Heutzutage wird überall in den Medien davon gesprochen wie narrativ Videospiele sind oder sein sollten. Das Narrativ, so könnte man den Eindruck gewinnen, macht ein Spiel erst „erwachsen“. Dabei haben Geschichten in Videospielen eine lange Tradition.
Für mich als Spieler der ersten Generation sieht es wie folgt aus: als ich 1983 meinen ersten ColecoVision-Titel spielte – konkret “Smurf: Rescue in Gargamel’s Castle” – war das auf jeden Fall eine Erfahrung, die ich “erlebt” habe.
Mein kindliches Ich hat in diesem Spiel ein Abenteuer, ja eine Geschichte erlebt, wie ich es nie zuvor bei Brettspielen oder beim Fernsehen wahrgenommen habe. Ich habe in der Spielwelt “existiert” und fand sie spannend, gefährlich und aufregend. Es hat mich berührt und ich habe sogar davon geträumt. Das aus heutiger Sicht “minimale” oder “lineare” Spielprinzip stand mir dabei nicht im Wege. Meine Fantasie hat die Welt für mich lebendig gestaltet.
The evil Gargamel has captured little Smurfette. Smurf has to travel across fields and through woods and underground caves, running and jumping to avoid natural obstacles and dangerous creatures.
Smurf: Rescue in Gargamel’s Castle, Cartridge instructions
Damals in Peru
Ihr merkt schon wo ich hin möchte, oder? Es geht in meiner Kolumne nicht darum die Spiele der Frühzeit mit komplexen interaktiven Erzählungen à la The Last of Us oder kleineren Dialog-Kunstwerken wie Firewatch zu vergleichen. Natürlich wäre das auch Blödsinn. Ich stelle nur fest: Videospiele und Geschichten das gehört zusammen. Und zwar seit dem Beginn ihrer Existenz.
Die Welt in die wir beim Spielen eintauchen brauchte immer schon einen Kontext. Vielleicht sogar noch mehr, als Videospiele zu lediglich reduzierten Darstellungen fähig waren. Die Notwendigkeit die visuelle Welt zu beschreiben war in den antiken 8-Bit-Spielen schlichtweg erforderlich. Wie sollte man sonst den Skorpion von der Cobra unterscheiden können? Wie sollte Pitfall Harry wissen, was das Ziel seiner Expedition wäre?
Perhaps I’ve gone too far. I’m in an underground cavern beneath Peru. It seems to be a complex maze, perhaps eight chambers wide and over three times as deep… Old friends, if ever you see this diary, I hope you’ll read it and come to my aid.
Pitfall II: Lost Caverns, Pitfall Harry’s Diary
Damals wurde das Erlebnis übrigens auch oft durch Beigaben zum Spiel „verlängert“. Bei Pitfall II beispielsweise durch “Pitfall Harry’s Diary”. Ein kleines, fünfseitiges Heftchen im Stile eines ledergebundenen Tagebuchs mit handgeschriebenen Notizen von Harry. Hier hat der Abenteurer seine persönlichen Notizen eilig auf wettergegerbtem Papier festgehalten. Am Rande des teilweise mit Fettflecken verschmutzten Pamphlets finden wir handgezeichnete Skizzen, so wie nur Harry selbst sie anfertigen kann. Unbestritten: diese Notizen sind echt!
Es gibt viele weitere Klassiker, in denen wir ein sinnstiftendes, wenn auch knappes Narrativ an die Hand bekommen. In Missile Command von Atari sind wir der Kommandant einer Basis und tragen die Verantwortung, sechs Städte des Planeten Zardon zu schützen. In Jungle Hunt müssen wir unsere entführte Gefährtin retten, die nach Stunden des tapferen Kampfes von zwei menschenfressenden Kannibalen überwältigt wurde. Und im legendären Konsolen-Abenteuer Adventure gilt es den magischen Kelch des hinterhältigen Zauberers zu finden.
Fazit: wir haben uns also schon immer durch Videospiele und ihre Geschichten in fremde Welten entführen lassen. Wann aber wurden die Geschichten in Spielen inhärent notwendig? Seit wann berühren sie uns über den Unterhaltungswert hinaus? Was findest du besser: so wie Spiele früher waren (mehr Entscheidung), oder wie heute sind (mehr Immersion). Wie sind deine Erfahrungen, wenn du zurückdenkst? Was für Beispiele fallen dir ein und warum? Ich freue mich auf deinen Kommentar.
Schreibe einen Kommentar