Das legendäre Videospiel Rune spielt in der Zeit der Götter, Mythen und Helden von Midgard. Im Jahr 2000 n. Chr. veröffentlicht, reisen wir durch das Spiel zurück in die Welt von Loki und Odin, um das Rätsel der heiligen Runensteine zu lösen. Was das in 2023 mit mir macht und welche Geschichten sich hier verbinden lassen, erfahrt ihr in diesem Beitrag.
Ein Gemeinschaftsbeitrag von André Eymann und Roberto Kracht (Polygonien.de)
Flashback: auf einem sonnigen Flohmarkt in Hamburg-Altona am 10. Mai 2019 entdeckte und kaufte ich ein gut erhaltenes CD-ROM-Exemplar von Rune für Windows. Sofort schlug mein Herz höher. Konnte ich mich doch unmittelbar an endlose Stunden mit dem Spiel erinnern, die ich Jahre zuvor mit meinem besten Gamebuddy verbrachte. Es muss in 2001 gewesen sein, als wir den Titel für uns entdeckten und ihm fortan verfallen waren. Die Faszination des Spiels ist stark und so ist es nicht verwunderlich, dass ich es erneut spielen wollte, als ich es vor einigen Tagen in meinem Spieleregal wiederentdeckte.
Prolog: Kein Kampf mit der Hardware
Wie aber sollte ich mein Rune ohne Windows-Computer spielen? Denn ich besitze neben meiner PS4 und meinem Mac mini M1 schon lang keinen PC mehr. Ein Linux habe ich noch laufen… auf meinem alten Intel Mac mini von 2009. Wäre das ein Weg? Ein Windows-Spiel auf Linux? Das klappt bestimmt nicht, dachte ich mir. Aber ich sollte eines besseren belehrt werden.
Die Keksdose von 2009 bietet einen Intel-Core-2-Duo-Prozessor mit 2,26 GHz Taktfrequenz. Das sollte ausreichen, denn Rune verlangt lediglich eine 300Mhz CPU. Und selbst die schlappe Grafikkarte im kleinen Apple sollte passen. Also schnell Wine installiert und dann noch PlayOnLinux obendrauf. Dann „Installiere ein Programm“ angeklickt und die Original CD-ROM von Rune als Quelle verwendet. Wow, schon lief die Installation los! Das hatte ich nicht erwartet.
Nach dem ersten Ausführen von Rune erschien der mir vertraute Startbildschirm des Spiels in beeindruckender Qualität. Unglaublich, wie einfach das ging! Linux (in meinem Fall Linux Mint 21.1) hat die quälenden Jahre des frickeligen Konfigurierens weit hinter sich gelassen und lässt sich mittlerweile genau so komfortabel bedienen und nutzen wie jedes andere Betriebssystem.
Das einzige was ich in den Einstellungen des Spiels noch nachträglich angepasst hatte, waren die Grafikeinstellungen. Hier wurde von mir als Grafiktreiber OpenGL Unterstüzung und die Auflösung 1920×1080 Pixel ausgewählt. Alle anderen Default-Einstellungen (hohe Details) wurden übernommen.
Wolfsgeheule in Wotankeld
Nun ist es nicht zwangsläufig zu erwarten, dass ein Spiel von 2000 mit einer „großen Story“ aufwartet, oder eine hohe narrative Dichte bietet. Ich spiele beispielsweise auf meiner PS4 zur Zeit Red Dead Redemption 2 und bin von der Geschichte und ihrer erlebbaren Intensität sehr beeindruckt. Der Wilde Westen fühlt sich „echt“ an und ich kann als Spieler tatsächlich in das Spiel eintauchen.
Aber auf Rune treffen ganz ähnliche Attribute zu. Human Head Studios hat es mit der Story von Rune ernst gemeint, was schon im beigelegten Handbuch nachgelesen werden kann. Die Hintergrundstory umfasst insgesamt sechs (!) Teile und jeder von ihnen liest sich so romanhaft und lebendig, dass man bereits bei der Lektüre in die Welt von Conracks Horden und Odins Klinge hineingesogen wird. Diese Stimmung, diese Ernsthaftigkeit, durchzieht das gesamte Spiel.
Schon die ersten Schritte in der Welt von Ragnar begeistern mit einer düster-mystischen Atmosphäre. Entferntes Wolfsgeheule, ein schwerer Himmel, der über uns hinwegzieht und der Klang des frischen Windes in den Wäldern von Wotankheld stimmen uns ein auf das bevorstehende Abenteuer.
„Sein Name ist Ragnar,“ sagte der alte Mann, „und er steht noch ganz am Anfang seines Schicksalsweges.“ Die beiden wandten sich nach dem jungen Krieger um.
Rune, Auszug aus dem Handbuch zum Spiel
Diese Stimmung kommt nicht von ungefähr. Denn der Programmierer und Mitgründer von Human Head Studios, Chris Rhinehart, zeichnete sich bereits zuvor für atmophärisch dichte Mythenwelten verantwortlich. So stehen beispielsweise Heretic (1994), Hexen: Beyond Heretic (1995) oder Heretic: Shadow of the Serpent Riders (1996) auf seiner Credits-Liste.
Mit Rune wurde 2000 ein lineares Action-Adventure geschaffen, das in der nordischen Mythenwelt angelegt ist und sehr erfolgreich und beliebt war. Der Erfolg des Titels wurde für Rhinehart erst durch Prey (2006) getoppt. Der Nachfolger von Rune (Rune: Ragnarok) aus dem Jahre 2019 fiel leider bei der Kritik durch. Vermutlich auch, weil hier der Platzhirsch God of War bereits die Nase vorn hatte. Das Original-Rune aber, hat seinen Platz im Spiele-Valhalla gefunden.
RUNE UND SEINE PORTS
Gut ein Jahr später schaffte das Spiel unter dem Namen Rune: Viking Warlords auch den Sprung auf die PlayStation 2. Die Unreal Engine hatte allerdings so ihre Probleme mit der Konsole und so litt der Port u.a. an deutlich schlechteren Texturen, etwas instabilen Bildraten sowie recht langen und häufigen Ladepausen. Dafür durften sich Konsolen-Fans aber immerhin über eine handvoll neue Gegner und Level freuen. Der Online-Modus fehlte zwar, aber es gab zumindest einen Duell-Modus im geteilten Bildschirm. Ursprünglich plante man auch noch eine Version für den Dreamcast, aber nach SEGAs Rückzug wurde diese Idee leider wieder verworfen.
2012 kehrte das Spiel in Form von Rune Classic via GOG und Steam zurück. Dieses Remaster ist eine Kombination aus der PC-Version und der Änderungen aus der PS2-Portierung. Teile des ursprünglichen Spiels wurden sogar entfernt und umstrukturiert. Mit der Mod Rune Extended lassen sich aber alle entfernten Inhalte widerherstellen.
Rückblickend ist es verblüffend, dass Rune auf dem PC durchaus ein Hit war, aber von den Kritikern auf der PlayStation 2 teils geradezu zerrissen wurde. Liest man sich dann die Tests dazu genauer durch, stellt man fest, dass dies jedoch keineswegs den technischen Problemchen geschuldet war. Vielmehr war es offenbar so, dass die Spiele-Journalisten im Konsolen-Bereich damals wohl ganz grundsätzlich andere Erwartungen an ein Action-Spiel hatten. (rk)
Abtauchen ins Abenteuer
Nachdem wir im Langhaus des ersten Levels Axt, Schwert und Schild erhalten haben, beweisen wir unsere grundlegenden Kampfkünste und sind fortan bereit für unser Schicksal.
Das folgende Aufeinandertreffen mit Conracks Schergen auf dem Wasser führt zu einer unerwarteten Wendung. Eine Szene, die in mir eine Assoziation weckt.
Denn während wir in die Tiefe des dunklen und kalten baltischen Meeres hinabsinken, erscheinen die Namen der am Spiel beteiligten. Instinktiv muss ich an die erfolgreiche Fernsehserie Vikings denken, die 2013 veröffentlich wurde und den Wikinger-Mythos erneut weltweit in die Schlagzeilen brachte. Der Vorspann zur Serie eröffnet mit einer vergleichbaren Szene (musikalisch mit dem Song If I Had a Heart von Fever Ray untermalt), was eine bemerkenswerte optische Verbindung zwischen beiden Werken schafft.
Während des Spielverlaufs folgt Rune konsequent dem Wikinger-Mythos und entführt uns in eine magische Welt, die von Göttern, Zwergen oder Monstern bevölkert wird. Dabei ist das Spiel naturgemäß dunkel gehalten, was aber keineswegs ein Problem darstellt. Grafisch ist Rune sehr stimmig. Natürlich ist es 2023 nicht mit aktuellen Titel zu vergleichen, aber die Unreal Engine erschuf seinerzeit eine glaubhafte Welt, in der ich gern versinke.
Unbedingt erwähnenswert ist auch der Sound des Spiels. Dumpfes Grollen oder scharfe Klingengeräusche geben sich die Klinke in die Hand. Rune ist wie ein fein abgestimmtes Uhrwerk, dessen Atmophäre nachhallt. Man könnte das Gesamtwerk als vergessenes Juwel bezeichnen, das heraussticht, aus der Menge an Spielen seinerzeit.
Dabei fällt mir beim Spielen immer wieder auf, dass der „alte Look“ des Spiels durch seine Eigenständigkeit und Authentizität ganz wunderbar in der Gegenwart spielbar ist. Dieser Punkt liegt mir als Spieler der ersten Generation besonders am Herzen. Spiele wie Rune leben auch von ihrem Artstyle und stellen auch im heute etwas dar. Die Grafik von 2000 hat eine einmalige Visualisierung, die nicht nur „funktioniert“, sondern vor allen Dingen zeitlos und auf ihre ganz besondere Art wunderschön ist.
Die Story von Rune wird immer wieder durch kurze Cutscenes und Vorschaumomente nach vorn getrieben, so dass ein nahtloses Erleben der Geschichte ermöglicht wird. Hier muss auch die hervorragende Sprachausgabe und das sehr gut geschriebene Skript erwähnt werden. Die am Anfang des Beitrags angesprochene Liebe zum Detail und Ernsthaftigkeit wird ohne Unterbrechungen fortgeführt.
Der Stammesführer ging zu Ragnar hin, der etwas abseits wartete, und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Dies wird mehr als ein Kampf gegen irgendwelche wildgewordenen Bauern, Ragnar. Nach allem, was man so hört, könnte man denken, wir treten gegen die leibhaftigen Mächte der Finsternis an.“
Rune, Auszug aus dem Handbuch zum Spiel
Die Geheimnisse der Alten und Weisen
Rune bietet neben der Einzelspieler-Kampagne einen Multiplayer-Modus und wartet sogar mit einer waschechten Co-Op-Mod auf. Das bedeutet, man kann die Story und Herausforderungen des Spiels gemeinsam mit einem Freund meistern! Genau das hatte ich damals mit meinem besten Buddy gemacht und dabei – wie in keinem anderen Spiel seiner Zeit – Spaß gehabt.
Im Handbuch zum Spiel finden sich kuriose und liebenswerte Weisheiten, wie man im Multiplayer am besten voran kommt. Hier ein paar Auszüge, die auch verdeutlichen, mit welcher Leidenschaft und Spaß am Spiel gearbeitet wurde:
- Bleiben Sie in Bewegung. Ein herumstehender Wikinger ist so gut wie tot.
- Für alle, denen das Wort „Ehre“ fremd ist: Unbewaffnete Gegner sind naturgemäß die einfachsten Gegner.
- Man kann sich im Geäst von Bäumen verstecken; ein perfektes Örtchen für einen Hinterhalt.
- Sollten Sie in Brand geraten, so werden die Flammen irgendwann von selbst ausgehen. Bis es soweit ist, müssen Sie aber etwas essen und trinken, um am Leben zu bleiben.
- Werfen Sie Ihren Schild weg, bevor er zerbricht. Suchen Sie sich einen, der in besserem Zustand ist.
Epilog: „Eines Tages wirst du von diesen Tagen erzählen!“
Die Geschichte von Ragnar und Odin bleibt unvergänglich, sind doch die Wikinger in unseren Tagen medial präsenter als je zuvor. Und obwohl mittlerweile 23 Jahre vergangen sind, bleibt Rune ein Meilenstein in der Geschichte der Videospiele.
Human Head Studios wurde am 13. November 2019 geschlossen und viele aus dem Team von Rune sind zu Roundhouse Studios (Bethesda Softworks) gewechselt. So möchte ich am Ende des Beitrags einige Namen würdigen, die dieses wundervolle Spiel geschaffen haben.
Im Idealfall findet sich im Platz der Geschichte, eine Möglichkeit, den geistigen Urvater Rune von 2000 doch noch durch eine Fortsetzung zu ergänzen. Wer weiß, was die Zukunft bringt?
Name | Rolle / Aufgabe |
---|---|
Paul MacArthur | Chefprogrammierer |
Ted Halsted | Leitender Grafiker |
Timothy S. Gerritsen | Geschäftsführung |
Ben Gokey Paul MacArthur Chris Rhinehart | Programmierer |
Matt Sweeney | Zusätzliche Programmierung |
Tim Bowman | Charakter Texturen |
Laurie Wise | Historische Beratung |
Michael Larson | Audio Regie und Produktion, Soundeffekte |
Jim B-Reay Romulus Mars Priscus Michael Larson | Musik |
Ted Halsted Seth Johnson | Sprecher |
Seth Johnson | Manual |
Kennst Du Rune, oder hast Du es vielleicht sogar selbst gespielt? Welche Erinnerungen verbindest Du damit? Schreib es mir gern in die Kommentare! Ich würde mich sehr freuen.
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