelle Mischung aus Populous, Sim City und D&D Regeln, doch bemängelt er eine aus seiner Sicht langweilige Anfangsphase, in der nicht wirklich etwas passiert.

Auch die Armee-Steuerung durch die Magnet-Funktion fand er nicht sonderlich gelungen. Dass nach einer Weile der Überblick verloren geht, man immer wieder systematisch jeden Ort ansteuern muss, die Reports und auch die Dreieckssteuerung verbesserungsbedürftig sind, führen bei ihm am Ende zu einer 69%-Wertung.

Doch bei all den damals und heute festzustellenden Nickeligkeiten, wie erklärt sich die anhaltende Faszination von damaligen Spielern heute? Ist das reine Nostalgie?

Blick in die Weite

Da wäre zum einen die clever angelegte Präsentation der Spielwelt. Durch den flachen Blickwinkel, die hübschen Pixelgebäude und Personen und das Profil der Berge und Täler überblickt man durch die weite Sicht einen stattlichen Teil seines erschaffenen Reichs. Mit der schrittweisen Bewegungsmöglichkeit kann man als Spieler sogar ganz wie in einem Dungeoncrawler durch seine Städte laufen. Das alleine liefert schon eine ganze eigene Faszination, an die ich mich von damals noch erinnern kann und die auch heute noch funktioniert. Entwickler Don Daglow ließ verlauten, dass ihm die Idee für die Perspektive im Spiel nach dem Besuch einer Aufführung des Musicals Les Misérables in den Sinn kam.

In den Städten stehen auch nicht nur Häuser, die je nach Charaktertyp des Anführers unterschiedlich aussehen, sondern es herrscht ein buntes Treiben mit Bewohnern verschiedener Fraktionen und Baustellen. Wachsen die einzelnen Fraktionsgebiete zusammen und überschneiden sich, fühlt man sich wie in einer gewachsenen Stadt. Überall ist etwas los und die hübsche VGA-Grafik ist detailliert genug, dass es Spaß macht, einfach nur durch die Gegend zu laufen und gelegentlich zu verweilen, um zuzusehen. Nicht lange natürlich, komplexe Animationen hat das Spiel keine.

Außerdem macht das Spiel etwas, was auch heute in Spielen bewusst implementiert wird: Es beschäftigt den Spieler. Von Anfang an kann man fast ohne Ende bauen, bauen, bauen. Ständig ist man als Manager unterwegs, baut Felder an oder erstellt Marktplätze und nach und nach viele weitere Gebäude. Es gibt immer etwas zu tun, auch wenn es sich durchaus wie ein Grind anfühlt. Der Auto-Build unterstützt einen immerhin etwas beim Wohnungsbau.

Übrigens: Startet man das Spiel auf friedlicher Ebene, platziert seine insgesamt fünf Burgen und macht anschließend nichts mehr, vergrößert sich das Reich ein wenig und es entstehen vereinzelt Häuser. Durch das beschränkte Essen hält sich der Wachstum jedoch in Grenzen und spätestens im zweiten Winter gibt es die ersten Todesopfer durch Verhungern.

Wie viele erfolgreiche Aufbauspiele bietet Stronghold die Möglichkeit, nach eigenem Einsatz und Können voranzukommen. Wer perfekt optimieren möchte, kann das tun und in höheren Schwierigkeitsgraden bestehen. Wer nur so vor sich hin baut und gelegentlich nach den Wünschen der Bewohner schaut, kann sich aber auch so über ein wachsendes Reich mit vielen Bewohnern freuen.

Immer etwas zu tun

Durch die gute Progression im Spiel kommt auch das Gefühl des Fortschritts auf. Nach und nach wächst nicht nur die Stadt, sondern über den Charakteraufstieg des Anführers auch die Menge an unterschiedlichen Gebäudetypen. Die unterscheiden sich in Teilen noch einmal zwischen Charakterklassen, sodass eine beträchtliche Vielfalt zusammenkommt. Die Faszination lässt sich also auch heute nachvollziehen.

Nach allem, was ich so finden konnte, war Stronghold wohl kein sonderlich großer Erfolg bei den Verkäufen beschert. Das erklärt auch, warum es in den zwei noch verbliebenen Jahren mit D&D-Lizenz bei SSI kein Stronghold 2 gab. Immerhin kam der Name noch durch die beliebte und erfolgreiche Echtzeitstrategie-Reihe von FireFly ab 2001 zu weiterem Ruhm.

Stormfront Studios entwickelte auch nach Stronghold noch lange weiter Spiele. In der zweiten Hälfte der Neunziger primär Sportspiele wie NASCAR Racing, Madden NFL und Tiger Woods PGA Tour. In den 2000ern dann große Lizenztitel wie The Lord of the Rings: The Two Towers, The Spiderwick Chronicles und Eragon, aber auch das innovative Demon Stone. 2008 war dann endgültig Schluss und Stormfront schloss nach zwanzig Jahren seine Pforten.

Ich hatte trotz einigen Haken und Ösen auch heute noch viel Spaß mit Stronghold. Wer auf einem modernen System in die Rolle des künftigen Emperors schlüpfen möchte, kann das mittels Installationsdateien und DOSBox oder für ein paar Euro via GOG tun. Das Geld ist gut angelegt.

Wie ist es mit euch? Tragt ihr auch warme Erinnerungen an Stronghold mit euch rum oder habt ihr jetzt Lust bekommen, mal rein zu schauen? Ich freue mich auf eure Erfahrungen in den Kommentaren!

TobiAndré Eymann

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2 Antworten zu „Stronghold von 1993 – Heute gespielt“

  1. Avatar von André Eymann

    Lieben Dank für Deinen ausführlichen Beitrag zu Stronghold Daniel. Ich muss ebenfalls gestehen, dass ich das Spiel selbst noch nie gespielt habe. Ich war und bin prinzipiell nie ein großer Freund von Strategiespielen gewesen. Das mag daran liegen, dass ich schon früh fast immer einen Mitspieler zur Verfügung hatte und daher Coop- oder Two-Player-Actiongames bevorzugt habe. Für Stronghold-Freunde ist Dein Beitrag bestimmt sehr interessant, weil Du viele Details erwähnst und durch Deine eigenen Erfahrungen viele Tipps einbringen kannst. PS: den „Pressespiegel“ in Deinem Text, mit den Erwähnungen der Redakteure von damals, finde ich übrigens super.

    Tobi
  2. Avatar von Tobi

    Herzlich willkommen Daniel und vielen Dank für deinen Artikel!

    Ich muss gestehen, dass diese Art von Spielen leider überhaupt nicht in meinen favorisierten Genres vorkommt.
    Dennoch habe ich deinen Bericht mit Interesse gelesen, da du sehr detailliert und lebendig auf viele Details eingegangen bist und auch viele Dinge im Hintergrund erläutert hast.
    Da freue ich mich doch, in Zukunft noch mehr von dir zu lesen 🙂

    Darüber hinaus gefällt es mir, wieder einmal zu lesen, dass es nicht unbedingt auf Grafikpower ankommt, um ein unterhaltsames und fesselndes Spiel zu erleben.

    André Eymann