Der Tod ist ein Sensenmann – warum nicht eine Kampfdrohne, ein Virus oder wenn es schon ein Skelett sein muss, warum nicht eines mit einer AK-47? Über die Herkunft und die (Kunst)-Geschichte von Gevatter Tod und sein Auftauchen in Spielen – als Antagonist, Protagonist oder einfach als Seelenabholer.
Grüß Gott, ich bin der Tod
Schädel, Kutte, Sense – Wenn wir im Game diese drei Accessoires in einer Gestalt vereint sehen, wissen wir gleich: Jetzt wird es ernst. Auf dem ganzen Globus ist der Sensenmann ein universelles Symbol. Dabei ist diese Darstellung eigentlich eine rein europäische. Die Grundidee des sensenschwingenden Freund Hein stammt aus der Bibel. Im Buch Jeremia heißt es: „Der Tod ist durch unsre Fenster gestiegen, eingedrungen in unsre Paläste. […] Die Leichen der Leute liegen wie Dünger auf dem Feld, wie Garben hinter dem Schnitter; keiner ist da, der sie sammelt.“ Der Tod ist zwar auch einer, der durchs Fenster klettert, aber eigentlich ein ganz normaler Feldarbeiter. Und als solchen bilden ihn die Kunstschaffenden im späteren Mittelalter ab – wobei das allerdings nur schriftlich aus dem 13. Jahrhundert überliefert ist. „Der Tod wird in der Gestalt des Menschen mit einer Sense dargestellt.“ schreibt der Mönch Caesarius von Heisterbach in seinem Dialogus miraculorum, einem umfassenden Werk über Gott und die Welt.
Vorher war der Tod, wie etwa im Tiberius-Psalter aus dem 11. Jahrhundert, als Widersacher Christi, also als Dämon oder Teufel dargestellt worden. Wobei die biblische Herleitung natürlich nicht die einzige ist. Denn auch der griechische Göttergroßvater Kronos trägt als Gott des Ackerbaus eine Sense und wird später mit dem Gott der Zeit, Chronos, zusammengeschmissen. Ab dem 14. Jahrhundert stellen die Menschen Kronos/Chronos als Personifikation der Vergänglichkeit mit Sichel und Stundenglas dar. Auch wenn sich die große Sense und die eher handliche Sichel deutlich unterscheiden, werden sie gerade bei Todespersonifikationen noch lange austauschbar verwendet. Die fleischliche Hülle – göttlich oder sterblich – verliert der Sensenschwinger gegen Ende des Mittelalters. Dazu bei trägt vermutlich das kollektive Trauma nach dem Schwarzen Tod, der großen Pestepidemie im 14. Jahrhundert und die Allgegenwart toter und verwesender Leiber bei.
Der Sensenmann im Kartenspiel
In dem Spielkartenset aus dem 15. Jahrhundert, das unter dem Namen Visconti-Sforza-Trionfikarten bekannt ist, findet sich die Karte des Todes: Ein Skelett, teilweise mit Haut überzogen und noch nicht mit einer Sense sondern einem Bogen in der Hand. In der Renaissance finden Mähgerät und Gebein zusammen und das Schnitter-Skelett wird ein beliebtes Element auf prächtigen Grabmälern. Bis zur schwarzen Kutte vergehen ein paar Jahrhunderte: Noch ist der Sensemann ziemlich blank. Außer Knochen, etwas Haut und manchmal Innereien, trägt er nichts. Später kommt ein Leichentuch dazu, das sich über die Jahrhunderte erst zum Umhang und dann zur bekannten schwarzen Kutte entwickelt. Möglicherweise bekleiden die schon sprichwörtlich prüden Viktorianer den nackten Tod, vielleicht ist der verhüllende Mantel ein künstlerischer Trick, um ein aufwendiges Modellieren der Knochen zu vermeiden. Im 20. Jahrhundert hat sich die Ikonographie von Schädel, Sense und Kutte verfestigt und findet ihren Weg über Filme in die Videospiele.
Tödliche Pixel
Den frühesten Auftritt hat der Sensenmann wahrscheinlich in Paper Boy von 1984. Als Hindernis stellt er sich dem titelgebenden Zeitungsjungen in den Weg – und kann einfach umfahren werden. Ein deutlich aktiverer Tod tritt in Castlevania von 1986 auf: Als Diener Draculas ist er der letzte Boss vorm bösen Grafen. Optisch ist Castlevanias Tod an barocke Darstellungen angelehnt und besiegelt den Trend zum Grim Reaper im Game. Spielerisch ist er eine Herausforderung, die oft zum Game Over führt. 1997 galoppiert ein fast schon düreresker Tod als Reiter der Apokalypse durch Hexen II. Ein Jahr später, im Adventure Grim Fandango, wird der Sensenmann Manuel „Manny“ Calavera (der privat lieber Anzug trägt) zum wohl ersten spielbaren Schnitter. Seine Aufgabe, das Abholen der Seelen Verstorbener, übernimmt ab 2000 in The Sims ein Sensenträger namens Mephisto Schauder. Apropos Sensenträger: Bei Stardew Valley finden Spielende eines der besten Erntewerkzeuge, die goldene Sense, in den Händen einer Schnitter-Statue. Aber die harmlose Ernte bleibt die Ausnahme im weiten Feld des Game Designs. In Darksiders II von 2012 zum Beispiel ist der Protagonist der Tod persönlich und legt natürlich jede Menge Gegner um.
Aber meistens kriegt der Tod in Games selber Senge. In Dante’s Inferno von 2010 ist er der erste Zwischenboss, als Todesengel Malthael ist er in Diablo III: Reaper of Souls der Endgegner. Manchmal wird das grundlegende Design stark erweitert, etwa bei Gravelord Nito in Dark Souls: Ein ganzer Haufen Gerippe in einer schwarzen Schattenrobe, der ein mit Knochen verziertes Sichelschwert schwingt. Und hin und wieder wird auch der Sensenmann wieder fleischlich, etwa wenn er als Thanatos im Rogue-like Hades auftaucht. Er und die anderen Pixeltode, die Abkömmlinge einer langen Reihe von Göttern, Dämonen und Engeln sind Momentaufnahmen einer über 2000 Jahre alten Kunstgeschichte, die sich immer weiter entwickelt.
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