Triggerwarnung: In diesem Text geht es um Tod, Selbstzweifel und Vorstellung vom Leben nach dem Tod.
Nichts stand in seinem Leben ihm so gut,
William Shakespeare
Als wie er es verlassen hat; er starb
Wie einer, der sich auf den Tod geübt,
Und warf das Liebste, was er hatte, von sich,
Als wär’s unnützer Tand.
Ich bin in meinem Leben früh mit dem Tod in Berührung gekommen. Als ich zehn Jahre alt war, starb mein Großvater an den Folgen einer Lungenentzündung, nachdem er in jahrelangen Chemotherapien gegen Leukämie angekämpft hatte. Zwei Jahre zuvor starb mein Meerschweinchen spät am Abend in den Armen meines Vaters.
Beide Erinnerungen haben sich tief in mein Gedächtnis gebrannt. Ich wuchs in einem römisch-katholischen Haushalt auf und wenngleich meine Eltern nicht übermäßig religiös waren, so hat die Vorstellung eines Lebens nach dem Tod, in meiner frühen Kindheit einen festen Platz im magischen Denken eingenommen.
Diese Verbindung zum Glauben an ein höheres Wesen habe ich im Laufe meiner Pubertät verloren. Zerwürfnisse mit meinen sehr gläubigen Großeltern und die intensive Auseinandersetzung mit Metaphern und Symboliken der unterschiedlichsten Religionen haben zu einer emotionalen Abgrenzung zu sämtlichen religiös geprägten Lebens- und Todesvorstellung geführt.
Der Preis, den ich für diese aufgeklärte Weltsicht gezahlt habe, war eine tief verwurzelte Angst vor dem Tod. Als Mensch, der auf Harmonie und persönliche Weiterentwicklung geeicht ist, ist die Vorstellung eines dunklen Nichts, das am Ende aller Zeiten auf uns wartet, ein schier lähmender Gedanke.
Doch nicht nur die Furcht vor dem eigenen Tod, sondern auch die Angst vor dem Verlust jener, die mir nahe stehen, umklammerte mit eisigen Klauen viele schlaflose Nächte. Dabei fand diese Furcht auf der umfangreichen Krankheitsgeschichte meiner Familie einen nur allzu guten Nährboden.
In jene Zeit fiel auch meine Begegnung mit „Everybody’s Gone to the Rapture“, von „The Chinese Room“. In dem Spiel durchstreifte ich ein fiktives englisches Städtchen Mitte der 80er Jahre. Alle Einwohner sind verschwunden, die ganze Szenerie wirkt geradezu so, als hätten die Menschen von jetzt auf gleich einfach aufgehört zu existieren. Leuchtende Funken – Echos aus der Vergangenheit – erzählen mir Ausschnitte aus dem Leben dieser Personen. Geschichten von Liebe, Freundschaft, Misstrauen. Die ganze Palette menschlicher Emotionen.
Untermalt wird diese Reise durch die Stille menschlicher Existenz von geradezu sphärischen Klängen, die in einen Soundtrack Einzug halten, der ohne jeden Zweifel zu einem der emotionalsten der Spielgeschichte gehört.
In diesen Momenten reifte ein Gedankengang in mir, der mich mit neuer Hoffnung füllte. Zwei der großen Themen in Everybody’s Gone to the Rapture ist Singularität und Transzendenz. Die Menschheit ist als Ganzes mit sich und der Umwelt verknüpft. Wir alle sind Teil des selben Dings – ein Metabewusstsein. Die Lichtfunken in Everybody’s Gone to the Rapture sind alle Teile eines gewaltigen Lichts, das sich selbst umarmt und uns sowie den ganzen Kosmos umschließt.
Das Spiel zeigt die Schönheit, die in der Einsamkeit verborgen liegt. In seiner bedächtigen Art, die Geschichte zu erzählen, sowie seinen vielen Metaphern konterkariert es nicht nur die auf Action ausgelegte Spielelandschaft, sondern auch unsere Welt, die sich mit einer Selbstverständlichkeit beschleunigt, dass sie kaum mehr aufzuhalten ist.
Everybody’s Gone to the Rapture ist ein Spiel, das sich für immer einen Platz tief in meinem Herzen erkämpft hat. Und das nicht, weil es mir Antworten vorgegeben hat, sondern weil es als Leinwand für tief in mir verwurzelte Vorstellungen diente.
Everybody’s Gone to the Rapture gab mir den Mut, auch entgegen meines nach Logik dürstenden Verstandes ein wenig Glauben in meine Vorstellung einziehen zu lassen. Die Hoffnung auf etwas Größeres. Eine Verbindung, die uns Menschen mit dem Kosmos selbst vereint. Ein göttlicher Funke.
Vielleicht erweist sich mein Glaube irgendwann als wahr. Vielleicht kehren wir am Ende aller Dinge in ein gemeinsames Ich ein. Doch selbst wenn nicht: Im schlimmsten aller Fälle befindet sich am Ende nichts als das Ende und es wird nichts mehr zu bedauern sein.
Im besten Fall sollten wir auf ein Leben zurückblicken können, in dem wir unser eigenes Licht gefunden haben und für andere ein Funke in der Dunkelheit sein konnten.
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