Kona ist ein Mystery-Adventure mit Survival-Elementen, das mich in eine abgelegene Region Kanadas in den 1970ern entführt, wo es einen Mord und das mysteriöse Verschwinden der übrigen Bewohner zu enträtseln gilt. Kurzweilig und mit mildem Gruselfaktor und großartiger Atmosphäre ist es ein Spiel, das ich jedem Mysteryfan nur ans Herz legen kann.
In dem 2017 erschienen Erstlingswerk des kanadischen Entwicklerstudios Parabole spiele ich Carl Faubert, einen Privatdetektiv aus Montréal, der angeheuert wird, Fälle von Vandalismus in einer abgelegenen Region in Nord-Québec aufzuklären.
Sein Auftraggeber, ein gewisser William J. Hamilton, ist ein Geschäftsmann aus Chicago, der in der Manastanregion eine Kupfermine betreibt und dem auch sonst die halbe Ortschaft gehört. Einige der Einheimischen sind nicht sonderlich begeistert von dem „Engländer“, der ihre Geschäfte und ihr Land aufkauft.
Hamilton beschuldigt sie, sein Hab und Gut mutwillig zu beschädigen; vor allem seine luxuriöse Villa im Norden der Gegend scheint das Hauptaugenmerk der Vandal*innen zu sein. Beweise hat er natürlich keine – und genau hier komme ich ins Spiel.
Die Ruhe vor dem Sturm
Es ist Oktober im Jahr 1970, wie ein mit ominösem Soundeffekt aufploppender Schriftzug auf dem Bildschirm erklärt, als ich Carl Faubert hinter dem Steuer seines Pick-ups durch die Herbstlandschaft steuere. Ein Erzähler aus dem Off erläutert die Umstände, die Carl hierherführen, und dass das Treffen mit Hamilton im hiesigen Gemischtwarenladen stattfinden soll, den der reiche Geschäftsmann sein Eigen nennt.
Besagter Erzähler führt mich übrigens das gesamte Spiel über (wahlweise auf Englisch oder Französisch – Untertitel gibt es unter anderem auch auf Deutsch) durch die Geschichte und ist (beinahe) die einzige Stimme, die ich in den kurzweiligen etwa vier bis sechs Spielstunden höre.
Während ich also auf einer einsamen Landstraße durch Nord-Québec fahre und der Erzähler mir die Gedankenwelt meines Spielcharakters näherbringt, läuft im Radio ein gleichermaßen schönes wie beunruhigendes Instrumentalstück, das mich schon einmal seelisch darauf vorbereitet, dass die friedliche Atmosphäre sicherlich bald einer etwas beklemmenderen Stimmung weichen wird.
Lange warten muss ich darauf nicht.
Kaum dass ich eine zunächst abgesperrte Brücke überquert habe, kommt mir in halsbrecherischem Fahrstil ein anderes Auto entgegen. Ein beherztes Ausweichmanöver endet in einem Unfall, der meinen Privatermittler kurzzeitig ausknockt. Als ich aus der Bewusstlosigkeit erwache, hat sich das Umfeld drastisch gewandelt: die blühende Herbstlandschaft ist plötzlich unter meterhohem Schnee begraben und ein eisiger Wind wirbelt Schnee und Eis auf und beschränkt die Sicht teilweise auf wenige Meter.
Vom Fahrer des anderen Wagens ist weit und breit nichts zu sehen, sein Fahrzeug steht einsam und verlassen vor einer eingestürzten Brücke.
In einer nahegelegenen kleinen Hütte finde ich einen Ofen, den ich zum Aufwärmen entzünde, sowie einige Vorräte. Nachdem ich den eigenen Wagen wieder aus dem Schnee gegraben habe, mache ich mich auf zum Gemischtwarenladen – den seltsamen Wetterumschwung für den Moment ignorierend –, um mich mit Hamilton zu treffen.
Dort angekommen finde ich meinen Auftraggeber auf dem Fußboden des Ladens vor – erschossen. Kein guter Start. Aber wo ich schon einmal hier bin (und mein Rückweg ja ohnehin abgeschnitten ist), kann ich auch tun, wofür ich normalerweise bezahlt werde: ermitteln. In diesem Fall Hamiltons Mörder*in.
Leichter gesagt als getan, wie sich bald herausstellt, denn das verrücktspielende Wetter ist nicht das einzige Problem. Als ich Haus für Haus in der Region abklappere, stelle ich schnell fest, dass deren Bewohner*innen allesamt übereilt aufgebrochen sind, offensichtlich auf der Flucht vor … ja, wovor denn eigentlich?
Bei meinen Ermittlungen tun sich mehr als nur menschliche Abgründe auf – irgendetwas Merkwürdiges geht in Manastan vor. Etwas, das sich mit gesundem Menschenverstand allein nicht mehr erklären lässt. Etwas, das auch mich alsbald zu der Erkenntnis führen soll, dass ich besser niemals hergekommen wäre …
Mehr als ein „Walking Simulator“
Kona lebt in erster Linie von seiner mysteriösen Geschichte, aber es beschränkt sich nicht darauf, den Spieler von A nach B wandern und per Mausklick neue Storybrocken freizuschalten zu lassen, die das Geschehene und Gesehene erklären.
Dass ich hier auch anderweitig aktiv werden muss, eröffnet sich mir bereits, wenn ich einen kurzen Blick ins Menü werfe, wo es gleich drei Kategorien für Gegenstände gibt, die ich unterwegs aufsammeln kann: Ausrüstung, Verbrauchsgüter und Inventar. Ich finde Brechstangen und Hämmer, Äxte und Gewehre, Petroleumlampen, Verbandkästen und leere Flaschen, Eisenwaren und Magnete, kurzum: alles, was ich gebrauchen könnte und noch mehr. Nicht alles, das ich unterwegs aufsammle, erfüllt zwangsläufig einen Nutzen, aber ein paar wichtige Dinge sollten niemals (links) liegen gelassen werden.
Denn um das eigene Überleben zu sichern, ist es unabdingbar, drei wichtige Komponenten stets im Blick zu behalten: Carls körperliche Unversehrtheit, seinen geistigen Zustand und seine Körpertemperatur.
Vor allem Letzteres erfordert einige Aufmerksamkeit, denn das eisige Wetter bringt meinen Charakter schnell zum Frösteln, wenn er sich aus der Behaglichkeit eines Hauses oder seines Autos hinauswagt. Wenn ich nicht möchte, dass er draußen im Schneesturm erfriert, tue ich also gut daran, Streichhölzer, Anzünder und Holz zu sammeln, um entweder Feuerstellen in der Wildnis oder Öfen in Häusern und Hütten zu entzünden, damit Carl sich dort wieder aufwärmen kann.
Verbandkästen und Schmerzmittel stellen meine Gesundheit wieder her, sollte ich mich in einem der (zwar rar gesäten, aber durchaus vorkommenden) Kämpfe verletzen. Um meine Nerven zu beruhigen, kann ich ein paarmal an einer Zigarette ziehen oder auch ein schnelles Bier zischen, das ich aus dem Kühlschrank eines Hauses mitgehen lasse. Bin ich nämlich zu gestresst, sprinte ich kürzere Zeit und ziele schlechter (inwiefern Zigaretten die Sprintausdauer und Alkohol die Zielfähigkeit erhöhen, sei mal dahingestellt).
Um vorwärtszukommen, muss ich meine Hirnzellen bemühen
Eigentlich aber bin ich ja nicht hier, um meine Überlebenskünste zu demonstrieren, sondern um einen Mord aufzuklären und nebenbei herauszufinden, was die Bewohner*innen des Ortes dazu veranlasst hat, schlagartig die Flucht zu ergreifen.
Mit meiner treuen Sofortbildkamera ausgestattet, ziehe ich also durch die Gegend und sammle Hinweise – und ganz mystery-getreu sieht die Kamera hier manches Mal mehr als das bloße Auge.
So komme ich auch nicht darum herum, das ein oder andere Rätsel zu lösen, um an neue Informationen zu gelangen. Nachdenken muss ich dabei schon, verzweifelt bin ich aber an keiner der Aufgaben, was durchaus für das Spiel spricht.
Eine größere Herausforderung ist es da schon eher, auf Anhieb den richtigen Weg zu finden. Das Spiel lässt mich nämlich relativ frei in der Gegend herumlaufen und die Umgebung erkunden. In welcher Reihenfolge ich die Häuser, Hütten und Waldstückchen der Region abklappere, ist mir selbst überlassen. Es kommt natürlich deshalb schon einmal vor, dass ich später an bereits besuchte Orte zurückkehren muss, weil mir noch Gegenstände fehlen, die ich irgendwo anders erst finde.
Glücklicherweise habe ich ja ein Auto, das mich mehr oder weniger sicher von Haus zu Haus bringt. Gleichzeitig gibt es auf der Ladefläche des Pick-ups genügend Platz, um gesammelte Gegenstände zu verstauen, damit meine Taschen wieder frei sind für Neues (der Platz im Inventar ist nämlich begrenzt).
Bloß nicht den Überblick verlieren
Und damit ich mich zwischen Schneewehe und Baum auch nicht verlaufe, bekomme ich noch eine Karte der Umgebung an die Hand, die mir nicht nur jeden Weg und jedes Haus anzeigt, sondern auch, wo ich eigentlich gerade herumirre. Das ist auch bitter nötig, denn ohne diese Karte zu navigieren, ist bisweilen nahezu aussichtslos.
Sich zu verirren ist übrigens auch storytechnisch durchaus möglich: Dadurch, dass ich Informationen nicht in einer festgelegten Reihenfolge finde und es zwei parallele Handlungsstränge gibt, ist es manchmal gar nicht so leicht, die richtigen Hinweise miteinander zu verknüpfen (je nachdem wie clever oder blöd ich mich beim Abklappern der einzelnen Örtlichkeiten anstelle). Zum Glück gibt es hier ein Notizbuch, in dem mein Protagonist alle wichtigen Begebenheiten und Anhaltspunkte notiert, sodass ich jederzeit darauf zurückgreifen kann. Auf diese Weise habe ich stets einen Überblick über bereits gesammelte Informationen und darüber, wo mir eventuell noch etwas fehlt, um das Puzzle zu vervollständigen.
Mein Fazit
Kona versteht es, einen ausgewogenen Mix zwischen Geschichte und Interaktion zu finden. Die Survival-Elemente fügen sich angenehm unanstrengend in den Spielfluss ein, sodass ich mich zum Großteil auf die Story konzentrieren kann, ohne gleich jede Sekunde um mein vorzeitiges Ableben fürchten zu müssen.
Das Erkunden der Häuser, Hütten und Wälder und das damit verbundene Entwirren der Geschehnisse in der kanadischen Einöde macht einfach nur Spaß, auch wenn sich des Rätsels Lösung schon relativ frühzeitig abzeichnet. Kona erzählt zwar keine revolutionär neue Geschichte, aber es erzählt sie äußerst spannend und unterhaltsam.
Außerdem wartet das Spiel mit einer großartigen Atmosphäre auf, die womöglich sogar das Highlight darstellt.
Die Abgeschiedenheit der Region, der allgegenwärtige Schneesturm, die still und verlassen dastehenden Häuser, deren Bewohner*innen gefühlt vor noch wenigen Momenten dort gewesen sein müssen und deren plötzliches Verschwinden oder übereilte Flucht mit manch seltsam anmutenden und äußerst kryptischen Botschaften belegt ist – all das trägt dazu bei, ein leicht mulmiges, wenn nicht gar beklemmendes Gefühl bei mir zu hinterlassen. Der urplötzliche Einbruch der Nacht und die unheimliche Geräuschkulisse aus abwechselnd pfeifendem Wind, Stille und eigenwilligen Liedern, die aus dem ein oder anderen Radio schallen, tun ihr Übriges.
Von mir bekommt Kona ganz klar eine Spiel- und auch eine Wieder-Spiel-Empfehlung. Und den großartigen Soundtrack – mindestens den wundervoll atmosphärischen Song aus dem Intro – kann ich auch nur wärmstens empfehlen.
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