The Painscreek Killings ist die Erfüllung all meiner Krimi-Mystery-Spiel-Träume, von denen ich bisher gar nicht wusste, dass ich sie hatte. Oh, bin ich gerade mit der Tür ins Haus gefallen? Sorry, ich komm noch mal rein.
„The Painscreek Killings“ ist ein im Krimi-/Mystery-Genre angesiedeltes First-Person-Spiel des Entwicklers und Publishers EQ Studios aus dem Jahre 2017. Als Journalistin namens Janet werde ich in das beschauliche kleine Örtchen Painscreek geschickt, um für einen Artikel zu recherchieren. Einst war der Ort ein lebhaftes Kleinod mit geschäftigen und engagierten Einwohner*innen. Heute steht das gesamte Areal kurz vor dem Verkauf und niemand lebt mehr dort.
Was ist geschehen?
Alles begann mit dem Mord an Vivian Roberts, der Ehefrau des Bürgermeisters. Sie wurde eines Morgens tot aufgefunden – aber ihr Mörder offiziell nie gefasst. Deshalb bin ich nun hier. Bevor das Gelände veräußert wird und den Klauen der Abrissbagger zum Opfer fällt, soll ich mich durch das zurückgelassene Hab und Gut wühlen und rekonstruieren, was geschah. Es ist die womöglich letzte Chance, doch noch herauszufinden, welche Kette von Ereignissen zum Mord an Vivian und sukzessive zum Zerfall von Painscreeks engmaschig geknüpfter Gemeinschaft führten. Nach und nach enthülle ich dabei die kleinen und großen Geheimnisse hinter den idyllisch wirkenden Fassaden dieser Kleinstadt.
Während sich die Geschichte um mich herum entfaltet, verstärkt sich außerdem das stete Gefühl, dass ich möglicherweise nicht so alleine und unbeobachtet bin, wie ich anfangs dachte. Überbordende Fantasie? Zu viele schlechte Gruselfilme geschaut? Berechtigte Skepsis? Wir werden sehen.
Ich wandere von Schauplatz zu Schauplatz, durchstöbere Häuser, sammle Hinweise. Das wirkt erst einmal nicht nach einem innovativ neuen Spielkonzept. Aber was „The Painscreek Killings“ hier anders macht als andere Spiele und damit so besonders, ist die Tatsache, dass es mich nicht an die Hand nimmt und brav und linear durch das Geschehen führt. Oh nein, wenn ich dieses Rätsel lösen möchte, muss ich meinen Grips schon selber anstrengen.
Alles, was ich habe, sind eine Karte des Ortes, eine Kamera und jede Menge Platz in meiner Tasche, um gefundene Schlüssel, Notizen und Tagebücher der ehemaligen Bewohner*innen zu sammeln.
Was ich nicht habe, ist jedoch viel entscheidender: Hilfe vom Spiel in auch nur irgendeiner erdenklichen Form. Kein Journal, in dem meine Figur die wichtigen Ereignisse und Schlüsse auf das Geschehen wie von Geisterhand selbst zusammentragen würde. Keine Questmarker und keine Wegmarkierungen auf meiner Karte – mir wird nicht einmal angezeigt, wo ich mich selbst gerade befinde. Keine gut gemeinten Hinweise, wenn ich irgendwo nicht weiterkomme.
Nein, das Spiel lässt mich vollkommen alleine. Und so frustrierend, wie das manchmal sein kann, wenn ich denselben Ort zum vierten Mal durchsuche, oder zum zehnten Mal die Notizen und Tagebücher durchblättere, weil irgendwo doch noch etwas sein muss, das mich weiterbringt… so immersiv macht es das Spiel auch, obwohl oder gerade weil es nichts für mich tut.
Ich sitze also mit meinem Notizbuch vor dem PC und schreibe fleißig alle mir wichtig erscheinenden Erkenntnisse händisch auf (das Erstellen eigener Notizen wird zu Beginn vom Spiel selbst sogar explizit empfohlen). Ich erstelle Mindmaps, notiere, was ich über Charaktere weiß und in welcher Beziehung sie zueinanderstanden.
An einem Punkt im Spiel habe ich ein Aha-Erlebnis und kritzele ganz aufgeregt eine meiner zentralen Thesen auf das Papier, unterstreiche sie sogar mehrfach und versehe sie mit Ausrufezeichen und diversen Pfeilen. Später soll ich dann erfahren, dass ich tatsächlich Recht mit dieser Vermutung hatte. Die Freude darüber, mein euphorisch ausgerufenes „Ich wusste es!“, ist einer der Momente, die mir am besten in Erinnerung geblieben sind, obwohl es bereits eine ganze Weile her ist, dass ich „The Painscreek Killings“ gespielt habe.
Wie im Digitalen, so im Analogen?
Selten war ich so gefesselt von einem Spiel, in dem man im Grunde die meiste Zeit nichts anderes tut als lesen. Die Story ist angenehm komplex und die Charaktere vielschichtig ausgearbeitet. Es fühlt sich so an, als könnte all das genau so in der Realität geschehen. Als könnte ich wirklich diese Journalistin auf der Suche nach der Wahrheit sein.
Wenn ich das Spiel vom Bildschirm in die wirkliche Welt umsiedeln könnte, würde alles immer noch genauso funktionieren. Ich hätte immer noch eine Kamera, ein Notizbuch und eine Karte des Ortes und sonst nichts als meinen eigenen Verstand, um herauszufinden, welche finsteren Geheimnisse Painscreeks ehemalige Bewohner*innen hüteten.
Ich würde genauso planlos durch die teils verwinkelten Gassen der Kleinstadt stolpern, weil ich mal wieder die Karte falsch gelesen hätte. Ich würde meine Kamera zücken und Dinge fotografieren, die mir später hilfreich werden könnten oder nicht das Mindeste bedeuteten. Ich würde mit einem leicht bedrückenden Gefühl in den Häusern und vergangenen Leben fremder Menschen herumschnuppern, ihre Schubladen durchwühlen und frustriert die möglichen Zahlenkombinationen für ihre Safes durchprobieren.
Was bleibt noch zu sagen?
„The Painscreek Killings” hat für mich einen einzigartigen Charakter und traut sich, den*die Spieler*in loszulassen, auch auf die Gefahr hin, dass manche sich vielleicht verzetteln und ohne fremde Hilfe an der ein oder anderen Stelle in eine Sackgasse geraten. Die Geschichte ist komplex und verwoben genug, um bei Laune zu halten, und bringt die Wahrheitssuchenden auch gerne mal absichtlich vom Pfad ab. Die dichte Atmosphäre trägt dazu bei, dass mensch sich trotz (oder wegen?) der vermeintlichen Leere der Stadt nie so ganz in Sicherheit wiegt.
Ich kann „The Painscreek Killings” daher wirklich allen, die auf Krimis und Mystery stehen und keine Angst vorm Lesen, Lesen und Lesen haben, nur wärmstens empfehlen. Und jetzt entschuldigt mich bitte, ich muss irgendwo eine Geisterstadt kaufen und ein Live-Action-Whodunit inszenieren.
Schreibe einen Kommentar