Wenn ich in der Zeit zwischen den Jahren zurückdenke, dann ist mir ein sehr prägender Winter Ende 1990 im Gedächtnis geblieben. Bislang kannte ich aus meiner Familie nur einen geerbten Commodore 64. Das träge Gerät mit Datasette war allerdings für einen kleinen Jungen wie mich wenig einsteigerfreundlich.
Natürlich war ich froh, „etwas“ zu haben, was Farben auf dem Bildschirm zaubert, aber das minutenlange Warten, bis überhaupt endlich was angezeigt wird, die Befehle, um ein Spiel zu starten, das war doch recht gewöhnungsbedürftig. Aber das sollte sich ändern…
So waren wir Ende des Jahres 1990 zu Besuch bei der Familie und meinen beiden Cousins. Es war tiefster, verschneiter Winter. Schnell wurde mir das Haus vorgestellt, dazu mein Schlafplatz. In einem Zimmer stand ein Amstrad CPC, der mich doch sehr an meinen C64 erinnerte: langsam, schwerfällig, Tastatur mit unzähligen Tasten, keine Ahnung, wie man was bedienen konnte. Aber dann war da noch das zweite Gerät. Ein Nintendo Entertainment System, kurz NES, mit einem einfachen Controller, der erstaunlich gut in der Hand lag – vor allen Dingen die Tasten erschienen mir sehr präzise.
Bilder von damals habe ich leider keine mehr. Aber ich war 2019 in der Lage, welche von dem Original-Gerät zu machen, an dem wir gespielt haben. Leider ist vieles von damals nicht mehr da und die Konsole funktioniert auch nicht mehr. Aber sofort kamen mir die Erinnerungen wieder hoch.
Nach dem Abendessen, was in Frankreich gut und gerne mal bis 22 Uhr geht (oder noch später), sind wir hoch ins Zimmer und mein Cousin meinte: „Komm, ich zeig dir mein Nintendo…“ Ich hatte davon aus der Werbung gehört und ein paar Freunde hatten eines, was ich leider nur sehr kurz sehen durfte.
Als wir davor saßen, sah ich erst einmal über 20 Spiele, gestapelt unter dem kleinen Fernseher. Ich fand Popeye sehr lustig (das war eines der Spiele, die ich über die weiteren Tage auch allein gut spielen konnte). Dazu natürlich Super Mario Bros. und der faszinierende Nachfolger. Es gab so viel zu entdecken: ein Turtles-Spiel, ein Spiel namens Castlevania, ganz neu Batman – das Videospiel. Düster, dunkel und schwer.
Mein Cousin zeigte mir im Schnelldurchlauf ein Spiel nach dem anderen und ich war völlig hin und weg: Es gab absolut keine Ladezeiten, einfach Spiel rein, POWER-Taste drücken, fertig! Rygar ertönte mit wunderbaren Melodien, die Grafik war „viel besser“ als auf dem C64, das Scrolling flüssig… Ich kannte das sonst nur aus der TV-Werbung und konnte mich daran nicht sattsehen, aber jetzt, im Real Life, einfach nur WOW. Oder um SMB2 zu zitieren: POW!
Dabei fiel mir ein Modul auf, ein goldenes namens „Zelda“. Es war mittlerweile 3 Uhr in der Nacht. Hätte man mich gefragt, wieviel Uhr es war, ich hätte gesagt, halb 11. Aber nein, wir spielten schon seit 5 (!) Stunden. Sein Bruder war schon längst im Bett und ich starrte immer noch völlig fasziniert auf den Bildschirm.
Nach dem Spielstart sah man einen kleinen Wicht auf dem Bildschirm, den man in alle Richtungen steuern konnte. Und dann war da eine Höhle. Mit einem Zauberer drin, der einem ein Schwert gab. Das konnte sogar schießen! Und es ging in alle Richtungen weiter, oben, unten, links, rechts, es gab weitere Höhlen, Monster, Flüsse, Berge… Unfassbar, weil dies natürlich implizierte, dass es scheinbar überall in dieser Welt Dinge zu entdecken gab!
Dann ging die Tür auf und meine Mutter und meine Tante kamen rein. Ziemlich verdutzt wurde gefragt, warum wir denn noch nicht schlafen würden?! Ich entgegnete nur, dass wir gerade Zelda spielen, dass wir in einem Dungeon sind und es noch anschauen wollen. Nichts da, das Gerät wurde sofort ausgeschalten und ab ins Bett, es war viel zu spät. Da ich wirklich müde war, konnte ich trotz aller Gedanken schnell einschlafen… Wann war ich sonst schon bis halb 4 in der Nacht wach?
Die nächsten Tage verflogen wie im Flug. Entweder waren wir draußen im Schnee oder wir saßen vor dem NES. Natürlich wollte ich wissen, wie es in Zeldas Welt weiterging. Es gab einen Speicherstand mit sehr vielen Herzen und der Held namens Link konnte zusätzliche Waffen verwenden wie beispielsweise einen Boomerang oder einen Zauberstab. Unbeschreiblich die Vorstellungskraft, was in dieser Welt möglich war, das hatte ich bisher nie so erlebt. Die wenigen Male bei Freunden saßen wir vor Super Mario Bros., was schon sehr lustig war, aber Zelda wirkte einfach gigantisch groß! Leider war unser Besuch bald zu Ende und ich trat die Heimreise an.
In Gedanken war ich weiterhin in der Welt von Hyrule. Ich zeichnete zu Hause meine eigenen Maps, Monster und Waffen, so, wie ich zuvor bei Gauntlet II gemacht hatte (eine anderes, schönes Erlebnis mit einem Atari ST aus dem vorherigen Sommer, dass ich bald mal als Blogpost festhalten möchte). Leider sind diese „Kunstwerke“ nicht mehr für die Nachwelt archiviert. Aber ich weiß noch genau, wie sehr mich diese scheinbar unendlich große Welt fasziniert hat. Dabei war es eigentlich recht übersichtlich nach heutigen Maßstäben. Aber damals wirkte es tatsächlich wie eine ganze Welt voller Gefahren und Abenteuer.
Zuhause entwickelte sich 1991 eine richtige NES-Manie. Viele Freunde hatten die Konsole jetzt und wir hüpften durch Marios Welten oder schossen gemeinsam in Probotector Aliens ab. Was ich allerdings nie wirklich selbst spielen konnte, war Zelda. Manchmal kämpften wir einen Nachmittag zusammen durch die Welt von Hyrule, nur Zuhause fehlte ein eigenes NES.
Als dann Mega Drive und SNES dominierten, verflog der Zauber und auch wenn „The Legend of Zelda“ als Klassiker gefeiert wurde, reizte es mich nicht mehr so, wie zu Beginn der 8-Bit-Ära: „A Link to the Past“ und später „Ocarina of Time“ wirkten Lichtjahre fortschrittlicher und so geriet das alte Zelda in einen Schlummerschlaf.
Bis zum Jahr 2021, als die Game-&-Watch-Zelda-Neuauflage erschien. Kaufgrund war für mich eher das famose „Link’s Awakening“, aber ich spielte natürlich auch wieder in „The Legend of Zelda“ rein. Zwar hatte ich das Spiel schon auf dem NES-Mini, aber nie wirklich weit gespielt, immer nur bis zum ersten Dungeon. Arg viel mehr erschloss sich mir nicht, irgendwo „unten rechts“ war zwar das 2. Dungeon, aber für mich waren viele Erinnerungen aus grauer Vorzeit verblasst. Also kramte ich die alten Nintendo-Hefte wieder hervor und erinnerte mich an Diskussionen auf dem Schulhof und das Ausprobieren im Spiel.
Mit dem G&W fing ich an, mich wieder mehr mit dem Spiel zu beschäftigen. Dabei erinnerte ich mich an diese prägende Nacht im Winter 1990. Und von Herzcontainer zu Dungeon faszinierte mich 8-Bit-Hyrule immer mehr und mehr. Hier gab es tatsächlich so viel zu entdecken. Ich wusste, mit der Kerze konnte man bestimmte Sträucher „runterbrennen“, um Höhlen zu finden. Rund um den Friedhof gab es sehr schwere Gegner und die Feen-Orte waren schnell wieder gefunden.
Mittlerweile spielte ich aber nicht mehr allein, sondern hatte zwei (kleine) Zuschauer, die sich brennend für Zelda interessierten! Wir hatten gemeinsam schon „Link’s Awakening (DX)“ durchgespielt und auch das fantastische „A Link to the Past“. Und trotzdem wollten wir alle drei wissen, was noch so in Links 8-Bit-Abenteuer passiert! Da das Ganze aber etwas unkomfortabel zu spielen war, wechselten wir auf den großen Screen, zum NES-Mini.
Zwar konnten wir den Spielstand nicht importieren, aber irgendwie wirkte die Welt „in groß“ mächtig interessant. Und so spielten wir schnell wieder an die Stelle vom G&W – und… in vielen Etappen, bis zum Ende! Als der Abspann runterscrollte wurde mir bewusst: Ich habe das Spiel nach fast 32 Jahren endlich abgeschlossen. Und das nicht allein, was die Sache noch viel spaßiger machte, weil gemeinsam rätseln und mitfiebern einfach seinen eigenen Reiz hat. Ok, die Savegames halfen ein wenig mit, auch wenn der Schwierigkeitsgrad mit der richtigen Taktik und dem richtigen Guide (zum Glück) nicht zu hoch war.
So konnte ich diese Erfahrung endlich abschließen und ich bin nach wie vor fasziniert von diesem 8-Bit-Oldie. Natürlich sind die Nachfolger „besser“. Aber wenn man bedenkt, wie alt das Spiel ist und welchen Einfluss es auf heutige Spiele hat, so finde ich es schon sehr beeindruckend, was Nintendo und vor allen Dingen Shigeru Miyamoto in diese wenigen Kilobyte gepresst hat (128 um genau zu sein).
Was bleibt, ist die Erinnerung an damals, verbunden mit dem Gefühl, diese alte Perle tatsächlich zu Ende gebracht zu haben. Und es gibt ja noch mehr, die Hacking-Szene spült einen ROM-Hack nach dem anderen heraus und Zelda ist eine der größten Spielemarken der Welt geworden.
So erinnere ich mich gerne zurück an damals und merke erst, wieviel es mir bedeutet, diese Erfahrungen gemacht zu haben. Eine unvergessliche Geschichte ist damit zu Ende – und doch lebt die Erinnerung weiter, denn neue Generationen werden Zelda ebenfalls neu entdecken. Wie ich damals, vor über 30 Jahren.
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