1990. In einem kleinen Spieleladen an der Bergstraße. Als Zwölfjähriger suche Ich Nachschub für meinen innig geliebten, aber mittlerweile in die Jahre gekommenen Commodore 64. Für den erscheinen zwar nach wie vor neue Spiele, technisch gab es aber schon länger keine wirkliche Revolution mehr.
Mein Blick fällt auf die Regale, in denen all die hübschen Kartonboxen mit neuen Spielen stehen: Kickoff 2 (hatte ich schon und war damit schier verzweifelt), Rick Dangerous 2 (hatte ich ebenfalls und liebte es), Champions of Krynn (hatte ich noch nicht, sah aber arg krude und kompliziert aus).
Dann erhaschte ich eine vertraute Zahlenkombination auf einer Packung irgendwo dazwischen: 007. James Bond! The Spy Who Loved Me! Den Film kannte ich doch, mit der irren Ski-Verfolgungsjagd und dem schnittigen Lotus Esprit, den ich mir irgendwann als Erwachsener einmal kaufen würde (Spoiler: nope) und natürlich dem Stromberg-Schergen Beißer!
Ich greife sofort zur Packung, bewundere das filmreife Cover mit zwei attraktiven Darstellern für Bond und Bond-Girl (eine Ähnlichkeit zu Barbara Bach als Major Anya Amasova besteht durchaus) und beginne die Packungsrückseite zu studieren.

Was gab es da nicht alles zu entdecken. In der linken oberen Ecke sehen wir eine wilde Autoverfolgungsjagd, dargestellt in beeindruckender Grafik (1). Rechts oben sehen wir aus der Egoperspektive den bereits genannten Beißer auf uns zukommen (2). So viele Farben kann mein Brotkasten doch unmöglich darstellen?
Endgültig hingerissen bin ich, als ich das Bild hinter den beiden Protagonisten sehe: Gestochen scharf ist hier zu sehen, wie der weiße Lotus Esprit von Bond ins Wasser eintaucht, während er von einem Hubschrauber drangsaliert wird (3). Das hat schon fast Fotoqualität!
Ein bedrohlicher Gedanke nagt sich an die Oberfläche: Ohje, ob das vielleicht gar keine Screenshots von der C64-Version sind? Bei Rick Dangerous 2 prangten auf der Rückseite der C64-Box auch Bildschirmfotos von der Atari ST Version, dort aber mit dem Hinweis “Bilder von der ST Version. Je nach Computer können Unterschiede auftreten”. Nicht perfekt, aber immerhin fair.
Egal, das Spiel sah insgesamt so spannend aus, dass ich die (vermutlich etwa) 40 DM auf den Tresen des Verkäufers lege und voller Vorfreude nach Hause gehe.

Daheim angekommen starte ich das Spiel und erlebe die erste Überraschung. Das Introbild ist mit dem explodierenden Hubschrauber und dem auftauchenden U-Boot vor Karl Strombergs Wasserstation im Hintergrund zwar stimmungsvoll gepixelt. Aber was ist mit Bond passiert? Sein Oberkörper hängt im 45-Grad-Winkel zur Seite, so als würde er Gymnastik machen, während seine linke Hand anatomisch “interessant” eine Pistole(?) abfeuert(??). Oder eine Leuchtfackel hält(???). Aber gehen wir einmal ins Spiel selbst.

Wir beginnen mit dem Lotus, der auf einer Art Straße ins Meer steht und auf unsere Befehle wartet. Das Wasser ist animiert, die Grafik gewohnt krümelig, das shuffelige Bond-Thema via SID Chip düdelig.
Beim Losfahren fällt auf, dass der Brotkasten durchaus etwas zu kämpfen hat mit der für seine Verhältnisse aufwändigen Grafik. Ein Druck auf den Feuerknopf lässt uns schießen, wir stoßen schon in der ersten Kurve auf Goldmünzen (die müssen wir sicher sammeln) und Baustellenkegel sowie Ölflecke (denen müssen wir sicher ausweichen). Fahren wir durchs Öl, dreht sich der Lotus einmal um sich selbst.
Kurz darauf überquert ein Fußgänger die Straße. Überfahren wir ihn, gibt es Minuspunkte. Ein sich hinter uns näherndes Fahrzeug lassen wir überholen und schießen es ab. Schon in den ersten 20 Sekunden des Spiels ist klar, dass die Levels durchaus abwechslungsreich sind.

Das setzt sich im zweiten, fließend folgenden Abschnitt des Levels fort, wenn wir durch eine Hütte fahren und den Lotus in ein Schnellboot eintauschen, um damit über diverse Rampen und Brücken zu springen.
Ich hoffe hier noch immer, dass die Grafik mit dem eintauchenden Lotus, der von einem Hubschrauber verfolgt wird, vielleicht am Ende des Levels kommt. Tatsächlich bekommen wir lediglich ein “Well Done” auf schwarzem Bildschirm und dürfen im nächsten Level wieder auf den Lotus und deutlich vollere Straßen wechseln.

Später beenden wir einen Abschnitt, in dem wir in einen vor uns befindlichen Transporter hineinfahren oder von der Straße aus ins Wasser springen. Und auch unter Wasser können wir in einem sehr an ein Shoot-em-up erinnerndes Level gegen überdimensionierte U-Boote kämpfen.
Wer es bis zum Spielende schafft, sollte sich übrigens nicht zu sehr auf einen Abspann freuen. Nach einem kurzen schriftlichen(!) Schulterklopfer beginnt das Spiel einfach wieder von vorne.
Die ganzen tollen Grafiken auf den Packungsrückseite sind natürlich nicht im Spiel enthalten, die stammten alle von der sehr ansehnlichen Amiga-Version. Das führte bei mir zu einer gewissen Enttäuschung, die aber durch das abwechslungsreiche und die für C64-Verhältnisse ordentliche Präsentation schon am ersten Tag verflog. Die Erinnerung an die Hoffnung auf ein kleines Wunder jedoch nicht.
Es dürfte eines meiner letzten Spiele für den Brotkasten damals gewesen sein, da ich irgendwann ‘90 auf einen A500 umstieg und ins 16-Bit-Zeitalter eintauchte. Die Amiga-Version von Spy Who Loved Me habe ich nie nachgeholt. Vielleicht wird es dafür bald einmal Zeit.
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