Nein, nicht so, wie man jetzt denken könnte. Die Kurven der „Mistress of the Dark“ waren für mein jüngeres „Ich“ noch nicht so interessant, wie die Aussicht, ein spannendes Horrorspiel zu zocken. Und selbst heute würde ich mit Elvira lieber zum Frisör als ins Bett gehen.
Doch was hat 1990 den Reiz des bei Horror Soft programmierten und von Accolade vertriebenen Computerspiels Elvira: Mistress of the Dark ausgemacht? Sicher nicht die langen Ladezeiten, häufigen Diskettenwechsel oder das klobige Kampf- und Inventar-System.
Auch der Schwierigkeitsgrad des Spiels, der mit seinen Trial & Error-Passagen weichgespülte Gamer von heute vermutlich schreiend weglaufen ließe, war sicher nicht der Hauptgrund dafür, dass Elvira lange Zeit ein hitziges Gesprächsthema auf dem Schulhof war. Ständiges Sterben waren wir 80er Kids durch knüppelharte Münzfresser in der Spielhalle oder Heimkonsolen-Spiele wie Ghouls ’n Ghosts ohnehin gewohnt. In der Zeit von Tschernobyl und Chuck Norris‘ Delta Force machten wir noch ohne Fahrradhelm Stunts auf unseren BMX-Rädern und zitterten bei Dungeons & Dragons bei Save or Die-Rettungswürfen. Die 80er waren eine simplere, aber, faszinierender Weise, auch sorglosere Zeit.
Deshalb habe ich mich als Kind stoisch durch Elvira: Mistress of the Dark gestorben und mich an den herrlich ekligen Horrorszenen erfreut, für die ich natürlich noch viel zu jung war. Denn genau das hat Elvira, besonders rückblickend, zu einem Kultspiel gemacht: die für damalige Zeit recht stimmige Grafik und sinistere Atmosphäre. Wenn ich jetzt nochmal darüber nachdenke, hätte Elvira einen Platz in meiner Liste der besten Amiga 500-Games verdient gehabt. Selbst wenn ich es nie zu Ende spielen konnte. Aber dazu später mehr.
Worum geht es bei Elvira überhaupt?
Basierend auf der Story (oder zumindest inspiriert von) der vollbusigen Horrorkomödie Elvira: Mistress of the Dark von 1988, hat Elvira ein Schloss geerbt, welches sie nun gerne zu einer Touristenattraktion machen würde. Doch am Vorabend von Allerheiligen erwacht, wie es sich für Halloween gehört, das Böse in der Burg und macht das feuchte Gemäuer zur Todesfalle. Zudem ist Elviras vor 100 Jahren verstorbene Ururgroßmutter Emelda auferstanden, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. Klar, man soll ja erhabene Ziele haben – das ist gut für die Motivation.
Der Spieler schlüpft nun in die Rolle eines von Elvira engagierten Geisterjägers, welcher der alten Schachtel mittels einer noch älteren Schriftrolle den Gar ausmachen soll.
Dazu klickt er sich in einer Mischung aus klassischem Dungeoncrawler und LucasArts Point-and-Click-Adventure durch ein mittelalterliches Schloss und dessen Gärten. Wobei die 90-Grad-Fortbewegung Klassikern wie Eye of the Beholder oder Dungeon Master entnommen ist und der Item-Overkill im Inventar an Spiele wie Maniac Mansion oder Zak Mckracken erinnert.
Hinzu kommt ein simples Angriffs- und Parade-Kampfsystem, welches damals zwar äußerst gewöhnungsbedürftig war, den Burgwachen bei geglücktem Treffer aber einen Schmerzensschrei entlockte, den ich aus mindestens 100 anderen Spielen der Zeit kannte. Witzig.
Doch, wie schon erwähnt, waren Steuerung und Technik des Spiels nicht das, was es mir und vielen anderen Horror-Fans in die Erinnerung eingebrannt hat. Das gruselige Abenteuer Elviras Erbstück zu erkunden, mit all seinen typisch gotischen Schauplätzen wie Waffenkammern, Katakomben und Heckenlabyrinth im Garten, stand im Vordergrund. Ebenso, wie dabei den klassischen Monstern wie bösen Mönchen, Vampiren, Werwölfen, Hexen und Dämonen zu begegnen.
Was dabei aus heutiger Sicht wie semi-atmosphärische Pixelkunst anmutet, hat mich damals jedoch fast um meinen kindlichen Verstand gebracht.
Die Kraft der Imagination in Elviras düsterem Schloss
Horror entsteht in Büchern, Filmen und Spielen ja nicht nur durch geifernde Monster und verstümmelte Leichen, sondern häufig auch durch das, was wir nicht sehen. Durch das, was wir nur vermuten, erzählt bekommen und was „zwischen den Zeilen steht“. Der Horror entfaltet seine wahre Macht durch die Bilder, die unsere ungezähmte Imaginationskraft vor unserem geistigen Auge entstehen lässt, ungefragt und gnadenlos.
Dieser Mechanismus des Geistes, gekoppelt mit meinen unschuldigen Kinderaugen, hat Elvira: Mistress of the Dark für mich zu einem wahrhaft gruseligen Trip mit Herzklopfen gemacht. Natürlich war und ist die Grafik nicht grauenvoll, doch aus heutiger Sicht waren die Pixelgänge im Schloss mit ihrer eher bescheidenen Farbtiefe nicht gerade der Stoff aus dem Alpträume sind.
Trotzdem haben sie gereicht, um mich das Fürchten zu lehren. Wahrscheinlich gerade WEIL die Grafik so rudimentär war. So wurde der Geist eingeladen, die Welt jenseits der Pixel mit den eigenen Bildern zu füllen und die schaurige Burg mit ihren Bewohnern „zu Ende zu denken“.
Dazu hat natürlich auch das monotone Dröhnen des unheimlichen Soundtracks beigetragen, mit seinen plötzlichen schrillen Tönen und gelegentlichen Effekten wie Wassertropfen oder Herzschlag. Besonders das düster-melancholische Musikstück der Außenbereiche hat mich sehr in die Atmosphäre hereingezogen. Unvergessen, als ich zu diesen Klängen im Gartenhäuschen das erste Mal über den toten Gärtner stolperte, dem schon die Maden aus dem Hals quollen.
Überhaupt spielte ich das Spiel in erster Linie in freudig-panischer Erwartung der nächsten Horror-Szene. Davon haben sich viele in meine Erinnerung eingebrannt wie schockierende Szenen eines Horrorfilms. Ich werde nie die bleiche Person auf dem Bett vergessen, die sich beim Nähertreten als Vampirin entpuppte, die plötzlich die Augen öffnete und mich böse angrinste. Viele Bisswunden am Hals später hatte ich dann endlich mal einen Holzpflock und einen Hammer dabei, was zu einer weiteren verstörenden Szene führte.
In dem ätzend schweren Spiel waren die schockierenden Bilder auch häufig mit dem Ableben des eigenen Charakters verbunden. Und das kam schnell und häufig. Schön eklig, wie z. B. der Raubvogel des untoten Falkners mir das erste Mal die Augen auskratzte. Oder wie mein Kopf in der Suppe der Hexe landete. Oder wie der Werwolf im Stall mir die Kehle herausriss. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Designer des Spiels eine teuflische Freude dabei hatten, die vielen Wege des Scheiterns möglichst plakativ darzustellen. Unnötig zu erwähnen, dass die Augen eines Kindes dabei vor Horror und verbotener Sensationslust nur so Feuer fingen.
Wenn ich mich jetzt zurückerinnere, habe ich das Spiel nie zu Ende gespielt, sondern mich nur immer wieder gerne in seiner morbiden Atmosphäre verloren. Zwar konnte ich mir noch zusammenreimen, wie sich aus Silber und Armbrustbolzen ein tödliches Geschoss für den Werwolf bauen ließ, doch die vielen Tränke und Zaubersprüche, die Elvira von mir haben wollte, gaben mir unlösbare Rätsel auf.
Heute muss ich darüber lachen, weil ich das Spiel aus einem sehr banalen Grund niemals hätte schaffen können – egal, ob ich den tausenden von Kräutern und mystischen Gegenständen in meinem Inventar irgendwann Herr geworden wäre oder nicht. Da ich, wie wir alle damals, das Game in einem Stapel Raubkopien bekomme hatte, blieb mir verborgen, dass für die wichtigen Zauber des Spiels das der Spieleverpackung beigelegte Zauberbuch nötig war. Die Rezepte darin waren ein kreativer Kopierschutz, wie das Gesichter-Rad bei Monkey Island 2 oder ähnlich witzige Packungsbeilagen anderer Spiele.
Umso faszinierender, dass die meisten von uns trotzdem viele Stunden mit dem Spiel verbrachten, auch ohne die Möglichkeit, es je vollenden zu können. Für unsere noch unschuldigen Geister war der Weg das Ziel.
1992 fiel mir dann der Nachfolger Elvira II: The Jaws of the Cerberus in die Hände, der mich aber nicht mehr annähernd so hypnotisieren konnte. Das Spielprinzip war zwar dasselbe, doch der Handlungsort des verfluchten Filmstudios konnte für mich nicht dieselbe „gotische Atmosphäre“ beschwören wie seinerzeit das düstere Schloss voller bekloppter Mönche und blutgeiler Vampirinnen.
Deswegen habe ich unser Internetzeitalter genutzt, um mir sowohl den ersten als auch den zweiten Teil von Elvira noch mal in einem Longplay vorspielen zu lassen. Ein toller Service, denn ich weiß nicht, ob ich für so ein gnadenloses 80er-Spiel heutzutage noch Ausdauer und Nerven genug hätte…
Hat jemand Elvira in letzter Zeit auf einem Emulator durchgespielt?
Es würde mich interessieren, ob und wie das Spiel auch heute noch RPG- und Horror-Fans begeistern kann. Denn gerade im Bereich Horror gibt es ja dieser Tage Erfahrungen, die eine so realistische Grafik haben (teilweise mit VR-Unterstützung, wie Resident Evil 7), dass ein Pixelabenteuer wie Elvira dagegen höchstens noch durch Nostalgie Gänsehaut verursacht.
Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr euch in den Kommentaren spontan an alte Games erinnern könntet, die euch trotz Pixelgrafik einst das Fürchten lehrten. Damals, als die Grafik noch gruselig war. Aber auch so liebevoll und wunderschön.
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