Eine Geschichte in Videospielen liefert in der Regel das ab, was sie anbietet. Ein fetziger Weltkriegsshooter bleibt in seinem Setting und seiner Story dem Thema Weltkrieg, Heldentum und Schusswaffen treu. Ein japanisches Rollenspiel erzählt oft eine Geschichte auf eine bestimmte Weise und bleibt bei seinem Grundthema (zum Beispiel Melancholie wie in “I am Setsuna” oder “Child of Light”) auch grundsätzlich.
Hinweis: Dieser Bericht enthält Spoiler zu „Silent Hill“, „Klonoa: Door to Phantomile“ und „Zelda: Link’s Awakening“
Manche Spiele wechseln jedoch inmitten ihres Verlaufs komplett die Stimmung. In diesem kleinen Bericht möchte ich drei davon nennen, bei denen sich die ganze Atmosphäre ab einem bestimmten Punkt anders anfühlt.
Es gibt auch Spiele, die mitten im Spiel ihr Genre ändern und sich völlig anders spielen, doch hier möchte ich mich auf Änderungen, die aufgrund von Überraschungen in der Geschichte auftreten, fokussieren.
Silent Hill
Die Horror-Adventure-Reihe Silent Hill wurde mit Teil 2 bekannt, der auf der PlayStation 2 erschien und sich durch eine äußerst komplexe, und in sich dennoch geschlossene und mitreißende Story auszeichnet. Doch ich möchte hier eine Szene aus Teil 1 beschreiben, welche die grundlegende Stimmung des Spiels vollständig ändert.
In Silent Hill sucht Harry Mason seine Tochter, die bei einem Autounfall verschwunden ist. Er sucht sie in Silent Hill, einer Geisterstadt, in der außer einer weiteren Polizistin und einer Krankenschwester keine weiteren Menschen zu existieren scheinen.
Das Spiel macht den Anschein, als würde es auf der Welle der Horror-Adventures reiten, die in den späten 90ern dank Resident Evil so bekannt und beliebt geworden sind.
Doch in der Szene, in der Lisa Garland versteht, dass sie nicht ein Mensch wie Harry oder Cyril ist, sondern genau wie die Monster nur eine Vision eines geplagten und verängstigten mächtigen Wesens, ändert sich die gesamte Prämisse.
Lisa verwandelt sich nicht etwa in ein unheimliches Ungeheuer, welches den Protagonisten angreift, sondern sie sucht bei ihm Hilfe. Doch Harry stößt sie weg und flieht, während Lisa mehr und mehr blutet. Die Hintergrundmusik ist dabei nicht verängstigend oder unheimlich, sondern unbeschreiblich traurig.
Ab diesem Moment ist Silent Hill kein gruseliges Horrorstück mehr, sondern eine herzzerreißende Geschichte über Missbrauch, religiösen Fanatismus und Fremdbestimmung.
Ein Thema, das sich grundsätzlich auch durch Silent Hill 2 und 3 zieht, wobei Silent Hill 2 mehr Distanz zwischen Spielerinnen und Helden aufrechterhält. Silent Hill 3 besitzt sogar eine Szene von ganz ähnlicher Tragweite wie das Ursprungswerk. Die Atmosphäre ist im dritten Teil aber auch dem Original deswegen so ähnlich, da die Geschichte dieses Spiels dort weitererzählt wird.
Klonoa: Door to Phantomile
Als ich mir 1998 dieses Spiel gekauft hatte, war es für mein 17-jähriges Ich beinahe zu kindisch. Die Startmusik begrüßt uns mit einer Melodie, die genauso gut aus dem Musikplayer eines meiner Kinder schallen könnte.
Das Spiel präsentiert sich als zuckersüßer 2.5D-Plattformer mit wunderschönen Arealen und wirklich erstaunlich gut gemachter Musik.
Held Klonoa ist ein Kater mit Hasenohren, begleitet von einem Ringgeist, der ihm hilft, Gegner einzusammeln und aufzublasen. Als Spieler bewegt man sich durch die Level, meistert Sprungpassagen und bekämpft interessant inszenierte Bosse auf der Suche nach Lephise, die vom finsteren Ghadius entführt wurde.
Unterstützung erhält Klonoa von seinem Großvater, der immer zu wissen scheint, was als Nächstes zu tun ist.
Am Ende der vierten Welt allerdings, als Klonoa zu seinem Großvater zurückkehrt, droht Ghadius‘ Lakai, Joker, den Großvater zu töten, um ein magisches Amulet zu erlangen … und tut es.
Es folgt ein dramatischer Bosskampf mit melancholisch-mitreißender Musik, und danach stirbt der Großvater in Klonoas Armen, und dieser schreit seine Trauer in der Phantasiesprache des Spiels heraus.
Diese Szene ist allerdings nur der Anfang einer Entwicklung, welche das Spiel von Niedlichem Jump’n’run hin zu einer ernsten, traurigen und gerade niederschmetternden Inszenierung führt – mit Gegnern und surrealen Designs, die teilweise beängstigend wirken können.
Gerade bei diesem Beispiel stellt sich die Frage, welche marketingtechnischen Überlegungen dahintergestanden haben, das Spiel so zu gestalten, wie es letztendlich umgesetzt wurde.
Der Anfang ist süß, erdrückt Spieler und Spielerinnen beinahe in fröhlicher Unschuld und wendet sich somit klar an Kinder, der spätere Teil ist dann so ernst und hintergründig, dass ich das Spiel keinem Kind unter zwölf Jahren antun würde.
Nichtsdestotrotz, ich finde es toll.
Zelda: Link’s Awakening
Für viele Leute ist Link’s Awakening, welches ursprünglich 1993 auf dem Game Boy erschienen, das beste zweidimensionale Zelda. Es ist auch das einzige Spiel der Hauptreihe, in welcher Link nicht Prinzessin Zelda retten muss, und auch Serienbösewicht Ganon keine Rolle spielt.
Nach den Erlebnissen des Vorgängerspiels geht Link auf eine Reise, und erleidet in einem Unwetter Schiffbruch auf einer mysteriösen, aber auch witzigen Insel. Die Bewohner scheinen alle sehr spleenig zu sein, das Spiel präsentiert sich mit mehr Witz und Selbstironie als vorherige Teile der Serie.
Link möchte natürlich die Insel wieder verlassen, und so kämpft er sich durch viele Verliese, um seinen Wunsch zu erfüllen. In den Verliesen sind Instrumente, um den „Windfisch“ zu erwecken, der ihm die Möglichkeit bietet, nach Hause zurückzukehren.
Im letzten Drittel des Spiels stellt Link aber fest, dass die Insel nur ein Traum des Windfischs ist, und dessen Erweckung die ganze Insel, zusammen mit seinen freundlichen und verrückten Bewohnern verschwinden lassen wird.
Ab diesem Zeitpunkt wird auch hier das Spiel, wie Klonoa zuvor, ernster und trauriger.
Ganz besonders trifft das auf den Dungeon zu, vor dem Link feststellt, dass die Insel aufhören wird zu existieren, wenn er sie verlassen sollte.
Im Switch-Remake ist die Musik dort unglaublich traurig und niederschmetternd. Link’s Awakening verliert seine Leichtigkeit und endet schließlich auch mit einer bitteren Note.
In Link’s Awakening ist diese Entwicklung organischer als in Klonoa, und das Spiel deutet ständig an, dass die Dinge nicht so leicht und lustig sind, wie sie zu Beginn scheinen.
Beispiele für den Stimmungswechsel:
- Musik am Anfang des Spiels
- Musik des Maskentempels, in dem Link realisiert, dass er die Insel vernichtet, wenn er fliehen kann.
Fazit
Ich liebe Melancholie. Und daher freut es mich, wenn scheinbar ganz anders gestimmte Spiele ihre Stimmung dahingehend ändern, ernster und trauriger zu werden.
Persönlich bin ich kein Freund von Horror und Grusel, und dennoch konnte ich mich durch die Silent-Hill-Spiele kämpfen, da irgendwann der Horror völlig verschwindet und eine tiefe Melancholie und Traurigkeit die Geschichten auszeichnet.
Allerdings kann ich mir auch gut vorstellen, dass viele Spielerinnen und Spieler überrascht oder gar irritiert sind, wenn sich ein Spiel in eine ganz andere Richtung entwickelt, als das zu Anfang zu erwarten ist.
Habt ihr auch Erfahrungen mit Spielen gemacht, die ganz überraschend anders ausgegangen sind, als ihr das Anfangs erwartet hattet?
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