The Chaos Engine oder: Die letzten Monate vor meinem “Sommer des PCs”

Avatar von Daniel Cloutier

Lesedauer: 2 Minuten

Die Bitmap Brothers gehören zu den berühmtesten Entwicklerteams aus der goldenen Zeit des Amiga. Speedball 2, Cadaver, Xenon 2, Gods: allesamt legendäre Spiele aus jener britischen Schmiede, deren Kernmitglieder sich gerne wie Rockstars inszenierten und die Kompilierzeiten der Entwicklerrechner in den nahegelegenen Pubs verbrachten.

Allerdings stammten aus Sicht des Jahres 1993 die großen Amiga-Spiele allesamt aus den späten Achtzigern und frühen Neunzigern. Nur ein Jahr zuvor glühte mein Amiga 500 noch munter auf seinen 7 Mhz mit einer Fülle an brillianten Spielen, die heute ewige Klassiker sind.

Man muss sich nur mal auf der Zunge zergehen lassen, dass in diesem Jahr Apidya, Civilization, Der Patrizier, Fire & Ice, Lotus 3, Pinball Fantasies, Populous 2, Project X, Sensible Soccer und auch noch Monkey Island 2 erschienen waren!

Doch der Blick in Richtung PC sorgte bei mir Anfang 1993 für Nervosität. Würde LucasArts Indy 4 wirklich noch konvertieren? Würde ein 3D-Wunder wie Ultima Underworlds jemals auf meinem A500 laufen können? Die damalige Pressemeinung (Amiga Joker, Amiga Games) wechselte im Jahresverlauf zwischen Durchhalteparolen, der Suche nach einem Schuldigen (“der Raubkopierer!”) und Hoffnung auf die Retter in Gestalt des A1200 und des CD32.

Da war es wie ein kleines Wunder, dass die Bitmap Brothers noch im Frühjahr ein neues Spiel heraus brachten: Mit der unverwechselbaren Grafik von Dan Malone, einem treibenden Soundtrack von Richard Joseph und famoser Balleraction im Coop. Und so kämpften wir uns durch das teils knackig schwere Spiel, das so sehr auf ein gemeinsames Vorgehen setzte wie auf Trial & Error. Aber wir bissen uns bis zum Ende durch und besiegten die Chaos Maschine mit ihrem wahnsinnigen Erschaffer Baron Fortesque.

In den Wochen darauf sah ich bei einem Freund auf dessen PC das erste mal X-Wing von LucasArts in Aktion. Zusammen mit den schmerzhaften Erfahrungen mit der auf dem 500er nahezu unspielbaren Wing Commander Umsetzung und der Gewissheit, dass die neuen 3D-Spiele nicht mehr auf dem Amiga erschienen würden war für mich klar: MS-DOS ist die Zukunft!

Im Sommer stieg ich dann gemeinsam mit meinen Freunden auf PC um, in meinem Fall einen 386DX40 mit 105 MB Festplattenspeicher und 4 MB RAM. Was folgte war einer der prägendsten Sommererfahrungen meines jungen Lebens, mit vielen Tagen im Wechsel zwischen dem Freibad in drei Kilometern Entfernung (die ideale Radfahrstrecke. Zumindest hin. Zurück gings den Berg hoch) und Spielen am PC.

Dort holten wir die bereits erschienenen Hits nach, wie Ultima Underworld, Indy 4 und Wing Commander (mit mehr als 2 FPS) und verbrachten unzählige Stunden mit den neuen Klassikern wie Dune 2, Syndicate und später im Jahr Day of the Tentacle, Strike Commander und Lands of Lore bis dann zum Jahreswechsel 93/94 mit Doom das Egoshooterzeitalter endgültig zündete.

Wirklich tot war der Amiga natürlich auch dann noch nicht (er lebt noch heute mit vielen Neuerscheinungen), alleine in 1993 erschienen noch Ambermoon, Dune, Die Siedler, Eishockey Manager, Flashback, Lemmings 2, Lionheart und Turrican 3. Doch die große Menge an Neuerscheinungen aus den Vorjahren wiederholte sich nicht mehr und auch die Konvertierungen und generelle Unterstützung der großen amerikanischen Studios nahmen ihr Ende.

In meinem persönlichen Gedächtnis bleibt Chaos Engine damit der letzte große Höhepunkt meiner damaligen Amiga-Zeit. Aber was für ein Abgang uns die Bitmap Brüder damals bescherten! Höchste Zeit, dem Spiel in einer Folge des Nerdwelten-Podcasts ausreichend zu huldigen. Viel Spaß beim Hören!

ChristianGerrit LudwigAndreTobi

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7 Antworten zu „The Chaos Engine oder: Die letzten Monate vor meinem “Sommer des PCs”“

  1. Avatar von Ralph
    Ralph

    Sehr schöne Erinnerungen, die du mit deinem Artikel hervorgerufen hast. Vielen Dank dafür. 😊

    Ich hatte mir tatsächlich damals noch Indy 4 für meinen Amiga 500 zu Weihnachten schenken lassen, ein Spiel, auf das ich hingefiebert hatte wie auf kaum ein anderes. Ich meine auch heute noch den Geruch nach dem Öffnen der Verpackung wahrzunehmen, wenn ich nur daran denke. Aber leider kommt dabei auch das Gefühl der Enttäuschung hoch, das sich beim Spielen ausbreitete, da das Spiel unfassbar schlecht lief. Natürlich habe ich es trotzdem durchgespielt, aber dennoch läutete diese Erfahrung in meinem Kopf das Ende meiner Amiga-Zeit ein – und im Jahr 1996 erfolgte dann auch bei mir der Schritt in die PC-Welt… mit einem Pentium 90, den ich mir mit meinen beiden Geschwistern teilen musste. 🙈

    Tobi
    1. Avatar von Daniel Cloutier

      Danke für die Indy 4 Erinnerung. 😀 Ich meine mich noch daran zu erinnern, dass man auf dem Markt beim hin- und herlaufen jeweils einen Diskettenwechsel hatte. Grausig. Bei MI2 hatte sich LucasArts bei der Konvertierung noch deutlich mehr Mühe gegeben, trotz der gleichen Menge an Disketten.

      Tobi
    2. Avatar von Tobi

      Danke für deine (und gesprochen auch Hardy’s) Zeitreise, Daniel! Dass ausgerechnet Chaos Engine deine Weggabelung weg vom Amiga markiert, ist nicht der schlechteste bleibende Abschluss 🙂 Ich hab das Spiel geliebt und einige Male durchgespielt. Von Chaos Engine hatte ich sogar noch die AGA Version und die für das CD32. Den Bitmap Brothers Stil mochte ich sowieso generell, besonders der markante Grafikstil stach immer sofort ins Auge. Dennoch gefiel mir das „Original“ vom Amiga 500 dann noch am besten. Das „Bunt“ der hübscheren 256 Farben Versionen (theoretisch jedenfalls, falls die überhaupt alle verwendet wurden) wollte mir irgendwie nicht zum leichten Steampunk Szenario von CE passen.
      Spielerisch war CE ein, wie ich fand, sehr unterhaltsam. Die oftmals treibende Musik (im Wald jedenfalls, an mehr kann ich mich gerade nicht erinnern) tat der Atmosphäre gut.

      Chaos Engine 2 war dann später für mich eher eine Ernüchterung, denn spielerisch war es gefühlt für mich irgendwie total anders (und seeehr bunt!). Ich kann mich aber nicht mehr erinnern, woran das lag :

      Dune 2 und Syndicate gab es ja auch am Amiga, aber natürlich in abgespeckter Form. Bei einem Schulfreund haben wir manchmal Wing Commander am PC gespielt, leider war die Amiga Disk Version hardwarebedingt unter aller Kanone. Erst die CD32 Version später stellte sich als recht ebenbürtig heraus, diese ließ sich übrigens auch auf Festplatte am Amiga 1200 installieren 😀
      Aber stimmt schon, als Amiga Nutzer guckte man zu der Zeit langsam aber sicher in die Röhre, denn trotz Soundblaster- & Rolandgedudel flog der PC in Sachen Spiele & Möglichkeiten dem Amiga mit Nachbrenner (beinahe wortwörtlich) davon. Mein bester Freund hatte für viel Geld einen 486DX2-66 gekauft und ich staunte nicht schlecht über die Syndicate Version dort, das Voxel-Commanche oder den Origin-hauseigenen Wing Commander Klon ohne Weltraum: Strike Commander.
      Ich blieb der Wechselorgien (Indy 4 & MI2) noch etwas treu, wechselte dann aber später in das Konsolen Lager und hatte erst 2001 meinen ersten PC (wenn man weglässt, dass der Schneider CPC6128 ja auch irgendwie ein PC war ^^ )

      1. Avatar von Daniel Cloutier

        Als wir in die Vorbereitungen für https://nerdweltenpodcast.com/2020/12/18/folge-95-syndicate-1993/ eingestiegen sind, war ich mir Anfangs gar nicht mehr sicher, ob ich das nicht doch noch auf dem Amiga gespielt habe. Ein Screenshot reichte aber und ich wusste, dass ich nur auf DOS das Persuadertron eingesetzt hatte.

        Tobi
        1. Avatar von Tobi

          Wenn ich mich recht erinnere, ging das am Amiga ebenfalls, nur die Framerate näherte sich bei einer gewissen Anzahl „überzeugter“ Personen *räusper* einer Slideshow. Aber Auflösung und Farben trieben mir die Röte ins Gesicht, wenn ich das dann bei meinem besten Freund am PC spielte… 😉

          1. Avatar von Daniel Cloutier

            Ich meinte damit, dass ich das nur auf DOS einsetzte, weil ich nur DOS gespielt habe 😁

            Tobi
            1. Avatar von Tobi

              Hab ich auch so verstanden 😀